Eine Ausstellung über die Brüder LumièreLebende Bilder
Am 22. März 1895 organisierten Louis und Auguste Lumière in Paris vor der «Gesellschaft zur Unterstützung des nationalen Handels» die erste unentgeltliche Vorführung des Cinématographe, ihrer legendären Filmkamera. Die innovativen Firmeninhaber fotografischer Produkte aus Lyon verbesserten Thomas A. Edisons Kinetoscope und erreichten mit dem ruckartigen Transport des Zelluloidstreifens durch einen Greifer ein relativ kontinuierliches Projektionstempo. Ihre «lebenden Bilder» aus dem Lebens- und Arbeitsalltag verstanden sich als «Selbstdarstellung der Wirklichkeit» für ein bürgerliches Publikum: «La sortie des usines Lumière», «L'arrivée d'un train en gare de La Ciotat», «Le déjeuner de Bébé» oder «L'arroseur arrosé». Am 28. Dezember 1895 sorgte ein staunendes Publikum bei einer 20-minütigen Filmvorführung im Salon Indien des Grand Café für Einnahmen von 33 Francs.
An diese Geburtsstunde des Kinos vor 120 Jahren erinnert die Ausstellung «Lumière! Le cinéma inventé» im Pariser Grand Palais. Die von Thierry Frémaux und Jacques Gerber kuratierte Schau zeigt 1422 Kurzfilme der Lumières, entstanden zwischen 1895 und 1905, neben Plakaten, Fotos und Apparaten wie dem Cinématographe und Kinetoscope. Im Gegensatz zu den Geräten anderer Erfinder erlaubte die Kamera der französischen Pioniere Aufnahme, Wiedergabe und Kopieren von Filmen. Innerhalb weniger Monate etablierten sie sich dank professionellem Marketinginstinkt zu führenden Produzenten dokumentarischer Aufnahmen weltweit. «Meine Erfindung wird eine Zeitlang als wissenschaftliche Kuriosität genutzt werden, aber davon abgesehen hat sie keinerlei Handelswert», resümierte Auguste Lumière 1900. Doch die Lumièresche Optimierung der Filmtechnik und ihre medienspezifische Ästhetik bieten auch heute noch interessante Diskussionsansätze.
Grand Palais, Paris. Bis 14. Juni.