Bolivien hilft ChileWasser und Propaganda für die Nachbarn
In der Atacamawüste im Norden Chiles, der trockensten Gegend der Welt, hat es geregnet. Ganze Dörfer wurden vergangene Woche von den Wassermassen weggespült. Die Zahl der Todesopfer beläuft sich auf 26, mehr als hundert Personen werden vermisst, und Tausende haben ihr Obdach verloren. Betroffen sind auch die Minen in der an Kupfer und anderen Erzen reichen Region.
In einem seltenen Akt der nachbarschaftlichen Verbundenheit bot Bolivien seine Hilfe an und schickte Trinkwasser in die Katastrophenregion. Das war keine Selbstverständlichkeit, befinden sich die beiden Länder doch seit Jahrzehnten in einem diplomatischen Konflikt, der auf den Salpeterkrieg zurückgeht. Damals verlor Bolivien den Meerzugang an Chile. Bis heute beharrt Bolivien auf der Forderung nach einem autonomen Meerzugang und hat gar beim Internationalen Gerichtshof Klage eingereicht. Chile sagt, Bolivien habe die Grenzziehung per Vertrag akzeptiert. Das Thema ist in beiden Ländern emotional aufgeladen und steht einer guten Beziehung der beiden Nachbarländer im Wege.
Boliviens Akt der Solidarität war ein Zeichen des guten Willens, in der Not über die Differenzen hinwegzusehen. La Paz schickte eigens seinen Verteidigungsminister Jorge Ledezma in die Region, um das Trinkwasser zu überbringen. Doch beim Griff in die Garderobe machte Ledezma einen fatalen Fehler: Er streifte sich ein Gilet mit der Aufschrift «Das Meer gehört Bolivien» über. Der Aufschrei in Chile war unüberhörbar, auf Twitter avancierte das Gilet innert Kürze zum Thema Nummer eins. Santiago betonte zwar, dass die Katastrophe in Nordchile nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden dürfe, sah jedoch von diplomatischen Massnahmen ab. Diese waren auch gar nicht nötig. Noch am selben Abend wurde Ledezma von Präsident Evo Morales entlassen, der sich in aller Form bei den Chilenen entschuldigte und betonte, Ledezma habe in Eigenregie gehandelt. Trotz aller Reue dürfte das bolivianische Wasser beim einen oder anderen Chilenen einen Nachgeschmack hinterlassen haben.