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Erinnerungen an die Go-Betweens "All unsere Freunde hatten Hitsingles"

Pop-Liebhaber schätzen die Go-Betweens, obwohl sie nie einen Singlehit hatten. Ihr Ende kam, als Grant McLennan 2006 starb. Mit ihm hatte Robert Forster die Band 1977 gegründet; in einem neuen Buch erinnert er sich an die gemeinsame Zeit.

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Ein Interview von


Zur Person
  • Stephen Booth
    Robert Forster, 60, gründete die australische Band The Go-Betweens 1977 gemeinsam mit Grant McLennan. Die beiden teilten sich Songwriting und Gesang bei der Gitarren-Pop-Band. Nach der Trennung Ende 1989 veröffentlichte Forster Soloalben. Im Jahr 2000 belebten Forster und McLennan die Go-Betweens neu und veröffentlichten drei weitere Alben. Am 6. Mai 2006 erlag Grant McLennan einem Herzinfarkt. Seither hat Forster zwei weitere Soloalben (zuletzt 2015 "Songs to Play" bei Tapete Records) und zwei Bücher veröffentlicht - nach einer Sammlung musikjournalistischer Texte nun die Erinnerungen an die Go-Betweens-Zeit, "Grant und ich".

SPIEGEL ONLINE: Mr. Forster, in der typischen Popstar-Biografie gibt es irgendwo in der Mitte einen Teil mit Fotos. In Ihrem Buch "Grant & Ich" fehlt der. Warum?

Forster: Das wollte ich so! Ich wollte nicht mich mit drei, mich mit zehn zeigen, die Go-Betweens, wie sie älter und älter werden. Mir ging es darum, das Buch so romanartig wie möglich zu schreiben. Und ich hoffe, die Beschreibungen haben so viel Kraft, dass man keine Fotos braucht.

SPIEGEL ONLINE: Sie bezeichnen sich als Fan von Biografien. Haben Sie noch andere Lehren fürs eigene Buch aus Ihrer Lektüre gezogen?

Forster: Nicht im Internet nach Daten suchen, es steht nur drin, woran ich mich erinnere. Und zum Dritten: Ich schreibe nur über mein eigenes Drogenleben und nicht über das von irgendjemand anderem.

SPIEGEL ONLINE: Aus Anstand und Rücksicht?

Forster: Ich hätte die Drogensache wohl ganz heraus gelassen. Wahrscheinlich würde ich, wie viele Musiker, sagen: "Ja, ich habe was genommen, früher. Ein bisschen Heroin in den Achtzigern. Heute lebe ich ein anderes Leben, es geht mir gut."

SPIEGEL ONLINE: Wer die Go-Betweens in den Achtzigern erlebt hat, hätte Sie eher nicht mit Heroin in Verbindung gebracht. Die Band hatte ein sauberes Image.

Forster: Ich war kein Junkie. Es war reiner Freizeitgebrauch, und es hat auch niemals meine Songs beeinflusst. Man kann etwas mit Drogen zu tun haben und muss nicht unbedingt aussehen wie ein dürres Junkie-Wrack. Aber bei mir hatte es trotzdem Folgen: Ich bekam Hepatitis C und um die zu behandeln, hörte ich 1997 auf, Alkohol zu trinken. Und das hatte Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Grant und mir.

SPIEGEL ONLINE: Grant McLennan, ihr Partner bei den Go-Betweens, starb 2006 mit 48 Jahren an einem Herzinfarkt. Sie schreiben darüber, dass Grant Alkohol trank, dass er zu viel trank. Sie schreiben nicht darüber, dass er Heroin und andere Drogen nahm. Weil die nicht ihr Verhältnis zu ihm beeinflusst haben?

