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Brief [1]

[410] Brief (v. lat. breve, »kurzes Schriftst�ck«), im gew�hnlichen Leben eine schriftliche Mitteilung in herk�mmlichen Formen an Abwesende. Gesetzlich ist der Begriff B. wegen der in der Rechtsprechung des Reichsgerichts vorkommen den verschiedenen, sogar einander widersprechenden Definitionen des Begriffs B. nicht festgelegt (vgl. Dambach, Das Gesetz �ber das Postwesen des Deutschen Reiches, 6. Aufl., Berl. 1901). Im postalischen Sinne wird als B. jede Sendung angesehen, die den von der Postverwaltung erlassenen Bestimmungen �ber die �u�ere Beschaffenheit und das Gewicht der als Briefe zu bef�rdernden Sendungen entspricht. Mit Bezug auf den Postzwang unterscheidet die Post verschlossene und offene Briefe; zu den letztern geh�ren Postkarten, Drucksachen, Gesch�ftspapiere und Warenproben sowie auch Postanweisungen, zu den erstern die Kartenbriefe. Postalisch kann sogar ein verschlossener Umschlag mit einem leeren Papier als Inhalt, ja ein ganz leerer, verschlossener Umschlag, selbst wenn er keine Aufschrift tr�gt, als B. angesehen werden. Da das Meistgewicht eines Briefes durch die Postordnung (s.d.) im innern deutschen Verkehr auf 250 g festgesetzt[410] ist, sind schwerere Sendungen, auch wenn sie im landl�ufigen Sinne Briefform haben, nicht poftzwangspflichtig, wohl aber im Weltpostverkehr, da f�r Briefe nach andern L�ndern des Weltpostvereins eine Gewichtsgrenze nicht vorgeschrieben ist.

[Geschichte des Briefes.] Die Existenz von Briefen kann man �berall da voraussetzen, wo man zur Erfindung der Schrift gekommen ist. �ber die Briefe der alten orientalischen V�lker ist wenig bekannt; immerhin wurde doch auch damals eine Briefetikette beobachtet. Von �ltesten Briefen, die in der antiken und orientalischen Literatur erw�hnt sind, seien der des Inderk�nigs Strabobates an Semiramis, der Davids an Joab (Uriasbrief), der des K�nigs Pr�tos von Argos an den K�nig von Lykien genannt. Im klassischen Altertum bildete sich schon ein ziemlich umfangreicher Briefverkehr heraus. Die uns erhaltenen griechischen Briefe sind freilich gr��tenteils unecht, geschichtlichen Gr��en untergeschobene rhetorische �bungsst�cke (vgl. Westermann, De epistolarum scriptoribus graecis, Leipz. 1853–58, 9 Tle.). Eine vollst�ndige Sammlung griechischer Briefe gab Hercher 1873 heraus (»Epistolographi graeci«). Von den R�mern sind uns ebenfalls meist Briefe erhalten, die von vornherein f�r die �ffentlichkeit bestimmt waren. Nur Cicero gibt ein Bild des wirklichen Briefverkehrs, w�hrend Plinius und Seneca die Briefform f�r ihre Zwecke benutzten. Seit dem 2. Jahrh. n. Chr. wurde der B. eine eigne Stilgattung (Fronto, Symmachus, Sidonius, sp�ter Salvianus, Ruricius, Ennodius). Das Stilistisch-Formelle war bei Griechen und R�mern gleich. Bei beiden setzte der Schreiber des Briefes seinen Namen nicht unter den B., sondern in die �berschrift vor den des Empf�ngers. Bisweilen bemerkte man auch das Datum im B. Seit der Kaiserzeit, besonders am byzantinischen Hof, verlie� man allm�hlich die Einfachheit des klassischen Briefes und n�herte sich zun�chst in Staatsschreiben und endlich auch in der Privatmitteilung der Umst�ndlichkeit des neuern Briefstils. Sklaven und Freigelassene besorgten die Abfassung der Briefe und erhielten daher (a manu) den Namen amanuensis.

