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Lage bleibt unübersichtlich

Putsch in Burundi offenbar gescheitert

In der burundischen Hautpstadt Bujumbura ist die Lage nach dem angeblichen Putsch unübersichtlich; Protestierende haben in den Strassen Barrikaden erreichtet.
In der burundischen Hautpstadt Bujumbura ist die Lage nach dem angeblichen Putsch unübersichtlich; Protestierende haben in den Strassen Barrikaden erreichtet. (Bild: Goran Tomasevic / Reuters)
Nach der angeblichen Machtübernahme der Armee bleibt die Lage in Burundi unübersichtlich. In der Hauptstadt scheinen loyale Kräfte nach und nach die Oberhand zurückzugewinnen.

Nach der angeblichen Machtübernahme der Armee in Burundi bleibt die Lage in der Hauptstadt Bujumbura verworren. Augenzeugen berichteten am Telefon von angespannter Ruhe. Aus der Umgebung der staatlichen Radio- und Fernsehanstalt waren am Donnerstag Schüsse und Explosionen zu hören gewesen. Die Strassen waren leergefegt. Den Putschisten ist es nicht gelungen, die wichtigsten strategischen Gebäude Bujumburas unter ihre Kontrolle zu bringen.

Die Nummer zwei der Putsch-Bewegung, General Cyrille Ndayirukiye, sagte dem französischen Auslandsradiosender RFI am Donnerstagabend: «Persönlich gestehe ich ein, unsere Bewegung ist gescheitert.» Die Unterstützung für «das herrschende System» sei zu gross, meinte er.

Kampf um den Äther

In der Nacht auf Donnerstag war es im Stadtzentrum zu Gefechten zwischen Putschisten und Loyalisten gekommen, die von Polizeikräften und einer Miliz der Regierungspartei Präsident Pierre Nkurunzizas unterstützt wurden. Loyalisten und Angehörige der Jugendmiliz der Regierungspartei griffen mehrere private Radio- und Fernsehstationen an, die von Putschisten beschützt wurden. Das Kräftemessen um die Vorherrschaft im Äther endete mit einer Niederlage der Aufständischen – ein Hinweis darauf, dass die Nkurunziza gegenüber loyal eingestellten Kräften möglicherweise die Oberhand gewinnen.

Das wegen seiner vertrauenswürdigen Informationspolitik beliebte Radio publique africaine (RPA) wurde in Schutt und Asche gelegt, die übrigen regierungskritischen Sender geschlossen. Sie hatten erst am Mittwoch, nach Wochen der polizeilichen Verbote, den Betrieb wieder aufgenommen. Nur das staatliche Radio RTNB, das sich in der Hand von Loyalisten befinden soll, erhält den Betrieb aufrecht, verbreitet jedoch bloss Musik. Es ist gut möglich, dass weite Bevölkerungsteile ausserhalb Bujumburas nicht einmal über den Putschversuch ins Bild gesetzt wurden.

Bei den nächtlichen Kämpfen um die Studios von RTNB, dem einzigen landesweit vernehmbaren Sender, wurden laut der französischen Agentur AFP Maschinengewehrfeuer und Panzerfäuste eingesetzt. Über allfällige Opfer wurde am Donnerstag nichts bekannt. Laut den Auskünften von Diplomaten üben die Rebellen die Herrschaft über mehrere öffentliche Gebäude aus, nicht aber über die RTNB-Studios, den Präsidentenpalast und den Hauptsitz der Regierungspartei. Am Nachmittag zirkulierten ausserdem Gerüchte, nach denen auch der Flughafen in die Hand von Loyalisten gefallen sei.

Die Stimmung in der Hauptstadt Bujumbara, in der die Opposition stärker vertreten ist als auf dem Land und wo eine rege Bürgergesellschaft ihre Wurzeln hat, war am Donnerstag gedrückt – ein Gegensatz zur Stimmung 24 Stunden zuvor, als auf die Meldung von der Machtübernahme der Militärs und der Absetzung Nkurunzizas Jubelszenen und Triumphmärsche von Tausenden von Regierungsgegnern folgten. Am Donnerstag fuhren laut Augenzeugen nicht einmal die sonst omnipräsenten Motorradtaxis.

