Cantar de Mio Cid
Cantar de Mio Cid
Das Lied von Mio Cid
Altspanisch / Deutsch
Übersetzt und herausgegeben
von Victor Millet und Alberto Montaner
Reclam
reclams universal-bibliothek Nr. 18988
Alle Rechte vorbehalten
© 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Gestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2013
reclam, universal-bibliothek und
reclams universal-bibliothek sind eingetragene Marken
der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
isbn 978-3-15-018988-7
www.reclam.de
Vorbemerkung
Die zweisprachige Ausgabe des altspanischen Heldengedichts Das Lied von Mio Cid, die der Leser in der Hand hält,
möchte den klassischen Text dem deutschen Publikum in
seiner ganzen Attraktivität und Besonderheit vermitteln,
zugleich aber auch einige Ansätze zu seinem detaillierten
Verständnis beigeben, die von der neueren Forschung erarbeitet wurden.
Lange Zeit war die Cid-Ausgabe von Ramón Menéndez
Pidal (1908–11) weltweit maßgeblich. Doch als 1972 und 1975
die englischen Hispanisten Colin Smith und Ian Michael
jeweils neue Editionen vorlegten, begann eine rege Forschung an der Textphilologie dieses Epos, die zu zahlreichen neuen Ausgaben führte. Im akademischen wie im
schulischen Bereich hat sich die Edition etabliert, die 1993
Alberto Montaner Frutos vorlegte. Sie ist 2007 in zweiter,
stark überarbeiteter Auf lage erschienen, 2011 dann in dritter Auf lage mit weiteren Ergänzungen und Korrekturen.
Diese letzte Textfassung ist mit neuerlichen Verbesserungen für unsere Ausgabe übernommen worden. Es war uns
wichtig, dem deutschen Publikum einen zitierfähigen Text
zu bieten, von dem eine Beschäftigung mit diesem Werk
ausgehen kann. Der umfangreiche, mehrere hundert Seiten
fassende und bibliographisch aktualisierte Kommentarteil
der spanischen Edition ist die Quelle für die Materialien,
die im vorliegenden Band geboten werden. Unsere zweisprachige Ausgabe des Lied von Mio Cid ist somit sowohl
für ein interessiertes Publikum gedacht, dem es eine neue
Übersetzung und einige Verständnishilfen im Kommentarteil bietet, als auch für Leser im akademischen Bereich,
Vorbemerkung
5
denen es zudem ein Instrument zur Orientierung und
weiteren Arbeit sein möchte. Wer sich tiefer wissenschaftlich mit diesem Werk auseinandersetzen will, findet in der
spanischen Edition die vollständigen philologischen Materialien.
Deutsche Übersetzungen des Cid-Epos hat es nicht viele
gegeben. Oskar Ludwig Bernhard Wolff bot 1850 erstmals
eine gereimte Nachdichtung, die sich aber gegen Johann
Gottlieb Herders Übersetzung des Romanzenzyklus von
1805 nicht durchzusetzen vermochte. Eine richtige Übersetzung fertigte erst 1913 Wolfgang Adam auf der Grundlage der Edition von Karl Vollmoeller (1879) an; sie diente
vornehmlich wissenschaftlichen Zwecken und wurde
dementsprechend nur in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Breitere Wirkung hatte die zweisprachige Ausgabe
von Hans-Jörg Neuschäfer in den Klassischen Texten des
Romanischen Mittelalters (1964), die allerdings wenige
Jahre später bereits vergriffen war und nie neu aufgelegt
wurde. Zuletzt brachte Fred Eggarter 1974 im Leipziger
Dieterich-Verlag wieder eine gereimte Übersetzung heraus, die später als Band 759 in Reclams Universal-Bibliothek aufgenommen wurde. Diese beiden deutschen Fassungen gründeten auf der Textedition durch Ramón
Menéndez Pidal. Unsere Übersetzung geht von Alberto
Montaners Text aus; seine Besonderheiten und die der Verdeutschung durch Victor Millet werden am Ende des Bandes, in den Kapiteln zu Editionsprinzipien und Übersetzung, erklärt.
Wir danken dem spanischen Ministerium für Wissenschaft, dessen Forschungsmittel Teile der Arbeit an diesem
6
Vorbemerkung
Band möglich gemacht haben (Projekte FFI2009-07157 und
FFI2009-13058). Wir danken dem Reclam-Verlag für die
Aufnahme dieser Edition in sein Programm. Ganz besonders möchten wir auch Frau Dr. Friederike von Criegern de
Guiñazú für ihre sorgfältige und einfühlsame stilistische
Revision der Übersetzung danken. Für jegliche Fehler und
Schwächen übernehmen wir selbstverständlich die volle
Verantwortung.
Vorbemerkung
7
Cantar de Mio Cid
Das Lied von Mio Cid
Prosiicación cronística de parte de los versos iniciales
perdidos1
Cuenta la estoria que enbió el Cid2 por todos sus amigos e
sus parientes e sus vasallos, e mostróles en cómmo le
mandava el rey3 sallir de la tierra fasta nueve días.4 E
díxoles: – Amigos, quiero saber de vós cuáles queredes ir
comigo. E los que comigo fuerdes, de Dios ayades buen
grado, e los que acá fincáredes, quiérome ir vuestro
pagado.5 – Estonce fabló don Álvar Fáñez,6 su primo
cormano: – Conbusco iremos todos, Cid, por yermos e
por poblados, e nunca vos falleceremos en cuanto seamos
bivos e sanos; conbusco despenderemos las mulas e los
cavallos, e los averes e los paños; siempre vos serviremos commo leales amigos e vasallos. – Estonce otorgaron
todos lo que dixo Álvar Fáñez e mucho les agradesció
mio Cid cuanto allí fue razonado.
E desque el Cid tomó el aver, movió con sus amigos de
Bivar e mandó que se fuesen camino de Burgos. E cuando
el Cid vio los sus palascios deseredados7 e sin gente,
e las perchas sin açores e los portales sin estrados …
10
Vortext
Aus den Chroniken rekonstruierte Prosafassung eines Teils
der verlorenen Anfangsverse
Die Geschichte erzählt, dass der Cid nach allen seinen
Freunden und seinen Verwandten und seinen Vasallen
aussandte, und er zeigte ihnen, wie der König ihm befahl,
das Land zu verlassen, innerhalb von neun Tagen. Und er
sagte zu ihnen: »Freunde, ich will von euch wissen, wer
mit mir kommen will. Und wer von euch mitkommen
sollte, der habe von Gott guten Dank, und die ihr hier
bleiben solltet – ich möchte in Frieden von euch fortziehen.« Da sprach Herr Álvar Fáñez, sein leiblicher Vetter:
»Mit Euch werden wir alle gehen, Cid, durch Einöden und
durch bewohntes Land, und wir werden Euch niemals im
Stich lassen, solange wir am Leben und gesund sind. Mit
Euch werden wir die Maultiere und die Rosse ausgeben,
sowie die Reichtümer und die Kleider. Wir werden Euch
stets dienen als treue Freunde und Vasallen.« Da billigten
alle, was Álvar Fáñez gesagt hatte, und Mio Cid dankte
ihnen sehr für alles, was dort gesagt wurde.
Und nachdem er seine Habe genommen hatte, zog er
mit seinen Freunden aus Bivar und befahl, dass sie den
Weg nach Burgos einschlugen. Und als der Cid seine
Herrenhäuser enteignet sah und ohne Leute, und die
Ständer ohne Falken und die Dielen ohne Bänke …
Vortext
11
Cantar primero
1
De los sos ojos tan fuertemientre llorando,
tornava la cabeça e estávalos catando.
Vio puertas abiertas e uços sin cañados,
alcándaras vazías, sin pielles e sin mantos,
e sin falcones e sin adtores mudados.
Sospiró mio Cid, ca mucho avié grandes cuidados,
fabló mio Cid bien e tan mesurado:
– ¡Grado a ti, Señor, Padre que estás en alto!
¡Esto me an buelto mios enemigos malos! –
[1r]
5
2
Allí piensan de aguijar, allí sueltan las riendas.
A la exida de Bivar ovieron la corneja diestra
e entrando a Burgos oviéronla siniestra.
Meció mio Cid los ombros e engrameó la tiesta:
– ¡Albricia, Álbar Fáñez, ca echados somos de tierra! –
10
3
Mio Cid Ruy Díaz por Burgos entró,
en su conpaña sessaenta pendones.
Exiénlo ver mugieres e varones,
burgeses e burgesas por las finiestras son,
15
16b
15 entraua ms. 16 pendones ms., pendones
'
leuaua ergänzt corr.; s. Komm. 17 son ms., von al. ergänzt zu son puestas,
dann korrigiert zu son puestos.
11 A la ms. , nicht in ms.
12
Cantar primero, 1–3
Erster Gesang
1
Aus seinen Augen heftig weinend
wandte er den Kopf und schaute sie an.
Er sah offene Tore und Türen ohne Schlösser,
nackte Ständer, ohne Fellröcke und ohne Umhänge,
und ohne Falken und ohne gemauserte Habichte.
Mio Cid seufzte, denn er hatte viele große Sorgen.
Mio Cid sprach, gut und gar wohlbemessen:
»Dank sei dir, Herr, Vater, der du in der Höhe bist!
Dies haben meine üblen Feinde eingefädelt!«
5
2
Da beginnen sie, die Sporen zu geben, da lockern sie
die Zügel.
Beim Auszug aus Bivar hatten sie die Krähe zur Rechten,
und als sie in Burgos einritten, hatten sie sie zur Linken.
Mio Cid zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf:
»Gute Nachricht, Álbar Fáñez, denn man hat uns des
Landes verwiesen!«
10
3
Mio Cid Ruy Díaz zog in Burgos ein,
in seiner Schar sechzig Wimpel.
Heraus kamen, ihn zu sehen, Frauen und Männer,
Bürger und Bürgerinnen sind an den Fenstern,
Erster Gesang, 1–3
15
16b
13
plorando de los ojos, tanto avién el dolor,
de las sus bocas todos dizían una razón:
– ¡Dios, qué buen vassallo, si oviesse buen señor! –
20
4
Conbidarle ien de grado, mas ninguno non osava:
el rey don Alfonso tanto avié la grand saña.
Antes de la noche, en Burgos d’él entró su carta
con grand recabdo e fuertemientre sellada:
que a mio Cid Ruy Díaz que nadi no·l’ diessen posada, 25
e aquel que ge la diesse sopiesse vera palabra,
[1v]
que perderié los averes e más los ojos de la cara,
e aun demás los cuerpos e las almas.
