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Debatte

Gastkommentar zu Negativzinsen

Kosten werden ungerecht verteilt

Die Negativzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank trifft Grossbanken und Privatbanken unterschiedlich.

Die mit einem Freibetrag verbundene Negativzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) führt zu Verzerrungen innerhalb der Schweizer Bankenlandschaft. Da der auf den Girokonten bei der SNB gewährte Freibetrag in der Praxis nicht alle Banken in gleichem Masse betrifft und somit die Kosten für den Bankensektor ungleich verteilt werden, ist diese Regelung ungerecht. Zudem kann die Politik zu einem erhöhten Finanzstabilitätsrisiko führen. In dem herrschenden globalen Umfeld, in dem der Franken weniger attraktiv werden soll, ist der Rückgriff auf bei der SNB gehaltene Giroguthaben zwar eine vernünftige ökonomische Entscheidung. Es wäre aber wünschenswert, dass die Art, wie diese Politik durchgesetzt wird, überdacht wird. So zieht sie eine Segmentierung des inländischen Bankensystems nach sich. Stattdessen könnte ein negativer Zinssatz ausnahmslos allen Akteuren auferlegt werden, damit die sinnvolle makroökonomische Initiative weniger mikroökonomische Kollateralschäden bewirkt.

Diskriminierung nach Geschäftsfeld

Der negative Zinssatz auf den Guthaben der Banken auf den Girokonten bei der SNB soll die Attraktivität des Schweizerfrankens eindämmen. Laut der SNB soll er ab einem gewissen Freibetrag einheitlich und für alle Banken in gleichem Masse gelten. In der Theorie mag das zutreffen, die praktische Umsetzung sieht aber anders aus. Wie üblich steckt der Teufel im Detail – wobei es in diesem Fall um mehr als nur um Einzelheiten geht. Für mindestreservepflichtige Banken beträgt der von der SNB gewährte Freibetrag derzeit das 20-Fache (warum nicht das 10-Fache oder das 30-Fache?) der gesetzlich geforderten Mindestreserven.

Bei genauerer Betrachtung zeigt es sich, dass der Erfüllungsgrad (das Verhältnis der Guthaben auf dem Girokonto zu den erforderlichen Mindestreserven) je nach Geschäftsfeld der Bankinstitute stark variiert. So liegen die beiden Schweizer Grossbanken unter dem Freibetrag, da ihre Giroguthaben per Ende Dezember 2014 nur 12-mal so hoch waren wie ihre Mindestreserve. Auch die Schweizer Kantonalbanken sind im Aggregat von den Negativzinsen der SNB nicht betroffen, denn ihr Erfüllungsgrad liegt mit einem Wert von 16 ebenfalls deutlich unter 20. Dem gegenüber steht der durchschnittliche Erfüllungsgrad der 258 Geldinstitute des Landes, der 23 beträgt. In der Praxis also werden somit die Kantonalbanken sowie die beiden Grossbanken von diesen Gebühren freigestellt, und es sind kleinere und mittelgrosse Institute, welche die Negativzinsen tatsächlich bezahlen müssen.

Nach einer einfachen Rechnung ergibt sich aus dem derzeitigen Umfang der Giroguthaben der Banken in der Schweiz (rund 380 Mrd. Fr.) und den Freibeträgen (dem 20-Fachen der vorgeschriebenen Mindestreserve in Höhe von 15 Mrd. Fr.) bei einem Zinssatz von 0,75% eine jährliche Belastung von 675 Mio. Fr. oder 0,1% der Schweizer Wirtschaftskraft. Auf den ersten Blick mag dies als gering erscheinen. Wenn man jedoch bedenkt, dass die Kantonalbanken sowie die Grossbanken – die laut den Statistiken des Internationalen Währungsfonds immerhin gut die Hälfte der finanziellen Vermögenswerte verwalten – nicht betroffen sind, zeigt es sich, dass die anderen Geldinstitute schwer belastet werden. Selbst wenn dieser Negativzins auf makroökonomischer Ebene rational und gerecht erscheint, führt seine konkrete Anwendung zu einer Wettbewerbsverzerrung, indem er gewisse Banken verschont. Es wäre deshalb sinnvoll, die diskriminierende Regel für den Freibetrag abzuschaffen und stattdessen einen einheitlichen, niedrigeren Negativzins einzuführen (etwa 0,15%), der für den gesamten Bankensektor ab den gesetzlichen Mindestreserven einheitlich gilt. Wenn die politische Absicht darin besteht, dem ganzen Schweizer Finanzsektor eine Abgabe aufzuerlegen, sollte dies in der Praxis auch konsequent umgesetzt werden.

Banken mit vielen Hypotheken im Vorteil

Ein zweiter Punkt betrifft die Finanzstabilität. Im Mediengespräch der SNB vom Dezember erfuhr man, dass einige inlandorientierte Geschäftsbanken ihre Risikobereitschaft bei der Vergabe von Hypothekarkrediten nicht verändert haben. So liegen die Ungleichgewichte in diesem Sektor weiterhin auf hohem Niveau. Solche Geschäftsbanken, die nach Ansicht der SNB ein hohes Risiko darstellen und in diesem Sektor weiterhin sehr aktiv sind, profitieren stärker von den Negativzins-Freibeträgen der SNB. Das liegt daran, dass sie eine relativ hohe Mindestreserve haben und somit einen grösseren von der SNB gewährten Freibetrag nutzen können. Das zeigt, dass die derzeitige Politik die Finanzstabilität beeinträchtigen kann und bestimmt nicht zur Eindämmung der Risiken bei der Vergabe von Hypothekarkrediten beiträgt. Zwar können makroprudenzielle Massnahmen wie der antizyklische Kapitalpuffer einen Beitrag zur Eindämmung der Risiken leisten. Die relative Begünstigung bestimmter Banken durch Freistellung von den Negativzinsen kann aber einige Akteure zu noch grösserer Risikobereitschaft bewegen.

Ein letzter Punkt betrifft die jüngste Geschichte. Die beiden Grossbanken sind von den neuesten Massnahmen nicht betroffen. Auch wenn ein kurzes Gedächtnis ein allzu menschlicher Charakterzug ist, so erinnern wir uns doch an die jüngste Krise, in der die grösste Bank des Landes aufgrund eines zu starken Engagements bei US-Papieren und einer schwachen Eigenkapitalausstattung gerettet werden musste. In diesem Fall waren es auch die Schweizer Privatbanken, welche die Massnahmen der SNB zur Rettung einer der beiden Grossbanken unterstützten, indem sie SNB-Bills in Dollars mit unterschiedlichen Laufzeiten kauften, um den Rückkauf notleidender Kredite zu finanzieren. Die Privatbanken waren stets zur Stelle, wenn es um das nationale Interesse ging. Als umso störender empfinden wir es, dass heute genau diese Banken benachteiligt werden.

Yves Mirabaud ist Associé Senior und Gero Jung Chefökonom der Bank- und Finanzgruppe Mirabaud SCA.

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