Ingo Elbe
Der Zweck des Politischen Carl Schmitts faschistischer Begrif der ernsthaften Existenz
„Es ist nicht gut, dass der Mensch ohne Feind sei“
(Carl Schmitt)1
Carl Schmitts Denken richtet sich ofensiv gegen die liberale politische Philosophie und gegen jede Perspektive, die eine solidarische Weltgesellschaft ohne Krieg anstrebt. Schmitt lehnt eine
Begründung des Politischen vom Individuum her ab, fürchtet
sich vor einer Welt ohne Kriege und stellt das Opfer des Einzelnen ins Zentrum seiner Betrachtungen, die durchgehend ein
normatives Programm der „Bejahung des Natur[zu]standes“
(Strauss 2001, 235) zwischen irrational konzipierten Kollektiven
enthalten. Hierbei spielt die Idee der ernsthaften menschlichen
Existenz eine wesentliche Rolle. Im Folgenden sollen zunächst
einige Bemerkungen zu Schmitts Begrif des Politischen gemacht
und auf dessen deskriptive Unbrauchbarkeit hingewiesen werden
(I), um anschließend sein noch fragwürdigeres normatives Anliegen herauszuarbeiten (II). Der Begrif des Ernstes wird sich
dabei als normativer Kern seiner politischen heorie erweisen. In
einem weiteren Schritt (III) soll dieser Begrif mit der aufklärerischen Idee des Ernstes in Friedrich Schillers Schrift Über Anmut
und Würde konfrontiert und schließlich sein Zusammenhang
mit einer autoritär-masochistischen „emotionale[n] Matrix“
(Fromm 2000, 201) angedeutet werden.
I. Der deskriptive Gehalt des Begrifs des Politischen
Schmitts politisches Denken kann in zweifacher Weise als faschistisch bezeichnet werden. Zum einen verfolgt er das bonapartistische Programm 2 des Abbaus rechtsstaatlicher und parlamentarischer Hindernisse für eine antisozialistische Präsidial-,
später Führerdiktatur mit Massenbasis (vgl. Schmitt 1985a,
360; 1994b, 125; 1995a, 77-80; 1996b, 143). Dieses Programm
wird rechtstheoretisch in Form eines „substanzielle[n] Dezisionismus“ (Rottleuthner 1983, 20) artikuliert, den Ingeborg Maus
1 Schmitt 1991a, 146. Dieser Text ist die erweiterte Version des 2014
in H. Wallat (Hg.), Gewalt und Moral, Unrast-Verlag Münster, erschienenen Aufsatzes „Der Zweck des Politischen“.
2 Ausgangspunkt des von Karl Marx so genannten ‚Bonapartismus‘
ist das Problem moderner demokratischer Staaten, durch das allgemeine Stimmrecht „der Klasse, deren alte gesellschaftliche Macht sie
sanktionier[en], der Bourgeoisie, […] die politischen Garantien dieser
Macht“ zu entziehen (Marx 1971, 43). Glauben sich Teile des Bürgertums von sozialistischen Umtrieben gefährdet, so kann ein Verzicht auf
parlamentarische Herrschaft zugunsten einer sich verselbständigenden Exekutive die Konsequenz sein, die gegen die Arbeiterbewegung
vorgeht, aber zugleich eine gegenüber den Kapitalinteressen relativ eigenständige Dynamik annehmen kann, u.a. weil sie sich auf eine Bewegung mit Massenbasis stützt. Zum Begrif des Bonapartismus vgl.
Marx 1960, 123, 154, 197f., Wippermann 1983. Zum Faschismus als
Bonapartismus vgl. Wippermann 1997, 65f., 114 sowie detailliert für
die Endphase der Weimarer Republik Hofmann 1996, 365-394, 408410.
als „Vorordnung eines […] auf freiem Ermessen […] basierenden
Verwaltungsbereichs vor einem nur noch limitierte Bedeutung
beanspruchenden rechtsstaatlichen Verfassungsbereich“ charakterisiert, wobei das freie Ermessen „als ‚Wertverwirklichung‘
deiniert“ (Maus 1980, 76) werde.3 Das bedeutet konkret, dass
bestimmte exekutive Organe (Juristen, Reichspräsident, Reichskanzler etc.) eine vermeintliche ‚Verfassungssubstanz‘ entweder
gegen den Wortlaut der Verfassung oder gegen legal erlassene
parlamentarische Gesetze geltend machen. Bereits hier spielt der
Ernstfall in Gestalt einer „blutige [n] Entscheidungsschlacht“
(Schmitt 2004b, 63) eine Rolle, da Schmitt meint, der sozialistischen Arbeiterbewegung nur noch mit einer autoritären Lösung
gewachsen sein zu können. Den Liberalismus, wie er ihn versteht, lehnt er ab, weil dieser nicht willens sei, mit einer entsprechenden extralegalen Gewalt und Entschlossenheit den Kampf
mit den Bewegungen der Linken aufzunehmen.4 Dieser Aspekt
wird bereits in der Politischen heologie (1922) erkennbar, wenn
Schmitt den gegenrevolutionären Kulturkritiker Donoso Cortes
dafür lobt,
„[d]ie Bourgeoisie […] geradezu als eine ‚diskutierende Klasse‘
[zu deinieren]. Damit ist sie gerichtet, denn darin liegt, daß sie
der Entscheidung ausweichen will. Eine Klasse, die alle politische
Aktivität ins Reden verlegt, in Presse und Parlament, ist einer
Zeit sozialer Kämpfe nicht gewachsen.“ (Schmitt 2004b, 63f.)
Im Gegensatz zu traditionellen autoritären Ordnungsregimen
reklamiert Schmitt seit 1923 den Demokratiebegrif von rechts
und betrachtet die Programmatik der bonapartistischen Diktatur als Realisierung des ‚wahren‘ Volkswillens, der sich bezeichnenderweise nicht als Entscheidung des Bürgers an der Wahlurne, sondern als Akklamation auf Massenveranstaltungen oder
als difuse, durch „Methoden der psychotechnischen Behandlung großer Massen“ (Schmitt 2003, 247) gebildete öfentliche
Meinung artikuliere.5 Diese Programmatik Schmitts soll hier
nicht weiter verfolgt werden. Vielmehr soll der ebenfalls als faschistisch zu bezeichnende Gehalt des Schmittschen Denkens im
3 Vgl. dazu bereits Ernst Fraenkels Doppelstaatsdiagnose von 1941
(dort u.a. direkt zu Schmitt: Fraenkel 1974, 88f., 96f.).
4 Vgl. Paxton 2006, 35: „Mit ihrer ökonomischen laisser-faire-Politik,
ihrem Vertrauen auf ofene Diskussion, ihrem schwachen Einluss auf
die Massenmeinung und ihrer Weigerung, Gewalt einzusetzen, waren
die Liberalen in den Augen der Faschisten schuldhaft unfähige Wächter
der Nation gegen den von den Sozialisten geführten Klassenkampf.“
5 Paxton zufolge „drückte sich für die Faschisten der Bürgerwille durch
die Teilnahme an Massenveranstaltungen aus.“ (2006, 118) Permanente symbolpolitische Mobilisierung, „einfache Ja/Nein-Plebiszite“
und systematische Ausnutzung von „neue[n] Techniken zur Kontrolle
und Steuerung der ‚Nationalisierung der Massen‘“ (118) seien genuine
Kennzeichen faschistischer Politik, vgl. auch ebd., 210, 242.
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Mittelpunkt stehen, der vor allem in seinem Werk zum Begrif
des Politischen (1927/1932/1933) entwickelt wird.
„Der Begrif des Staates“, schreibt Schmitt hier, „setzt den Begrif des Politischen voraus.“ (Schmitt 2002, 20) Das Politische
werde durch die Unterscheidung von Freund und öfentlichem
Feind (27) deiniert. Diese Unterscheidung sei „selbständig“,
insofern sie nicht auf ökonomische (nützlich-schädlich, proitabel-unproitabel), ethische (gut-böse) oder ästhetische Kriterien
(schön-hässlich) zurückgeführt werden könne. Sie eröfne aber
kein eigenes „Sachgebiet“.6 Stattdessen arbeitet Schmitt mit einem Intensitätsbegrif des Politischen, der auf die Freund-FeindBestimmung als „äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung
oder Trennung“ (27) von Menschengruppen rekurriert. Steigern
sich Gegensätze aus einem Sachgebiet bis zur „Kampfgruppierung nach Freund oder Feind“ (36), so erreichen sie Schmitt zufolge den politischen Intensitätsgrad. Die äußerste Intensität sei
gleichbedeutend mit der Möglichkeit des kommunikativ nicht
zu schlichtenden, bis zur physischen Auseinandersetzung gehenden Konlikts, der Möglichkeit der physischen Tötung und
des Getötet-Werdens. Feind sei die stets „der realen Möglichkeit
nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht“ (29). Der Krieg wird damit zur
„äußerste[n] Realisierung der Feindschaft“ (33). Das Politische
sei dabei aber nicht der Kampf selbst, sondern das durch dessen
stets gegebene Möglichkeit bestimmte Verhalten (37).
Als Feind gilt „der andere, der Fremde“, der „existenziell etwas
anderes und Fremdes ist“ (27). Dieses Anderssein beinhalte die
Möglichkeit eines nicht objektiv beurteilbaren oder normierbaren Konliktes aufgrund der „Negation der eigenen Art Existenz“ durch diesen Fremden. Wer der andere ist und wann „das
Anderssein des Fremden“ die eigene Art der Existenz gefährdet,
entscheide ausschließlich die souveräne politische Einheit selbst.
„Die Möglichkeit richtigen Erkennens und Verstehens und damit auch die Befugnis mitzusprechen und zu urteilen ist hier
nämlich nur durch das existenzielle Teilhaben und Teilnehmen
gegeben“ (27).
Der Souverän entscheidet also darüber, wann die äußerste Intensität, die extremste Möglichkeit, die seinsmäßige Negation – der
„Ernstfall“ (39) – vorliegt. Der Feind ist dabei buchstäblich identitätsstiftend. Es ist, schreibt Schmitt, Sache „der hohen Politik
[…], den Feind zu bestimmen (was immer zugleich Selbstbestimmung ist)“ (Schmitt 1991a, 36 sowie 2006, 87f.). Feindschaft ist
bei Schmitt aber nicht auf den außenpolitischen Konlikt beschränkt. Im Zuge der Herstellung politischer Einheit könne es
auch eine innerstaatliche Feinderklärung geben. Der Feind werde
damit tendenziell außerhalb des Gesetzes gestellt – für vogelfrei
erklärt (Schmitt 2002, 47). Das geschehe nicht nur bei faktisch
außerlegalem Handeln, sondern auch im Falle nur vermuteter
staatsfeindlicher Gesinnung bei legalem Verhalten (46f.): „Den
Ketzer“, so zitiert Schmitt zustimmend, „darf man auch dann
nicht im Staate dulden, wenn er friedlich ist, denn Menschen wie
Ketzer können gar nicht friedlich sein.“ (47)7
6 In der Erstaulage von 1927 wird das Politische hingegen noch eng an
den Staat angelehnt und als eigenes Sachgebiet, das der Außenpolitik,
von der Möglichkeit des zwischenstaatlichen Krieges her, bestimmt,
d.h. von der äußeren Souveränität, dem ius ad bellum, abgeleitet.