Grande duelo avién las yentes cristianas,
30
ascóndense de mio Cid, ca no l’osan dezir nada.
El Campeador adeliñó a su posada,
así commo llegó a la puerta, fallóla bien cerrada,
por miedo del rey Alfonso que assí la avién parada,
que si non la quebrantás por fuerça, que non ge la abriese
nadi.
35
Los de mio Cid a altas vozes llaman,
los de dentro non les querién tornar palabra.
Aguijó mio Cid, a la puerta se llegava,
sacó el pie del estribera, una ferida·l’ dava;
33 lo auien parado ms.
14
Cantar primero, 4
aus den Augen weinend, sehr großen Schmerz hatten sie.
Aus ihren Mündern sprachen alle einen Gedanken:
»Gott, welch guter Vasall, wenn er einen guten Herrn
20
hätte!«
4
Gerne hätte man ihn eingeladen, doch niemand wagte es:
Der König Herr Alfonso hatte sehr großen Zorn.
Vor der Nacht war in Burgos sein Erlass eingetroffen,
mit großer Wachsamkeit und sicher versiegelt:
dass dem Mio Cid Ruy Díaz – dass niemand ihm Herberge
25
geben solle,
und dass der, der sie ihm gäbe, als wahres Wort wissen
solle,
dass er seine Habe verlieren würde und dazu die Augen aus
dem Gesicht,
und außerdem noch Leib und Seele.
Großen Schmerz hatten alle christlichen Leute,
sie verbergen sich vor Mio Cid, denn sie wagen es nicht,
30
ihm etwas zu sagen.
Der Campeador ging auf seine Herberge zu.
Sowie er an die Tür kam, fand er sie wohlverschlossen,
aus Angst vor König Alfonso war sie dergestalt
hergerichtet worden,
dass, wenn er sie nicht mit Gewalt auf bräche, niemand sie
ihm öffnen würde.
35
Die von Mio Cid rufen mit lauten Stimmen,
die von drinnen wollten ihnen kein Wort erwidern.
Mio Cid gab die Sporen, er kam vor die Tür,
nahm den Fuß aus dem Steigbügel und gab ihr einen Tritt.
Erster Gesang, 4
15
non se abre la puerta, ca bien era cerrada.
40
Una niña de nuef años a ojo se parava:
– ¡Ya Campeador, en buen ora cinxiestes espada!
El rey lo ha vedado, anoch d’él entró su carta
con grant recabdo e fuertemientre sellada.
Non vos osariemos abrir nin coger por nada;
45
si non, perderiemos los averes e las casas,
e demás los ojos de las caras.
Cid, en el nuestro mal vós non ganades nada,
mas el Criador vos vala con todas sus vertudes santas. –
Esto la niña dixo e tornós’ pora su casa.
50 [2r]
Ya lo vee el Cid, que del rey non avié gracia;
partiós’ de la puerta, por Burgos aguijava,
llegó a Santa María, luego descavalga,
fincó los inojos, de coraçón rogava.
La oración fecha, luego cavalgava,
55
salió por la puerta e Arlançón passava;
cabo essa villa en la glera posava,
fincava la tienda e luego descavalgava.
Mio Cid Ruy Díaz, el que en buen ora cinxo espada,
posó en la glera cuando no·l’ coge nadi en casa,
60
derredor d’él una buena conpaña;
assí posó mio Cid commo si fuesse en montaña.
Vedada l’an conpra dentro en Burgos la casa
42 etro ms. 50 gracia al., gra ms.
59 nol ms., geändert zu no le al.
16
Cantar primero, 4
55 en Arlançón posaua ms.; s. Komm.
Die Tür öffnet sich nicht, denn sie war wohlverschlossen.
40
Ein neunjähriges Mädchen stellte sich in Sichtweite:
»Ach, Campeador, zu guter Stunde gürtetet Ihr das
Schwert!
Der König hat es verboten, gestern Abend kam von ihm
sein Erlass
mit großer Vorsicht und sicher versiegelt.
Wir würden es für nichts wagen, Euch zu öffnen oder
aufzunehmen.
Andernfalls würden wir die Habe und die Häuser verlieren
46
und dazu die Augen aus dem Gesicht.
Cid, an unserem Schaden gewinnt Ihr nichts,
doch der Schöpfer behüte Euch mit all seinen heiligen
Mächten.«
Das sagte das Mädchen und ging zurück zu ihrem Haus.
Schon sieht der Cid, dass er vom König keine Gnade
50
hatte.
Von der Tür geht er fort, durch Burgos gibt er die Sporen.
Er kam zu Santa María, sogleich steigt er ab,
er kniete nieder, von Herzen betete er.
Als das Gebet getan war, ritt er sofort weiter,
zog hinaus durch das Tor und überquerte den Arlanzón. 55
Neben jener Stadt lagerte er auf dem Kiesufer,
stellte das Zelt auf und stieg sogleich ab.
Mio Cid Ruy Díaz, der zu guter Stunde das Schwert
gürtete,
lagerte auf dem Kiesufer, weil niemand ihn zu Hause
aufnimmt.
60
Um ihn herum eine gute Schar.
So lagerte Mio Cid, als ob er in den Bergen wäre.
Der Kauf ist ihm verboten, drinnen in Burgos, der Stadt,
Erster Gesang, 4
17
de todas cosas cuantas son de vianda;
non le osarién vender al menos dinarada.
5
Martín Antolínez, el burgalés conplido,
a mio Cid e a los suyos abástales de pan e de vino;
non lo conpra, ca él se lo avié consigo,
de todo conducho bien los ovo bastidos.
Pagós’ mio Cid e todos los otros que van a so cervicio.
Fabló Martín Antolínez, odredes lo que á dicho:
– ¡Ya Canpeador, en buen ora fuestes nacido!
Esta noch yagamos e váimosnos al matino,
ca acusado seré por lo que vos he servido,
en ira del rey Alfonso yo seré metido.
Si convusco escapo sano o bivo,
aun cerca o tarde el rey quererm’á por amigo;
si non, cuanto dexo no lo precio un figo. –
65
70
[2v]
75
6
Fabló mio Cid, el que en buen ora cinxo espada:
– ¡Martín Antolínez, sodes ardida lança,
si yo bivo, doblarvos he la soldada!
80
69 mio Cid] myo çid el campeador ms. 70 atolinez ms. 72 ygamos ms.
73 por lo que ms. , de lo que ms. 76 quererm’á] querer ma ha ms.,
s. Komm.
18
'
Cantar primero, 5–6
jeglicher Dinge, die Proviant sind;
sie würden es nicht einmal wagen, ihm für einen Heller
wert zu verkaufen.
5
Martín Antolínez, der rechtschaffene Burgalese,
65
versorgt Mio Cid und die Seinen mit Brot und mit Wein.
Er kauft es nicht, denn er hatte es bei sich.
Mit jeglichem Mundvorrat hatte er sie gut versorgt.
Zufrieden war Mio Cid und all die anderen, die in seinem
Dienst mitziehen.
Martín Antolínez sprach, ihr werdet hören, was er gesagt
70
hat:
»Ach Campeador, zu guter Stunde wurdet Ihr geboren!
Lasst uns diese Nacht ruhen und bei Tagesanbruch
fortziehen,
denn man wird mich anklagen wegen dem, womit ich
Euch gedient habe.
In den Zorn des Königs werde ich eingeschlossen werden.
75
Fliehe ich mit Euch heil und lebendig,
wird mich früh oder spät der König noch als Freund
wollen;
wenn nicht, ist mir alles, was ich lasse, nicht eine Feige
wert.«
6
Mio Cid sprach, der zu guter Stunde das Schwert gürtete:
»Martín Antolínez, Ihr seid eine wackere Lanze.
80
Wenn ich lebe, werde ich Euch den Sold verdoppeln!
Erster Gesang, 5–6
19
Espeso é el oro e toda la plata,
bien lo vedes, que yo non trayo nada,
e huebos me serié pora toda mi compaña.
Ferlo he amidos, de grado non avrié nada:
con vuestro consejo bastir quiero dos arcas,
inchámoslas d’arena, ca bien serán pesadas,
cubiertas de guadalmecí e bien enclaveadas,
85
7
los guadamecís vermejos e los clavos bien dorados.
Por Rachel e Vidas vayádesme privado:
cuando en Burgos me vedaron conpra e el rey me á
airado,
non puedo traer el aver ca mucho es pesado;
enpeñárgelo he por lo que fuere guisado,
de noche lo lieven, que non lo vean cristianos.
Véalo el Criador con todos los sos santos,
yo más non puedo e amidos lo fago. –
8
Martín Antolínez non lo detardava,
por Rachel e Vidas apriessa demandava.
Passó por Burgos, al castiello entrava,
por Rachel e Vidas apriessa demandava.
82 nada] nicht in ms., auer ergänzt corr. 83 e huebos me serié in der
vorigen Zeile ms. 96 detarua ms.
20
Cantar primero, 7–8
90
95
Ausgegeben habe ich das Gold und das ganze Silber,
Ihr seht es genau, dass ich nichts mit mir führe,
und ich hätte es nötig für meine ganze Schar.
Ich werde es im Bösen tun, im Guten würde ich nichts
bekommen:
Mit Eurem Rat will ich zwei Truhen herrichten;
füllen wir sie mit Sand, so sind sie richtig schwer,
bedeckt mit Zierleder und gut beschlagen,
85
7
die Zierleder rötlich und die Beschläge gut golden.
Geht mir schnell Rachel und Vidas holen.
Da mir in Burgos der Kauf verboten wurde und der König
mir seinen Zorn auferlegt hat –
ich kann nicht die Habe mitnehmen, denn sie ist sehr
91
schwer.
Ich werde sie ihnen verpfänden für was immer
angemessen sei.
Bei Nacht sollen sie sie fortbringen, dass es die Christen
nicht sehen.
Der Schöpfer soll es sehen, mit all seinen Heiligen.
95
Ich vermag nichts anderes und tue es im Bösen.«
8
Martín Antolínez verzögerte es nicht,
nach Rachel und Vidas fragte er eilends.
Er durchquerte Burgos, er betrat die Burg,
nach Rachel und Vidas fragte er eilends.
Erster Gesang, 7–8
21
9
Rachel e Vidas en uno estavan amos,
100 [3r]
en cuenta de sus averes, de los que avién ganados.