Forster: Könnte man so sagen. Aber was Grant letztlich getötet hat, war der Alkohol, zu hundert Prozent. Der hat sein Leben bestimmt, mehr als irgendetwas anderes. Deshalb erschien es mir, dass ich Grant, insbesondere seine letzten Jahre, nur über Alkohol beschreiben konnte. Wenn wir in den Achtzigern auf Tour waren und tranken, was zum Rock'n'Roll dazu gehörte, hatten wir gemeinsam viel Spaß - erst bei der Show, dann an der Bar. Das endete mit meiner Diagnose. Als wir 2000 bis 2006 auf Tour waren, ging er mit anderen Leuten was trinken und ich auf mein Hotelzimmer.

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Robert Forster:
Grant & Ich

Aus dem Englischen von Maik Brüggemeyer

Heyne Encore, 368 Seiten, 22 Euro

SPIEGEL ONLINE: "Grant & Ich" ist, auch laut Untertitel, ein Buch über Freundschaft. Es gibt vielleicht zwei Aspekte, die für viele Leute Freundschaft definieren. Zwei Dinge, die im Buch seltsamerweise kaum vorkommen.

Forster: Aha?

SPIEGEL ONLINE: Zum einen, dass Freunde einander helfen, wenn der andere in Not ist.

Forster: Nun, sein erster Zusammenbruch kam, nachdem sich die Band Ende 1989 aufgelöst hatte. Ich lebte damals in Deutschland, sprach viel mit ihm am Telefon. Als ich dann nach Brisbane zurückkehrte, sah ich, dass er in einem sehr schlechten Zustand war. Er fing an, von Depression zu sprechen, zum ersten Mal. Sein Trinken hat ja Wurzeln, es geht zurück in die Kindheit, der Vater früh gestorben. Meine Frau ist Psychologin, zusammen haben wir eine Ärztin gefunden, von der wir dachten, sie wäre gut für ihn. Aber er hat sie nicht kontaktiert.

SPIEGEL ONLINE: Der andere Aspekt von Freundschaft: Freunde gelten als die Menschen, die einander am besten kennen. Im Buch wirkt es zuweilen so, als sei Ihnen Grant McLennan in vielem ein Rätsel geblieben.

Forster: Vielleicht ist das eine Männersache: Wir haben geredet über Musik und über Bücher. Aber ich habe nie gefragt: "Wie fühlst du dich? Du siehst schlecht aus." Das bedaure ich. Das hätte ich tun sollen.

SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie das Gefühl, dass er Ihnen Dinge, die er nicht mit Worten sagen konnte, in Liedern mitteilte?

Forster: Ja, unbedingt! Ich konnte immer seine Stimmung herauslesen aus den Songs, ich erhielt zahlreiche Informationen über Grant aus seinen Texten.

SPIEGEL ONLINE: Grant McLennan wollte anfangs Filmemacher werden, während Sie sich mehr für Schallplatten interessiert haben. Sie beschreiben es als zwangsläufiges Ereignis, dass Sie beide gemeinsam etwas schaffen würden. Aber war es auch zwangsläufig, dass Sie eine Popband zusammen gründen würden?

Forster: Nein. Grant und ich hätten auch die Coen Brothers werden können. Wir könnten jetzt im Beverly Hills Hotel sitzen und über unsere Filmkarriere plaudern. Das Problem war: Man muss 30 werden, bis man seinen ersten Film machen kann. Aber als ich Grant das Bassspielen beibrachte und die ersten Songs wie "Karen" oder "Lee Remick" hatte, haben wir sofort vor 300 Leuten gespielt. Es passierte was.

SPIEGEL ONLINE: Aber wenn die Band nicht funktioniert hätte?

Forster: Wissen Sie, dass Truffaut und Godard zusammen bei den "Cahiers du Cinéma" angefangen hatten, war eine große Sache für uns. Das waren unsere Lennon/McCartney, das Vorbild. Film war am Anfang so was wie der Plan B.

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Robert Forster und Grant McLennan: "Truffaut und Godard waren unsere Lennon/McCartney"

SPIEGEL ONLINE: An einer Stelle schreiben Sie, eine Popgruppe sei "das Romantischste, was zwei heterosexuelle Männer zusammen erschaffen können". Wenn die beiden Männer heute damit anfangen würden, würde das noch immer gelten?

