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Der British Raj im Spiegel der Literatur
Faszination des Imperiums

Seit der Errichtung der ersten Aussenposten auf dem Subkontinent übt Indien eine vielseitige Attraktion auf England aus. Die Begegnung der Kulturen hat auch wichtige literarische Spuren hinterlassen.
  • von Urs Schoettli
Die Apotheose des British Raj – König George V. und seine Gattin beim Imperial Durbar in Delhi im Jahr 1911.
Die Apotheose des British Raj – König George V. und seine Gattin beim Imperial Durbar in Delhi im Jahr 1911. (Bild: Hulton Archive / Getty)

Mächtig steht der florentinische Palazzo des Reform Club in Londons Pall Mall. Ausser der Hausnummer 104 verweist von aussen nichts auf den einst zur Unterstützung der Reform Bill von 1832 gegründeten ehemaligen Gentlemen's Club. Bekannt war der «Reform» einst dafür, dass er die beste Küche in London hatte, und auch heute ist der Speisesaal, wo man reichlich dem exzellenten Claret zusprechen kann, der belebteste Ort im Club House. Die grosse Bibliothek, wo auch bei hellstem Tageslicht Dämmerung herrscht und in die sich nur wenige Mitglieder verirren, ist unser Refugium für das Studium von Folianten, Biografien und Memoiren über die Kolonien des längst verblichenen britischen Weltreichs. Zeitgenössische Berichte über die «Great Mutiny» von 1857 oder die Afghanistan-Feldzüge von 1839 und 1878 sind vergilbt und scheinen seit ihrem Erscheinen nicht mehr geöffnet worden zu sein.

Profit statt Seelenheil

Die moderne Kolonialgeschichte ist richtigerweise auf die Schäden fokussiert, welche die Fremdherrschaft den einheimischen Völkern, Kulturen und Volkswirtschaften zugefügt hat. Doch sollte es auch Platz für Differenzierungen geben. Besonders wichtig sind die grundlegenden Unterschiede zwischen dem spanischen und dem britischen Kolonialreich. Die Spanier und Portugiesen gingen vor der Aufklärung nach Übersee, die Briten danach. Dies hatte weitreichende Folgen für das Selbstverständnis der fremden Kolonialherren. Während die portugiesischen Konquistadoren im Verein mit jesuitischen Mönchen in Goa gleich an den Aufbau eines «Rom des Ostens» gingen, etablierten sich die Briten mit einer privaten Unternehmung, der East India Company, in Indien. Robert Clive, dem mächtigen Begründer des British Raj, ging es nicht um das Seelenheil der Inder, sondern um Profitmaximierung für sich und seine Arbeitgeber an der Leadenhall Street im fernen London.

Dass sich die britischen Besitzungen in Indien ausbreiteten, hatte wenig mit den Absichten der Direktoren in London zu tun. Man wollte Faktoreien und Kontore, nicht kostspielige Feldzüge, und dass dereinst die Krone übernehmen, Queen Victoria zur Empress of India aufsteigen und schliesslich über eine Heerschar von 300 Millionen Untertanen herrschen würde, stand mit Sicherheit nicht im Plan der East India Company. Die Zäsur war die «Great Mutiny» von 1857/58, von der indischen Geschichtsschreibung als erster Unabhängigkeitskrieg bezeichnet. Die Uneinigkeit der Aufständischen führte dazu, dass die Briten die Oberhand gewinnen und ihr indisches Imperium für beinahe weitere hundert Jahre behalten konnten.

Vom Wilden zum Gentleman

Während der Meuterei gab es auf beiden Seiten scheussliche Grausamkeiten, und was den Briten und insbesondere ihren Frauen angetan wurde, fand rasch Eingang in die britische Presse. Bestätigt wurden die rassistischen Vorurteile über die Brutalität der Nichtweissen. Die Einheimischen waren, sofern sie nicht unter der Knute gehalten wurden, wilde Tiere. Fortan beherrschte die Furcht vor neuen Aufständen den British Raj. In den zahlreichen Memoiren und Abenteuerberichten von britischen Offizieren und Beamten tauchte immer wieder die bange Frage auf, wie lange die knapp 130 000 Engländer Hunderte von Millionen Inder unter Kontrolle zu halten vermöchten.