Llegó Martín Antolínez a guisa de menbrado:
– ¿Ó sodes, Rachel e Vidas, los mios amigos caros?
En poridad fablar querría con amos. –
105
Non lo detardan, todos tres se apartaron.
– Rachel e Vidas, amos me dat las manos,
que non me descubrades a moros nin a cristianos,
por siempre vos faré ricos, que non seades menguados.
El Campeador por las parias fue entrado,
110
grandes averes priso e mucho sobejanos;
retovo d’ellos cuanto que fue algo,
por én vino a aquesto por que fue acusado.
Tiene dos arcas llenas de oro esmerado,
ya lo vedes, que el rey le á airado,
115
dexado ha heredades e casas e palacios;
aquéllas non las puede levar, si non, serié ventado;
el Campeador dexarlas ha en vuestra mano,
e prestalde de aver lo que sea guisado.
Prended las arcas e metedlas en vuestro salvo,
120
con grand jura meted ý las fes amos
que non las catedes en todo aqueste año. –
Rachel e Vidas seyénse consejando:
– Nós huebos avemos en todo de ganar algo;
[3v]
bien lo sabernos, que él gañó algo
102 dde ms.
104 flablar ms. 110 mucho ms., muchos corr. 116 seryen
ventadas ms. 124 algo gaño ms.; s. Komm.
22
Cantar primero, 9
9
Rachel und Vidas waren beide zusammen
100
beim Zählen ihres Guthabens, das sie gewonnen hatten.
Da kam Martín Antolínez auf bedächtige Art:
»Wo seid ihr, Rachel und Vidas, meine teuren Freunde?
Im Geheimen wollte ich mit euch beiden sprechen.«
105
Sie verzögern es nicht, alle drei gehen beiseite.
»Rachel und Vidas, gebt mir beide die Hände,
dass ihr mich nicht entdeckt, weder den Mauren noch den
Christen.
Für immer werde ich euch reich machen, dass ihr keine
Bedürftigen seid.
Der Campeador war um Tributzahlungen ausgezogen,
110
er nahm große Reichtümer ein und sehr vielfältige.
Er hielt davon zurück, was immer etwas wert war,
von daher kam es dazu, dass er angeklagt wurde.
Er hat zwei Truhen voll mit reinem Gold.
Ihr seht schon, dass der König ihm seinen Zorn auferlegt
hat:
Verlassen hat er Güter und Gebäude und Herrenhäuser; 115
jene kann er nicht mitnehmen, sonst würde er aufgespürt.
Der Campeador wird sie in euren Händen lassen,
und leiht ihm an Geld, was angemessen sei.
Nehmt die Truhen und bringt sie bei euch in Gewahrsam.
120
Mit feierlichem Eid gebt darauf euer beider Wort,
dass ihr sie nicht in Augenschein nehmt in diesem ganzen
Jahr.«
Rachel und Vidas berieten sich:
»Wir haben es nötig, bei allem etwas zu gewinnen.
Wir wissen wohl, dass er etwas gewann,
Erster Gesang, 9
23
cuando a tierra de moros entró, que grant aver ha sacado.
126
Non duerme sin sospecha qui aver trae monedado.
Estas arcas prendámoslas amos,
en logar las metamos que non sea ventado.
Mas dezidnos del Cid, ¿de qué será pagado
130
o qué ganancia nos dará por todo aqueste año? –
Respuso Martín Antolínez guisa de menbrado:
– Mio Cid querrá lo que sea aguisado,
pedirvos á poco por dexar so aver en salvo;
acógensele omnes de todas partes menguados,
135
á menester seiscientos marcos. –
Dixo Rachel e Vidas: – Dárgelos hemos de grado. –
– Ya vedes que entra la noch, el Cid es presurado,
huebos avemos que nos dedes los marcos. –
Dixo Rachel e Vidas: – Non se faze assí el mercado,
140
sinon primero prendiendo e después dando. –
Dixo Martín Antolínez: – Yo d’esso me pago,
amos tred al Campeador contado
e nós vos ayudaremos, que assí es aguisado,
por aduzir las arcas e meterlas en vuestro salvo,
145
que non lo sepan moros nin cristianos. –
125 ha sacado] saco ms. 127 amas ms.; s. Komm. 128 sean ventadas ms.
134 meguados ms. 136 hemos] nicht in ms. 142 tred ms., todos tred al.
24
Cantar primero, 9
als er in das Heidenland zog, dass er großen Reichtum
125
herausgebracht hat.
Es schläft nicht ohne Argwohn, wer geprägtes Geld bei
sich hat.
Diese Truhen, nehmen wir sie gemeinsam,
bringen wir sie an einen Platz, der nicht aufgespürt werden
kann.
Doch sagt uns vom Cid, mit wie viel wird er
zufriedengestellt sein
oder welchen Gewinn wird er uns geben für dieses ganze
130
Jahr?«
Da antwortete Martín Antolínez auf bedächtige Art:
»Mio Cid wird verlangen, was angemessen sei.
Er wird wenig von euch dafür verlangen, dass er seinen
Reichtum in Sicherheit lässt.
Von überall her schließen sich ihm bedürftige
Männer an;
135
er benötigt sechshundert Mark.«
Rachel und Vidas sagte: »Wir werden sie ihm gerne
geben.«
»Ihr seht bereits, dass die Nacht anbricht, der Cid ist in
Eile,
es ist uns nötig, dass ihr uns diese Mark gebt.«
Rachel und Vidas sagte: »So wird der Handel nicht getan,
140
sondern erst nehmend und danach gebend.«
Es sagte Martín Antolínez: »Ich bin es zufrieden.
Geht beide zum ruhmreichen Campeador
und wir werden euch helfen, denn so ist es angemessen,
die Truhen herzutragen und sie bei euch in Gewahrsam zu
bringen,
145
dass es weder Mauren noch Christen erfahren.«
Erster Gesang, 9
25
Dixo Rachel e Vidas: – Nós d’esto nos pagamos;
las arcas aduchas, prendet seyescientos marcos. –
Martín Antolínez cavalgó privado
con Rachel e Vidas, de voluntad e de grado.
Non viene a la puent, ca por el agua á passado,
que ge lo non ventassen de Burgos omne nado.
Afévoslos a la tienda del Campeador contado,
assí commo entraron, al Cid besáronle las manos.
Sonrisós’ mio Cid, estávalos fablando:
– ¡Ya don Rachel e Vidas, avédesme olbidado!
Ya me exco de tierra, ca del rey só airado;
a lo que·m’ semeja, de lo mio avredes algo,
mientra que vivades non seredes menguados. –
Don Rachel e Vidas a mio Cid besáronle las manos.
Martín Antolínez el pleito á parado
que sobre aquellas arcas darle ien seiscientos marcos,
e bien ge las guardarién fasta cabo del año,
ca assí·l’ dieran la fe e ge lo avién jurado,
que si antes las catassen, que fuessen perjurados,
non les diesse mio Cid de la ganancia un dinero malo.
149 volutad ms.
26
150 pueent ms.
Cantar primero, 9
151 ventanssen ms.
[4r]
150
155
160
165
Es sagte Rachel und Vidas: »Wir sind es zufrieden.
Sobald die Truhen hergebracht sind, nehmt sechshundert
Mark.«
Martín Antolínez ritt sogleich
mit Rachel und Vidas, willig und freudig.
Er kommt nicht über die Brücke, sondern durch das
150
Wasser ist er passiert,
damit ihn nicht irgendein Menschensohn aus Burgos
aufspüre.
Seht sie hier beim Zelt des ruhmreichen Campeador.
Sobald sie eingetreten waren, küssten sie dem Cid die
Hände.
Mio Cid lächelte, er sprach zu ihnen:
155
»Ei, Herr Rachel und Vidas, ihr habt mich vergessen!
Ich verlasse bereits das Land, denn der König hat mir
seinen Zorn auferlegt.
Wie mir scheint, werdet ihr etwas von meiner Habe
erhalten;
solange ihr lebt, werdet ihr keine Bedürftigen sein.«
Herr Rachel und Vidas küssten Mio Cid die Hände.
160
Martín Antolínez hat den Handel vorbereitet,
dass sie ihm für jene Truhen sechshundert Mark geben
würden,
und sie sie ihm wohl verwahren würden bis zum Ablauf
des Jahres,
denn darauf hatten sie ihm das Wort gegeben und hatten
es ihm geschworen,
dass sie, wenn sie sie vorher in Augenschein nähmen, als
meineidig gelten sollten
und Mio Cid ihnen von dem Gewinn keinen falschen
165
Heller geben würde.
Erster Gesang, 9
27
Dixo Martín Antolínez: – Carguen las arcas privado,
levaldas, Rachel e Vidas, ponedlas en vuestro salvo;
yo iré convusco, que adugamos los marcos,
ca a mover á mio Cid ante que cante el gallo. –
170
Al cargar de las arcas veriedes gozo tanto,
non las podién poner en somo maguer eran esforçados;
[4v]
grádanse Rachel e Vidas con averes monedados,
ca mientra que visquiessen refechos eran amos.
Rachel a mio Cid ba·l’ besar la mano:
10
– ¡Ya Canpeador, en buen ora cinxiestes espada!
175
De Castiella vos ides pora las yentes estrañas,
assí es vuestra ventura, grandes son vuestras ganancias;
una piel vermeja, morisca e ondrada,
Cid, beso vuestra mano, en don que la yo aya. –
180
– Plazme – dixo el Cid – , d’aquí sea mandada,
si vos la aduxier d’allá, si non, contalda sobre las arcas. –
En medio del palacio tendieron un almoçalla,
sobr’ella una sávana de rançal e muy blanca.
A tod el primer colpe, echaron trezientos marcos de plata,
168 con uuso ms. 174 la manol ba besar ms. 182 almofalla ms.
184 echaron trezientos marcos de plata] .iij.ccc marcos de plata echaron
ms.
28
Cantar primero, 10
Martín Antolínez sagte: »Die Truhen seien schnell
aufgeladen.
Nehmt sie, Rachel und Vidas, bringt sie bei euch in
Gewahrsam.
Ich werde mit euch gehen, damit wir diese Mark
herbringen,
denn Mio Cid muss auf brechen, bevor der Hahn kräht.«
Beim Auf laden der Truhen hättet ihr solche Freude
170
gesehen!
Sie konnten sie nicht oben aufsetzen, obwohl sie kräftig
waren.