Aufenthaltsort des Präsidenten unklar

Der von Militärs für abgesetzt erklärte Präsident Pierre Nkurunziza teilte auf einem unbestätigten Twitter-Account mit, er sei am Donnerstag nach Burundi zurückgekehrt.

Laut AFP befand sich Nkurunziza am Donnerstag jedoch weiterhin in Tansania, wo am Vortag ein Krisengipfel der East African Community (EAC) zur Lage in Burundi anberaumt gewesen war. Am Mittwochabend hatte das burundische Präsidentenbüro behauptet, der Putsch sei gescheitert, Nkurunziza kehre nach Bujumbura zurück. Aber weil die Putschisten den Flughafen der Hauptstadt gesperrt hatten, konnte Nkurunziza nicht landen. Es ist unklar, ob er Dar es Salaam überhaupt je verlassen hatte oder ob er durch die Umstände zur Rückkehr gezwungen wurde.

Nkurunzizas Amtskollegen in der EAC, die Präsidenten Tansanias, Kenyas, Ugandas und Rwandas, waren von den Ereignissen überrumpelt worden. Am Mittwochabend verabschiedeten sie ein Communiqué, das den Militärputsch verurteilte und eine Verschiebung der auf Ende Juni anberaumten Präsidentenwahl forderte. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte unterdessen zu Zurückhaltung. Auch das Weisse Haus in Washington und die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini forderten von den rivalisierenden Verbänden, die Waffen niederzulegen.

Die grosse Sorge von Beobachtern gilt der Gefahr, dass der politische Streit um den Machterhalt oder die Absetzung von Präsident Nkurunziza in einen ethnischen Konflikt zwischen Hutu und Tutsi mündet. Unter diesen Vorzeichen wurden in den neunziger Jahren in einem langwierigen Bürgerkrieg, der in Ausläufern bis 2006 dauerte, bis zu 300 000 Menschen getötet. Die Armee ist gemäss einem Friedensabkommen hälftig aus Teilen der ehemaligen Regierungsarmee, hauptsächlich Tutsi, und Rebellengruppen, fast ausschliesslich Hutu, zusammengesetzt.

In der jetzigen Auseinandersetzung haben ethnische Animositäten bisher keine Rolle gespielt. Sowohl der Chef der Putschisten, General Godefroid Niyombare, als auch Generalstabschef Prime Niyongabo, der Nkurunziza die Treue hält, sind Hutu. Der Zwist innerhalb der Armee zwischen Aufrührern und Loyalisten laufe quer zur Herkunft der Soldaten und Offiziere im Bürgerkrieg, sagen Beobachter in Bujumbura. Ausserhalb der Streitkräfte gibt es allerdings schwelende Vorurteile, und Scharfmacher auf beiden Seiten der ethnischen Identitäten wollen ihr Süppchen kochen. Hutu benutzen einschlägige Websites und die Möglichkeiten von Social Media, um auf reale und angebliche Privilegierungen von Tutsi hinzuweisen. Auf der anderen Seite warnen vor allem rwandische Tutsi vor vorgeblichen völkermörderischen Absichten von Hutu und säen mit dieser Botschaft Panik unter den burundischen Tutsi. Die meisten der bis zu 50 000 Burundier, die in den letzten Wochen aus Furcht vor einer Gewalteskalation nach Rwanda und Tansania flüchteten, sind Tutsi.

Dilemma der Geberländer

Die Uno und westliche Geber sind im Dilemma. Sie hatten einerseits die Bestrebungen Präsident Nkurunzizas kritisiert, sich bei den Wahlen im Juni für eine dritte Amtszeit wählen zu lassen. Burundis Verfassung schliesst dies aus, was zu den Protesten geführt hat und die Putschisten um General Niyombare zum Eingreifen bewog. Andererseits stehen militärische Machtübernahmen auf dem Index der Uno, des Westens und mittlerweile auch der Afrikanischen Union. Die Idee eines «guten» Putsches wird allerhöchstens hinter vorgehaltener Hand geäussert – vor allem, wenn der «Putsch», wie in Burundi, möglicherweise gar keiner war.

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