Während Queen Victoria ihren indischen Untertanen wohlgesinnt war, breitete sich in den Kolonien die Rassendiskriminierung aus. Zur Zeit der East India Company war es den meisten Entsandten, die in der Regel ohnehin nur für ein paar Jahre in Indien im Einsatz waren, nicht gestattet, mit Ehefrau und Familie nach Indien zu kommen. Viele Briten lebten mit einer einheimischen Frau in einem mehr oder weniger legalisierten Hausstand zusammen. Der britische Historiker William Dalrymple beschreibt das Leben dieser «white Mughals» in seinem gleichnamigen Buch. Dass die Bibi, die indische «Braut», durch heiratswillige weisse Jungfern aus Britannien, die mit den «fishing fleets» an Indiens Gestaden auftauchten, ersetzt wurde, nährte einen verheerenden Rassendünkel, der schliesslich das Ende des British Raj beschleunigen sollte.

Die «Great Mutiny» hatte grossen Einfluss auf die literarische Auseinandersetzung englischer Autoren mit Indien. Vor dieser Zäsur hatte ein distanziert wohlgefälliges Interesse gegenüber diesen fernen Landen bestanden. Die Schriftstellerin Emily Eden, bekannt für leichtgewichtige Gesellschaftsromane, besuchte 1836/37 Indien, als ihr Bruder Generalgouverneur in Kalkutta war. In ihrem Buch «Up the Country: Letters to Her Sister Written from the Upper Provinces of India» offeriert sie dem Leser sketchartige Einblicke in eine exotische Welt. Bei der britischen Administration hatte bereits 1835 die «Minute on Education» des grossen Historikers Thomas Babington Macaulay, eines Mitglieds des Rats des Generalgouverneurs, Wellen geschlagen. In dem Papier postulierte der Autor, eine Schicht von gut erzogenen Indern heranzubilden, die als braunhäutige englische Gentlemen Londons Herrschaft über Indien konsolidieren sollten. Zuvor war bereits durch Raja Ram Mohan Roy (1775 bis 1833) die bengalische Renaissance mit einem einzigartigen Amalgam von west-östlichen Reformbemühungen lanciert worden.

Hofpoet des Empire

Die Romane und Kurzgeschichten, die in den 1870er und 1880er Jahren bei einer vom exotischen Indien sowohl faszinierten als auch geschockten Leserschaft im heimischen Britannien grossen Zuspruch fanden, sind berechtigterweise der Vergessenheit anheimgefallen. Niemand kennt mehr damals populäre Autoren wie Henry Cunningham oder Philip Robinson. Dafür ragt dann ab 1894 mit der Veröffentlichung des «Jungle Book» der 1865 in Bombay geborene Joseph Rudyard Kipling wie ein zeitloser Solitär aus der doch sehr mediokren Szene der Indien thematisierenden Literatur heraus. Kipling, der 1907 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, hat mit «Kim» berechtigten Weltruhm erhalten. Der Verfasser der Ode «The White Man's Burden» verschaffte sich aber auch den aus indischer Sicht problematischen Status eines Hofpoeten des Empire.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kommen als neue Themen die Spätphase des British Raj und der indische Unabhängigkeitskampf hinzu. Bereits 1865, nur sieben Jahre nach der «Mutiny», hatte Henry Beveridge seine dreibändige monumentale «Comprehensive History of India» mit der Aussage beschlossen, dass, sollte der Tag kommen, da Indien dank der von der britischen Herrschaft vorangetriebenen Entwicklung wieder seinen Platz unter den souveränen Staaten werde einnehmen können, der friedliche Übergang in die Unabhängigkeit «mehr Glanz auf Britanniens Namen werfen wird als alle anderen in seiner Geschichte vermerkten Ereignisse». Die Imperialisten sahen diesen Tag jedoch vorderhand noch in weiter Ferne. 1899 bis 1905 mit dem Vizekönig Lord Curzon und 1911 mit dem Imperial Durbar in Delhi, an dem erstmals ein britischer Monarch als Kaiser von Indien die Huldigungen der einheimischen Fürsten entgegennahm, sollte der British Raj seine Apotheose erleben.