Es freuten sich Rachel und Vidas über das geprägte Geld,
denn für so lange, wie sie leben würden, waren sie beide
reich.
Rachel geht Mio Cid die Hand küssen:
10
»Ach, Campeador, zu guter Stunde gürtetet Ihr das
175
Schwert!
Aus Castiella zieht Ihr zu fremden Menschen,
so ist Euer Geschick, groß ist Euer Gewinn.
Einen rötlichen Fellrock, maurisch und geschätzt,
Cid, ich küsse Eure Hand – möge ich ihn als Geschenk
bekommen.«
»Einverstanden«, sagte der Cid, »von hier an sei er
180
versprochen,
wenn ich ihn euch von dort bringen sollte; wenn nicht,
verrechnet ihn auf die Truhen.«
Mitten im Saal breiteten sie einen Teppich aus,
darüber ein Bettlaken aus feinem Linnen und sehr weiß.
Erster Gesang, 10
29
notólos don Martino, sin peso los tomava;
185
los otros trezientos en oro ge los pagavan.
Cinco escuderos tiene don Martino, a todos los cargava;
cuando esto ovo fecho, odredes lo que fablava:
– Ya don Rachel e Vidas, en vuestras manos son las arcas;
190
yo que esto vos gané bien merecía calças. –
11
Entre Rachel e Vidas, aparte ixieron amos:
– Démosle buen don, ca él nos lo ha buscado.
Martín Antolínez, un burgalés contado,
vós lo merecedes, darvos queremos buen dado,
de que fagades calças e rica piel e buen manto:
dámosvos en don a vós treinta marcos.
Merecérnoslos hedes, ca esto es aguisado;
atorgarnos hedes esto que avemos parado. –
Gradeciólo don Martino e recibió los marcos;
gradó exir de la posada e espidiós’ de amos.
Exido es de Burgos e Arlançón á passado,
vino pora la tienda del que en buen ora nasco.
192 nos lo] no lo ms.
30
Cantar primero, 11
195
[5r]
200
Mit einem Mal legten sie dreihundert Mark in Silber darauf.
Herr Martín betrachtete sie; ohne sie zu wiegen, nahm er
185
sie an.
Die anderen dreihundert zahlten sie ihm in Gold aus.
Fünf Knappen hat Herr Martín, alle belädt er sie;
als er dies getan hatte, ihr werdet hören, was er sprach:
»Ei, Herr Rachel und Vidas, in euren Händen sind die
Truhen;
ich, der ich euch dies verschafft habe, würde wohl
190
Beinkleider verdienen.«
11
Rachel und Vidas gingen beide gemeinsam zur Seite:
»Geben wir ihm eine gute Gabe, denn er hat sie uns
verschafft.
Martín Antolínez, ruhmreicher Burgalese,
Ihr verdient es, wir wollen Euch ein gutes Geschenk geben,
damit Ihr davon Beinkleider und reichen Fellrock und
195
guten Umhang macht,
geben wir Euch als Gabe dreißig Mark.
Das werdet Ihr von uns verdient haben, denn das ist das
Angemessene:
Ihr werdet uns das versichern, was wir vereinbart haben.«
Dafür bedankte sich Herr Martín und erhielt diese Mark,
er schickte sich an, das Haus zu verlassen, und verab200
schiedete sich von beiden.
Hinaus ist er aus Burgos und den Arlanzón hat er
überquert,
er kam zum Zelt dessen, der zu guter Stunde geboren
wurde.
Erster Gesang, 11
31
Recibiólo el Cid, abiertos amos los braços:
– ¡Venides, Martín Antolínez, el mio fiel vassallo!
Aún vea el día que de mí ayades algo. –
– Vengo, Campeador, con todo buen recabdo;
vós seiscientos e yo treinta he ganados.
Mandad coger la tienda e vayamos privado,
en San Pero de Cardeña, ý nos cante el gallo;
veremos vuestra mugier, menbrada fijadalgo.
Mesuraremos la posada e quitaremos el reinado;
mucho es huebos, ca cerca viene el plazo. –
205
210
12
Estas palabras dichas, la tienda es cogida.
Mio Cid e sus conpañas cavalgan tan aína;
la cara del cavallo tornó a Santa María,
alçó su mano diestra, la cara se santigua:
– ¡A ti lo gradesco, Dios, que cielo e tierra guías;
válanme tus vertudes, gloriosa Santa María!
D’aquí quito Castiella, pues que el rey he en ira,
non sé si entraré ý más en todos los mios días.
¡Vuestra vertud me vala, Gloriosa, en mi exida,
e me ayude e me acorra de noch e de día!
Si vós assí lo fiziéredes e la ventura me fuere conplida,
222 e me ayude] am Ende der vorangehenden Zeile ms. | e me acorra] El
[Ella al.] me acorra ms.
32
Cantar primero, 12
215
220
[5v]
Der Cid empfing ihn, beide Arme ausgestreckt:
»Ihr kommt, Martín Antolínez, mein treuer Vasall!
Möge ich noch den Tag sehen, an dem Ihr von mir etwas
205
bekommt.«
»Ich komme, Campeador, mit großer Vorsicht in allem.
Ihr sechshundert, und ich habe dreißig gewonnen.
Befehlt, das Zelt abzubrechen, und gehen wir eilig fort;
in San Pero de Cardeña: dort möge der Hahn uns krähen.
210
Wir werden Eure Frau sehen, die verständige Adlige.
Wir werden unseren Aufenthalt kürzen und das
Königreich verlassen;
das ist sehr nötig, denn der Termin rückt nahe.«
12
Als diese Worte gesagt waren, wird das Zelt
abgebrochen.
Mio Cid und seine Scharen reiten in großer Eile davon.
215
Das Gesicht des Pferdes wandte er nach Santa María,
er hob seine rechte Hand, er bekreuzigt sich das Gesicht:
»Dir danke ich, Gott, der du Himmel und Erde lenkst.
Mögen mich deine Mächte beschützen, ruhmreiche heilige
María!
Von hier aus verlasse ich Castiella, denn ich habe den Zorn
des Königs auf mir;
ich weiß nicht, ob ich hier wieder eintreten werde in allen
220
meinen Tagen.
Eure Macht behüte mich, Ruhmreiche, in meinem Exil,
und helfe mir und rette mich bei Nacht und bei Tag!
Wenn Ihr es so tun solltet und das Geschick mir
günstig ist,
Erster Gesang, 12
33
mando al vuestro altar buenas donas e ricas;
esto é yo en debdo: que faga ý cantar mill missas. –
225
13
Spidiós’ el caboso de cuer e de veluntad.
Sueltan las riendas e piensan de aguijar.
Dixo Martín Antolínez, el burgalés natural:
228b
– Veré a la mugier a todo mio solaz;
castigarlos he cómmo abrán a far.
230
Si el rey me lo quisiere tomar, a mí non m’incal.
Antes seré convusco que el sol quiera rayar. –
Tornávas’ Martín Antolínez a Burgos e mio Cid a aguijar,
233
pora San Pero de Cardeña, cuanto pudo espolear.
14
Apriessa cantan los gallos e quieren quebrar albores,
cuando llegó a San Pero el buen Campeador
con estos cavalleros que·l’ sirven a so sabor.
El abbat don Sancho, cristiano del Criador,
rezava los matines abuelta de los albores;
225 é] τ ms. 228 el burgalés natural] nicht in ms.; s. Komm.
233 pudo espolear] pudo a espolear ms. 234 s. Komm. zu 232–234
34
Cantar primero, 13–14
235
236
234
237
bestelle ich Eurem Altar gute und reiche Gaben.
Ich verpflichte mich dazu, dass ich dort tausend Messen
singen lasse.«
225
13
Der Treff liche verabschiedete sich von Herzen und mit
Andacht.
Sie lockern die Zügel und beginnen, die Sporen zu geben.
Martín Antolínez sagte, der gebürtige Burgalese:
»Ich werde meine Frau besuchen zu meiner ganzen
228b
Freude.
Ich werde ihnen erklären, wie sie werden handeln müssen.
Wenn der König es mir sollte nehmen wollen, mich
230
kümmert es nicht.
Ich werde bei Euch sein, bevor die Sonne zu scheinen
beginnt.«
Zurück nach Burgos kehrte Martín Antolínez, und Mio Cid
wandte sich um und gab die Sporen,
nach San Pero de Cardeña, so sehr er die Pferde anspornen
233
konnte.
14
Bald krähen die Hähne, und die Morgenröte will
durchbrechen,
als in San Pedro der gute Campeador ankam,
mit diesen Rittern, die ihm nach seinem Gefallen
dienen.
Der Abt, Herr Sancho, ein Christ des Schöpfers,
betete die Mette, als die Morgendämmerung anbrach.
Erster Gesang, 13–14
235
236
234
237
35
ý estava doña Ximena con cinco dueñas de pro,
rogando a San Pero e al Criador:
– Tú, que a todos guías, val a mio Cid el Canpeador. –
240
15
Llamavan a la puerta, ý sopieron el mandado.
¡Dios, qué alegre fue el abbat don Sancho!
Con lunbres e con candelas al corral dieron salto,
con tan grant gozo reciben al que en buen ora nasco. 245
– Gradéscolo a Dios, mio Cid – dixo el abbat don
Sancho – ,
[6r]
pues que aquí vos veo, prendet de mí ospedado. –
Dixo el Cid: – Gracias, don abbat, e só vuestro pagado,
yo adobaré conducho pora mí e pora mis vassallos;
mas, porque me vo de tierra, dóvos cincuaenta marcos.
251
Si yo algún día visquier, servos han doblados,
non quiero fazer en el monesterio un dinero de daño.
Evades aquí, pora doña Ximena dóvos ciento marcos;
a ella, e a sus fijas e a sus dueñas sirvádeslas est año.
255
Dues fijas dexo niñas, e prendetlas en los braços;
aquéllas vos acomiendo a vós, abbat don Sancho,
36
Cantar primero, 15
Dort war Frau Ximena, mit fünf ehrenwerten Damen,
240
sie beteten zum Heiligen Pero und zum Schöpfer:
»Du, der du uns alle lenkst, hilf Mio Cid dem Campeador.«
15
Sie klopften an das Tor, da erfuhren sie die Nachricht.
Gott, wie froh war da der Abt Herr Sancho!
Mit Lichtern und mit Kerzen eilten sie in den Hof hinaus,
mit großem Ergötzen empfangen sie den, der zu guter
245
Stunde geboren wurde.