Von den christlich-lateinischen Briefschreibern wurde der B. z. B. f�r ihre seelsorgerische Wirksamkeit benutzt (Cyprianus, Lactantius, Ambrosius, Hieronymus, Augustinus). In allen L�ndern Europas blieb die Briefsprache im Mittelalter lateinisch. In den Kl�stern und �berhaupt von Geistlichen wurde das Briefschreiben eifrig betrieben. Die Geistlichen besorgten in jener Zeit auch in den weltlichen Dingen alle Schreibereien. Aus dieser Zeit sind namentlich Briefe geistlich-literarischen oder politisch-gesch�ftlichen Inhalts erhalten. Vgl. die Abteilung »Epistolae« der »Monumenta Germaniae«, Sammlungen der Papstbriefe (z. B. des Benediktiners P. Constant, 1721). Die Form der lateinischen Briefe wandelte sich im Mittelalter in mancher Beziehung, namentlich durch die christliche F�rbung der Formeln.

Erst gegen Ausgang des Mittelalters begannen die V�lker ihre nationale Sprache auch in Urkunden und Briefen langsam anzuwenden. In Deutschland ist der erste gr��ere Briefverkehr. in heimischer Sprache, der des Minnezeitalters, ein poetischer. Deutsche Prosabriefe haben aber so fr�h existiert, wie deutsche Urkunden. Im 14. Jahrh. treten uns dann Briefe in deutscher Prosa entgegen, die eine gro�e Beherrschung der Sprache zeigen, die der Mystiker. Erst allm�hlich begann auch der allgemeine Briefverkehr, dessen Charakter in jener Zeit ein gesch�ftlicher war, in deutscher Sprache gef�hrt zu werden. Aber der deutsche B. entstand durchaus aus dem lateinischen. Adresse, Anrede, Datum waren auch in deutschen Briefen h�ufig lateinisch. Im 15. Jahrh. wird der deutsche B. endlich die Regel. Regelm��ig stand am Anfang der Gru� oder die Diensterbietung, danach die Anrede, am Schlu� eine Empfehlung in Gottes Schutz oder abermals eine Diensterbietung. Auch sonst hat der B. durchaus etwas Schematisches, der Stil ist schwerf�llig und wesentlich Kanzleistil. Der B. diente in jener Zeit namentlich dem politischen und dem kaufm�nnischen Verkehr, dem geselligen und freundschaftlichen dagegen wenig. Das �nderte sich allm�hlich im 15. Jahrh. Einerseits ist ein bedeutender Stilfortschritt erkennbar (z. B. in den Briefen des Albrecht Achilles und seiner Gemahlin), anderseits verliert der B. den rein gesch�ftlichen Charakter. Den H�hepunkt der Entwickelung bezeichnet Luther. Aber den fernern Fortschritt hinderten die Wiederbelebung des lateinischen Briefes durch die Humanisten und das wieder st�rkere �berwuchern des Kanzleistils. Der nat�rliche Stil geht langsam verloren. Der gesellige Briefverkehr freilich, die Quantit�t und die H�ufigkeit der Briefe nimmt in dieser Zeit sehr zu. Mit dem 17. Jahrh. tritt dann eine immer unerfreulichere Entwickelung hervor. Am meisten f�llt die Ausl�nderei auf. Eine gro�e Zahl der deutschen Briefschreiber schrieb �berhaupt nicht mehr deutsch, sondern die Gelehrten schrieben lateinisch und die Vornehmen franz�sisch. Die deutschen Briefe aber wurden in jener franz�sisch-lateinisch-deutschen Mischsprache abgefa�t, die schon damals heftigen, freilich vergeblichen Widerspruch erfuhr. Um 1700 gab es rein deutsche Briefe �berhaupt nicht mehr. Auch waren Adresse, Anrede und Unterschrift in deutschen Briefen in der Regel franz�sisch. Der Stil steht unter dem Zeichen des Schwulstes. Ungeheures Gewicht wurde auf Formalien, Titel und Zeremonien gelegt. Man sah es ferner auf eine servile H�flichkeit ab; charakteristisch sind namentlich die Eing�nge der Briefe, die von �berh�flichen Entschuldigungen strotzen. Wenige Briefschreiber leisten Besseres, z. B. Wallenstein, Karl Ludwig von der Pfalz