7 Die Idee einer Rechtlosstellung des Feindes hat im Zuge der Terrorismusbekämpfung Konjunktur. Vgl. schmittianische Staats- und
40
Die Deinition des Politischen von der Freund-Feind-Unterscheidung her ist allerdings in höchstem Maße fragwürdig, wenn
man sie als deskriptiven Beitrag versteht. Es ergeben sich gleich
mehrere Probleme:
1) Schmitts hese, „nur durch das existenzielle Teilhaben und
Teilnehmen“ (27) sei die Beurteilung von Freund und Feind
möglich, wird 1933 erneut aufgegrifen und radikalisiert, indem
er behauptet, die „Volks- und Rassenzugehörigkeit“ determiniere
die Möglichkeit der Individuen zur Bewertung und Einschätzung jedweden Sachverhalts:
„Ein Artfremder mag sich noch so kritisch gebärden und noch so
scharfsinnig bemühen, mag Bücher lesen und Bücher schreiben,
er denkt und versteht anders, weil er anders geartet ist, und bleibt
in jedem entscheidenden Gedankengang in den existenziellen
Bedingungen seiner eigenen Art. Das ist die objektive Wirklichkeit der ‚Objektivität‘.“ (Schmitt 1934, 45)
Alles Recht sei „das Recht eines bestimmten Volkes“, das nur der
verstehe, der „existenziell“ zu ihm gehöre (45). Dieser völkische
Relativismus ist selbstwidersprüchlich – denn ofenbar will die
‚artgerechte‘ Relativierung der Objektivität objektiv sein und dementiert damit genau das, was sie behauptet, nämlich die bloße
Relativität allen Denkens – Schmitt selbst unterstellt im Zitat,
dass es objektiv gültig sei, dass jeder „entscheidende[…] Gedankengang“ nur subjektiv gültig ist.8
Die Bedeutung des ‚existenziellen Teilhabens‘ orientiert sich
möglicherweise an Heideggers Kritik an der kontemplativen
Subjekt-Objekt-Anordnung einer ‚Ontologie der Vorhandenheit‘
und an seinem Ausgehen vom primären In-der-Welt-Sein (der
Verwobenheit von Selbst und Welt). So stellt Heidegger fest,
„daß das Erkennen selbst vorgängig gründet in einem Schonsein-bei-der-Welt, als welches das Sein von Dasein wesenhaft
konstituiert. [sic!] Dieses Schon-sein-bei ist zunächst nicht lediglich ein starres Begafen eines puren Vorhandenen“ (Heidegger
1993, 61),
sondern ein Engagiert-sein in der Welt. Schmitt deutet dieses
Engagement als Situiertheit in Freund-Feind-Gegensätzen. Heideggers Ansatz wird bei Schmitt also nicht nur zur hese vom
bloß kontextuell gültigen, polemischen Charakter aller politischen Begrife,9 sondern zur Behauptung des „Menschen als eines primär […] politischen und politisch-handelnden Wesens“
(Marcuse 1968, 47), die, wenn auch nicht konsequent,10 zur
Ablehnung jedes Gedankens an wissenschaftliche Objektivität
Strafrechtler wie Günther Jakobs 2004 oder Otto Depenheuer 2008.
8 Aber vielleicht soll diese objektiv gültige Einsicht ja selbst kein ‚entscheidender Gedankengang‘ sein. Schmitts unwissenschaftlicher, eben
rein polemischer Sprach- und Denkbrei lässt immer noch ein Hintertürchen ofen.
9 „alle politischen Begrife, Vorstellungen und Worte [haben] einen polemischen Sinn“ (Schmitt 2002, 31).
10 Vgl. Schmitt 1988, 47, wo er sich gegen die Übersetzung von Sitte
mit Noos in Homers Odyssee wendet und statt dessen Nomos lesen
will, denn: „Nous ist das Allgemein-Menschliche, das nicht nur vielen,
sondern allen denkenden Menschen gemeinsam ist, während Einfriedung, Hegung und die sakrale Ortung, die in dem Wort Nomos liegt,
gerade die einteilenden und unterscheidenden Ordnungen zum Ausdruck bringt“.
und Distanznahme, an Rationalität schlechthin (vgl. ebd., 46)
ausgearbeitet wird. Denken kann dann nur noch aus FreundFeind-Antagonismen heraus und als auf diese hin funktionalisiert verstanden werden.11
2) Feindschaft bezieht sich auf eine „der realen Möglichkeit
nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht“ (29). Der Feind soll aber nicht
privater und psychologischer Feind sein, er müsse nicht gehasst
werden. Er soll öfentlicher Feind sein, „weil alles, was auf eine
solche Gesamtheit von Menschen, insbesondere auf ein ganzes
Volk Bezug hat, dadurch [!] öfentlich wird.“ (29) Wie entstehen aber diese Gesamtheiten und ihr Bezug aufeinander? Wenn
der Begrif des Staates den Begrif des Politischen voraussetzt,
das Politische aber durch die Unterscheidung von Freund und
öfentlichem Feind deiniert ist, so stellt sich die Frage, welche
Instanz, wenn nicht das Entscheidungsmonopol, die öfentliche
Gewalt des Staates, die Unterscheidung von öfentlichem und
privatem Feind trefen soll. Es muss schon eine Instanz geben,
die eine speziische Menge von Personen („Gesamtheit“) unter
sich befasst und für sie verbindliche Entscheidungen trift. Es
existiert also die Tendenz zu einer zirkulären Deinition des
Staates aus dem Politischen und des Politischen aus dem Staat.
„Schmitts Verständnis des Feindes als öfentlicher hostis“, so stellt
Christoph Schönberger fest, „bezieht seine Anschaulichkeit ursprünglich vom Krieg zwischen in Staaten geeinten Völkern und
damit letztlich doch noch vom Staat her“ (Schönberger 2003,
42). Der Staat ist also vorausgesetzt, um in sinnvoller Weise den
öfentlichen Feind zu bestimmen.
3) Noch im Vorwort der 1963er Ausgabe des Begrifs des Politischen reklamiert Schmitt die Identität von Politischem und
Staatlichem für die Epoche einer „klare[n] Begrenzung des Krieges“ und „Relativierung der Feindschaft“ (Schmitt 2002, 11) im
ius publicum europaeum zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert.
Dessen Unterscheidungen zwischen „Innen und Außen, Krieg
und Frieden, […] Militär und Zivil, Neutralität oder Nicht-Neutralität“ (11) werden also explizit unter den Begrif des Politischen subsumiert. Die von Schmitt mit dem Politischen verbundene Formel von der „Negation der eigenen Art Existenz“, bzw.
„seinsmäßigen Behauptung der eigenen Existenzform“ (50) ist
damit aber nicht zwangsläuig vereinbar und stellt keine zutreffende Beschreibung der Logik aller zwischenstaatlichen Kriege
des 18. oder 19. Jahrhunderts dar. Diese waren, wie Bernd Lad11 Im linksschmittianischen Diskurs der ‚radikalen Demokratie‘ existiert Vernunft nur noch als „Schleier“ (Moufe 2013, 106) vor der eigentlich partikularen, irrationalen, gewaltbegründeten Wirklichkeit. Chantal Moufe betrachtet jede Form der Erkenntnis und jeden allgemeinen
Wahrheitsanspruch als gewaltkonstituiert, als bloßen Ausschlussakt
und Machtefekt (vgl. ebd., 101, 125f.) und formuliert damit letztlich
eine „politische Ontologie“, eine „allgemeine“ Gewalt- und Konlikttheorie „der Bedeutungsproduktion“ (Marchart 2011, 213), die alle
menschlichen Praktiken als politisch begreift. Es gibt dann allerdings
bestenfalls noch pragmatische, aber keine epistemischen Gründe mehr,
einer Aussage zuzustimmen (vgl. kritisch dazu: Boghossian 2013, 21).
Demzufolge gibt es auch keine Möglichkeit, den Gegner zu überzeugen
– dieser muss konvertieren (vgl. Moufe 2013, 78, 104). Dieser relativistische Diskurs, der die Partikularität aller Diskurse feststellt, will aber
ofenbar keineswegs partikular sein, er erhebt gerade den Anspruch auf
sprachspielübergreifende Erkenntnis, den er selbst leugnet. Das ist der
übliche Selbstwiderspruch einer totalisierten Vernunftkritik bzw. eines
relativistischen Sozialkonstruktivismus (vgl. dazu Nagel 1999, 24-27,
32f., 37-40 und Boghossian 2013, 58-62).
wig feststellt, „von den dafür Verantwortlichen keineswegs als
Negation der Negation ‚der eigenen Art Existenz‘ angezettelt
worden, sondern, zum Beispiel, als Kampf um Schlesien oder um
überseeische Kolonien.“ (Ladwig 2003, 59)12 Die Formel verweist eher auf den totalen Krieg und auf den Vernichtungskrieg
im 20. Jahrhundert.13 Im Jahr 1937 spricht Schmitt denn auch
ofen aus, es sei „richtig und sinnvoll […], eine vorher bestehende, unabänderliche, echte und totale Feindschaft zu dem Gottesurteil eines totalen Krieges“ führen zu lassen (Schmitt 1994a,
273). Unter den Bedeutungen des ‚totalen‘ Krieges taucht explizit
die Einwirkung auf den Feind mittels „rücksichtslosen Einsatzes
vernichtender Kriegsmittel“ (268) und des Einziehens der Unterscheidung von Kombattanten und Nichtkombattanten (270)
auf. Völlig unklar bleibt also der Zusammenhang zwischen relativierter Feindschaft und ihrem doch vermeintlich politischen,
dann aber auch existenziellen, um die „Negation der eigenen
Art Existenz“ (2002, 27) kreisenden Charakter. „Etwas weniger
Feindschaft“, so Hans Boldt,
„die nicht mehr das Existentielle, sondern rechtliche Regeln und
allgemein anerkannte Sitten als oberstes Gebot nimmt, ist mit
der ursprünglichen Anlage der heorie unvereinbar.“ „Was ist –
wenn Feindschaft die Negation der eigenen Art des Seins bedeutet – eine ‚relativierte’ Negation?“ (Boldt 2005, 111,118)
4) In der heorie des Partisanen im Jahr 1963 trennt Schmitt seinen Begrif des Politischen vom Staat ab, wobei der Begrif des
Ernstes als Unterscheidungskriterium eine wichtige Rolle spielt.
Die dabei vorgenommene Diferenzierung zwischen konventionellem, wirklichem und absolutem Feind bewirkt allerdings keine Klärung des Feindbegrifs. Es bleibt unverständlich, wie die
Kategorie des konventionellen Feindes mit dem Begrif des Politischen vereinbar sein soll: Schmitt zufolge ist der konventionelle
Feind der Feind im gehegten europäischen Kabinettskrieg des
18. Jahrhunderts. Dieser erscheine im Vergleich zu den totalen
Kriegen als „nicht viel mehr als ein Duell zwischen satisfaktionsfähigen Kavallieren“ (Schmitt 2006, 56).14 Der Krieg werde
hier gar so stark gehegt, „daß er als ein Spiel aufgefasst werden
konnte“ (90). Schmitt hat also ofenbar bemerkt, dass sein auf
‚Existenz‘behauptung fokussiertes Intensitätskriterium des Politischen für viele kriegerische Auseinandersetzungen nicht zutrift.15 Was im Begrif des Politischen ohne weiteres unter das In-
12 Vgl. auch Krockow 1990, 105. Dass hier kein Hass auf den Feind im
Spiel sein musste (vgl. Schmitt 2002, 29), leuchtet bei diesen Kriegen
noch eher ein.
13 So zeigt Michael Wildt in seiner Studie über die Elite des Reichssicherheitshauptamts, einem Brückenkopf des NS-Vernichtungskrieges,
dass diese sich bis ins Detail Schmitts Vokabular bedient. „Voller Einsatz, höchste Intensität“, so auch Hans Freyer 1929 auf einer Tagung
von künftigen Mitgliedern dieser Funktionselite, zeichnet diese Generation aus. Man weiß, was das zu bedeuten hatte. Zu den Bezügen der
RSHA-Mitglieder auf Schmitt vgl. Wildt 2008, 115-125, 136, 141f,
205, 210f., 853.
14 Vgl. auch Münkler 2010, 110-122 zur Entwicklung von der asymmetrischen Rechtfertigung des Krieges im bellum iustum-Paradigma
des Mittelalters zur symmetrischen im Paradigma des „Duells oder Turniers“ (113) in der europäischen Völkerrechtsordnung.