»Ich danke Gott dafür, Mio Cid«, sprach der Abt Herr
Sancho.
»Da ich Euch hier sehe, nehmt meine Herberge an.«
Der Cid sagte: »Danke, Herr Abt, und ich bin Euch
verpflichtet.
Ich werde Proviant bereitstellen für mich und für meine
Vasallen.
Da ich aber außer Landes gehe, gebe ich Euch fünfzig
250
Mark;
sollte ich länger leben, werden sie Euch verdoppelt
werden.
Ich möchte dem Kloster nicht einen Heller Schaden
verursachen.
Hier habt Ihr: Für Frau Ximena gebe ich Euch hundert
Mark;
ihr, ihren Töchtern und ihren Damen seid dieses eine Jahr
zu Diensten.
Zwei Töchter lasse ich als Kinder zurück, nehmt sie in Eure
255
Arme;
ich vertraue sie Euch persönlich an, Abt Herr Sancho,
Erster Gesang, 15
37
d’ellas e de mi mugier fagades todo recabdo.
Si essa despensa vos falleciere o vos menguare algo,
bien las abastad, yo assí vos lo mando;
por un marco que despendades, al monesterio daré yo
260
cuatro. –
Otorgado ge lo avié el abbat de grado.
Afevos doña Ximena, con sus fijas dó va llegando,
señas dueñas las traen e adúzenlas adelant.
Ant’el Campeador, doña Ximena fincó los inojos amos,
265
llorava de los ojos, quísol’ besar las manos:
– ¡Merced, Canpeador, en ora buena fuestes nado!
Por malos mestureros de tierra sodes echado.
16
¡Merced, ya Cid, barba tan conplida!
Fem’ ante vós yo e vuestras fijas,
ifantes son e de días chicas,
con aquestas mis dueñas, de quien só yo servida.
Yo lo veo, que estades vós en ida
e nós de vós partirnos hemos en vida:
¡dadnos consejo, por amor de Santa María! –
Enclinó las manos la barba vellida,
a las sus fijas en braços las prendía,
llególas al coraçón, ca mucho las quería;
273 Dand nos ms.
38
274 la barba] la su barba ms.
Cantar primero, 16
275 braço ms.
269b
270
[6v]
275
für sie und für meine Frau habt jegliche Fürsorge.
Sollten diese Spesen nicht ausreichen oder solltet Ihr
Verlust hinnehmen müssen,
versorgt sie gut, so befehle ich es Euch,
für eine Mark, die Ihr ausgeben solltet, werde ich dem
260
Kloster vier spenden.«
Der Abt hat es ihm gerne zugestanden.
Da seht ihr Frau Ximena, mit ihren Töchtern, wie sie
daherkommt;
je eine Dame bringt eine von ihnen und führt sie nach
vorne.
Vor dem Campeador hat sich Frau Ximena auf beide Knie
geworfen,
sie weinte aus den Augen, sie wollte ihm die Hände
265
küssen:
»Gnade, Campeador, zu guter Stunde wurdet Ihr geboren!
Wegen übler Verleumder seid Ihr des Landes verwiesen.
16
Gnade, ach Cid, prächtiger Bart!
Seht mich hier vor Euch, mich und Eure Töchter,
Mädchen sind sie und jung an Tagen,
und mit diesen meinen Damen, von denen ich bedient
werde.
Ich sehe es, dass Ihr im Auf bruch seid
und wir uns von Euch im Leben trennen müssen.
Gebt uns Rat, bei der Liebe der heiligen María!«
Da senkte die Hände der prächtige und dichte Bart,
seine Töchter nahm er in die Arme,
er drückte sie ans Herz, denn er liebte sie sehr.
Erster Gesang, 16
269b
270
275
39
llora de los ojos, tan fuertemientre sospira:
– ¡Ya doña Ximena, la mi mugier tan conplida,
commo a la mi alma yo tanto vos quería!
Ya lo vedes, que partirnos emos en vida,
yo iré e vós fincaredes remanida.
¡Plega a Dios e a Santa María
que aún con mis manos case estas mis fijas,
o que dé ventura e algunos días vida,
e vós, mugier ondrada, de mí seades servida! –
280
282b
17
Grand yantar le fazen al buen Canpeador.
285
Tañen las campanas en San Pero a clamor.
Por Castiella oyendo van los pregones,
cómmo se va de tierra mio Cid el Campeador;
unos dexan casas e otros onores.
290
En aqués día, a la puent de Arlançón
ciento e quinze cavalleros todos juntados son,
todos demandan por mio Cid el Canpeador.
Martín Antolínez con ellos’ cojó,
vanse pora San Pero, do está el que en buen punto nació.
18
Cuando lo sopo mio Cid el de Bivar,
que·l’ crece conpaña, por que más valdrá,
apriessa cavalga, recebirlos sale;
290 arlaçon ms.
40
291 e ergänzt corr.
Cantar primero, 17–18
297 salie ms.
295
Aus den Augen weint er, heftig seufzt er:
»Ach, Frau Ximena, meine treff liche Frau,
wie meine eigene Seele, so sehr liebe ich Euch!
Ihr seht es bereits, dass wir uns im Leben trennen müssen,
281
ich werde gehen und Ihr werdet hier zurückbleiben.
Möge es Gott und der heiligen María gefallen,
dass ich noch mit meinen Händen diese meine Töchter
282b
verheirate
oder dass er mir Glück und einige Tage Lebzeit gebe
und dass Euch, verehrte Frau, von mir gedient werde!«
17
Eine große Mahlzeit bereiten sie dem guten Campeador. 285
Es läuten die Glocken in San Pero mit Freude.
Durch Castiella hört man den Ausruf,
wie er das Land verlässt, Mio Cid der Campeador.
Die einen hinterlassen Häuser, die anderen Eigentümer.
290
An jenem Tag, an der Brücke über den Arlanzón,
haben sich einhundertfünfzehn Ritter alle versammelt,
alle fragen nach Mio Cid dem Campeador.
Martín Antolínez schloss sich ihnen an.
Sie ziehen nach San Pero, wo sich der befindet, der zu guter
Stunde geboren wurde.
18
Als dies Mio Cid erfuhr, der aus Bivar,
dass sein Gefolge wächst, wodurch sein Ansehen
zunehmen wird,
reitet er schnell; er zieht aus, sie zu empfangen.
Erster Gesang, 17–18
295
41
dont los ovo a ojo, tornós’ a sonrisar.
Lléganle todos, la mano·l’ ban besar.
Fabló mio Cid de toda voluntad:
– Yo ruego a Dios e al Padre spirital,
vós que por mí dexades casas e heredades,
enantes que yo muera, algún bien vos pueda far,
lo que perdedes, doblado vos lo cobrar. –
Plogo a mio Cid, porque creció en la yantar,
plogo a los otros omnes, todos cuantos con él están.
Los seis días de plazo passados los an,
tres an por trocir, sepades que non más.
Mandó el rey a mio Cid aguardar,
que si después del plazo en su tierra·l’ pudiés tomar,
por oro nin por plata non podrié escapar.
El día es exido, la noch querié entrar,
a sos cavalleros mandólos todos juntar:
– Oíd, varones, non vos caya en pesar,
poco aver trayo, darvos quiero vuestra part.
Sed menbrados cómmo lo devedes far:
a la mañana, cuando los gallos cantarán,
non vos tardedes, mandedes ensellar;
en San Pero a matines tandrá el buen abbat,
la missa nos dirá, ésta será de Santa Trinidad.
La missa dicha, pensemos de cavalgar,
298 dont los ovo a ojo] nicht in ms.; s. Komm.
311 la noch ms., e la noch corr.
42
Cantar primero, 18
308 Cid a aguardar ms.
[7r]
298b
300
305
310
315
320
Als er ihrer ansichtig wurde, begann er zu lächeln.
298b
Alle kommen zu ihm, sie küssen ihm die Hand.
Mio Cid sprach aus ganzem Herzen:
300
»Ich bitte Gott und den geistigen Vater –
ihr, die ihr um meinetwillen Häuser und Erbschaften
verlasst,
bevor ich sterbe – dass ich euch ein Gutes tun kann,
dass ihr, was ihr verliert, doppelt zurückgewinnen könnt.«
Zufrieden war es Mio Cid, dass sein Gefolge wuchs;
zufrieden waren die anderen Männer, alle, die mit ihm
305
sind.
Sechs Tage von der Frist haben sie aufgebraucht,
drei haben sie noch vor sich, wisset, und keinen mehr.
Der König befahl, Mio Cid zu bewachen,
und wenn er ihn nach der Frist in seinem Land zu fassen
bekäme,
würde er weder für Gold noch für Silber entkommen
310
können.
Der Tag ist vergangen, die Nacht wollte anbrechen,
seinen Rittern befahl er allen, sich zu versammeln.
»Hört, Männer, es soll euch nicht betrüben.
Wenig Habe führe ich mit mir, ich möchte euch euren
Anteil geben.
315
Seid daran erinnert, wie ihr zu handeln habt:
Am Morgen, wenn die Hähne krähen,
verspätet euch nicht, lasst aufsatteln.
In San Pero wird der Abt zur Mette läuten,
die Messe wird er für uns lesen, es wird die von der
heiligen Dreifaltigkeit sein.
Sobald die Messe gelesen ist, wollen wir zu reiten
320
beginnen,
Erster Gesang, 18
43
ca el plazo viene acerca, mucho avemos de andar. –
Cuemo lo mandó mio Cid, assí lo an todos a far.
Passando va la noch, viniendo la man;
a los mediados gallos, piensan de ensellar.
325 [7v]
Tañen a matines a una priessa tan grand,
mio Cid e su mugier a la eglesia van.
Echós’ doña Ximena en los grados delant el altar,
rogando al Criador, cuanto ella mejor sabe,
que a mio Cid el Campeador que Dios le curiás de mal:
330
– ¡Ya Señor glorioso, Padre que en cielo estás!
