Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

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Osterreich  Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
Ehemalige österreichische Behörde
Staatliche Ebene Bund
Stellung der Behörde Oberste polizeiliche Verfassungsschutzbehörde
Aufsicht Bundesministerium für Inneres
Gründung 2002
Aufgelöst 2021
Hauptsitz Wien 3, Landstraße
Rennweg 89–93 (Rennwegkaserne)
Behörden­leitung Direktor interimistisch[1] Johannes Freiseisen
Website www.bvt.gv.at

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) war eine österreichische Sicherheitsbehörde mit nachrichtendienstlichem Charakter. Hauptaufgabengebiet des BVT war der Schutz von verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich sowie die Sicherstellung von deren Handlungsfähigkeit.

Die Behörde wurde 2002 aus der Staatspolizei sowie einigen Sondereinheiten (EDOK und EBT – Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus), die wie das ehemalige Bundesamt direkt der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit beim Bundesministerium für Inneres unterstanden, gegründet. Das BVT erstellte jährlich den Verfassungsschutzbericht.[2] Mit 1. Dezember 2021 wurde die Behörde aufgelöst und in die neu geschaffene Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst überführt.[3]

Gesetzliche Grundlage für das Bundesamt waren das „Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei“ (Sicherheitspolizeigesetz) und das „Bundesgesetz über die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des polizeilichen Staatsschutzes“ (Polizeiliches Staatsschutzgesetz). Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung war Teil der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres. Neben dem BVT bestanden neun Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in den Bundesländern, die jeweils Teil der Landespolizeidirektion sind. Auch weiterhin bestehen eigene Organisationen für Staatsschutz bei den Landespolizeidirektionen.[4]

Gegründet wurde das Bundesamt im Jahr 2002 durch die Zusammenlegung verschiedenster Sondereinheiten des Innenministeriums sowie vorrangig der ehemaligen Staatspolizei. Dies erfolgte als Reaktion auf die zunehmende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den internationalen Terrorismus. Im Angesicht der Ereignisse nach und rund um die Terroranschläge am 11. September 2001 gab Innenminister Ernst Strasser den Auftrag zur Neustrukturierung der österreichischen Terrorabwehr.

Rennwegkaserne

Zum Direktor der Behörde wurde zunächst Gert-René Polli, ein Offizier des Heeres-Nachrichtenamtes, ernannt. Nachfolger Pollis wurde nach dessen Rücktritt im Oktober 2007 Peter Gridling, der zuvor bereits die EBT leitete und bei der Europol zuständig für Analysen im Terrorbereich gewesen war.[5] Im September 2011 übersiedelte das BVT von seiner Dienststelle im Gebäude des Innenministeriums in der Herrengasse an seinen neuen Standort in der Rennwegkaserne.[6] Im Mai 2020 wurde Johannes Freiseisen zum interimistischen geschäftsführenden Direktor des BVT bestellt, Peter Gridling soll im Herbst 2020 in Pension gehen.[7]

ÖVP/FPÖ-Bundesregierung

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Am 28. Februar 2018 zu Zeiten der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung wurden die Räumlichkeiten des BVT und verschiedene Privatwohnungen von Mitarbeitern durch Beamte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) durchsucht. Grund für die Hausdurchsuchungen war ein Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs.[8] Die oppositionelle SPÖ kündigte aufgrund dieser Durchsuchungen am 9. März eine Sondersitzung des Nationalrats an; es bestehe der Verdacht der parteipolitisch motivierten Kompetenzüberschreitung. Am 16. April 2018 verkündeten Vertreter der drei im Nationalrat vertretenen Oppositionsparteien (Kai Jan Krainer/SPÖ, Stephanie Krisper/NEOS, Alma Zadić/Liste Pilz), einen gemeinsamen Antrag für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema BVT einzubringen.[9] Dieser Antrag wurde am 18. April 2018 eingebracht.[10]

Geheimdienstberater Klaus-Dieter Fritsche

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Ab März 2019 arbeitete der pensionierte ehemalige langjährige Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und ehemalige Beauftragte für die Nachrichtendienste des Bundes der Bundesrepublik Deutschland Klaus-Dieter Fritsche für die ÖVP/FPÖ-Bundesregierung, als Berater des FPÖ-Innenministers Herbert Kickl, hinsichtlich der Umgestaltung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.[11][12][13][14][15][16] Ob er seine Tätigkeit in Österreich auch nach dem Sturz der blauschwarzen Regierung infolge der Ibiza-Affäre weiterführte, war zunächst offen.[17] Am 29. Januar 2020 titelte das RedaktionsNetzwerk Deutschland Ex-Staatssekretär arbeitet nicht mehr für Innenministerium in Wien.[18]

Fürsorge um einen syrischen General, dem Folter vorgeworfen wird

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Mit Hilfe des BVT konnte sich im Juni 2015 der ehemalige Nachrichtendienstoffizier Khaled Al-Halabi im Range eines Generals aus Syrien, dem 19 Personen Folter vorwerfen, in Österreich als Flüchtling registrieren. Das BVT gab ihm eine geräumige Unterkunft und überwies dem Ex-General regelmäßig Geld. Dafür bekam das BVT vom israelischen Auslandsgeheimdienst (Mossad) monatlich 5000 Euro. Laut dem Mossad verfügt der syrische Ex-Brigadegeneral, der angeblich für die Abwehr ausländischer Spione zuständig war, über bedeutende Kenntnisse des syrischen Sicherheitsapparats. Im Mai 2016 nahm die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen gegen den Ex-General auf. Im Jahr 2018 schrieb Frankreich den Ex-General europaweit zur verdeckten Fahndung aus und erklärte, der ehemalige Nachrichtendienstoffizier und die ihm unterstellten Beamten wären für Folter mit Elektroschocks und andere Misshandlungen verantwortlich. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft leitete wegen des Falls gegen mehrere Mitarbeiter des BVT ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch ein. Die Verfassungsschützer, so der Vorwurf, hätten den mutmaßlichen Foltergeneral illegal ins Land geschleust und seinen Aufenthalt vor der Justiz verheimlicht. Im Oktober 2018 beendeten das BVT diese geheime Kooperation mit dem Mossad. Laut Recherchen von SPIEGEL und Der Standard lebt der Ex-General Stand September 2021 weiterhin in Wien. Die Österreichischen Behörden hatten ihm bis dahin seinen Asylstatus entzogen. Dessen Anwalt legte dagegen Berufung ein.[19][20]

