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Chinesische Hersteller auf der IAA Wer zuletzt lacht... 

Früher waren sie die Lachnummern der Autoindustrie: Chinesische Hersteller bekamen in Europa keinen Fuß auf den Boden. Jetzt ist Schluss mit lustig. Auf der IAA zeigten die Konzerne Modelle, die man ernst nehmen muss.

Tom Grünweg

In Halle 8 auf der IAA gab es dieses Jahr ein kleines Wunder zu sehen. Dort hatten sich die Autohersteller Chery und die Nobel-Tochtermarke Wey des Herstellers Great Wall eingefunden. Und während Autos aus China jahrelang vor allem als Lachnummern zu europäischen Messen reisten, sorgten die dort gezeigten Exponate nun für Aufsehen. Dem einen oder anderen Konkurrenten dürfte das Lachen sogar im Halse stecken geblieben sein.

Die Substanz der gezeigten Produkte war beeindruckend. Die Zeiten, in denen sich die chinesischen Hersteller vor allem mit dreisten Kopien deutscher Autos überboten, sind schon lange vorbei. Die Zeiten, in denen sie Qualitätsanmutung einem günstigen Preis geopfert haben, nun anscheinend auch. Bestes Beispiel: der Exeed von Chery, der "die Tür nach Europa öffnen soll", wie Lorenz Glaab sagt. Er leitet die Produktplanung des Chery-Konzerns, der in China unter den Top 5 der Hersteller rangiert.

Das Design des Exeed ist elegant und erstaunlich eigenständig. Das Ambiente vornehm und sogar verhältnismäßig geruchsneutral (früher krankten viele Autos aus China am penetranten Plastikgeruch im Innenraum). Die Elektronik ist mit digitalen Instrumenten und einem riesigen Touchscreen auf der Höhe der Zeit.

Bei den Antrieben entscheidend aufgeholt

Glaab gibt sich selbstbewusst. "Wir wollen hier vor allem zeigen, wo wir stehen und was wir mittlerweile draufhaben", sagt er. Das neue Auftreten speist sich wohl auch aus der Erkenntnis, dass man zumindest in Sachen Antrieb schon in Schlagdistanz zu vielen etablieren Herstellern ist. Dass zunächst nur Plug-in-Hybride verfügbar sind und ein rein elektrischer Antrieb erst noch kommt, ficht Glaab nicht an. "Auf ein, zwei Jahre kommt es uns nicht an. Wichtig ist, dass die Produkte stimmen", sagt er.

Was er meint: Einen GAU wie bei den ersten Gehversuchen auf dem europäischen Markt soll es nicht wieder geben. Autos, die im Crashtest kollabierten und den wenigen Kunden aufgrund der üblen Ausdünstungen buchstäblich gestunken haben - der erste Eroberungsversuch des europäischen Marktes endete für chinesische Marken im Desaster. "Da ist viel kaputtgemacht worden", sagt Truls Thorstensen. Der Unternehmensberater aus Wien ist der Kopf hinter dem renommierten chinesischen Branchenpreis Xuanyuan Award. Er ist deshalb intimer Kenner des Marktes und davon überzeugt, dass der neuerliche Anlauf eine ganz andere Qualität hat.

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Chinesische Hersteller auf der IAA: Jetzt wird es Ernst

Die Autos von damals seien gar nicht für den europäischen Markt vorgesehen gewesen. Zu Zeiten von Brilliance B7 und Landwind waren es vor allem geschäftstüchtige Importeure, die den schnellen Gewinn mit billigen Autos gewittert und die chinesischen Marken nach Europa geholt haben. "Damit haben sie allerdings mehr Schaden angerichtet, als Geld eingestrichen", sagt Thorstensen. Die nun auf der IAA gezeigten Fahrzeuge, zu denen auch der neue Borgward und die Modelle der Marke Thunder Power gehören, seien hingegen von Anfang an für den Export konzipiert worden.