und namentlich die Mehrzahl der Frauen, bei denen die Nat�rlichkeit freilich meist mit Ungeschick verbunden ist. Insbesondere ragen die Briefe der sp�tern Herzogin von Orl�ans, Elisabeth Charlotte, hervor, zumal in ihnen zum erstenmal ein Plaudertalent, das in franz�sischen Briefen l�ngst allgemein war, sich zeigt. Vielfach vertritt der B. die Stelle der Zeitung. Es war daher in jener Zeit auch besonders wichtig, m�glichst gro�e Korrespondenz zu haben. Man dr�ngte sich aber zu solcher Korrespondenz mit einflu�reichen Leuten namentlich, um pers�nliche Vorteile daraus zu ziehen (Anwerbungsschreiben, �berh�fliche Anerbietungen der Korrespondenz). Sehr beliebt sind die Gru�briefe, inhaltlose Schreiben, nur um der Korrespondenz willen. Die servile Zeit vermehrte auch die Zahl der Gelegenheitsschreiben. Anderseits ist die Steigerung des Briefverkehrs auch auf ein gr��eres Bed�rfnis freundlichen Umganges zur�ckzuf�hren, es entwickeln sich die Anf�nge einer Briefliebhaberei, die wesentlich durch den Einflu� Frankreichs, wo die Briefstellerei l�ngst ein Hauptinteresse der Gesellschaft geworden war, bef�rdert wurde. Wichtig ist auch der sich gegen Ausgang des 17. Jahrh. entwickelnde Briefverkehr der Pietisten als Vorl�ufer der sp�tern empfindsamen Briefwechselei. Das Au�ere des Briefes ver�ndert sich in dieser Epoche infofern,[411] als der Gru� am Anfang allm�hlich abkommt; als Pronomen der Anrede tritt das Sie auf; die Empfehlung in Gottes Schutz weicht h�flichen Komplimenten; das Datum wird jetzt auch zu Anfang gesetzt. Die notwendige Besserung des Briefstils trat erst im zweiten Drittel des 18. Jahrh. im Zusammenhang mit der durchgreifenden �nderung im ganzen Geistesleben ein. Eine neue gebildete und nat�rliche Sprache beginnt in den Briefen zu herrschen; als erste Repr�sentantin darf Frau Gottsched angesehen werden. Gellert trat dann 1751 mit einer Sammlung wirklich geschriebener Briefe hervor, der er eine »Praktische Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen« voranschickte; er drang darin vor allen Dingen auf Nat�rlichkeit. Seine Schreibart (neben ihm ist Rabener zu nennen) war bald die Schreibart des gebildeten Publikums. Die Unsitte der franz�sischen Briefe blieb in den vornehmen Kreisen freilich noch lange bestehen; die Adressen, auch der deutschen Briefe, blieben bis in das 19. Jahrh. in der Regel franz�sisch. Dagegen geht die lateinische Korrespondenz der Gelehrten zur�ck. In eine neue Phase trat die Entwickelung des deutschen Briefstiles in der Sturm- und Drangperiode. Man suchte das Prinzip der Nat�rlichkeit in �u�erster �bertreibung durchzuf�hren. Am meisten �nderte aber den Stil der seit langem vorbereitete Durchbruch des Gef�hlslebens. Die �bertriebene Empfindsamkeit �nderte auch Ton und Inhalt der Briefe. Sie sollten ein Abdruck der Seele sein; nur Briefe voll Gef�hl schienen die rechten Briefe zu sein. Wertvoll ist diese neue Entwickelung namentlich dadurch, da� jetzt eine vollendete Individualit�t des Briefstiles erreicht ist. Hervorragend individuelle Briefschreiber sind Lessing, Merck, Claudius, Lichtenberg, Lavater, Goethe. Ausgezeichnete Briefe stammen von Frauen, z. B. von Eva K�nig. Charlotte Schiller und der originellen Frau Rat. Gleichzeitig gelangt der Briefverkehr zu einer neuen Steigerung. Das 18. Jahrh. ist das Jahrhundert des Briefes; es wird ein wahrer Briefkultus getrieben. Man schrieb viele und ungeheuer lange Briefe: der freundschaftliche Briefverkehr ist allgemeines Lebensbed�rfnis. Die Art solcher Briefe erhielt sich bis gegen 1848.