15 Natürlich ging es denjenigen, die sich für territoriale oder sonstige
Interessen ihrer Herren töten und verstümmeln lassen mussten, in der
Situation des Kampfes um ihre konkrete Existenz, den Gemeinwesen
41
tensitätskriterium des Politischen fällt, der gehegte Krieg, wird in
der heorie des Partisanen zum bloßen Spiel – zu dem, wogegen
sich, wie noch zu zeigen sein wird, Schmitts ganzes Ressentiment
wendet. Nun soll erst der „spanische Partisan [...] den Ernst des
Krieges wieder her[gestellt]“ haben (91), indem er einen ‚wirklichen‘ Feind bekämpfte und so aus einem unernsten einen ernsten, also existenziellen, „wirklichen Krieg“ (91) gemacht habe.
Den irregulär kämpfenden Partisanen zeichnet Schmitt zufolge
aus, dass er sich „die Entscheidung darüber vorbehält, wer der
‚wirkliche Feind’ ist“ (90). In der wirklichen Feindschaft inde
der Partisan „den Sinn der Sache und den Sinn des Rechts“ im
Gegensatz zur stumpfen oder untergegangenen Legalität des Gesetzes (92). Er sieht in ihm einen Statthalter des Politischen, der
Entscheidung unter Bedingungen oizieller Entscheidungsohnmacht, dem Untergang des legalen Souveräns. Es fragt sich allerdings, ob das noch als öfentliche Feindbestimmung durchgeht.
Ist der Partisan wirklich der Souverän? So stellt Marcus Llanque
fest, dass der Partisan „nicht mehr in Ausführung einer öfentlichen Sache und als regulärer Soldat, sondern als Privatmann“
(Llanque 1990, 70) agiert. Dies widerspreche aber Schmitts hese vom öfentlichen, nicht privaten Charakter der Feindbestimmung. Wichtig ist allerdings, dass der Partisan ofenbar einen
direkten Draht zur Legitimität, zu den von Schmitt proklamierten ‚substanzhaften‘ Werten einer Verfassung, schließlich zum
Boden haben soll, weshalb ihm auch ein „tellurische[r]“ (Schmitt
2006, 26) Charakter bescheinigt wird.16 Der Partisan, schreibt
Llanque, erkenne Schmitt zufolge „den Sinn des Rechts als
Einheit von Ordnung und Ortung“ (Llanque 1990, 76).17 Eine
Möglichkeit, dem Partisanen Souveränität, d.h. eine öfentliche,
verbindliche Entscheidungsgewalt zuzusprechen, besteht demnach darin, ihn als Exponent einer relativ homogenen Weltanschauungsgemeinschaft zu betrachten, die ‚unterhalb‘ des formal
bestehenden Staates existiert.
Der absolute Feind hingegen sei der Feind des von Schmitt befehdeten revolutionären, linken Partisanen, der aufgrund seiner
‚Motorisierung‘ (vgl. Schmitt 2006, 78) den Bezug zum Boden
verliere und der wegen seiner universalistischen, humanitären
Ausrichtung den Feind aus dem Menschengeschlecht ausscheide, keine Hegungen mehr kenne (vgl. 56, 91f.). Wenn die Relativierung des wirklichen Feindes, die ihn immer noch vom
absoluten Feind unterscheiden soll, vom defensiven Charakter
des Partisanen herrührt, so wäre nun das Politische ausschließlich ein Verteidigungskrieg, der die eigenen Landesgrenzen nicht
mehr überschreitet (vgl. 93), ‚ernster’ ist als die Kabinettskriege
der Vergangenheit, aber keinesfalls so intensiv wie ein Kampf
gegen absolute Feinde. Solche Festlegungen widersprächen der
relativistischen (bzw. dezisionistischen) Behauptung, dass das
Vorliegen des Ernstfalls, die Deinition von ‚Bedrohung der eigenen Art Existenz durch den Feind’ – damit auch, worin die
eigene Art Existenz besteht – ausschließlich bei den Beteiligten
aber nicht unbedingt.
16 Hier knüpft Schmitt an Motive der Partisanentheorie von Rolf
Schroers aus dem Jahr 1961 an (vgl. Grünberger 1990, 53). Aber auch
Ernst Jüngers Partisan aus dem Jahr 1951, genannt „Waldgänger“, steht
Pate, weist doch bereits dieser einen unmittelbaren Bezug zur Legitimität bzw. den „Quellen der Sittlichkeit“ auf, wenn „alle Institutionen
zweifelhaft oder sogar anrüchig werden“ (Jünger 2014, 83).
17 Der geschichtsphilosophische Hintergrund dieser Idee eines legitimen Rechts als Einheit von Ordnung und Ortung ist Schmitts esoterische „Nomos“theorie, vgl. Schmitt 1988.
42
selbst liege und von keinem Dritten beurteilt oder gerichtet werden könne (Schmitt 2002, 50). Es widerspräche auch wieder der
Formel von der höchsten Intensität – dem Partisanen wird ja
sogar ein „intensiv politische[r] Charakter“ (Schmitt 2006, 21)
bescheinigt, was eigentlich schlecht möglich ist, wenn das Politische schon die äußerste Intensität der Trennung/Verbindung von
Menschengruppen sein soll. Im Spätwerk wird aber nicht nur
plötzlich der gehegte Kabinettskrieg als gar nicht die ‚eigene Art
Existenz‘ betrefendes Spiel erkannt, sondern, wie in Hamlet oder
Hekuba, scheinbar der Staat selbst mit dem Spiel gleichgesetzt
(vgl. Schmitt 1985b, 43, 65f., 72), gegen das „der unkonstruierbare, nicht relativierbare [!] Ernst des tragischen Geschehens“
(47) geltend gemacht wird – auch hier ist Hegung also nicht vorgesehen. So konstatiert Schmitt,
„daß es zum Wesen der Tragik gehört, sich nicht in ein sekundäres System einbeziehen zu lassen, ebenso wie umgekehrt das
sekundäre System ein Bereich von Spielregeln ist, die Einbrüche
des tragischen Geschehens ausschließen“ (71). „Vielleicht indet
sich eines Tages ein Gesetzgeber der – den Zusammenhang von
Spiel und Freiheit, Freiheit und Freizeit realisierend – die einfache Legaldeinition aufstellt: Spiel ist alles, was ein Mensch im
Rahmen der ihm gesetzlich zustehenden Freizeit zu deren Ausfüllung oder Gestaltung unternimmt.“ (72)
Dass Schmitt Hans Freyers ‚sekundäres System‘ erwähnt, dessen Begrif für die Institutionen der ‚industriellen Gesellschaft‘
(vgl. Freyer 1955), verdeutlicht, dass er nicht den Staat generell,
sondern den technisch-administrativen Apparat der ‚Industriegesellschaft‘ mit dem Spiel assoziiert – eine rechte Kritik der vermeintlich ‚verwalteten Welt‘:
„Die Flucht vor der Freiheit“, so Schmitt im Glossarium, „ist in
concreto nichts anderes als die Flucht in die Technik.“ (Schmitt
1991a, 134)
Hier wird Freiheit mit dem Politischen, also mit der (in der Regel
heteronom vom Souverän vorgegebenen) Möglichkeit des Kampfes und Todes verknüpft, während Unfreiheit mit physischem
Behagen und rationaler Planung per se assoziiert wird. Es geht
Schmitt also keineswegs um den Gegensatz von Autonomie und
Heteronomie, sondern lediglich darum, zu welchem Zweck sich
das Individuum in den Dienst nehmen lässt. In der Tat spielt
aber, wie gezeigt, im Partisanenkonzept die Haltung des ehemals Souveränitätsunterworfenen eine Rolle, die man im Begrif
des Politischen noch nicht erkennen kann – darf dieser sich der
‚falschen‘ bzw. ‚fremden‘ Souveränität doch nicht mehr fraglos
unterwerfen, sondern muss seine eigene künftige Unterwerfung
unter eine bodenbezogene, wahre Souveränität aktiv betreiben
und vorbereiten. Das Freiheits- und Individualitätspathos ist reiner Schein.18 Faschistischen heoretikern wie Schmitt und seinen
Schülern liegt nichts ferner, als die bürokratische Mentalität einer
nüchternen Bedienung der Staatsapparatur. Immer wieder wird
18 Hinter diesem verbirgt sich, wie Erich Fromm darlegt, der rebellische Typus des autoritären Charakters, der „Abfall von einer Autorität
unter Beibehaltung der autoritären Charakterstruktur mit ihren speziischen Bedürfnissen und Befriedigungen“. Die Ursache dieses Abfalls
liegt darin, dass eine „bestehende Autorität ihre entscheidende Qualität
einbüßt, nämlich die der absoluten Macht und Überlegenheit“ (Fromm
1989, 184f.).
die Entwicklung des Staates zum bloßen Mechanismus, „große[n]
Betrieb“ (Schmitt 2004b, 69) oder „bürokratische[n] Apparaturstaat“ (Forsthof 1933, 11) unter dem „Gesetz der Zweckrationalität“ (ebd.) als Verfallsgeschichte interpretiert. Diese ‚Kritik der
instrumentellen Vernunft‘19 propagiert dagegen das engagierte
politische Handeln im Geiste ‚substanzieller Werte‘, wenn nötig auch gegen die formal zuständigen Instanzen. Bereits 1914
spricht sich Schmitt denn auch gegen die „‘Plichtwichte[…]‘“
und deren „Unfähigkeit [sic!] in einer großen Sache aufzugehn“
aus. Diese Bürokraten verwechselten das, „was hier Staat und
Aufgabe genannt wird, mit der ‚vorgesetzten Behörde‘“ (Schmitt
2004a, 92).
Ein guter Kandidat für diese Reanimierung des „nicht relativierbare[n] Ernst[es]“ des Tragischen bzw. des Politischen gegen die
verhasste Sekurität und bürokratische Mentalität, ist also für den
späten Schmitt der Partisan. Auch und gerade dieser eignet sich,
wie Herfried Münkler betont, für eine existenzielle Kriegsaufassung, „in welcher der Krieg nicht als Mittel der Politik, sondern
als Medium der Konstitution oder Transformation einer politischen Größe begrifen wird“. Diese Figur sei mit dem „arbeitsame[n], strebsame[n], fast in allen Entschlüssen am Kosten-Nutzen-Kalkül orientierte[n] Bürger“ (Münkler 2002, 106) nicht zu
vereinbaren.
Schmitts deskriptiver Begrif des Politischen ist, wie hier nur
angedeutet werden konnte, wirr und analytisch unbrauchbar.
Doch mit den letzten Ausführungen beinden wir uns bereits
mitten in Schmitts normativem Programm. Dieses soll nun näher betrachtet werden.
II. Der normative Gehalt des Begrifs des Politischen: Die
Ermöglichung einer ernsthaften Existenz
Die Entscheidung über Krieg und Feind ist der „entscheidende
[…] Punkt des Politischen“ (Schmitt 2002, 39). Die politische
Gruppierung orientiert sich am „Ernstfall“, ist für diesen die
„maßgebende“ Einheit und in diesem Sinne der Entscheidung
über das Vorliegen des Ernstfalls „’souverän’“ (39). Der Kriegsfall ist der Ausnahmefall, aber von diesem her bestimmt sich für
Schmitt das Wesen des Politischen, das demgemäß eine Existenzform unter der beständigen Möglichkeit des Krieges ist.
Staatliche Souveränität besteht also zunächst darin, „kraft eigener Entscheidung den Feind zu bestimmen und ihn zu bekämpfen“ (45). Bemerkenswert ist, dass Schmitt hiermit ein höherrangiges „‘Recht auf Selbsterhaltung‘“ (Schmitt 2003, 22) geltend
macht, nämlich das Recht auf „Existenz [,][...] Unabhängigkeit
[,] Freiheit“ des Volkes, „wobei es kraft eigener Entscheidung bestimmt“, worin diese bestehen (Schmitt 2002, 46).20 Indem das
ius ad bellum das Entscheidungsmonopol des Staates über Krieg
und Feind darstellt, beinhaltet es
„die Möglichkeit […] ofen über das Leben von Menschen zu
verfügen […] von Angehörigen des eigenen Volkes Todesbereitschaft und Tötungsbereitschaft zu verlangen, und auf der Feindesseite stehende Menschen zu töten“ (46). „Durch diese Macht
über das physische Leben der Menschen erhebt sich die politische
Gemeinschaft über jede andere Art von Gemeinschaft“ (48).