Freiheit um Mitternacht

Im Schatten von Kipling fanden Indien-Romane von Flora Steel, Maud Driver und Edward Thompson kurze Popularität, wobei Thompsons «Indian Trilogy» eindrücklich die Spätphase des British Empire an Einzelschicksalen thematisiert. An Kiplings Talent anschliessen und ebenfalls die Zeiten überdauern sollte E. M. Forster mit dem 1924 erschienenen Werk «A Passage to India». Das Buch, das für Theater, Fernsehen und Film adaptiert worden ist, hatte eine immense Breitenwirkung. Auf der einen Seite ist Forster zugutezuhalten, dass er mit viel intellektueller Verve die Charaktere zu entwerfen versteht und Romanfiguren geschaffen hat, die dem Leser für immer eingeprägt bleiben. Andererseits ist auch die Kritik, dass es sich um allzu leichtfertige Stereotype handle, gerechtfertigt. Schliesslich kann sich ein Roman nicht aus dem zeitgenössischen Kontext des indischen Unabhängigkeitskampfes herausschleichen, und vieles in «A Passage to India» scheint doch allzu nahe beim Paternalismus der Burrah Sahibs zu stehen.

Am Abend des 14. August 1947 hielt Nehru vor dem Parlament seine berühmte Unabhängigkeitsrede: «Schlag Mitternacht, wenn die Welt schläft, wird Indien zum Leben und zur Freiheit erwachen.» Natürlich wurde in diesem Moment die über dreihundertjährige Verbindung zwischen Indien und Grossbritannien nicht völlig gekappt. Von nun an begegneten sich Delhi und London aber auf Augenhöhe. In der englischen Literatur herrschte indessen nach wie vor der British Raj im Zeitraum von der «Great Mutiny» bis zum Einziehen des Union Jack über dem vizeköniglichen Palast vor. Immer mehr Platz nahmen apolitische Nostalgie und kitschige Porträts des Lebens unter der britischen Herrschaft ein.

Der Roman «Bhowani Junction» von John Masters schaffte es gar nach Hollywood und wurde mit Ava Gardner und Stewart Granger in den Hauptrollen verfilmt. Der Autor, der selbst in der britischen Armee in Indien gedient hatte, dramatisierte, aus eigener Erfahrung schöpfend, die Spätzeit des Imperiums. Mary Margaret Kaye verewigte sich mit dem Roman «The Far Pavilions». Der 1978 erschienene, beinahe tausendseitige Wälzer zum British Raj im 19. Jahrhundert wurde zum millionenfach verkauften Bestseller. Ebenfalls mit der «Great Mutiny» befasste sich der Roman «The Siege of Krishnapur», mit dem James Gordon Farrell 1973 den Booker-Preis gewann. Bis anhin den krönenden Abschluss der britischen Raj-Literatur schaffte der 1978 im Alter von nur 58 Jahren verstorbene Paul Scott mit seinem «Raj Quartet», einer über neun Jahre hinweg erschienenen vierbändigen Romanfolge, der mit «Staying On» 1977 noch ein letztes Meisterwerk, für welches Scott den Booker-Preis erhielt, folgen sollte.

Der Kontinent der Circe

1965 veröffentlichte der anglophile, in Kalkutta geborene Schriftsteller Nirad Chaudhuri einen Band von Essays unter dem Titel «The Continent of Circe». Seine These ist, dass Indien, das im Laufe seiner langen Geschichte immer wieder von fremden Mächten überrannt und besetzt wurde, stets seine eigene Identität durchzusetzen vermochte. Wo immer die neuen Herrscher herkommen mochten, aus Zentralasien oder übers Meer aus dem fernen Europa, über kurz oder lang wurden sie «indisiert». Während sich die Briten als Beherrscher des Subkontinents wähnten und wenn nötig ihrer Herrschaft mit Gewalt Nachachtung verschafften, waren sie doch, wie die Romanfiguren von Kipling bis Scott, der Magie Indiens verfallen – auch oder vielleicht gerade wenn sie meinten, ihr entronnen zu sein.

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