Italien kam zuerst zu einer nationalen Briefsprache. Auch hier kehrte, wie in den �brigen L�ndern, durch den Humanismus noch einmal der lateinische B. wieder (z. B. Petrarca), auf den man sogar besondere Kunst verwandte. Im �brigen charakterisiert den italienischen Briefstil anfangs K�nstlichkeit und Unnatur (Bembo, de la Casa). Erst Annibale Caro, Manuzio, L. Dolce, Bentivoglio, P. Aretino, Bernardo Tasso n�herten sich dem einfachen Stil, noch mehr Gozzi, Algarotti, Metastasio, Ugo Foscolo. Eine f�r seine Zeit wichtige Sammlung veranstaltete P. Manutius: »Lettere volgari di diversi nobilissimi uomini« (Vened. 1542–64, 3 Bde.); f�r die neuere Zeit sind die »Lettere di varii illustri Italiani del secolo XVIII. e XIX.« (Reggio 1841, 10 Bde.) zu erw�hnen. Die Spanier besitzen in Ochoas »Epistolario espa�ol. Coleccion de cartas de Espa�oles illustres« (Madr. 1872, 2 Bde.) eine Sammlung. Die Franzosen, deren hohe gesellige Bildung den guten Briefton beg�nstigte, waren die ersten, die das Prinzip der Nat�rlichkeit in neuerer Zeit verwirklichten. Im 16. und namentlich 17. Jahrh. geno� das Briefschreiben in Frankreich eine besondere Pflege. Der franz�sische Brief war damals Muster f�r alle �brigen Volker. Am ber�hmtesten sind die Briefe von Rabelais, Pasquier, Patin, Pascal, Bellegarde, die der Marquise v. S�vign� an ihre Tochter, die von Fontenelle, d'Argens, Montesquieu, Voltaire, Cr�billon, die der Marquise Dudeffand, der Frau v. Graffigny, der Ninon de Lenclos und des �ltern Racine, aus sp�terer Zeit die Briefe von Rousseau, Diderot, d'Alembert, Boursault und seiner Geliebten Babet, der Frau v. Maintenon, Frau v. Sta�l, die von Napoleon I. und Josephine, von L. Courier, Madame de R�musat, M�rim�e, George Sand u. a. Vgl. Cr�pet, Tr�sor �pistolaire de la France (Par. 1865, 2 Bde.). Die Engl�nder zeichneten sich ebenfalls durch einen nat�rlichen und charakteristischen Briefstil aus, jedenfals fr�her als die Deutschen. Die Briefe eines Swift, Pope, Hughes, James Howell, Sir W. Temple, Addison, Locke, Bolingbroke, Horace Walpole, Chesterfield, Shaftesbury, Richardson, dann der Lady Rachel Russell, Lady Mary Montague, von L. Sterne, Gray, Johnsohn, W. Melmoth, Cowper, Lord Byron, Sydney Smith, Walter Scott, Th. Arnold, Charlotte Bront� u. a. sind z. T. klassisch. Vgl. die Sammlungen: »Epistles elegant, familiar and instructive« (Lond. 1791); »Letters written by eminent persons in the XVII. and XVIII. centuries« (das. 1813, 3 Bde.); Scoones, Four centuries of English letters (2. Aufl., das. 1881); Cochrane, The British letter-writers (das. 1882).