Verlange eine Kirche von ihren Angehörigen das Sterben für den
Glauben, so nur ihres eigenen Seelenheils wegen. Beziehe sich
die Einforderung der Todes- und Tötungsbereitschaft auf die
Kirche als „weltliches Machtgebilde“, mutiere sie hingegen sofort
„zu einer politischen Größe“ (48). Die diesseitige Ausrichtung
der Todesbereitschaft, ihre verbindliche Einforderung von einer
jenseits des Einzelnen liegenden, öfentlichen Instanz und der
eigeninteressierte Motive auf öfentliche Belange hin überschreitende Inhalt scheinen also das Politische am politischen Verlangen des Staates zu sein. Die „Macht über das physische Leben
der Menschen“ (48) erweist das Politische als „Status in einem
absoluten Sinne“ und „relativiert und absorbiert alle anderen
Statusverhältnisse“ (Schmitt 2003, 49). Die nachvollziehbarste
Bedeutungsschicht des schillernden Begrifs des ‚Existenziellen‘
oder ‚Seinsmäßigen‘ ist hiermit freigelegt.
Die Frage nach dem Verhältnis von Sachgebieten und Autonomie des Politischen wird hier virulent, denn wofür eigentlich
wird die Tötungs-/Todesbereitschaft verlangt? Einerseits behauptet Schmitt, dass jeder Gegensatz aus beliebigen Sachgebieten politisch werden könne, wenn er nur den höchsten Intensitätsgrad der Freund-Feind-Gruppierung erreiche (37f.). Das legt
nahe, dass ökonomische Konkurrenz oder moralische Ablehnung in Krieg umschlagen können: Das wären Kriege um den
Zugang zu Ressourcen oder zur Verhinderung der Vernichtung
speziischer Bevölkerungsteile eines anderen Staates (‚humanitäre Intervention‘), also Kriege aus ökonomischen oder moralischen
Gründen. Das Politische wäre hier eine Steigerung der Gegensätze von Menschengruppen, „deren Motive religiöser, nationaler
[…], wirtschaftlicher oder anderer Art sein können“ (38), bis zur
Tötungs- und Todesbereitschaft. Solche Motive lehnt Schmitt
aber nur wenige Seiten später in aller Entschiedenheit ab. Jede
Rechtfertigung von Todes- und Tötungsbereitschaft aus ökonomischen, religiösen oder ethischen Gründen sei „grauenhaft
und verrückt“ (49). Ein aus solchen Gründen geführter Krieg
sei „sinnwidrig“, weil sich aus den speziischen Gegensätzen der
Sachgebiete Feindschaft und Krieg nicht ableiten ließen (36).
Der Krieg habe „keinen normativen, sondern nur einen existenziellen Sinn, und zwar in der Realität der Situation eines wirklichen Kampfes gegen einen wirklichen Feind“ (49).21 Daher
könne die Bestimmung des Feindes (wer ist zu bekämpfen?) und
des Ernstfalls (wann tritt der Fall des Krieges ein?) sowie die Bestimmung der „eigenen Art Existenz“ (27) nicht moralisch oder
ökonomisch oder durch sonst einen „Sachbereich“ bewerkstelligt
19 Bereits 1916 entfaltet Schmitt dieses Motiv ausführlich in seinen
Anmerkungen zu Däublers „Nordlicht“. Dort moniert er den „Betrieb,
der den Einzelnen so vernichtet, daß er seine Aufhebung nicht einmal fühlt“ [!!!] (Schmitt 1991b, 59), das ‚mechanische‘ „Zeitalter der
Sekurität“ (62), mit seinen „großartig funktionierende[n] Mittel[n] zu
irgendeinem kläglichen oder sinnlosen Zweck“ (59). Was hier als Kritik der verwalteten Welt anhebt, ist pures Ressentiment gegen Planung
und irdisches Glück per se, die Furcht vor der Freiheit, die denjenigen
ergreift, der keine transzendenten, ewigen, der Menschheit entzogenen
Werte und Instanzen mehr erblicken und ihnen doch nicht entraten
kann.
iert, ist, juristisch betrachtet, wert, daß es existiert. Daher ist ihr ‚Recht
auf Selbsterhaltung‘ die Voraussetzung aller weiteren Erörterungen“.
Vgl. auch Schmitt 2004b, 18f.: „Im Ausnahmefall suspendiert der Staat
das Recht, kraft eines Selbsterhaltungsrechtes, wie man sagt.“
20 Dieses vorpositive Recht wird aber bezeichnenderweise nicht aufs
Individuum, sondern auf Herrschaftsverhältnisse bzw. politische Einheiten bezogen, vgl. Schmitt 2003, 22: „Was als politische Größe exist-
21 Ein Krieg hat seinen Sinn nicht darin, daß er für Ideale oder Rechtsnormen, sondern darin, daß er gegen einen wirklichen Feind geführt
wird“ (2002, 50f.).
43
werden. Sowohl die Existenzweise als auch die Bereitschaft, für
deren Verteidigung zu töten, scheinen hier durch eine kriteriell
leere Entscheidung 22 hervorgebrachte Gespenster. Sie sind „nur
politisch sinnvoll“ (50) – das Politische ist aber wiederum die
auf den Kriegsfall bezogene Unterscheidung von Freund und
Feind.23 Schmitt scheint hier schlicht den Krieg als Mittel für bestimmte inhaltliche Zwecke zu ignorieren. Der Feind wird zwar
nur bekämpft, weil er ‚unsere Art der Existenz‘ bedroht – was
das heißt kann Schmitt zufolge nur die politische Einheit selbst
bestimmen. Wäre das aber so, dann könnte ‚der Westen‘ einen
Krieg gegen ‚den Islamismus‘ führen, weil dieser seine moralischen und kulturellen Werte negiert, oder gegen ‚den Kommunismus‘, weil er seine Eigentumsordnung bedroht. Aber Schmitt
leugnet dies nicht nur, er schreibt den Beteiligten plötzlich, ganz
22 Der Linksschmittianismus der Gegenwart reproduziert dieses dezisionistische Denken des Politischen als grundloses und nicht zu begründendes Konliktgeschehen, vgl. Moufe 2013, 106 sowie Hetzel
2009, 236: „Das Politische gründet […] in seinem je konkreten Vollzug;
es kennt darüber hinaus keine transzendentalen Bedingungen seiner
Möglichkeit, keine ihm selbst vorgängigen Vernunft- oder Rechtsgründe. […] Das Politische ruht buchstäblich auf nichts“. Es ist bezeichnend, dass dieses politische Denken denn auch buchstäblich nichts
zum Verständnis von Staat, Ökonomie und politischem Handeln beizutragen hat, mit Ausnahme der hese, menschliches Handeln sei nicht
durch eine Sachgebietslogik determiniert, die aber ins falsche Extrem
der Aussage getrieben wird, es gebe keine historisch-speziischen, für
bestimmte Sozialformationen relativ stabilen, tiefenstrukturellen Bedingungen, die menschliches Handeln ermöglichen, begrenzen und
motivieren. Das Zauberwort der ‚kontingenten‘ Ordnungen lässt hier
jede sozialtheoretisch sinnvolle Unterscheidung verschwinden. Zur Kritik an Moufe u.a. vgl. Wallat 2010.
23 Mit Bezug auf die hese, der Krieg sei „nicht Ziel und Zweck der Politik“ (Schmitt 2002, 34) versuchen Schmitt-Apologeten wie Böckenförde (1991, 345), die hese vom „kriegerischen Kampf“ als „Ziel und
Inhalt der Politik“ als „Mißverständnis“ abzutun. Wie gezeigt, geht es
beim Politischen aber sehr wohl um die Existenz unter der beständigen Möglichkeit des Krieges. Der Krieg „muß“, schreibt Schmitt, „als
reale Möglichkeit vorhanden bleiben“, damit „der Begrif des Feindes
seinen Sinn hat“ (Schmitt 2002, 33), die Feindunterscheidung wiederum ist das Kriterium des Politischen (26) und Kriege dürfen zudem
Schmitt zufolge nicht „für Ideale oder Rechtsnormen“ (50f.) geführt
werden, dies wäre ja „grauenhaft und verrückt“ (49), sondern nur „politisch sinnvoll“ (50) sein, haben ihren Sinn also darin, dass sie „gegen
einen wirklichen Feind“ (51) geführt werden. In der 3. Aulage des Begrifs des Politischen von 1933 und dem Artikel Politik aus dem Jahr
1936 weicht Schmitt scheinbar von dieser Sinngebung des Politischen
ab. Im Gegensatz zur Aufassung eines „Nichts-als-Kriegertums“ im
heroischen Realismus Ernst Jüngers, werde der Krieg der „politischen
Ansicht“ gemäß „des Friedens wegen geführt“ (Schmitt 1995b, 137),
bzw. zwecks „Herbeiführung von Herrschaft, Ordnung und Frieden“
(Schmitt 1933, 10). Aber auch hier darf man sich nicht in die Irre führen lassen, zeigt doch der Hinweis darauf, dass diese politische Ansicht
auch der „auf den Frieden gerichteten […] Politik des Führers und
Reichskanzlers Adolf Hitler zugrunde liegt“ (1995b, 137), die rein zeitbedingte, politstrategische Ausrichtung dieser Ausführungen. Schmitts
Sätze sind genauso lügenhaft wie Hitlers ‚Friedenspolitik‘ Mitte der
30er Jahre. Dass Schmitt im „agonale[n] Prinzip“ Jüngers den Gegner
nur als „‘Antagonist[en]‘, Gegenspieler [!] oder Gegenringer, nicht [als]
Feind“ (1933, 10) auftreten sieht, deutet an, dass er in Jüngers Haltung
ofenbar ein gewisses Maß an romantischer Politik identiiziert, ihm
hier zu sehr das den Krieg als Gelegenheit betrachtende Individuum
im Mittelpunkt steht. Es zeigt sich, dass Schmitt ‚wirkliche‘ Feinde,
nämliche Feinde des Politischen, bekämpfen will und nicht eine völlig
inhaltslose Feindbestimmung im Auge hat.
44
im Widerspruch zu seiner Feindtheorie aus der Beteiligtenperspektive, vor, Kriege nicht aus ökonomischen oder moralischen
Gründen führen zu dürfen, nur aus politischen. Und damit wird
die Bekämpfung des Feindes, wird das Verlangen von Todesund Tötungsbereitschaft recht verstanden zum Selbstzweck.24
Was Werner Konitzer zufolge „bei allen NS-Ideologen […] auftaucht“, trift auch auf Schmitt zu:
„die grundsätzliche und prinzipielle Bejahung des Krieges. Damit richten sie sich nicht nur gegen paziistische Positionen, sondern gegen alle Positionen, für die Krieg überhaupt einer besonderen Begründung bedarf“ (Konitzer 2009, 102).25
Es ist daher kein Zufall, dass Schmitt sich schon früh für „irrationalistische heorien unmittelbarer Gewaltanwendung“ (Schmitt 1996a, 77) interessiert und auf Georges Sorel rekurriert.