Das Problem mit dem Image

Ob ein paar schicke Messepremieren reichen, um die Image-Altlast abzuräumen, daran hat Andreas Radics seine Zweifel. Er arbeitet beim Strategieberater Berylls in München und sagt: "Immer noch spuken die zwei Crashtest-Desaster von Landwind und Brilliance in den Köpfen potenzieller Kunden herum." Zwar räumt auch Radics ein, dass sich qualitativ und technisch in den letzten Jahren einiges zum Besseren gewendet hat. "Aber die Konkurrenz aus Fernost, allen voran die Koreaner, haben sich so erheblich weiterentwickelt, dass die chinesischen Hersteller hier nach unserer Beobachtung noch nicht den Anschluss herstellen konnten."

Das sieht China-Kenner Thorstensen ein bisschen anders. Er hat Marken und Konzerne ausgemacht, die durchaus das Zeug haben, auch im Ausland Fuß zu fassen - und zwar nicht nur, weil sie europäische Marken aufkaufen. Wobei Geely, seit einiger Zeit Eigentümer von Volvo, ein gutes Beispiel für sinnvolle Verschränkung ist: Aus Schweden komme das Wissen um Sicherheit und Fahrzeugarchitekturen, aus China das Kostenbewusstsein und die Kompetenz für Connectivity. "Die haben das Zeug zum Weltmeister", urteilt Thorstensen.

In der Tat wächst bei Geely eine ernsthafte Konkurrenz für etablierte Hersteller heran, wie sich im nagelneuen Geely Auto Research Center (GARI) bestaunen lässt. Dort gibt es nicht nur allein 68 Prüfstände für Verbrennungsmotoren, viele der mehr als 6000 in der Denkfabrik mit eigenem Hotel angestellten Ingenieure arbeiten auch im New Energy Research Institute, in dem Geely an den elektrischen Antrieben für die Modelle von Morgen forscht.

Zwei Schlüssel zum Erfolg

Wenn Geely-Chefingenieur Hu den Laserpointer über den Lageplan des Testgeländes huschen lässt, verweilt sein roter Punkt nach der Teststrecke, auf der sie auch spezielle Kurse fürs autonome Fahren abstecken, besonders lange auf einem leeren Planquadrat. Auf dem ist bereits eine Batteriefabrik eingezeichnet: "Hier schlägt der Puls einer neuen Zeit", sagt Hu. Und vermutlich auch das Herzstück einer Expansion nach Europa.

"Sollte es den chinesischen Herstellern gelingen, attraktive, qualitativ zumindest akzeptable, vor allem aber technisch ausgereifte E-Modelle zu konkurrenzfähigen Preisen in Europa anzubieten, könnten sie hier schnell Fuß fassen", sagt Radics. Thorstensen schätzt die Chancen dafür ebenfalls gut ein, er nennt dafür drei Gründe:

  • Die chinesischen Hersteller haben technisch sowohl bei den E-Motoren als auch den Batterien große Fortschritte gemacht und verfügen über die seltenen Erden, also die Rohstoffe, die zur Produktion benötigt werden. "Nicht umsonst kauft Tesla seine E-Maschinen bei einem chinesischen Unternehmen, und VW denkt über Batterien von CATL nach."
  • Kaum irgendwo ist die Faszination für IT-Technik größer als in China und nirgends wird sie schneller ins Fahrzeug integriert. So können die chinesischen Elektroautos mehr Connectivity und ganz neue Möglichkeiten der Datennutzung bieten.
  • Aus der Vielzahl der kleinen Hersteller erwächst eine gigantische Basis an Forschern und Entwicklern und ein kumuliert immenses Budget, das in die neuen Technologien fließt. Daran wächst die gesamte Branche, selbst wenn es am Ende nicht bei jeder Firma zur Entwicklung eines kompletten Autos, der Positionierung einer Marke oder den Aufbau einer Produktion reicht.

Mindestens so interessant wie die China-Marken in den Hallen unter dem Messeturm sind nach Meinung von Thorstensen deshalb Firmen, die, wenn überhaupt, am Rande der Messe präsent sind. Das gilt für Nio oder Faraday Future genauso wie für die Future Mobility Corporation (FMC), die nahezu die gesamte Mannschaft hinter den BMW iModellen nach China gelockt hat. Ähnlich wie Tesla in den USA proklamieren sie eine radikale Neuerfindung des Automobils, bei der der Verzicht auf den Verbrennungsmotor noch die kleinste Umstellung ist.