Sehr reich ist die Briefliteratur des Morgenlandes. Sie macht als »Inscha« eine Hauptabteilung der mohammedanischen Literatur aus. Sammlungen sind im Arabischen die von Ahmed el Attar (Bulak 1835), im Persischen die von dem Wesir und Dichter Mir Alischir; besonders gesch�tzt sind die Briefmuster Dschamis und Mir Alischirs, dann die von Saib, Ibn Jemin und Mir Chosru, sp�ter das Inscha Abul Fazls von dem Gro�wesir des Gro�moguls Mohammed Akbar. Noch mehr haben die T�rken die Briefstellerkunst ausgebildet, deren Bl�te in das 17. Jahrh. f�llt, wo die Mustis Jahja und Effad die talentvollen Briefschreiber zu �mtern und W�rden bef�rderten. Hadschi Chalfa stellt den Kerim Tschelebi obenan, andre den Nerkisfi. Der j�ngste gro�e Briefsteller der T�rken war Aasim Ismael Efendi, der Mufti (gest. 1759).

Die Bl�tezeit des Briefschreibens ist heute, wenigstens in der ganzen abendl�ndischen Kulturwelt, wohl vor�ber. Durch die enormen Erleichterungen des schriftlichen und m�ndlichen Verkehrs hat sich zwar die Anzahl der Briefe in riesigem Ma�stab vermehrt, aber sowohl der Umfang als die k�nstlerische Form der Briefe hat einen auffallenden R�ckgang erfahren. Auch die �u�erlichkeiten, Titel und Formalit�ten, werden mehr und mehr verbannt. Vgl. Roberts, History of letter writing from the earliest period to the 5. century (Lond. 1845); G. Steinhaufen, Geschichte des deutschen Briefes (Berl. 1889 bis 1891, 2 Bde.); Derselbe, Deutsche Privatbriefe des Mittelalters (das. 1899, Bd. 1); Klaiber, Die Meister des deutschen Briefes (Auswahl, Bielef. 1901).

Das Material der Briefe bestand in �ltester Zeit in Holz- oder Steintafeln; bei den �gyptern wurde die Staude der Papyruspflanze zum Briefschreiben benutzt. Inder und Chinesen benutzten fr�hzeitig Palmbl�tter. Bei den Griechen und R�mern waren Wachst�felchen im Gebrauch (pinakes, deltoi, resp. tabellae [davon tabellarius], pugillari, codicilli genannt). Im 3. Jahrh. n. Chr. tauchte das Pergament als Schreibstoff auf, und seit 1340 wurde in Europa das jetzige Lumpenpapier zum Briefschreiben verwendet.[412] Das Format der Briefe war sehr gro�, die Briefe wurden aber sehr klein zusammengefaltet und oft mit Faden zur Sicherung durchzogen. Im 17. Jahrh. ist das Quartformat das gew�hnliche. Von dieser Zeit ab n�hert sich die �u�ere Form der Briefe immer mehr der modernen. W�hrend man fr�her zum Verschlie�en der Briefe Wachs benutzte, kam im 15. Jahrh. Siegellack aus China nach Europa. 1624 kamen in Speyer die Oblaten auf. Seit 1820 benutzt man den Umschlag, das von Brewer in England erfundene Kuvert. Stephan f�gte den alten Briefarten die jetzt ins Ungemessene verbreitete Postkarte hinzu. Zu erw�hnen ist noch die vom 14.–17. Jahrh. herrschende Sitte, Zettel (cedulae) in die Briefe einzuschlie�en, die im ganzen den Nachschriften v�llig gleichen. Vgl. auch die folgenden Artikel: Briefgeheimnis, Briefmarke etc.