Was ihn fasziniert, ist folgende Haltung:
„[D]ie diskutierende, transigierende, parlamentierende Verhandlung erscheint als ein Verrat am Mythus und an der großen Begeisterung, auf die alles ankommt. Dem merkantilen Bild von
der Balance tritt ein anderes entgegen, die kriegerische Vorstellung einer blutigen, deinitiven, vernichtenden Entscheidungsschlacht“ (81). „Die kriegerischen und heroischen Vorstellungen,
die sich mit Kampf und Schlacht verbinden, werden von Sorel
wieder ernst genommen als die wahren Impulse intensiven Lebens [...]. Was das menschliche Leben an Wert hat, kommt nicht
aus einem Räsonnement; es entsteht im Kriegszustande bei Menschen, die, von großen mythischen Bildern beseelt, am Kampfe
teilnehmen“ (83).26
Hier verselbständigt sich ein Merkmal von Moral 27 – die Verplichtung des Einzelnen, also die Möglichkeit eines Konliktes
mit dem Prinzip der unmittelbaren Selbstliebe – zu einer entleerten „Erhabenheit“ (Sorel 1981, 248) als Verherrlichung des
Absehens von sich selbst und allen Nutzenerwägungen.28 Wie
bei Schmitt wird der Krieg dabei von Sorel zum Selbstzweck
erkoren und es kommt keineswegs auf eine rational begründ-
24 Das verkennen Joas/Knöbl 2008, 222, 224. Vgl. zum Selbstzweckbegrif Abschnitt III dieses Beitrags.
25 Vgl. auch Sternhell u.a. 1999, 90f.: Hier ist „die Gewalt […] nicht
nur Mittel zum Zweck, sondern ein Wert an sich“.
26 Ein fast wörtlicher Bezug auf Sorel 1981, 252: Die „hohen moralischen Überzeugungen“ „hängen keineswegs von Vernunfterwägungen
oder von einer Erziehung des individuellen Willens ab; vielmehr stehen
sie in Abhängigkeit von einem Kriegszustande, an dem die Menschen
willig teilnehmen und der sich in scharf umrissenen Mythen ausdrückt“. Sorel bewegt sich dabei in dem (beabsichtigten) Zirkel, die
Selbstüberwindung im Krieg/Kampf als Quelle der Erhabenheit zu betrachten, die wiederum nichts anderes als eine kriegerische Tugend ist;
vgl. Sternhell u.a. 1999, 90.
27 Schmitt spricht in diesem Zusammenhang auch immer wieder von
‚moralischer Entscheidung‘ (vgl. z.B. 2004b, 68f.). Zur faschistischen
‚Moral‘ vgl. Konitzer 2009, Gross 2010.
28 Vgl. Sorel 1981, 249. Vgl. Sternhell u.a. (1999, 93), der Sorels Intention wie folgt zusammenfasst: „man muß alle Ideologien und politischen
Tendenzen zerschlagen, die sich auf die Idee gründen, das Wohlergehen
des einzelnen sei der Zweck jeder gesellschaftlichen Organisation.“ Vgl.
auch Meuter 1994, 285: „Ernste Moral ist demnach totale Mobilmachung zu […] fremden Zwecken“.
bare Richtigkeit oder Wahrheit des zur Gewalt motivierenden
Mythos an. So verurteilt Sorel beispielsweise den ökonomisch
motivierten Eroberungskrieg. Hier habe „[d]er Krieg […] seine
Ziele nicht mehr in sich selbst“ (habe also keinen ‚politischen
Sinn‘), gehe es doch einfach darum, sich „materielle Vorteile zu
schafen“ (196). Dem wird der Ruhmeskrieg gegenübergestellt,
der „jegliche soziale Rücksicht der Rücksicht auf den Kampf
unterordnet“ (197) (höchste Intensität) und „den Menschen, der
sich ihm hingibt, an eine Stelle erhebt, die den gewöhnlichen
Bedingungen des Lebens überlegen ist“ (195)29 (Ernst vs. Spiel;
Ausnahme vs. Normalität). Ebenfalls nimmt Schmitt Sorels
„Bild [...] vom Bourgeois“ (Schmitt 1996a, 87) auf, einen ‚Mythos‘, der den Bourgeois als feigen, unkriegerischen Weichling
beschreibt,30 als Gegenbild zu allen Werten des faschistischen
Irrationalismus.31 Schmitt kritisiert lediglich die vermeintliche
Halbherzigkeit, mit der Sorel seinen Angrif auf den Rationalismus durchführt. Er beziehe sich inkonsequenterweise noch auf
die Begrilichkeit der Klassentheorie von Marx, mit der dieser
„seinem Gegner, dem Bourgeois, auf das ökonomische Gebiet
gefolgt ist“ (86): „Amerikanische Finanzleute und russische Bolschewisten“, so Schmitts Variation eines antisemitischen Topos,
„inden sich zusammen im Kampf für das ökonomische Denken
[…]. In dieser Bundesgenossenschaft steht auch Georges Sorel.“
(Schmitt 1925, 19) Dagegen könne nur die „Energie des Nationalen“ (Schmitt 1996a, 88) vor der Konsequenz einer nicht mehr
zum bedingungslosen Kampf motivierenden „rationalistische[n]
und mechanistische[n] Mythenlosigkeit“ (86) bewahren.32
Genau das ist also der Clou des Schmittschen Begrifs des Politischen: das faschistische „’l’art pour l’art auf politischem Gebiete’“ (Schmitt 1994b, 125), ein „Ästhetizismus […] des Ernstfalls“
(Bürger 1986, 174). Dieser, so Friedrich Balke, habe den Anspruch der totalen Erfassung des Menschen „unter den Bedingungen einer hochgradig arbeitsteilig organsierten Gesellschaft“
29 Vgl. Schmitt 2004b, 21: „In der Ausnahme durchbricht die Kraft
des wirklichen Lebens die Kruste einer in Wiederholung erstarrten
Mechanik.“ Eine Begeisterung für das In-der-Welt-Sein im Kriegsfall
im Gegensatz zum punktuellen Selbst, das einer zur leeren Abstraktion
mutierten ‚Umwelt‘ gegenüberstehe, indet sich auch im Manifest Der
kommende Aufstand (Unsichtbares Komitee 2010, 54): „Diejenigen,
die […] einen Krieg […] bewohnen, haben keine ‚Umwelt‘, sie entwickeln sich in einer Welt, die von Gegenständen und Gefahren, von
Freunden und Feinden, von Lebenspunkten und Todespunkten […]
bevölkert wird“.
30 Vgl. auch seine Ausführungen zu Hegels „polemisch-politischer Deinition des Bourgeois“, „der die Sphäre des risikolos-Privaten nicht verlassen will“, die Sicherheit des Genusses seiner privaten Güter anstrebt
und sich darin „als einzelner gegen das Ganze verhält“. Der Bourgeois
sei ein Mensch, der den Staat für seine egoistischen Geschäfte instrumentalisiert, aber „der Gefahr eines gewaltsamen Todes entnommen
bleiben will“ (Schmitt 2002, 62).
31 Schmitt teilt diese Werte, bewahrt aber meist den für ihn charakteristischen pseudosachlichen Stil. Zu den Idealen des Faschismus vgl.
Sternhell u.a. 1999, 17-22, 24-27.
32 Sternhell u.a. (1999, 103f., 107) zeigen allerdings, dass dieser
Marx-Bezug Sorels von Anfang an mit einer irrationalistischen Fundamentalrevision verbunden war, die am Klassenkampf nur den Kampf
schätzte, am Kapitalismus nur einen Mythos vom transigenten Bürger
kritisierte und letztlich in den Nationalismus gemündet habe. Damit
folgten Sorel und seine Schüler dem Schmittschen Wink, weil sie bemerkten: „Dieses Proletariat […] erwies sich als ebenso dem Utilitarismus verfallen wie die Bourgeoisie.“ (103)
durch zeitweilige „Suspension aller alltäglichen (‚bürgerlichen‘)
Lebensvollzüge“ mittels einer „Orientierung des Menschen an
der Möglichkeit des eigenen Untergangs“ (Balke 1990, 49). Im
Gegensatz zum Spiel in Schillers Sinne, das den Menschen ebenfalls total erfasse,33 aber, wie Schmitt meint, dabei existenziell
„entproblematisier[e]“ (Schmitt 1985b, 50), womit es „die grundsätzliche Negation des Ernstfalles“ darstelle (42), könne Schmitt
nur eine ‚Ästhetik des Ernstes‘ tolerieren.34 Balke resümiert, Schmitt könne „den Wunsch ‚gespaltener‘ Subjekte nach imaginärer
Retotalisierung nur dann akzeptieren, wenn er eine Intensität
entfaltet, die auch noch das zentrale Axiom neuzeitlicher Anthropologie seit Hobbes außer Kraft setzt, das den Menschen ein
schlechterdings nicht zu relativierendes Interesse an ihrer conservatio unterstellt.“ (Balke 1990, 50)35
Wie Leo Strauss bereits 1932 festgestellt hat, zeichnet sich Schmitts Darstellung ‚entpolitisierender‘ Tendenzen dabei durch
eine eigentümliche Inkonsistenz aus. Einerseits räume er wenigstens die Möglichkeit ein, dass „die Unterscheidung von Freund
und Feind auch der bloßen Eventualität nach auf[hören]“, es eine
„politikreine“ Welt geben könne (Schmitt 2002, 54, auch 35f.,
56; ebenso 1925, 34, 47). „Ob und wann dieser Zustand der Erde
und der Menschheit eintreten wird“, schreibt Schmitt, „weiß ich
nicht. Vorläuig ist er nicht da.“ (Schmitt 2002, 54) Zum anderen werfe er der liberalen Idee einer Herrschaft des Gesetzes
33 Schiller diagnostiziert „das Opfer ihrer [der Menschen] Totalität“
im Zuge der modernen klassengespaltenen, arbeitsteiligen Gesellschaft und konstatiert, es müsse „bey uns stehen, diese Totalität in
unsrer Natur, welche die Kunst zerstört hat, durch eine höhere Kunst
wieder herzustellen.“ (Schiller 2006b, 28) Es sei „nur das Spiel“, das
den Menschen wieder „vollständig macht“ (61), d.h. theoretische und
praktische Vernunft sowie Sinnlichkeit in Harmonie vereint: „der
Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist,
und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (62f.). Am Spiel hebt
Schiller hervor, dass es „weder subjektiv noch objektiv zufällig ist, und
doch weder äußerlich noch innerlich nöthigt“ (60). Es ist demnach
dem materiellen oder moralischen Zwang genauso enthoben, wie der
„nichtige[n] Lust“ (63); es neutralisiert die groben sinnlichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse, ohne einer logischen oder moralischen
Nötigung zu unterliegen (zu Schillers Begrif des Spiels vgl. Matuschek
2009, 180-186, 193f., 202, 211f.). Schmitt wendet sich explizit gegen diese Idee: „Erst im Spiel wird der Mensch zum Menschen; hier
indet er sich aus der Selbstentfremdung zu seiner eigenen Würde. An
der Hand einer solchen Philosophie muß das Spiel dem Ernst überlegen werden.“ Der Ernst werde so „zum tierischen Ernst“, „‘dreckichte Wirklichkeit‘“ (Schmitt 1985b, 49), während er doch für Schmitt
gerade den Menschen ausmachender Zweck ist. Es wäre interessant, der
Frage nachzuspüren, inwiefern Schmitt hier partiell in der Tradition
der Ablehnung des Spiels als eitles Blendwerk steht, die von Platon über
Aristoteles bis hin zu Rousseau reicht. Allerdings sind deren Konzepte
des Ernstes allesamt substanzieller als das Schmittsche, das unnötiges
Leid per se in den Rang des Ernstes erhebt.
34 Mit dieser Ästhetik-Diagnose ist nicht gemeint, dass Schmitt
politische Phänomene nach ästhetischen Kriterien beurteilt, z.B. eine
Bombenexplosion als ‚schön‘ beschreibt. In diesem Sinne ist Schmitt
gewiss keine Ästhetisierung vorzuwerfen (vgl. auch Schmitt 2002, 27).
Vielmehr inden sich bei ihm bestimmte Analogien zu ästhetischen
Phänomenen. Zu verschiedenen Bedeutungsschichten einer Ästhetisierung des Politischen vgl. Jay 1993, 121f.
