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Eröffnung der Tanganjikabahn vor 100 Jahren

Einen Zug voraus

Eine Reparaturmannschaft auf der Trasse der Tanganjikabahn.
Eine Reparaturmannschaft auf der Trasse der Tanganjikabahn. (Bild: ullstein bild)
Auch der Bahnbau gehörte zum kolonialen Wettlauf in Afrika. Mit der Tanganjikabahn schafften es die Deutschen, den Briten und Belgiern zuvorzukommen. Doch dann brach der Erste Weltkrieg aus.

Vor hundert Jahren wurde die Tanganjikabahn im heutigen Tansania, damals Deutsch-Ostafrika, eingeweiht. Sie ist heute noch in Betrieb und führt von der damaligen Hauptstadt Dar es Salaam am Indischen Ozean über die jetzige Hauptstadt Dodoma im Landesinnern bis nach Kigoma am Ufer des Tanganjikasees. Damit verbindet sie das Land von Ost nach West, über eine Distanz von 1252 Kilometern.

Strapaziöses Riesenprojekt

Der Bahnbau war für die Kolonialmächte in Afrika wichtig. Schliesslich nützte es nichts, die Ressourcen eines Landes auszubeuten, wenn man sie nicht abtransportieren konnte. 1911 weihten die Deutschen die Usambarabahn von Tanga nach Moshi im Norden von Tansania ein (die heute nicht mehr in Betrieb ist). Es war jedoch vor allem der Bau der Tanganjikabahn, damals Ostafrikanische Zentralbahn genannt, der sich als unvergleichlicher Kraftakt herausstellte. Er begann 1905 in der Hafenstadt Dar es Salaam unter der Leitung von Reichskommissar und Geheimem Baurat Franz Allmaras (1875 bis 1953). Die tropische Hitze, die intensiven Regenzeiten, Malaria und fehlende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Material machten das Unternehmen zu einer nicht enden wollenden Mühsal. 1907 hatte man 200 Kilometer Geleise verlegt und kam in Morogoro an, noch einmal zwei Jahre später in Kilosa. 1912 wurde schliesslich das Teilstück von Dar es Salaam bis Tabora, wichtig als landwirtschaftliches Zentrum und alter arabischer Handelsplatz, eingeweiht. 400 Kilometer war man noch vom Tanganjikasee entfernt, auch der Viktoriasee war nicht allzu weit weg.

Auf einmal änderte sich jedoch die Situation, weil auch die Briten und die Belgier ihre afrikanischen Bahnprojekte vorantrieben und versuchten, die beiden grossen Seen – von grosser strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung – von Westen her zu erreichen. Ein Wettlauf begann.

«Siegreich vordringen»

«Mehr Dampf! Baut Bahnen!», hiess es 1912 in einem Artikel in «Süssenrotters Kolonialkalender». «In all unseren Kolonien kracht gegenwärtig die Axt, donnert der Sprengschutz, freie Bahn zu schaffen für den Unterbau, der den Schienenstrang tragen soll», so begeisterte sich der Verfasser, der preussische Hauptmann Wilhelm von Puttkamer. «Nicht regenarme Steppe, nicht Feld, nicht Wasser, nicht Urwald vermag ihn aufzuhalten. Siegreich dringt er vor, ein Wahrzeichen des Ernstes, mit dem die Europäer begonnen haben, den schwarzen Erdteil ihrer Kultur dienstbar zu machen.»

15 000 Afrikaner arbeiteten unter der Befehlsgewalt von einigen hundert Deutschen. Die Gegend des letzten Teilstücks war fast unbewohnt und wasserlos. Es mussten tiefe Flusstäler und Höhenunterschiede von 300 Metern überwunden werden, mit Brücken und Tunnels. Im Gegensatz zur ersten Streckenhälfte gab es hier keine Karawanenrouten; Nahrungsmittel und Baumaterial konnten nur auf dem neuen Bahntrassee nachgeschoben werden.

In Rekordzeit vollendete man das letzte Teilstück und wurde der Tanganjikasee erreicht. Am 2. Februar 1914 eröffneten die Deutschen den Endbahnhof in Ujiji, dem denkwürdigen Ort der Begegnung von Stanley und Livingstone (der Afrikaforscher Livingstone war seit fünf Jahren verschollen; als ihn der Journalist und Abenteurer 1871 endlich fand, begrüsste er ihn mit den legendären Worten: «Dr. Livingstone, I presume?»).

Am 15. März wurde die Bahnlinie feierlich eröffnet. Eine Fortsetzung bis zum Malawisee war bereits geplant. Doch die Euphorie war von kurzer Dauer. Vier Monate später brach der Erste Weltkrieg aus.

Wenig Veränderungen seither

Die Deutschen hatten zwar den «Bahnkrieg» gewonnen, aber militärisch hatten sie gegen die Briten keine Chance. In den Versailler Verträgen wurde der grösste Teil der deutschen Afrika-Gebiete nach dem Krieg Britisch-Ostafrika zugeschlagen, auch die Tanganjikabahn. Es waren die Briten, die eine Teilstrecke zum Viktoriasee hinzufügten. 1961 erlangte der Staat Tansania die Unabhängigkeit und betrieb die Bahn fortan.

Die Tanganjikabahn fährt immer noch, aber nicht schneller als anno dazumal, weil die Infrastruktur seit den Zeiten des «Geheimen Baurats» kaum erneuert wurde. Immer noch muss man mindestens zwei Tage und zwei Nächte einrechnen. Und über weite Strecken sieht man immer noch keine Menschenseele, wenn man aus dem Fenster guckt.

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