Fezist cielo e tierra, el tercero el mar;
fezist estrellas e luna, e el sol pora escalentar;
prisist encarnación en Santa María madre,
en Beleem aparecist, commo fue tu voluntad,
335
pastores te glorificaron, oviéronte a laudare,
tres reyes de Arabia te vinieron adorar,
Melchior e Gaspar e Baltasar
oro e tus e mirra te ofrecieron, commo fue tu veluntad;
salveste a Jonás cuando cayó en la mar,
340
salvest a Daniel con los leones en la mala cárcel,
salvest dentro en Roma al señor San Sabastián,
salvest a Santa Susaña del falso criminal;
por tierra andidiste treinta e dos años, Señor spirital,
324 piessan ms. | ensellar] caualgar ms., s. Komm. 333 María] ergänzt corr.,
nicht in ms. 335 ouieron de ms. 338 oro e tus e mirra in der vorigen
Zeile ms. 339 salveste] ergänzt al., nicht in ms.
44
Cantar primero, 18
denn das Ende der Frist rückt nahe, viel haben wir zu
reiten.«
Wie es Mio Cid befahl, so werden es alle tun.
Die Nacht vergeht, der Morgen kommt.
Beim zweiten Hahnenschrei schicken sie sich an
aufzusatteln.
325
Man läutet zur Mette mit großer Eile,
Mio Cid und seine Frau gehen zur Kirche.
Frau Ximena warf sich auf die Stufen vor den Altar,
den Schöpfer bittend, so sie es am besten kann,
dass Mio Cid den Campeador – dass Gott ihn vor Übel
bewahre:
330
»Ach, glorreicher Herr, Vater, der du im Himmel bist!
Du schufest Himmel und Erde und als drittes das Meer;
du schufest Sterne und Mond und die Sonne zum
Wärmen;
du nahmst Fleisch an in der heiligen Mutter María,
in Beleem wurdest du geboren, wie es dein Wille war,
335
Hirten verherrlichten dich und lobten dich,
drei Könige aus Arabia kamen, dich anzubeten,
Melchior und Gaspar und Baltasar,
Gold und Weihrauch und Myrrhe boten sie dir, wie es dein
Wille war.
Du errettetest Jonás, als er ins Meer fiel,
du errettetest Daniel von den Löwen in dem üblen
340
Kerker,
du errettetest in Roma drinnen den heiligen Herrn
Sebastián,
du errettetest die heilige Susaña von der falschen Anklage.
Auf Erden wandeltest du zweiundreißig Jahre, geistiger
Herr,
Erster Gesang, 18
45
mostrando los miráculos, por én avemos qué fablar:
345
del agua fezist vino e de la piedra pan,
resucitest a Lázaro, ca fue tu voluntad,
a los judíos te dexeste prender; do dizen monte Calvarie
pusiéronte en cruz, por nombre en Golgotá,
dos ladrones contigo, éstos de señas partes,
350
el uno es en paraíso, ca el otro non entró allá;
estando en la cruz vertud fezist muy grant:
[8r]
Longinos era ciego, que nuncuas vio alguandre,
diot’ con la lança en el costado, dont ixió la sangre,
corrió por el astil ayuso, las manos se ovo de untar,
355
alçólas arriba, llególas a la faz,
abrió los ojos, cató a todas partes,
en ti crovo al ora, por end es salvo de mal;
en el monumento resucitest [. . . . . . . . . . . . . . . .]
e fust a los infiernos, commo fue tu voluntad,
quebranteste las puertas e saqueste los santos padres. 360
Tú eres rey de los reyes e de tod el mundo padre,
a ti adoro e creo de toda voluntad,
e ruego a San Peidro que me ayude a rogar
por mio Cid el Campeador, que Dios le curie de mal;
352 nuquas ms. 354 corrió por] Corrio la sangre por ms.; s. Komm.
359 e fust alos ynfiernos in der vorigen Zeile ms. 360 santos padres]
padres santos ms.
46
Cantar primero, 18
die Wunder zeigend; daher haben wir, worüber wir
erzählen können.
Aus dem Wasser machtest du Wein und aus dem Stein
345
Brot,
du erwecktest Lázaro wieder, denn es war dein Wille.
Von den Juden ließest du dich gefangen nehmen; am Ort,
den man Monte Calvarie nennt,
schlugen sie dich ans Kreuz, am Ort namens Golgotá,
zwei Räuber mit dir, je einer von ihnen zu jeder Seite;
der eine ist im Paradies, doch der andere kam dort nicht
350
hinein.
Wie du am Kreuz hingst, da wirktest du ein großes
Wunder:
Longinos war blind, niemals hatte er je gesehen.
Er stieß dir mit der Lanze in die Seite, aus der das Blut
herausrann,
den Schaft hinablief; die Hände befleckte er sich,
355
er hob sie empor, führte sie ans Gesicht,
öffnete die Augen, blickte nach allen Seiten;
an dich glaubte er zur Stunde, daher ist er von Unheil
errettet.
Im Grab erstandst du auf […]
fuhrst zu den Höllen, wie es dein Wille war,
zerbrachst die Tore und holtest die heiligen Väter heraus.
361
Du bist König der Könige und Vater der ganzen Welt,
dich bete ich an und an dich glaube ich mit meinem ganzen
Willen,
und ich bitte den heiligen Peidro, dass er mir helfe zu
bitten
um Mio Cid den Campeador, dass Gott ihn vor Unheil
bewahre.
Erster Gesang, 18
47
¡cuando oy nos partimos, en vida nos faz juntar! –
La oración fecha, la missa acabada la an,
salieron de la eglesia, ya quieren cavalgar.
El Cid a doña Ximena ívala abraçar,
doña Ximena al Cid la mano·l’ va besar,
llorando de los ojos, que non sabe qué se far,
e él a las niñas tornólas a catar:
– A Dios vos acomiendo, fijas, e al Padre spirital,
agora nos partimos, Dios sabe el ayuntar. –
Llorando de los ojos, que non viestes atal,
así·s’ parten unos d’otros commo la uña de la carne.
Mio Cid con los sos vassallos pensó de cavalgar,
a todos esperando, la cabeça tornando va;
a tan grand sabor fabló Minaya Álbar Fáñez:
– Cid, ¿dó son vuestros esfuerços? ¡en buen ora
nasquiestes de madre!
Pensemos de ir nuestra vía, esto sea de vagar.
Aun todos estos duelos en gozo se tornarán,
Dios, que nos dio las almas, consejo nos dará. –
Al abbat don Sancho tornan de castigar
cómmo sirva a doña Ximena e a las fijas que ha,
e a todas sus dueñas que con ellas están;
bien sepa el abbat que buen galardón d’ello prendrá.
Tornado es don Sancho e fabló Álbar Fáñez:
372 e al Padre spirital] e a la mugier e al padre spirital ms.; s. Komm.
384 las fijas] la fijas ms.
48
Cantar primero, 18
365
370
[8v]
375
380
385
Wenn wir uns heute trennen, so mache, dass wir im Leben
wieder zusammenkommen!« 365
Als das Gebet gesprochen war, hat man die Messe beendet.
Sie verließen die Kirche, schon wollen sie reiten.
Der Cid zu Frau Ximena – er ging sie umarmen;
Frau Ximena dem Cid – sie küsste ihm die Hand,
aus den Augen weinend, denn sie weiß nicht, wie sie
370
handeln soll.
Und er betrachtete wieder die Mädchen:
»Gott empfehle ich euch, Töchter, dem geistigen Vater,
nun scheiden wir, Gott weiß das Wiedersehen.«
Aus den Augen weinend, wie ihr nicht Gleiches gesehen
habt,
es scheiden die einen von den anderen, wie der Fingernagel
375
vom Fleisch.
Mio Cid begann mit seinen Vasallen zu reiten;
auf alle wartend, wendet er seinen Kopf zurück.
Zu großem Gefallen sprach Minaya Álbar Fáñez:
»Cid, wo bleibt Euer Mut? Zu guter Stunde wurdet Ihr von
Mutter geboren!
Denken wir daran, unseren Weg zu gehen, lassen wir
380
dieses bleiben.
Alle diese Leiden werden sich noch in Freuden verwandeln.
Gott, der uns die Seelen gab, wird uns Rat geben.«
Den Abt, Herrn Sancho, ermahnen sie nochmals,
wie er Frau Ximena dienen soll und den Töchtern, die
sie hat,
385
und all ihren Damen, die bei ihnen sind;
der Abt möge wohl wissen, dass er dafür reiche Belohnung
erhalten wird.
Herr Sancho hat sich umgewandt und Álbar Fáñez sprach:
Erster Gesang, 18
49
– Si viéredes yentes venir por connusco ir, abbat,
dezildes que prendan el rastro e piensen de andar,
ca en yermo o en poblado podernos han alcanzar. –
Soltaron las riendas, piensan de andar,
cerca viene el plazo por el reino quitar.
Vino mio Cid yazer a Spinaz de Can,
grandes yentes se le acojen essa noch de todas partes.
Otro día mañana piensa de cavalgar,
ixiéndos’ va de tierra el Canpeador leal;
de siniestro Sant Estevan, una buena cipdad,
de diestro Alilón las torres, que moros las han.
Passó por Alcobiella, que de Castiella fin es ya;
la calçada de Quinea ívala traspassar,
sobre Navas de Palos el Duero va pasar,
a la Figueruela mio Cid iva posar;
vánsele acogiendo yentes de todas partes.
390
395
394
396
[9r]
400
19
Ý se echava mio Cid después que cenado fue,
un sueño·l’ priso dulce, tan bien se adurmió;
el ángel Gabriel a él vino en sueño:
– ¡Cavalgad, Cid, el buen Campeador,
405
388 abbat] zu Beginn der folgenden Zeile ms. 389 piessen ms.
390 han] ergänzt al., nicht in ms. 391 piessan ms. 394 s. Komm.
398 torres über der Zeile, darunter tierras gestrichen ms. 404 cenado fue]
fue çenado ms.
50
Cantar primero, 19
»Solltet Ihr Leute kommen sehen, um mit uns zu gehen,
Abt,
sagt ihnen, sie sollen die Spur aufnehmen, und zu laufen
beginnen,
denn in der Einöde oder in bewohntem Land werden sie
390
uns erreichen können.«
Sie lockerten die Zügel, sie beginnen zu reiten.
Das Ende der Frist rückt nahe, um das Königreich zu
verlassen.
Mio Cid kam zum Lagern nach Spinaz de Can,
viel Kriegsvolk schließt sich ihm diese Nacht von überall
395
her an.
Am anderen Tag in der Früh beginnt er zu reiten,
394
es zieht außer Landes der treue Campeador.
396
Zur Linken Sant Estevan, eine gute Stadt,
zur Rechten Alilón las Torres, das die Mauren in Besitz
haben.
Er zog durch Alcobiella, das bereits das Ende von Castiella
bildet.