35 Vgl. auch Marcuse 2004, 223: Im „heroische[n] Kult des Staates“
und der nationalen „Erhebung“ werde das „Individuum […] völlig
geopfert“ und „soll jetzt in der Größe des Volkes das Glück des einzelnen verschwinden.“
45
ebenso wie einer „humanitäre[n] Moral“ (Strauss 2001, 235) vor,
mit ihrer Idee einer geeinten Menschheit, mit universalistischen
Normen und der Idee des gerechten Krieges, dem Politischen
nicht entkommen, ja es lediglich ins Barbarische steigern zu können (vgl. Schmitt 2002, 55; 1925, 24, 44, 48).36 „Nun könnte“,
wie Strauss konstatiert, „das Politische nicht bedroht sein, wenn
es, wie Schmitt an einer Reihe von Stellen behauptet, schlechterdings unentrinnbar wäre.“ (Strauss 2001, 229) Schmitt diagnostiziere also nicht bloß die Schicksalhaftigkeit des Politischen,
seine Furcht vor der Möglichkeit einer entpolitisierten Welt offenbare sein Denken als „Eintreten für das bedrohte Politische,
eine Bejahung des Politischen.“ (229) „Die Bejahung des Politischen“ aber sei „die Bejahung des Naturstandes.“ (235) Schmitt
hält Strauss zufolge die entpolitisierte Welt nicht für unmöglich,
er „verabscheut“ (232) sie, habe einen „Ekel“ (233) vor ihr. Tatsächlich zieht Schmitt immer wieder zu Felde gegen bürgerliche
Sekurität (Schmitt 2002, 62), gegen „vielleicht interessante [...]
Konkurrenzen und Intrigen aller Art“ (35f.), gegen „Unterhaltung“ (54), „Konsum“ (83), „Spiel“ (120) und „gemütliche[n]
Bildungsgenuß“ (Schmitt 1985b, 49), gegen ein „paradiesische[s]
Diesseits unmittelbaren, natürlichen Lebens und problemloser
‚Leib’haftigkeit“ (Schmitt 2004b, 68), gegen die „nichtssagende Gleichheit“, ja „schlimmste[…] Formlosigkeit[…]“ des Kosmopolitismus (Schmitt 1996a, 17) und „Verhandeln, abwartende
Halbheit“, die „die blutige Entscheidungsschlacht“ „in parlamentarische Debatte verwandelt“, „durch eine ewige Diskussion ewig
suspendieren“ will (Schmitt 2004b, 67). Dagegen wolle er den
„Ernst des menschlichen Lebens“ (Strauss 2001, 233) bewahren,
der mit der „speziisch politische[n] Spannung“, dem „Ernstfall“
(Schmitt 2002, 35), verbunden sei. Die einzige „Garantie dagegen, daß die Welt nicht eine Welt der Unterhaltung wird, sind
Politik und Staat“ (Strauss 2001, 233) und damit die Möglichkeit des Krieges.37 In der Ausgabe des Begrifs von 1963 bestätigt
36 Schmitt behauptet, die Kriegsfeindschaft oder die universalistische
Idee eines gerechten Krieges im Namen der Menschheit führe zur Entmenschlichung des Feindes und zu einem totalen Vernichtungskrieg bis
zur „äußersten Unmenschlichkeit“ (2002, 55, vgl. auch 1925, 44). Kriege im Namen der Menschheit hätten daher einen „besonders intensiven
politischen Sinn“ (2002, 55). Diese Behauptung, die auch im gegenwärtigen Linksschmittianismus vertreten wird (vgl. Hetzel 2009, 177, 182;
2010, 240f., 243 und Moufe 2013, 66, 101) ist unhaltbar: a) Schmitt
nimmt damit gerade einen universalistischen Begrif von Menschheit
in Anspruch. Welchen Sinn soll sonst der Begrif der Unmenschlichkeit
haben? b) Es ist nicht einsichtig, dass die Bekämpfung von Verbrechen
gegen die ‚Menschheit‘ (verstanden als allen Menschen gleichermaßen
zukommender Anspruch auf Achtung ihrer Würde) den Anspruch
auch der in dieser Weise als ‚Feinde der Menschheit‘ Deinierten auf
menschliche Würde leugnet. Gefordert wird von ihnen vielmehr die
Aufgabe der exklusiven Beanspruchung bestimmter Rechte. c) Schmitt
ignoriert, dass universalistische Kriegslegitimationen auch eine „gewaltlimitierende Funktion“ (Münkler 2002, 208) aufweisen können,
die Totaldenunziation und abstrakte Negation universeller Normen dagegen regelmäßig zu einer Gewaltenthemmung führt, wie sie im zweiten Weltkrieg seitens der Deutschen vollzogen wurde. Schließlich war
es eine Ideologie des selbstbewussten Partikularismus, für den Schmitt
plädiert, mit dem die deutsche Seite den Krieg als Vernichtungskrieg
geplant und durchgeführt hat. d) Es stellt sich hier wieder die Frage,
was es bedeuten soll, universalistisch begründete Kriege hätten einen
„besonders intensiven politischen Sinn“, wenn das Politische schon den
„äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung“ (2002,
27) von Gruppen darstellt.
37 „Politisch-sein“, so Strauss, „heißt ausgerichtet-sein auf den ‚Ernst-
46
Schmitt Strauss‘ Diagnose eines Hasses aufs Behagen, auf den
Hedonismus und das individuelle Glück:
Strauss „legt […] den Finger auf das Wort Unterhaltung. Mit
Recht. […] Heute würde ich Spiel sagen, um den Gegenbegrif
zu Ernst (den Leo Strauß richtig erkannt hat) mit mehr Prägnanz
zum Ausdruck zu bringen. […] In meinem Verlegenheitswort
‚Unterhaltung‘ sind aber auch Bezugnahmen auf Sport, Freizeitgestaltung und die neuen Phänomene einer ‚Überlußgesellschaft‘ verborgen“ (Schmitt 2002, 120).
Der normative Kern des Begrifs des Politischen ist damit freigelegt.
III. Der humanistische und der faschistische Begrif des
Ernstes
Wie sehr Schmitts Sinnstiftungsversuch des Krieges aufklärerischem Denken entgegengesetzt ist und wie sehr der Diskurs
des Opfers sich hier verändert, zeigt ein Vergleich mit Friedrich
Schillers Begrif des Ernstes. Schiller unterscheidet Anmut und
Würde als Ausdrucksformen des menschlichen Geistes: Anmut
wird verstanden als Ausdruck einer „schönen Seele“, in der sittliche Plicht – für Schiller nichts anderes als der kategorische
Imperativ Kants – und Neigung harmonisch verbunden sind
und die Afekte die „Leitung des Willens“ übernehmen können, ohne Gefahr zu laufen, mit den Forderungen der Plicht
„im Widerspruch zu stehen.“ (Schiller 2006a, 111) Die schöne
Seele bezeichnet also eine habitualisierte Form der Moralität,
die „de[n] ganze[n] Charakter“ umfasst und phänomenal als Anmut erscheint,38 weil Sinnlichkeit der Moral hier nicht unterworfen, sondern mit ihr „versöhnt[…]“ (107) ist. Der anmutige
Mensch „ist einig mit sich selbst“, hat ein Bedürfnis, das Richtige zu tun, seine Moralität äußert sich als „Leichtigkeit“ (102)
und trägt Züge „des Spiels“ (105). Schiller betrachtet diese Harmonie von Plicht und Neigung als anzustrebendes Ideal und
selber wiederum als natürliche „Verplichtung“, die einfach aus
dem Charakter des Menschen als vernünftiges Sinnenwesen resultiere (107). Er ist sich allerdings bewusst, dass dieses Ideal aufgrund der Naturbedingtheit, Leidensfähigkeit und Endlichkeit
menschlicher Existenz nicht vollständig zu realisieren ist (vgl.
113): „Die Gesetzgebung der Natur durch den Trieb kann mit
der Gesetzgebung der Vernunft aus Prinzipien in Streit geraten,
wenn der Trieb zu seiner Befriedigung eine Handlung fordert,
die dem moralischen Grundsatz zuwiderläuft.“ (116) In diesem
Fall „kann sich die Sittlichkeit des Charakters nicht anders als
durch Widerstand ofenbaren“ (118), und unter den Ansprüchen
sittlicher Plichten „wird sich die Sinnlichkeit in einem Zustand
des Zwangs und der Unterdrückung beinden, da besonders, wo
sie ein schmerzhaftes Opfer bringt.“ (123) Nun geht „die schöne
Seele […] ins Heroische über“, wirkt die reine „Geistesfreiheit“
fall’. Daher ist die Bejahung des Politischen als solchen die Bejahung
des Kampfes als solchen“. Es gehe Schmitt um die „Gespanntheit zu
gleichgültig welcher Entscheidung“ (ebd., 236), solange sie eine auf die
Möglichkeit von Kampf und Krieg bezogene sei.
38 „In einer schönen Seele ist es also, wo Sinnlichkeit und Vernunft,
Plicht und Neigung harmonieren, und Grazie ist ihr Ausdruck in der
Erscheinung.“ (Schiller 2006a, 111) Schiller bleibt allerdings ganz Kantianer, wenn er feststellt, „daß der Anteil der Neigung an einer freien
Handlung für die reine Plichtmäßigkeit dieser Handlung nichts beweist. (106)
(119), deren Erscheinungsform als Würde, moralische Größe oder
Erhabenheit bezeichnet wird. Schiller resümiert:
„Wo also die sittliche Plicht eine Handlung gebietet, die das Sinnliche notwendig leiden macht, da ist Ernst und kein Spiel, […] da
kann also nicht Anmut, sondern Würde der Ausdruck sein.“ (124)
Ungeachtet der scheinbaren Naturalisierung dieses Konlikts
(„Naturtrieb“ vs. Plicht) impliziert Schillers Idee der Würde eine
Unterscheidung in unausweichliche Konlikte zwischen Plicht
und Neigung und unsinnige Konlikte. Denn, so Schiller, Würde
könne phänomenal mit Härte verwechselt werden, die sich dadurch auszeichne, sinnliche Ansprüche des Individuums nicht
den Imperativen der Sittlichkeit, sondern einem anderen verborgenen sinnlichen Bestimmungsgrund zu opfern:
„Würde allein beweist zwar überall, wo wir sie antrefen, eine gewisse Einschränkung der Begierden und Neigungen. Ob es aber
nicht vielmehr Stumpfheit des Empindungsvermögens (Härte)
sei, was wir für Beherrschung halten, und ob es wirklich moralische Selbsttätigkeit und nicht vielmehr Übergewicht eines andern
Afektes, also absichtliche Anspannung sei, was den Ausbruch des
gegenwärtigen im Zaume hält, das kann nur die damit verbundene Anmut außer Zweifel setzen.“ (126)39 Die „falsche Würde
[…] ist nicht bloß streng gegen die widerstrebende, sondern hart
gegen die unterwürige Natur und sucht ihre lächerliche Größe in
der Unterjochung und, wo dies nicht anders gehen will, in Verbergung derselben.“ (134)
Es ist frappierend, wie Schiller hier das Ideal der Härte, der (An-)
Spannung, des verkehrt Heroischen, des Hasses aufs Materielle
und Individuelle, die „lächerliche Größe“40 des Beharrens auf einem sinnlosen Opfer antizipiert, die 140 Jahre später im faschistischen Wertekanon nicht nur eines Carl Schmitt vertreten wird.
Die Gegensätze sind damit klar: Bei Schiller ist der Ernst des Lebens stets bezogen aufs moralische Gesetz des kategorischen Imperativs und dessen Geltendmachung gegen nicht harmonisierte
oder harmonisierbare Afekte. Ernst ist hier aber kein Selbstzweck
oder etwas Anzustrebendes, sondern Ausdruck nichtversöhnter
Konlikte, die als solche nichts Gutes sind. Das Ideal bleibt die
Versöhnung oder Vermittlung von Empirie/Besonderem und moralischem Gesetz/Allgemeinem. Für Schmitt hingegen ist Ernst
als solcher der höchste Wert, und zwar Ernst im Sinne der tragischen41 Betätigung des Individuums im Konlikt- und Ausnahmefall. Die Opferung des Sinnlichen/Besonderen für das Allgemeine/die politische Einheit ist Zweck, der wiederum aus einem
gesellschaftlich konstituierten sinnlichen Motiv heraus entsteht,
wie noch erläutert werden soll. Das Allgemeine ist bei Schmitt
nicht mehr das moralische Gesetz, sondern die kontingente poli39 Die Probleme, die mit Schillers Versuch verbunden sind, ein sinnliches Kriterium für die Unterscheidung moralischer von unmoralischen
Handlungen im plichtethischen Sinn anzugeben, sollen uns hier nicht
weiter beschäftigen.