Forster: Wir hätten wahrscheinlich Synthesizer. Wir wären die Pet Shop Boys. Hm, ich weiß nicht, ob wir Musik machen würden, aber wir würden etwas zusammen machen. Heutzutage kämen wir vielleicht leichter ins Filmgeschäft, man kann ja mit dem iPhone drehen, einen Fünfminüter auf YouTube stellen. In den späten Siebzigern brauchte man 35-mm-Kameras.

SPIEGEL ONLINE: Der große Mythos der Go-Betweens: Sie waren die Band, die alle für die nächsten großen Popstars hielten, die aber nie wirklich Hitparadenerfolge hatte. Wie bewusst war Ihnen das zu der Zeit? Hofften Sie immer wieder von neuem? Oder fanden Sie sich irgendwann mit Ihrer Stellung ab?

Forster: Dazu hatte jedes Bandmitglied eine andere Haltung. Ich nahm es meistens, wie es kam. Nur einmal war es anders - mit "Streets of Your Town". Damals waren wir in Australien bei dem selben Label wie Kylie Minogue. Kylies Leute arbeiteten für uns und waren sich sicher: "Ihr habt einen Hit!" Dann fuhr ich durch London und hörte unser Lied im Radio. Leute aus dem Musikbiz sagten uns: Zwei Wochen auf der BBC-Playlist, das garantiert euch einen Hit. Aber: nichts!

SPIEGEL ONLINE: Im Laufe der Achtzigerjahre konnten Sie erleben, wie die Bands aus Ihrem Umfeld plötzlich reihenweise in die Charts kamen. Orange Juice, Everything But The Girl ...

Forster: ... Nick Cave, REM. Ja, es war wirklich seltsam: All unsere Freunde hatten Hitsingles! Und wir konnten sehen, wie es ihre Leben verändert hat. Nur uns passierte es eben nicht.

SPIEGEL ONLINE: Und denken Sie manchmal: Na, ist vielleicht auch besser so?

Forster: Heutzutage ja. Hitsingles verorten dich in der Zeit. Wenn du einen Hit hast, insbesondere wenn es nur einer ist, dann bist du 1996 oder bist du 1988. Mit den Go-Betweens kann man das nicht so richtig machen. Es gibt nicht den einen Song, der uns definiert. Was uns wiederum in Sachen Langlebigkeit hilft. Wir sind eine Band, die man entdecken muss.

SPIEGEL ONLINE: Dafür haben Sie ja die Brücke...

Forster: Genau: Keine Hitsingle, aber eine Brücke!

SPIEGEL ONLINE: Die vermutlich einzige Band, nach der eine Brücke benannt wurde, die Go-Between Bridge in Brisbane. Da die Überfahrt gebührenpflichtig ist, hat jemand mal geschrieben: Wahrscheinlich hat die Brücke mehr Geld eingespielt als es die Band je tat.

Forster: Ganz bestimmt! Ich finde die Brücke gut. Besonders Freunde, die nicht viel mit Musik am Hut haben, finden es eine große Sache.

insgesamt 2 Beiträge
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Seite 1
tomkey 10.10.2017
1. Den 80ern ...
... würde ohne den Go-Betweens etwas fehlen. Eine großartige Band, die ich heute noch immer gern höre. Vinyl natürlich!
ericstrip 10.10.2017
2. Danke für das Interview...
...mit dem (lesenswerten) Buch bin ich gerade angefangen (so 100 Seiten bislang). Ich hatte die Go-Betweens auf ihrer letzten Tour noch gesehen, der Tod von Grant McLennan kam dann für mich völlig unerwartet. Da wären noch einige schöne Platten gekommen, zusammen waren die beiden unschlagbar gut. Ach ja, zum Entdecken ist es nie zu spät und eine schlechte Platte haben sie nie gemacht.
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