400
Die Straße von Quinea passierte er,
bei Navas de Palos überschreitet er den Duero;
nach Figueruela zog Mio Cid zum Lagern.
Kriegsvolk schließt sich ihm von überall her an.
19
Dort legte sich Mio Cid nieder, nachdem er zu Abend
gegessen hatte,
eine süße Müdigkeit überkam ihn, er schlief sehr gut ein.
406
Der Engel Gabriel kam im Traum zu ihm:
»Reitet, Cid, der gute Campeador,
Erster Gesang, 19
51
ca nuncua en tan buen punto cavalgó varón!
Mientra que visquiéredes, bien se fará lo to. –
Cuando se despertó el Cid, la cara se santigó,
sinava la cara, a Dios se acomendó.
410
20
Mucho era pagado del sueño que soñado á.
Otro día mañana piensan de cavalgar,
es día á de plazo, sepades que non más;
a la sierra de Miedes ellos ivan posar.
415
21
Aún era de día, non era puesto el sol,
mandó ver sus yentes mio Cid el Campeador:
sin las peonadas e omnes valientes que son,
notó trezientas lanças, que todas tienen pendones.
22
– Temprano dat cevada, ¡sí el Criador vos salve!
420
El que quisiere comer, e qui no, cavalgue.
Passaremos la sierra, que fiera es e grand,
la tierra del rey Alfonso esta noch la podemos quitar;
después, qui nos buscare fallarnos podrá. –
De noch passan la sierra, vinida es la man,
[9v]
425
408 ca nuncua] in der vorigen Zeile ms. 412 a soñado ms. 425 man ms.,
mannana al.
52
Cantar primero, 20–22
denn nie ritt ein Mann zu so gelegenem Zeitpunkt!
Solange Ihr lebt, wird deine Sache gut stehen.«
Als der Cid erwachte, bekreuzigte er sich das Gesicht,
er bezeichnete das Gesicht, er empfahl sich Gott.
410
20
Sehr zufrieden war er mit dem Traum, den er geträumt hat.
Am nächsten Tag in der Früh beginnen sie zu reiten,
diesen Tag hat er noch zur Frist, wisset, und keinen
weiteren;
415
in das Gebirge von Miedes zogen sie zum Lagern.
21
Es war noch Tag, die Sonne war nicht untergegangen.
Er befahl, seine Leute zu besichtigen, Mio Cid der
Campeador:
Ohne das Fußvolk – Männer, die tapfer sind –
zählte er dreihundert Lanzen, die alle Wimpel tragen.
22
»Gebt sofort Gerste, so euch der Schöpfer retten möge! 420
Wer möchte, soll essen, wer nicht, der reite.
Wir werden das Gebirge überqueren, das wild ist und groß,
das Land König Alfonsos können wir in dieser Nacht
verlassen.
Danach – wer uns suchen möge, wird uns finden können.«
In der Nacht überqueren sie das Gebirge, der Morgen ist
425
gekommen,
Erster Gesang, 20–22
53
e por la loma ayuso piensan de andar.
En medio de una montaña maravillosa e grand
fizo mio Cid posar e cevada dar.
Díxoles a todos cómmo querié trasnochar;
vassallos tan buenos por coraçón lo an,
mandado de so señor todo lo han a far.
Ante que anochesca piensan de cavalgar,
por tal lo faze mio Cid que no lo ventasse nadi;
andidieron de noch, que vagar non se dan.
O dizen Castejón, el que es sobre Fenares,
mio Cid se echó en celada con aquellos que él trae.
El que en buen ora nasco toda la noche en celada yaze,
commo lo consejava Minaya Álbar Fáñez:
430
435
23
– ¡Ya Cid, en buen ora cinxiestes espada!
Vós con ciento de aquesta nuestra conpaña,
pues que a Castejón sacaremos a celada …
[. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .]
– Vós con los dozientos idvos en algara;
allá vaya Álbar Álbarez e Álvar Salvadórez, sin falla,
e Galín García, una fardida lança,
cavalleros buenos que acompañen a Minaya.
A osadas corred, que por miedo non dexedes nada,
Fita ayuso e por Guadalfajara,
fata Alcalá lleguen las algaras,
440
443b
[10r]
446
446b
431 todo corr., tooo ms. 433 lo ventasse al., io ventasse ms. 437 Toda la
noche iaze en çelada el que en buen ora nasco ms.; s. Komm. 438 los ms.
442 Vos … yd vos ms., yo … iré ms.'; s. Komm. 443 abarez ms. 446b alg
ms. (beschnitten), algra illig.
54
Cantar primero, 23
und sie beginnen, den Bergrücken hinabzuziehen.
Mitten in einer Wildnis, erstaunlich und groß,
befahl Mio Cid zu ruhen und Gerste zu geben.
Er sagte ihnen allen, wie er über Nacht ziehen wollte.
Die Vasallen sind so gut, dass sie von Herzen
430
zustimmen,
die Befehle ihres Herrn werden sie alle ausführen.
Bevor es Nacht wird beginnen sie zu reiten,
deswegen tut es Mio Cid, damit niemand ihn aufspüre.
Sie gingen nachts, Ruhe gönnen sie sich nicht.
435
Am Ort genannt Castejón, der am Fenares liegt,
legte sich Mio Cid in den Hinterhalt mit denen, die er mit
sich führt.
Der zu guter Stunde geboren wurde, liegt die ganze Nacht
im Hinterhalt,
wie es Minaya Álbar Fáñez empfahl:
23
»Ei Cid, zu guter Stunde gürtetet Ihr das Schwert!
440
Ihr mit hundert aus diesem unseren Gefolge,
nachdem wir Castejón in den Hinterhalt gelockt haben …«
[…]
»Ihr mit den Zweihundert zieht auf Streifzug;
dorthin soll Álbar Álbarez ziehen und Álbar Salvadórez,
unbedingt,
443b
und Galín García, eine wackere Lanze,
gute Ritter, die sollen Minaya begleiten.
Stürmt wagemutig und lasst nichts aus Angst zurück. 445
Von Fita abwärts und durch Guadalfajara
446b
bis Alcalá sollen die Streifzüge gehen,
Erster Gesang, 23
55
e bien acojan todas las ganancias,
que por miedo de los moros non dexen nada;
e yo con los ciento aquí fincaré en la çaga,
terné yo Castejón, don abremos grand enpara.
Si cueta vos fuere alguna al algara,
fazedme mandado muy privado a la çaga;
¡d’aqueste acorro fablará toda España! –
Nonbrados son los que irán en el algara
e los que con mio Cid ficarán en la çaga.
Ya quiebran los albores e vinié la mañana,
ixié el sol, ¡Dios, qué fermoso apuntava!
En Castejón todos se levantavan,
abren las puertas, de fuera salto davan,
por ver sus lavores e todas sus heredades.
Todos son exidos, las puertas abiertas an dexadas,
con pocas de gentes que en Castejón fincaran;
las yentes de fuera todas son derramadas.
El Campeador salió de la celada,
corrié a Castejón sin falla,
moros e moras aviélos de ganancia,
e essos gañados cuantos en derredor andan.
Mio Cid don Rodrigo a la puerta adeliñava,
los que la tienen, cuando vieron la rebata,
ovieron miedo, e fue desenparada.
Mio Cid Ruy Díaz por las puertas entrava,
en mano trae desnuda el espada,
quinze moros matava de los que alcançava;
gañó a Castejón e el oro e la plata.
450
455
460
464b
465
[10v]
451 cueta ms., cuēta al. 461 dexadas an abiertas ms. 462 fincaron ms.
465 auien ms. 469 deseparada ms. 473 τ ela plata ms.
56
Cantar primero, 23
470
und sie sollen gut alle Beute sammeln
und nichts aus Angst vor den Mauren zurücklassen.
Ich werde mit den Hundert hier in der Nachhut bleiben,
ich werde Castejón halten, wo wir großen Schutz haben
450
werden.
Solltet ihr in irgendeine Bedrängnis geraten während des
Streifzugs,
schickt mir eine Botschaft ganz eilig an die Nachhut;
von dieser Hilfe wird ganz Spanien reden!«
Benannt sind die, die auf den Streifzug ziehen
455
und die mit Mio Cid in der Nachhut bleiben werden.
Schon bricht die Morgenröte durch, und der Morgen kam,
die Sonne ging auf; Gott, wie schön sie hervorkam!
In Castejón standen alle auf,
öffnen die Tore und eilten hinaus,
460
ihre Äcker zu sehen und all ihren Grundbesitz.
Alle sind hinausgegangen, die Tore haben sie offen
gelassen,
mit wenigen Leuten, die in Castejón blieben;
die Leute von draußen haben sich alle verstreut.
Der Campeador kam aus dem Hinterhalt,
464b
er erbeutete unweigerlich Castejón.
Die Mauren und die Maurinnen erhielt er als Beute
465
und all jenes Vieh, das in der Umgebung herumläuft.
Mio Cid Herr Rodrigo eilte auf das Tor zu;
die, die es halten, als sie den Handstreich sehen,
bekamen Angst, und es wurde wehrlos gelassen.
470
Mio Cid Ruy Díaz drang durch die Tore ein,
in der Hand trägt er nackt das Schwert;
fünfzehn Mauren tötete er, von denen, die er erreichte;
er gewann Castejón und das Gold und das Silber.
Erster Gesang, 23
57
Sos cavalleros llegan con la ganancia,
déxanla a mio Cid, todo esto non precian nada.
Afevos los dozientos e tres en el algara,
e sin dubda corren [. . . . . . . . . . . . . . . .];
fasta Alcalá llegó la seña de Minaya
e desí arriba tórnanse con la ganancia,
Fenares arriba e por Guadalfajara.
Tanto traen las grandes ganancias,
muchos gañados de ovejas e de vacas,
e de ropas, e de otras riquizas largas.
Derecha viene la seña de Minaya,
non osa ninguno dar salto a la çaga.
Con aqueste aver tórnanse essa conpaña,
felos en Castejón, o el Campeador estava;
el castiello dexó en so poder, el Canpeador cavalga,
saliólos recebir con esta su mesnada;
los braços abiertos, recibe a Minaya:
– ¡Venides, Álbar Fáñez, una fardida lança!
Do yo vos enbiás, bien abría tal esperança.
Esso con esto sea ayuntado;
dóvos la quinta, si la quisiéredes, Minaya. –
475
477b
480
481b
485
490
24
– Mucho vos lo gradesco, Campeador contado;
d’aquesta quinta que me avedes mandado,
pagarse ía d’ella Alfonso el castellano.