40 Vgl. auch Schiller 2006a, 123: „Da die Würde ein Ausdruck des
Widerstandes ist, den der selbständige Geist dem Naturtriebe leistet,
dieser also als eine Gewalt muß angesehen werden, welche Widerstand nötig macht, so ist sie da, wo keine solche Gewalt zu bekämpfen
ist, lächerlich, und wo keine solche Gewalt zu bekämpfen sein sollte,
verächtlich.“
41 Vgl. dazu vor allem Hamlet oder Hekuba (1985b, 40f., 46).
tische, also potentiell einen Feind bekämpfende Einheit. Bereits
in Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen (1914)
begründete Schmitt ein Ethos der überpositiven, nicht bloß positivrechtlichen Verplichtung der Einzelnen „unter Streichung […]
der persönlichen Entfaltung ebenso wie aller vernünftigen Kriterien“ (Otten 1995, 42) der Verplichtung, die „in der Forderung
an das Individuum“ auftritt, „die eigene subjektiv-empirische
Wirklichkeit zu negieren“ (43). Das Individuum gewinnt Schmitt
zufolge Bedeutung und verdient Achtung ausschließlich durch
Hingabe an eine heteronom vorgegebene, inhaltlich nahezu beliebige Aufgabe. Nicht ganz beliebig, denn sie müsse wenigstens
die Eigenschaft aufweisen, keinem individuellen menschlichen
Bedürfnis zu dienen, das mit materiellen Interessen, Sekurität
oder Selbstentfaltung verbunden ist – „die empirischen Zufälligkeiten [des] […] persönlichen Lebens“ (Schmitt 2004a, 93) oder
die „Hochschätzung des Konkreten und Materiellen“ (90) sind
Schmitt ebenso verhasst wie „Menschen, die neben der Erfüllung ihrer Plicht außerdem noch etwas bedeuten wollen.“ (90)42
Plicht ist hier nicht die Kantische Nötigung, die uns das vernünftige moralische Gesetz auferlegt. Es geht vielmehr prinzipiell
gegen die kreatürlichen Bedürfnisse, gegen das Einzelne, gegen
die Lust. Zweck ist dabei das Absehen von der Individualität an
sich geworden – ein klassisches Zeichen des Masochismus43 und
eine mit Schiller schlicht als „verächtliche Härte“ zu identiizierende Haltung.
Schmitt verwirft mit der hese, es gebe „keinen rationalen Zweck,
[...] kein noch so schönes soziales Ideal [...], die es rechtfertigen
könnte[n], daß Menschen sich gegenseitig dafür töten“ (Schmitt
2002, 49f.), also keineswegs den Krieg. Er lehnt lediglich jede normative Rechtfertigung von Kriegen aus anderen als politischen
Gründen ab.44 Damit besteht zugleich auch keine Möglichkeit
mehr, einen Krieg aus Unrentabilität oder moralischer Verwerlichkeit zu unterlassen. Wie Karl Löwith resümiert,
„bleibt als Wozu der Entscheidung nur übrig der jedes Sachgebiet
übersteigende und es in Frage stellende Krieg, d.h. die Bereitschaft zum Nichts, welches der Tod ist, verstanden als Opfer des
Lebens an einem Staat, dessen eigene Voraussetzung schon das
Entscheidend-Politische ist.“ (Löwith 1984, 44)
42 Schmitt wird allerdings in dieser Phase aus „Hochschätzung des
Konkreten und Materiellen“ (2004a, 90), sprich: aus Furcht vor dem
Fronteinsatz, kurzfristig zum ‚Staatskritiker‘. So inden sich in seinen
Tagebüchern 1915 folgende Einträge: „Ich war wahnsinnig vor Wut
über die Preußen, den Militarismus, hätte die ostentativsten Befehlsverweigerungen begehen können. Wie scheußlich, als Individuum in
einem solchen Gefängnis zu sitzen.“ (Schmitt 2005, 77) „Deutschland
wird das Land der Gerechtigkeit, der Vernichtung des Einzelnen, es
verwirklicht genau das, was ich in meinem Buch über den Staat als
Ideal des Staates aufgestellt habe.“ (24) Reinhard Mehring paraphrasiert: „Der Anti-Individualismus des Frühwerks erscheint als negative
Utopie“ (Mehring 2009, 77).
43 Vgl. Fromm 2000, 114. Günter Meuter bezeichnet dies als „asketische Ethik des selbstvernichtenden Selbstseins im Dienst einer transsubjektiven Größe“ (Meuter 2000, 20).
44 Frappant sind die Übereinstimmungen mit anderen Autoren des
heroischen Realismus, wie Friedrich Georg Jünger, der schreibt: „der
Krieg ist kein sittliches Phänomen; es gibt keine ethische Kategorie, in
der er untergebracht werden könnte […], das macht ihn für das heroische Bewußtsein, welches in ihm sein Element und Schicksal ehrt, erst
bedeutsam. […] Der geborene Krieger“ ist „von der Schicksalhaftigkeit
des Krieges ganz und gar durchdrungen.“ (Jünger 1930, 63)
47
Man könnte nun einwenden, es bleibe doch die „eigene[…] Art
Existenz“ (Schmitt 2002, 27), ihre Bedrohung und Behauptung.
Die Formulierung muss aber zur Leerformel erstarren, wenn von
allen jenseits des Krieges liegenden normativen oder evaluativen
Elementen abgesehen wird, also von allem, was eine Art (und
Weise) von Existenz bestimmen könnte. Bernd Ladwig zufolge
ist Schmitts Existenzbegrif daher „eine zeittypische Floskel zur
Bemäntelung kriterialer Nacktheit“. Wenn sie einen angebbaren
Sinn haben solle, dann verweise sie auf „Standards der Rechtfertigung“ (Ladwig 2003, 56), auf Inhalte wie den Wert des
Überlebens einer Gruppe, der territorialen Integrität eines Staates, der nationalen Autonomie usf. Schmitt konfundiere schlicht
die normengeleitete Entscheidung zum Krieg mit der situativen
Entscheidung und Feinderfahrung im Krieg: Der Soldat müsse
„damit rechnen […], als Feind bekämpft zu werden“ (57), ohne
dass diese Möglichkeit auf seine Überzeugungen oder Intentionen Rücksicht nähme, ohne dass er von den ebenfalls in der
Kampfsituation stehenden Feinden als „moralischer Scheusal
oder als möglicher Konkurrent“ betrachtet werde, „sondern einfach, weil er als Kämpfender kenntlich ist.“ (58) Betont wird also
die relative Ohnmacht der Kombattanten angesichts des Kugelhagels oder „unter dem Eindruck von Streubomben“ (58). Um
das Leben unter der Drohung, in eine solche Situation zu geraten, geht es Schmitt.45 Man könnte auch spekulieren, ob bei ihm
die völkerrechtliche Symmetrisierung des Krieges in Europa seit
dem 17. Jahrhundert zur Idee der normativ nicht begründbaren
Kriegführung mutiert. In der Symmetrisierung der Kriegführung wird die Idee des gerechten Krieges zurückgedrängt:
Gründe reduziert werden.46 Hier wird eine weitere Bedeutung
von ‚existenziell‘ erkennbar: Es wird verstanden als durch sich
selbst legitimiertes Sein, bzw. als behauptete Einheit von Sein
und Sollen (vgl. auch besonders krass und mit esoterischer ‚Mutter-Erde‘- und ‚Boden‘rhetorik in Schmitt 1988, 13-51).47
Wenn der politische Sinn überhaupt noch auf das Individuum
rückbezogen wird – und das muss er, schließlich sind es Individuen mit bestimmten Motivationen, die Krieg führen oder
führen lassen, selbst in dem merkwürdigen Sinne von Schmitt
–, dann steht er im Rahmen eines Opferungs- und Sinngebungsprozesses, der in faschistischen Bewegungen und Verlautbarungen anzutrefen ist. Die Idee des Opfers hat dabei zwei
Bedeutungsebenen: a) eine allgemeine, auf der das Individuum
vor seiner als Isolation und Ohnmacht erfahrenen gesellschaftlichen Situation lieht und Befriedigung im Aufgehen in einem
die Qualitäten der Macht, Größe und afektiven Verbundenheit
aufweisenden Kollektiv erfährt. Hier spielt auch ästhetisierte Politik eine Rolle, in der der Einzelne die Zugehörigkeit zum Kollektiv sinnlich erfährt und anschaulich gemacht bekommt; und
b) eine besondere, in der das Individuum in der noch gesteigerten
Situation des Kampfes für dieses Kollektiv, in der Bejahung des
heteronomen Zwangs eine Pseudoaktivität und ein intensives
Selbstgefühl entfaltet. Die allgemeine Bedeutungsebene (a), die
bereits in Schillers Idee vom „Übergewicht eines […] Afektes“
im Fall der Härte erahnt wurde, wird in der heorie des autoritären Charakters bestätigt, die Erich Fromm seit den 1930er
Jahren entwickelte. Er weist die gesellschaftlich konstituierte
„Staaten durften sich nun, ohne weitere Prüfung von Gründen und Ansprüchen durch einen Dritten, den Krieg erklären“
(Münkler 2010, 114).
46 Vgl. Hofmann, der feststellt, „daß Schmitt in seinem existenziellen
Begrif des Krieges das sachliche ‚Wofür‘ des Kampfes eliminiert hat.“
(Hofmann 2002, 156)
Wenn die normativen Kriegsgründe als völkerrechtlich nicht
mehr relevant erachtet wurden, bedeutet das aber nicht, dass
keine normativen Gründe mehr vorlagen. Zwar erinnert Schmitt zu Recht an die Tatsache, dass Staaten von ihren Bürgern
Todes- und Tötungsbereitschaft verlangen können, solange es
ein „Pluriversum“ (Schmitt 2002, 54) von politischen Einheiten
gibt. Diese wenig spektakuläre Einsicht nutzt Schmitt aber, um
selbst ein normatives Programm zu verfolgen – die weitgehende
Entkopplung der Legitimation von Politischem und Staat von
allen nichtbellizistischen Motiven. Er überschreitet damit die im
liberalen Staatsdenken noch vorhandene „Rationalitätsgrenze“
(Pauly/Heiß 2010, 156) für Opfer- und Tötungsbereitschaft, indem er die politische Einheit nicht auf wechselseitige Kooperationsvorteile egoistischer Warenbesitzer oder auf die Realisierung
im kantischen Sinne moralitätskonformer sozialer Verhältnisse
rückbezieht, sondern sie zur „höhere[n] und gesteigerte[n], intensivere[n] Art Sein“ (Schmitt 2003, 210) verklärt. Eine politische
Einheit ist es dann erklärtermaßen wert zu existieren, weil sie
existiert (vgl. Schmitt 2003, 22) und sie ist dadurch deiniert,
die Möglichkeit des Krieges aufrecht zu erhalten – diese Möglichkeit ist für Schmitt in sich sinnvoll und darf nicht auf andere
45 Auch Jünger gewinnt aus dieser Situation seinen „Maßstab“ einer
intrinsischen Sinnerfülltheit des Krieges: „Hier ist der Maßstab, der
Gültigkeit besitzt: die Haltung des Menschen in der Schlacht, die
das Urverhältnis einer schicksalhaft gerichteten Ordnung ist“ (Jünger
1930, 62).