Noch ist nicht alles perfekt

Dieser Sonderweg könnte funktionieren, glaubt auch Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach. Denn Erfolg könnten die chinesischen Hersteller in Deutschland nur dann haben, wenn sie im Hinblick auf Automobile "die Dinge anders tun" oder "andere Dinge tun", glaubt der Automobilwirtschaftler.

Die Zeit, in der chinesische Hersteller vor allem als Witz wahrgenommen werden konnten, sind vorbei. Zwar erinnern die auf der Messe gezeigten Studien von Thunder Power und Borgward, dem ehemaligen deutschen Hersteller, der einst Konkurs ging und nun einem chinesischem Konsortium gehört, an die alten Tage: Sie wirken wenig realistisch, wollen Aufmerksamkeit um jeden Preis - und beim Borgward kann man sich verschiedener Déjà-vu-Effekte nicht erwehren.

Aber Wey und Chery muss man ernst nehmen, auch wenn noch nicht alles hundertprozentig überzeugt. Wenn man sich auf dem Chery-Stand dem Exeed nähert und versucht, mit dem hakeligen Griff die schwergängige Tür aufzumachen, dann merkt man: Zumindest in den Details klemmt es noch etwas bei den China-Autos.



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Chilango 21.09.2017
1. Sehr guter Titel
Im 19 Jahrhundert waren die Engländer faul und arrogant. Deutschland hatte Biss und setzte sich durch. Made in Germany wurde per Gesetz in England beschlossen damit die Kunden auf den ersten Blick sehen das dies schlechter Stahl ist. Nur leider haben die Deutschen sehr schnell gelernt wie man Qualitätsstahl macht und der Stempel wurde zu einem Qualitätssiegel. Heute fassen führende Manager ohne wirkliche Haftung die dicke Kohle ab. Damit die Gewinne stimmen wird im Zweifel nicht die beste technische Lösung gesucht sondern einfach beschissen. Mein Geld hab ich und mir kann niemand. Ich warte ja noch das die neuen Winterkorns jammern und um eine Milliardenspritze aus Steuergeldern betteln um wieder Anschluss zu finden.
dirk1962 21.09.2017
2. Unterschätzen ist tödlich
Erinnern wir uns an die ersten Autos aus Korea. Sie wurden von der Presse in der Luft zerrissen, von unseren Autobauern arrogant gelächelt und von den Kunden gekauft. Heute sind Hyundai und Kia fester Bestandteil des Fahrzeug Marktes mit zufriedenen Kunden. Genau diesen Weg werden auch die Autobauer aus China gehen.
lofeu 21.09.2017
3. Optisch
bleiben die Autos aus China eine Offenbarung, sowohl innen als sich außen, das wohlgefällige Beschreiben kann ich nicht nachvollziehen. Technisch mag China fortschrittlich sein, doch wenn man beachtet, dass in Norwegen schon jetzt große Probleme bei der Lade-Infrastruktur für Elektroautos bestehen, ist es fraglich, ob China sich so schnell in Europa etablieren kann. Es entsteht der Eindruck, dass die Diesel-Sau noch nicht genug durchs Dorf gejagt wurde und nur die Deutschen Autobauer visionslose Umweltsünder sind. Da passt so ein Artikel ins Konzept..
J. Hotzenplotz 21.09.2017
4. Viel Hokuspokus...
...denn wer will schon ein Asia-Nudel-Snack Auto??? Ich nicht, nicht mal geschenkt. Connectivity??? In D reicht den meisten schon die Google, Android & Cos Datenschnüffelei, jetzt auch im Auto und das Chinesen anvertrauen? Ich lache mich kaputt.
guentherzaruba 21.09.2017
5. wer Heute als Junger einsteigt
weil mit neuem Führerschein, der interessiert sich DAFÜR: "Immer noch spuken die zwei Crashtest-Desaster von Landwind und Brilliance in den Köpfen potenzieller Kunden herum." BESTIMMT NICHT .... Schnee von gestern nennt man das.
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