ÖVP/Grüne-Regierung

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Attentat in der Wiener Innenstadt

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Am 2. November 2020 zu Zeiten der Regierung von ÖVP und Grünen erschoss ein 20-jähriger IS-Sympathisant in Wien wahllos vier Menschen und verletzte 23 weitere teils schwer, bevor er selbst von einem Polizisten erschossen wurde. Danach wurde bekannt, dass ein Viertel der Planstellen in der Anti-Terrorabteilung des BVT unbesetzt ist.[21]

Umgestaltung zu einer neuen Behörde

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Aufgrund des Terroranschlags von Wien und der vorangegangenen BVT-Affäre wurde von der Bundesregierung Kurz II eine Umgestaltung des BVT zu einer neuen Behörde geplant. Im Juni 2021 wurde die entsprechende Regierungsvorlage zur weitgehenden Umgestaltung der Verfassungsschutz- und Inlandsnachrichtendienst-Agenden im Ministerrat beschlossen. Das neue Bundesgesetz wurde im Juli 2021 im Nationalrat verabschiedet, ihre Arbeit nahm die neue Nachfolgebehörde Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst mit dem 1. Dezember 2021 auf.[3]

Zur Kontrolle des BVT setzte der österreichische Nationalrat einen Unterausschuss für innere Angelegenheiten ein.[22]

Commons: Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Johannes Freiseisen zum interimistischen Direktor des BVT bestellt. 9. Juni 2020, archiviert vom Original; abgerufen am 15. Januar 2024.
  2. Verfassungsschutzbericht 2010 bmi.gv.at, PDF, 116S., abgerufen am 28. November 2010.
  3. a b BVT-Reform: Ministerrat beschließt geänderte Vorlage. In: ORF.at. 16. Juni 2021, abgerufen am 16. Juni 2021.
  4. Organisation. Abgerufen am 26. Juni 2022.
  5. Spurensuche beim Verfassungsschutz diepresse.com, 27. November 2010, abgerufen am 28. November 2010.
  6. Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Neue Dienststelle eröffnet
  7. Freiseisen interimistischer BVT-Direktor. In: ORF.at. 27. Mai 2020, abgerufen am 28. Mai 2020.
  8. ORF: Viele Fragen offen
  9. Gemeinsamer Antrag für BVT-U-Ausschuss. In: news.ORF.at. 16. April 2018 (orf.at [abgerufen am 24. April 2018]).
  10. Opposition brachte Antrag auf BVT-U-Ausschuss ein. In: news.ORF.at. 18. April 2018 (orf.at [abgerufen am 24. April 2018]).
  11. Ex-Geheimdienstbeauftragter Fritsche macht für Österreich eine Pause vom Ruhestand, von Anna Biselli, Alexander Fanta, netzpolitik.org 22. Februar 2019
  12. Rechtsabbieger: Der neue Job von Merkels Geheimdienstmann, von Stefan Buchen, Das Erste, Panorama 7. März 2019
  13. Georg Mascolo, Ronen Steinke, Berlin: Merkels Ex-Spionagechef im Sog der Ibiza-Affäre. In: sueddeutsche.de. 2019, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 29. Mai 2019]).
  14. Ex-Verfassungsschutzvize berät FPÖ-Innenminister Kickl. In: Zeito Online. Zeit Online GmbH, 7. März 2019, abgerufen am 15. Januar 2024.
  15. Stefan Buchen: Rechtsabbieger: Der neue Job von Merkels Geheimdienstmann. Abgerufen am 15. Januar 2024.
  16. Ex-Geheimdienstmann - Das Rätsel um Klaus-Dieter Fritsche von Florian Neuhann, ZDF 22. September 2020
  17. Merkels Ex-Spionagechef im Sog der Ibiza-Affäre. 29. Mai 2019, abgerufen am 29. Mai 2019.
  18. Ex-Staatssekretär arbeitet nicht mehr für Innenministerium in Wien von Markus Decker, RedaktionsNetzwerk Deutschland 29. Januar 2020
  19. Was der "syrische Foltergeneral" mit der BVT-Affäre zu tun hat. Abgerufen am 14. September 2021 (österreichisches Deutsch).
  20. Wolf Wiedmann-Schmidt, Fidelius Schmid: Internationale Geheimdienstaffäre: Wie der österreichische Verfassungsschutz Assads Schreckensgeneral versteckte. In: Der Spiegel. Abgerufen am 14. September 2021.
  21. falter.at 10. November 2020: Die Protokolle einer mörderischen Radikalisierung
  22. Republik Österreich – Parlamentsdirektion: Ständige Unterausschüsse zur Kontrolle der Nachrichtendienste (Memento vom 4. Februar 2015 im Internet Archive) www.parlament.gv.at, abgerufen am 19. Juni 2013.