48
47 Herbert Marcuse (1968, 29) sieht hierin einen Versuch, „eine rational
nicht mehr zu rechtfertigende Gesellschaft durch irrationale Mächte zu
rechtfertigen“. Gehe dem Bürgertum das Vertrauen in seine rationalen
Staats- und Eigentumslegitimationen aus, so ersetze eben ‚die Existenz’
jedes Argument. Marcuse betont auch die Transformationsleistung des
politischen Existenzialismus Schmitts (und Heideggers), die darin bestehe, die auf der „unüberholbaren personalen ‚Jemeinigkeit‘“ gegründete „Einzelexistenz“ (51) durch ein ‚jeunsriges‘ politisches Kollektiv
zu ersetzen, das „unter keine außerhalb seiner selbst liegende Norm
gestellt werden kann“, woraus folge, „daß man über einen existenziellen Sachverhalt überhaupt nicht als ‚unparteiischer Dritter‘ denken,
urteilen und entscheiden kann.“ (44) So versucht Schmitt in der Tat,
seine hese von der Rechtfertigungsunbedürftigkeit politischer Einheit
durch eine Analogie zum Individuum zu plausibilisieren: Die politische Einheit sei so wenig einer Legitimation ihrer Existenz bedürftig,
„wie in der Sphäre des Privatrechts der einzelne lebende Mensch seine
Existenz normativ begründen müßte oder könnte.“ (Schmitt 2003, 89).
Eine nichtnatürliche Herrschaftseinheit wird dabei schlicht mit einem
lebendigen Individuum auf eine Stufe gestellt: Die Analogie „schlägt
[…] insofern fehl“, schreibt Matthias Kaufmann (1988, 295), „als mit
der Existenz einer staatlichen Herrschaftsordnung die (begründungsbedürftige) Forderung nach Gehorsam verbunden ist, was für die
Existenz des Individuums nicht gilt.“ Margit Kraft-Fuchs (1930, 530)
moniert schließlich den Kryptonormativismus dieser Art von „Naturrechtslehre“, die letztlich nichts anderes darstelle als eine „heorie des
Rechts des Stärkeren, die naturrechtliche Machttheorie.“ (538) Warum
Schmitt ausgerechnet die politische Einheit mit der Sein-Sollen-Identität versehe, also durch bloße Existenz legitimiere, bleibe unerindlich.
heoretiker wie Schmitt, so Kraft-Fuchs, „sollten wenigstens die Frage
beantworten, warum sie mit ihren Schlüssen aus dem Sein auf ein Sollen immer dann aufhören, wenn ihnen das Sein nicht mehr angenehm,
und folglich seine Existenz auch nicht erstrebenswert erscheint.“ (531)
autoritär-masochistische Bedürfnisstruktur auf, die hinter der
faschistischen Verherrlichung von nationaler Größe, Krieg und
Opfer stehe. Die faschistische Idee des Ernstes ist demnach Resultat eines erfolglosen Fluchtversuchs der Individuen vor einer
in ihren Ursachen unbegrifenen Situation gesellschaftlich konstituierter Ohnmacht und einer als bloße Prekarität erfahrenen
Privatautonomie – eine Flucht, die zur masochistischen Unterordnung unter eine irrationale, Schutz und unverlierbare Teilhabe an kollektiver Macht versprechende Autorität führe48 und zugleich innere Konlikte und Krisenursachen in projektiver Weise
auf innere und äußere Feinde projiziere.49 Durch die Art, wie
diese politische Einheit zustande kommt und sich erhält, ist also
zugleich die Ewigkeit der Feindschaft gesichert. Dass bei dieser
Projektion, wie auch bei Schmitt der Fall, die Juden eine zentrale
Rolle als ‚wahre Feinde‘ spielen,50 soll nicht unerwähnt bleiben.
Armin Steil bestätigt diese Diagnose und betont dabei auch die
besondere Bedeutungsebene (b). Er charakterisiert einen Grundzug der faschistischen Ideologie als „imaginäre Aufhebung“ der
„ökonomische[n], politische[n] und kulturelle[n] Vereinzelung“
(Steil 1984, 13) der Individuen im Kapitalismus, dessen Zwecke
sich vollends von den Bedürfnissen der Einzelnen emanzipiert
hätten.51 Das Imaginäre stelle die
48 Michael Großheim liefert eine ähnliche Deutung des politischen
Existentialismus als Versuch einer speziisch politischen Bewältigung
von als Haltlosigkeit und Last erfahrener individueller Freiheit: „Am
Anfang“, so Großheim, „steht die Erfahrung radikalisierter personaler Emanzipation“ (1999, 157) – allerdings, wie zu ergänzen ist, einer,
die den Bezug zur Welt und zu den anderen Mensch bloß kappt, einen „‘Schrecken vor der Leere‘“ erzeugt. Der politische Existenzialismus (von Schmitt, Jünger, Heidegger u.a.) reagiere mit der „Sehnsucht
nach Härte und Schwere […][,] nach Geborgenheit in einem Gehäuse
(Gemeinschaft, Staat, Nation etc.).“ (152) nach einer unmittelbaren,
„nicht distanzierbaren“ (136) Verbundenheit und Ergrifenheit. Diese müssen unverrückbar und total sein. (vgl. 154) Eine die subjektive
Willkür übersteigende, bindende ‚Sache‘, ‚Aufgabe‘ oder das objektive,
undiskutierbare Kriterium für das eigene Handeln, werden dabei aber
Großheim zufolge vom Subjekt willkürlich gewählt, weil es eben kein
Kriterium zwanglos zwingender, vernünftiger Art mehr angeben kann
und auch nicht mehr naiv im Glauben an irrationale Mächte steht. Daher die eigentümliche Inhaltsleere all der verbindlichen Substanzen,
Werte, Mythen, Normen, Seinsgründe, Glaubenssätze usf., die beschworen werden. „Der angestrengte Wille zur Bindung“ ist demnach
ein wesentliches Kennzeichen des politischen Existentialismus: „Das
Problem liegt sozusagen in dem Satz ‚ich will mich binden lassen‘ oder
‚ich will gebunden werden‘.“ (155) Schmitt versucht dieses Dilemma zu
kaschieren, indem nur der Souverän diese Substanz bestimmen können
soll, an die er vermeintlich selbst gebunden ist und seine Untertanen
bindet. Für den Untertanen ist damit die Wahl ausgeschlossen. Der
vom Souverän ausgerufene Ausnahmezustand und „das Auftauchen
des Feindes“, so Großheim, sind „Gelegenheiten, in denen plötzlich
auftretende personale Regression die Tendenz zur endlosen personalen
Emanzipation aufhebt und dem Subjekt wieder ein unverfügbares und
damit gefestigtes Sosein verschaft“ (162f.).
49 Vgl. dazu Fromm 1989 und 2000; Adorno 1993 und 2001, Rensmann 1998, Elbe 2014.
50 Auch bei Schmitt ist das der Fall: Der „Jude ist der wahre Feind.“
(Schmitt 1991a, 18); vgl. Gross 2005.
51 Das bemerkt und airmiert Schmitt bereits in seiner Frühschrift
über den Wert des Staates, vgl. 2004a, 90f.: Der Kapitalist, der Produktion um der Produktion willen betreibe, dem „an seinen persönlichen
Bedürfnissen nichts, an der Vermehrung seines Kapitals alles gelegen“
sei, sei „groß und imponierend“, als Luxuskonsument und „Genießer“
„zugleich iktive und doch real erlebte und gelebte Präsenz des
Sinns inmitten der Sinnlosigkeit, [...] gelebte Autonomie in unveränderten Verhältnissen der Fremdbestimmtheit [dar], [...]
erlebte Identität der Zwecksetzungen und Bedürfnisse mit den
entfremdeten gesellschaftlichen Formen, in denen sie zugleich
kompensatorische Verwirklichungsmöglichkeiten inden“ (21).
Eine wichtige Rolle spielten dabei „Rituale[...] und Praxisformen, in denen die iktive Sinnwelt als unmittelbar präsent erlebt wird“ (21).52 Real erlebt wird eine iktive, weil die sozialen
Widersprüche und Krisen nicht aufhebende, harmonische Gemeinschaft und eine iktive, weil keine rationale Gestaltung der
eigenen Lebensbedingungen erlaubende, Handlungsfähigkeit.
Eine Moral des ‚Ernstes‘ und der ‚Erhabenheit’ als Bejahung von
Askese, Selbstüberwindung und -opferung, ihre Ästhetisierung
von harter Arbeit und Kampf gelten dabei als Kern faschistischer
imaginärer Sinnproduktion:
„In den Bereichen der Arbeit und vor allen des Krieges schaft
sich der Faschismus seine eigene ‚künstliche Welt’, in der die Erfahrung der Selbstbestimmung möglich ist – allerdings nur in
der Form negativer Selbstbestimmung. Die harte, entbehrungsreiche Arbeit und – noch mehr – die Todesgefahr im Krieg stellen die Individuen vor die Entscheidung zur Selbstüberwindung
und Selbstopferung“ (47f.).53
Es bleibt hier leider kein Raum, dies ausführlicher zu erläutern.
Es konnte lediglich gezeigt werden, dass der faschistische Begrif
des Ernstes den normativen Kern des Schmittschen Begrifs des
Politischen darstellt. So ungeheuerlich es klingt, allein die Möglichkeit des Tötens und Getötetwerdens für ein homogenes Kollektiv verleiht der menschlichen Existenz dieser Weltanschauung zufolge einen ernsthaften und damit sinnvollen Charakter.
Nichts widert Schmitt ofenbar mehr an, als das Beharren auf
Glücksansprüchen des Individuums gegen eine vollends nichtlegitimierbar gewordene Welt politischer und ökonomischer
Strukturen: „Die, deren reale Ohnmacht andauert, ertragen das
Bessere nicht einmal als Schein.“ (Adorno 1993, 23)54
hingegen sei er „lächerlich oder widerwärtig“ (91).
52 Vgl. Steil 1984, 165: Der Faschismus ermögliche nicht nur in seinen
Massenaufmärschen und Totenkulten „[d]as sinnliche, unmittelbare
Erlebnis der Volksgemeinschaft“. Walter Benjamin (1992, 44) spricht
in diesem Zusammenhang 1936 von der „Ästhetisierung der Politik,
welche der Faschismus betreibt“. Dass die Massen hier „zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen“, wie Benjamin meint
(42), weist darauf hin, dass sie „an der Staatsdarstellung“ mitwirken,
von der „Staatsführung (in der Perspektive des Staatsabbaus)“, also von
kollektiver Handlungsfähigkeit, aber ausgeschlossen bleiben (Behrens
1980, 106).
53 Vgl. auch Arendt 1998, 710f., die das Fronterlebnis als „Erfahrung
einer ständigen, zerstörerischen Aktivität im Rahmen einer durch keine Aktion abzuwehrenden Fatalität“ beschreibt. Die weltanschaulichen
Bewältigungsversuche von „Tod, Schmerz, Angst, Verstümmelung, der
mörderischen Gleichheit und der völligen Bedeutungslosigkeit des einzelnen“ im Ersten Weltkrieg rückt auch Michael Wildt in den Blick
(vgl. Wildt 2008, 848).
54 Mit ‚Ohnmacht‘ soll die grundlegende gesellschaftliche Situation
der Akteure, ihre Subsumiertheit unter den verselbständigten Kapitalprozess, bezeichnet werden. Keineswegs soll damit die Verantwortung faschistischer Täter geleugnet werden.
49
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Ingo Elbe (Bremen) hat am 16. Januar 2014 in Bremen zum hema „Die fortwährende Bedeutung des Kronjuristen des Nationalsozialismus – Über Carl Schmitts faschistischen Begrif des Politischen und seine Nachwirkung in der Gegenwart“ referiert. Siehe:
https://associazione.wordpress.com/2013/11/07/ingo-elbe-diefortwahrende-bedeutung-des-kronjuristen-des-nationalsozialismus-uber-carl-schmitts-faschistischen-begriff-des-politischen-und-seine-nachwirkung-in-der-gegenwart/
Dieser Text ist die erweiterte Version des 2014 in Hendrik Wallat
(Hg.): Gewalt und Moral, Unrast-Verlag Münster, erschienenen
Aufsatzes „Der Zweck des Politischen“. Wir danken dem Autor und
dem Unrast Verlag für die Genehmigung zum Nachdruck.
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