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Zur DOSB-Ablehnung: Tencent gehört der eSport

Chinesisches Unternehmen statt Verband

Zur DOSB-Ablehnung: Tencent gehört der eSport

Das Unternehmen Tencent verleibt sich immer mehr Anteile an eSport-Unternehmen ein. Da wollte der DOSB nicht mitmachen.

Das Unternehmen Tencent verleibt sich immer mehr Anteile an eSport-Unternehmen ein. Da wollte der DOSB nicht mitmachen. kicker eSport

Nachdem der DOSB dem eSport als Sportart gerade eine klare Absage erteilt hat, ist die Branche in Aufruhr. Nicht verstanden hätte der Deutsche Olympische Sportbund die Zeichen der Zeit, heißt es oft. Aber ist das wirklich so? Fakt ist, dass der DOSB diverse Punkte anführt, von denen viele nicht einfach von der Hand zu weisen sind. Zugegeben, es wird schwieriger sich mit den Argumenten eines mächtigen Verbandes auseinanderzusetzen, wenn der einfach den Namen einer weltweiten Branche ändern will, um diese so in unterschiedliche genehme und nicht genehme Teile aufzusplitten.

Zu kommerziell gesteuert

Ein Punkt bedarf allerdings durchaus näherer Betrachtung. Die Ablehnung des DOSB liest sich an einem Punkt zunächst so, als würde der Verband die Kommerzialisierung des eSports bemängeln. Dagegen setzten Mitglieder der Szene natürlich gleich die Fußballbranche, die beispielsweise astronomische Preise für Trikots aufruft oder Werbeverträge mit Adidas schließt. Bei näherer Betrachtung geht es dem DOSB aber vor allem um einen ganz anderen Fakt: Die Verbände, wie der eSport-Bund Deutschland (ESBD), haben kein Mitspracherecht, wenn es um Regeln oder Modalitäten der einzelnen Disziplinen geht.

Ein DFB kann in Deutschland jederzeit neue Regelungen für die eigenen Fußball-Ligen einführen, als Verband hat er die Macht dazu. Er kann Wechselmöglichkeiten erhöhen, oder die Torlinientechnik verbindlich machen. Der eSport-Verband kann das nicht, und zwar in keiner Disziplin.

Allerhöchstens höflich fragen kann der ESBD und Meinungen von Spielern einsammeln, aber die Macht halten andere in der Hand: Große Unternehmen. So ist es in FIFA beispielsweise ausschließlich EA, das über Patches oder neue Iterationen des Spiels beispielsweise das Wechselkontingent heraufsetzt, oder die die Modalitäten einer qualifizierenden Weekend League ändern könnte. Genau das ist auch mit FIFA 19 geschehen: Weniger Spiele, weniger Gewicht. Der ESBD hatte damit mutmaßlich nichts zu tun.

Riot und Blizzard nutzen Macht

Schaut man sich dagegen ein mächtiges Riot Games oder Valve und Blizzard an, wird schnell klar, dass hier ganz andere Verhältnisse herrschen. Riot baut erst nach viel Druck der Teams die zwei größten eigenen Ligen um, der Umbau aber geschieht in Eigenregie. Blizzard verändert in der Contenders Liga in Overwatch zum Saisonstart die Modalitäten und fügt der OWL ein paar neue Mannschaften hinzu. Man überlege sich dieses Vorgehen mal am Beispiel einer Bundesliga. Da käme erstmal einiges an Widerstand aus Verbänden und Vereinen.

Einem gehören Teile von allen

Das Ende der Fahnenstange ist damit allerdings noch nicht erreicht. Denn es gibt ein Unternehmen, dem ein Großteil des eSports gehört. Dieses Unternehmen hat seinen Sitz in China und wurde groß mit dem Messenger WeChat. Tencent hat seine Finger bei fast allen wichtigen eSport-Entwicklern im Spiel, manchmal nur mit kleinen 5-Prozent-Beteiligungen, manchmal mit Exklusivrechten für China oder Mehrheitsbeteiligungen. Und manchmal gehört ihnen auch das ganze Spiel. League of Legends und Riot Games sind Eigentum des Techriesen, genauso wie Epic Games und Fortnite. Bei Blizzard hält Tencent 12 Prozent, bei Rocket League, Clash Royale und World of Tanks sind es sogar 84. Einzig bei Valve hat sich das Unternehmen noch nicht eingekauft. Das hat die GamesWirtschaft im März 2018 recherchiert.

Unternehmen statt Verbände

Genau hier greift die Argumentation des DOSB: Nicht Sportverbände oder Mitglieder entscheiden über Regeln, Turniere und Ligen, sondern wirtschaftsorientierte Unternehmen, genauer gesagt ein Unternehmen. Auch wenn der DFB durchaus profitorientiert ist, letztlich entscheiden hier Landes- und Kreisverbände mit Mitgliedern über die Zukunft des deutschen Fußballs. Damit der Kommerzialisierungs-Punkt auf der Ablehnungsliste des DOSB verschwinden würde, müsste eine Interessensvereinigung wie der ESBD zunächst mit den Spieleherstellern einen größeren Verband gründen, der mit Macht ausgestattet wird. Das dürfte allerdings am Widerstand der Unternehmen scheitern, die kaum ihre Entscheidungshoheit abgeben werden. In diesem Lichte betrachtet, sollte die Entscheidung des DOSB niemanden mehr wundern.

Holm Kräusche