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Digital Banking

Coolness statt Konditionen

Banken stehen gleich an mehreren Fronten unter Druck. Die Profitabilität ihres Kerngeschäfts, des Einsammelns und Ausleihens von Geld, leidet unter den Nullzinsen. Zudem steigert die höhere Regulationsdichte die Kosten. Und schliesslich machen neue Anbieter aus dem Fintech-Umfeld den Banken in den jungen Wachstumsfeldern und vor allem an der Kundenfront zunehmend zu schaffen.

Umsetzung hinkt hinterher

Natürlich bleiben die Banken dabei nicht untätig. Durch ständiges Feilen an den Strukturen versuchen sie, die Kosten des operativen Geschäfts und der zunehmenden Regulierungsdichte unter Kontrolle zu haben. Wichtige Teile der Wertschöpfungskette sind vielerorts bereits ausgelagert, wenn sie nicht zum Kerngeschäft zählen. Lediglich hinsichtlich der Innovationen zeigt sich ein gemischtes Bild, wie eine Umfrage vom Think-Tank «e-foresight» von Swisscom und dem Competence Center Sourcing der Universitäten St. Gallen und Leipzig ergeben hat.

Innovationen gelten zwar weitherum als eminent wichtiges Mittel, um sich für die Kundenbedürfnisse der nächsten Generation fit zu machen und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. In der Praxis verweisen Banken auf ihre mobilen Apps, mit denen sie ihren Kunden die zu günstigen Konditionen angebotenen Produkte und Dienstleistungen schmackhaft zu machen versuchen. Die Umsetzung hinkt der erkannten Relevanz jedoch deutlich hinterher, und mutige, disruptive Innovationsschritte bleiben aus.

Darin zeigen sich drei Probleme, die Banken generell mit Innovationen haben: Erstens denken viele an ihre bereits getätigten Investitionen in Kernbankenlösungen und die dazugehörenden Systeme. Der Schutz der Investitionen ist tatsächlich ein wichtiges Element einer langfristig nachhaltigen Firmenstrategie. In dem von einem raschen Wandel erfassten Bankgeschäft kann sie indes dazu führen, dass man von den Konkurrenten der nächsten Generation eingeholt und überholt wird. Banken müssen Innovationen vorantreiben, um ihre Marktpositionen zu halten und gegebenenfalls auszubauen.

Geringe Experimentierfreude

Zweitens tun sich viele Banken schwer mit dem lockeren, offensiven Umgang mit Innovation und Marketing, den gerade die angelsächsischen Fintech-Startups pflegen. Gerade einmal 28% der befragten Banken attestieren sich selber eine Entscheidungskultur, die das Experimentieren im Kontext digitaler Innovation fördert. Den Startups fehlt beim zweiten Blick hingegen die essenzielle Grundlage des Bankgeschäfts. Diese wird oft ausgelagert – und hinter den Kulissen arbeiten viele Fintech-Unternehmen mit sehr schlank organisierten Instituten zusammen, welche die zwingend erforderlichen Bewilligungen der regulatorischen Erfordernisse gegen gutes Geld einbringen.

Damit schrumpft bei vielen Fintech-Startups das Geschäftsmodell auf Verhältnisse, die sich mit einem gut aufgestellten Online-Arm einer konventionellen Bank vergleichen lassen. Das erklärt übrigens auch, warum in jüngerer Zeit viele Fintech-Unternehmen von einem konfrontativen auf einen eher kooperativen Ton umgeschwenkt sind.

Und drittens schauen viele Banken zu stark in Richtung USA, wenn es um die nächste Generation von Bankgeschäften geht. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass dort die Grundlagen teilweise ganz anders sind. Checks und Kreditkarten beispielsweise erfüllen andere Funktionen im Retail-Banking, und die Grösse des Marktes erlaubt es rascher, Skaleneffekte auszuschöpfen. Startups mit Punkt-zu-Punkt-Lösungen dominieren. Doch wer will in Zukunft auf ein Dutzend mobile Bezahllösungen zugreifen müssen, nur weil ebenso viele Startups versuchen, den Markt zu erobern?

Asien macht es anders

Auch deshalb ist der Blick nach Asien und insbesondere auf die Entwicklung in China lohnenswert. Denn dort liefern sich mit Tencent/Tenpay, Alibaba/Alipay und Baidu gleich drei grosse Internet-Riesen eine Schlacht um die Vorherrschaft im Banking der nächsten Generation. Der wichtigste Unterschied: In China bauen die grossen Anbieter komplette mobile Plattformen, bei denen einzelne Dienste laufend verbessert und neue Dienste dazugeschaltet werden können. Einzellösungen gelten dort als langfristig nicht vielversprechend (vgl. Tabelle).

Einzelne westliche Banken wie die deutsche Fidor-Bank orientieren sich bereits an den chinesischen Vorbildern, etwa wenn es um Konditionen für die Kunden oder um Fragen des integrierten Marktauftritts geht. Die chinesischen Banken haben damit zwar einige gute Anfangserfolge erzielt, aber diese innovativen Modelle kommen auch rasch an ihre Grenzen.

Denn gute Ideen verbreiten sich nicht zwangsläufig in viraler Weise und werden zu Selbstläufern. Selbst Dienste wie Uber und Airbnb mussten und müssen viel Geld für Marketing in die Hand nehmen, um rasch eine gewisse kritische Grösse zu erreichen. Für innovationsfreudige Banken liegt der Schluss auf der Hand: Es genügt nicht, rasch gute, integrierte und «coole» Dienstleistungen aufzubauen. Die potenziellen Kunden müssen auch ebenso rasch von ihnen Kenntnis erhalten. Die Erfahrung im Aufbau und in der Pflege von Communities auf digitalen Marktplätzen, wie sie beispielsweise die Basellandschaftliche Kantonalbank derzeit mit ihrem Crowdfunding-Marktplatz sammelt, wird zu einem wichtigen Erfolgsfaktor.

Zudem zeigt die Umfrage von «e-foresight», dass sich Banken in Bezug auf Innovationen (noch) stark auf der Ebene einzelner Bereiche – beispielsweise digitale Assistenten, Finanzierung, Zahlungen oder digitale Marktplätze – durchzusetzen versuchen. Tenpay aus China hat längst alle Teilbereiche zu nahtlosen mobilen Plattformen verschmolzen: Wer beispielsweise mehr Zinsertrag anstrebt, hat als Alternativen automatisch Crowd-Finanzierungsmöglichkeiten oder P2P-Kreditvergaben zur Auswahl. Selbst im fortschrittlichen digitalen Banking westlicher Prägung müssen Nutzer dafür jeweils weitere mobile Apps benutzen und oft zusätzliche spezielle Konten eröffnen.

Divergierendes Potenzial

Eine «Fast Follower»-Strategie bringt denn auch gewisse Vorteile, wenn es nicht nur bei der Strategie bleibt, sondern auch konkrete Innovationsschritte folgen. So zeichnet sich ab, dass es im Transaktionsgeschäft längerfristig kaum noch Geld zu verdienen gibt. Dagegen erscheint das Vermitteln von individuell zugeschnittenen (und gefilterten) Informationen und Angeboten in den Bereichen Finanzanlagen und Finanzierungen als umso nachhaltigeres, digitales Geschäftsmodell. Die – analoge – Strategie dazu haben sich etliche Banken bereits gegeben.

Dr. Oliver Kutsch ist operativer Leiter des Bereichs Banking bei Swisscom. Matthias Niklowitz forscht für den Swisscom Banking Think Tank e-foresight.

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