Gesta Hungarorum (Anonymus)
Unter dem Namen Anonymus (das lateinische Wort für Unbekannt(er)) ist ein Chronist und Notar am Hof König Bélas (Belae Regis Notarius) Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts bekannt. Sein lateinisches Geschichtswerk, die Gesta Hungarorum, beschreibt die Siedlungsgeschichte der Magyaren.
Verfasserfrage
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Historiker gehen davon aus, dass sein Name mit P. anfing, denn er selbst nannte sich P. dictus magister („der Meister, der sich P. nennt“). Manche Forscher behaupten, dass es sich um den Bischof von Győr, Péter, handelt. Andere vermuten hinter dem Namen Pál Péter, den Bischof von Siebenbürgen, wieder andere Meister Pous, den Notar am Hof Bélas IV.
Die Angaben in der Gesta Hungarorum lassen darauf schließen, dass der Verfasser aus dem Obertheißgebiet stammt und dass er engen Kontakt mit der Familie Aba pflegte. Das Vorwort macht deutlich, dass er in Westeuropa studierte, wahrscheinlich in Paris.
Werk
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Sein Werk, die Gesta Hungarorum („Taten der Magyaren“) umfasst 57 Kapitel und gehört zur Gattung der Gesta. Es beschreibt in lateinischer Sprache die Siedlungsgeschichte der Ungarn vom Auszug aus ihrer östlich des Reichs von Kiew gelegenen Heimat im „Land der Skythen“ bis zur Krönung Stephans I. In seinen Gesta sind zwar interessante Tatsachen über den Lebensstil der sich niederlassenden Ungarn zu lesen, doch an vielen Stellen ist die geschichtliche Beschreibung nicht authentisch, eher sagenhaft. Dazu gehören zum Beispiel erfundene Namen und die Beschreibungen märchenhafter Ereignisse. Der Historiker György Györffy geht in seinen Studien so weit, dieser Quelle jegliche Authentizität hinsichtlich der vorangegangenen Überlieferung abzusprechen. Selbst die überlieferten, archaisch anmutenden Personennamen seien zeitgenössische Neubildungen zu geographischen Namen.[1] Auch wird die im 11. Jahrhundert stattgefundene Entwicklung bis zur Landnahme im pannonischen Becken stattdessen in der politischen Geografie des 13. Jahrhunderts dargestellt, in Untermauerung dann aktueller Gebietsansprüche der ungarischen Könige.
Das Original der Gesta Hungarorum ist nicht erhalten; eine Kopie aus dem 13. Jahrhundert wird in der Széchényi-Nationalbibliothek aufbewahrt. Die erste Druckausgabe erschien relativ spät, im Jahr 1746. Das Werk wurde 1791 von István Lethenyey, 1799 von István Mándy und 1860 von Károly Szabó aus dem Lateinischen ins Ungarische übersetzt. Es hat großen Einfluss auf das ungarische Geschichtsbild und die ungarische Literatur genommen, beispielsweise als Inspirationsquelle für das Heldenepos Zalán futása des Schriftstellers Mihály Vörösmarty.
Textausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gabriel Silagi, László Veszprémy: Die „Gesta Hungarorum“ des anonymen Notars. Die älteste Darstellung der ungarischen Geschichte (= Ungarns Geschichtsschreiber. Band 4). Jan Thorbecke, Sigmaringen 1991, ISBN 3-7995-2910-1 (kritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung, Einleitung und Anmerkungen).
- László Veszprémy, Frank Schaer (Hrsg.): Simonis de Kéza Gesta Hungarorum. Simon of Kéza: The Deeds of the Hungarians. Central European University Press, Budapest/New York 1999, ISBN 963-9116-31-9 (kritische Ausgabe mit englischer Übersetzung; online bei Google Books)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- János M. Bak: Anonymus. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. München 1974, S. 79 f.
- György Györffy: Anonymus. Rejtély avagy történeti forrás? Válogatott tanul-mányok Akadémiai Kiadó, Budapest 1988, ISBN 978-963-05-4868-7 (= Rätsel oder Geschichtliche Quelle? Ausgewählte Studien)
- Lászlo Makkai: III. Transylvania in the Medieval Hungarian Kingdom (896–1526). 1. Transylvania’s Indigenous Population at the Time of the Hungarian Conquest. Anonymus on the Hungarian Conquest of Transylvania. In: Lászlo Makkai, András Mócsy (Hrsg.): History of Transylvania. Band 1: From the Beginnings to 1606. Atlantic Research and Publications, 2001
- Gábor Thoroczkay: Az Anonymus-Kérdés kutatástörténeti áttekintése (1977–1993), In: Fons – Forráskutatás és történeti segédtudományok, Vol. 1, Budapest 1994, Seite 93–149 (= Zur Forschungsgeschichte der Anonymus-Frage 1977–1993) http://epa.oszk.hu/03300/03304/00002/pdf/EPA03304_fons_1994_02_093-149.pdf
- László Veszprémy: Anonymus Belae regis notarius. In: Graeme Dunphy (Hrsg.): Encyclopedia of the Medieval Chronicle. Band 1. Brill, Leiden / Boston 2010, ISBN 978-90-04-18464-0, S. 102 (englisch).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ladislaus Juhász (Hg.): GESTA HVNGARORVM von P. MAGISTER (auf Latein)
- Gesta Hungarorum des Anonymus (auf Ungarisch)
- Anonymus Belae Regis Notarius. In: A Pallas nagy lexikona. (ungarisch).
- Anonymus (III. Béla jegyzője): Gesta Hungarorum. (TXT, HTML, DOC, RTF, PDF, LIT) In: Magyar Elektronikus Könyvtár. Országos Széchényi Könyvtár (ungarisch).
- Gesta Hungarorum, Übersetzung von Martyn Rady (mit Einleitung) (auf Englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ György Györffy: Anonymus. Rejtély avagy történeti forrás? Válogatott tanul-mányok. Budapest: Akadémiai Kiadó 1988.
Personendaten | |
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NAME | Anonymus |
ALTERNATIVNAMEN | P. dictus magister; Belae regis Hungariae notarius |
KURZBESCHREIBUNG | ungarischer Chroniker |
GEBURTSDATUM | 12. Jahrhundert |
STERBEDATUM | 13. Jahrhundert |