Die Briefform in der Literatur.

Sobald die Briefschreibekunst eine besondere Pflege genie�t, bem�chtigt sich auch die Literatur der Briefform. Bei den Griechen der sp�tern Zeit sind fingierte Briefe, zumal die Sophistik diese Form bevorzugte, nicht selten. Der Rhetor Lesbonax verfa�te erotische Briefe, Melesermos 14 B�cher Het�renbriefe, Alkiphron Briefe von Fischern, Landleuten, Het�ren. In den erotischen Briefen des Arist�netos tritt die Briefform fast ganz zur�ck. �brigens lieben es die griechischen Romanschreiber, Briefe h�ufig in ihre Romane einzuf�gen. Bei den R�mern findet man zun�chst den didaktischen, poetischen B. Am meisten ragen des Horaz Episteln und des Ovid Heroiden und Tristien hervor. In prosaischen fingierten Briefen wurden ebenfalls mannigfache Stoffe behandelt, wie z. B. in den Briefen Catos an seinen Sohn. Die Verwendung der Briefform zu didaktischen Zwecken findet sich auch im Mittelalter. Meist ist die Form eine poetische. Daneben bem�chtigte sich auch die Minnepoesie fr�h der Briefform. Die extremste Art dieser k�nstlichen Verwendung zeigen die sogen. B�chlein. In neuerer Zeit nimmt die Briefform in der Literatur eine gro�e Stelle ein. Im 16. und 17. Jahrh. handelte man gern politische Themata in fingierten Briefen ab, die als Flugschriften verbreitet wurden. Zu didaktischen Zwecken wird die Briefform zuerst wieder von dem Spanier Antonio Perez, der 1611 starb, verwendet. Von Franzosen ist Cyrano de Bergerac zu nennen. In Deutschland zeigt die Mode schon Harsd�rfer in seinem »Teutschen Secretarius«, im 18. Jahrh. wurde diese Form f�r die abhandelnde Prosa �beraus h�ufig. Einen regen Ansto� dazu m�gen auch Montesquieus »Lettres persanes« gegeben haben. Von deutschen Schriften seien angef�hrt Bodmers Briefwechsel von der Natur des poetischen Geschmacks, die Literaturbriefe, Schillers B. �ber die �sthetische Erziehung des Menschen, Herders Briefe, das Studium der Theologie betreffend, Goethes Briefe aus der Schweiz etc. Alle m�glichen Themata werden in Briefen abgehandelt, und noch heute ist die Form sehr beliebt. Briefe in Versen sind in neuerer Zeit namentlich in Frankreich beliebt gewesen. In Deutschland erregten zuerst die Heldenbriefe Hofmanns von Hofmannswaldau Aufsehen. Nach franz�sischem Vorgang bevorzugte dann die galante Lyrik die Briefform. Besonders gebr�uchlich war sie f�r Gratulations- und Trauergedichte. Von sp�tern poetischen Briefen seien zun�chst die moralischen Briefe genannt (Wielands »Moralische Briefe«), weiter die poetischen Episteln der Halberst�dter, namentlich von Michaelis, der sich Horaz und Pope zum Muster nahm, Goethes poetische Episteln. Die Briefform wurde ferner in der satirischen Dichtung gebraucht (Rabeners satirische Briefe). Endlich ist der Roman in Briefen anzuf�hren. In England schrieb solche zuerst RichardsonPamela«, »Clarissa Harlowe«, »Sir Charles Grandison«), in Frankreich sp�ter RousseauNouvelle H�lo�se«), und diese Vorbilder wurden in Deutschland h�ufig nachgeahmt, so auch von Goethe in den »Leiden des jungen Werthers«.

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 410-413.
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