Yo vos la suelto e avello quitado.
475 preçia ms.
[11r]
495
480 ganaçias ms. 480–481b in zwei Zeilen mit Umbruch
nach gañados ms. 481 muchos τ gañados ms. 494 mando ms.
496 suelta ms.
58
Cantar primero, 24
Seine Reiter kommen mit der Beute,
475
sie überlassen sie Mio Cid, all das schätzen sie nichts.
Seht dort die Zweihundertdrei auf dem Streifzug
und ohne zu zögern nehme sie Beute […].
477b
Bis Alcalá kam das Banner Minayas,
und von dort wieder aufwärts kehren sie mit der Beute,
den Fenares aufwärts und durch Guadalfajara.
480
Sie bringen übermäßig große Beute,
viel Vieh, Schafe und Kühe
481b
und Kleider und andere große Reichtümer.
Aufrecht kommt Minayas Banner daher,
niemand wagt es, den Nachtrab zu überfallen.
Mit dieser Habe kehrt der Trupp zurück.
Seht sie hier in Castejón, wo sich der Campeador
485
befand;
die Burg ließ er in seiner Macht, der Campeador reitet
hinaus, sie zu empfangen, mit dieser seiner Schar.
Die Arme gespreizt, empfängt er Minaya:
»Ihr kommt, Álvar Fáñez, eine tüchtige Lanze!
Wo immer ich euch hinschicken würde, könnte ich wohl
490
solche Hoffnung haben.
Jenes sei mit diesem vereinigt;
ich gebe euch den Fünften, wenn ihr ihn wollt,
Minaya.«
24
»Ich danke Euch sehr dafür, ruhmreicher Campeador.
Mit diesem Fünften, den Ihr mir anbefohlen habt –
mit ihm würde Alfonso der Kastilier zufrieden sein.
Ich löse ihn Euch, habt Ihr ihn frei.
Erster Gesang, 24
495
59
A Dios lo prometo, a aquel que está en alto,
fata que yo me pague sobre mio buen cavallo
lidiando con moros en el campo,
que enpleye la lança e al espada meta mano,
e por el cobdo ayuso la sangre destellando,
ante Ruy Díaz, el lidiador contado,
non prendré de vós cuanto vale un dinero malo;
pues que por mí ganaredes quesquier que sea d’algo,
todo lo otro afelo en vuestra mano. –
500
505
25
Estas ganancias allí eran juntadas.
Comidiós’ mio Cid, el que en buen ora cinxo espada,
el rey Alfonso, que llegarién sus compañas,
que·l’ buscarié mal con todas sus mesnadas.
510
Mandó partir tod aquesta ganancia,
sos quiñoneros que ge los diessen por carta.
Sos cavalleros ý an arribança,
a cada uno d’ellos caen ciento marcos de plata,
e a los peones la meatad sin falla;
515 [11v]
toda la quinta a mio Cid fincava.
Aquí non lo puede vender nin dar en presentaja,
nin cativos nin cativas non quiso traer en su conpaña.
Fabló con los de Castejón e envió a Fita e a Guadalfajara,
esta quinta por cuánto serié conprada,
507 cinxo espada] fue nado ms.; s. Komm. 508 el rey] Al Rey ms.;
s. Komm. 510 aquesta ganancia] aqueste auer ms.; s. Komm. 516 pueden
ms.; s. Komm.
60
Cantar primero, 25
Gott verspreche ich es, jenem, der in der Höhe ist:
Bis ich mich nicht zufrieden gebe, auf meinem guten Pferd
kämpfend gegen Mauren auf dem Feld,
so dass ich die Lanze einsetze und Hand ans Schwert lege,
501
am Ellbogen hinab das Blut tropfend
vor Ruy Díaz, dem ruhmreichen Kämpfer,
werde ich keinen falschen Heller wert von Euch nehmen,
bis Ihr durch mich etwas gewinnt, das etwas wert ist.
505
Alles andere: Hier habt Ihr es in Eurer Hand.«
25
Diese Beute wurde dort zusammengetragen.
Mio Cid dachte für sich, der zu guter Stunde das Schwert
gürtete,
an den König Alfonso, dass seine Scharen kommen
würden,
dass er ihm Schaden suchen würde mit all seinem Gefolge.
510
Er befahl, all diese Beute zu verteilen,
dass seine Beuteanteilgeber sie ihnen brief lich zuweisen.
Seine Ritter erhalten dort Wohlstand:
Jedem von ihnen fallen hundert Mark Silber zu
und dem Fußvolk die Hälfte, unweigerlich.
515
Der ganze Fünfte verblieb Mio Cid.
Hier kann er es nicht verkaufen noch als Geschenk
vergeben,
gefangene Männer und Frauen hatte er nicht in seinem
Gefolge bringen wollen.
Er sprach mit denen aus Castejón und sandte nach Fita und
nach Guadalfajara:
dieser Fünfte – für wie viel er gekauft werden würde,
Erster Gesang, 25
61
aun de lo que diessen que oviessen grand ganancia.
Asmaron los moros tres mill marcos de plata,
plogo a mio Cid d’aquesta presentaja;
a tercer día, dados fueron sin falla.
Asmó mio Cid con toda su conpaña
que en el castiello non ý avrié morada
e que serié retenedor, mas non ý avrié agua.
– Moros en paz, ca escripta es la carta,
buscarnos ie el rey Alfonso con toda su mesnada.
Quitar quiero Castejón; oíd, escuelas e Minaya,
520
525
26
lo que yo dixier non lo tengades a mal:
en Castejón non podriemos fincar,
cerca es el rey Alfonso e buscarnos verná,
mas el castiello non lo quiero hermar,
ciento moros e ciento moras quiérolas quitar,
porque lo pris d’ellos, que de mí non digan mal.
Todos sodes pagados e ninguno por pagar,
cras a la mañana pensemos de cavalgar;
con Alfonso mio señor non querría lidiar. –
529 minyaya ms.
62
536 ninguno ms., ninguno non corr.
Cantar primero, 26
530
535
[12r]
dass sie noch mit dem, was sie gäben, großen Gewinn
520
erlangten.
Es schätzten die Mauren dreitausend Mark Silber,
zufrieden war Mio Cid mit diesem Angebot.
Am dritten Tage wurden sie überreicht, unweigerlich.
Mio Cid erwog, mit all seinem Gefolge,
525
dass er auf der Burg dort nicht wohnen bleiben würde
und dass er sie zwar halten würde, doch dort kein Wasser
hätte.
»Die Mauren sind in Frieden, denn die Urkunde ist
geschrieben.
Aufsuchen wird uns der König Alfonso mit all seinem
Gefolge.
Ich will Castejón verlassen. Hört, Gefolgschaften und
Minaya:
26
530
Was ich sagen mag, nehmt es nicht übel auf:
In Castejón könnten wir nicht bleiben.
Nahe ist der König Alfonso und er wird uns angreifen
kommen.
Doch die Burg will ich nicht verwüsten,
hundert Mauren und hundert Maurinnen – ich will sie
befreien,
weil ich sie ihnen nahm, dass sie von mir nichts Übles
535
sagen.
Alle seid ihr ausbezahlt und niemand bleibt zu bezahlen,
morgen in der Früh wollen wir zu reiten beginnen.
Gegen Alfonso, meinen Herrn, würde ich nicht kämpfen
wollen.«
Erster Gesang, 26
63
Lo que dixo el Cid a todos los otros plaz;
del castiello que prisieron todos ricos se parten.
Los moros e las moras bendiziéndol’ están.
Vanse Fenares arriba cuanto pueden andar,
trocen las Alcarrias e ivan adelant,
por las cuevas d’Anquita ellos passando van.
Passaron las aguas, entraron al campo de Toranz,
por essas tierras ayuso cuanto pueden andar.
Entre Fariza e Cetina mio Cid iva albergar,
grandes son las ganancias que priso por la tierra do va;
non lo saben los moros el ardiment que an.
Otro día moviós’ mio Cid el de Bivar
e passó a Alfama, la foz ayuso va,
passó a Bovierca e a Teca, que es adelant,
e sobre Alcocer mio Cid iva posar,
en un otero redondo, fuerte e grand;
acerca corre Salón, agua no·l’ puedent vedar.
Mio Cid don Rodrigo Alcocer cueda ganar.
27
Bien puebla el otero, firme prende las posadas,
los unos contra la sierra e los otros contra la agua.
El buen Canpeador, que en buen ora cinxo espada,
545 torançio ms.
64
551 alfania ms.
Cantar primero, 27
559 cinxo espada] nasco ms.
540
545
550
555
Was der Cid sagte, es gefällt allen anderen;
540
von der Burg, die sie einnahmen, schieden alle reich.
Die Mauren und die Maurinnen segnen ihn fortwährend.
Sie ziehen den Fenares aufwärts, so schnell sie marschieren
können,
durchqueren die Alcarrias und zogen vorwärts,
an den Höhlen von Anquita ziehen sie vorbei.
Sie überquerten die Gewässer, sie marschierten in das Feld
545
von Toranz ein,
durch diesen Landstrich abwärts, so schnell sie
marschieren können,
zwischen Fariza und Cetina lagerte Mio Cid.
Groß ist die Beute, die er einnahm, in der Gegend, durch
die er zieht.
Die Mauren kennen nicht die Absichten, die sie haben.
550
Am anderen Tag brach Mio Cid, der aus Bivar, auf
und passierte Alfama, die Schlucht zieht er abwärts,
passierte Bovierca und Teca, das weiter voraus liegt,
und über Alcocer ließ sich Mio Cid nieder
auf einer Anhöhe, rund, stark und groß.
Nahebei fließt der Salón, das Wasser können sie ihm nicht
555
abschneiden.
Mio Cid Herr Rodrigo – Alcocer gedenkt er zu erobern.
27
Gut besetzt er die Anhöhe, standhaft legt er die
Lagerplätze an,
die einen zum Gebirge, die anderen zum Wasser hin.
Der gute Campeador, der zu guter Stunde das Schwert
gürtete,
Erster Gesang, 27
65
derredor del otero, bien cerca del agua,
a todos sos varones mandó fazer una cárcava,
que de día nin de noch non les diessen arrebata,
que sopiessen que mio Cid allí avié fincança.
560
[12v]
28
Por todas essas tierras ivan los mandados,
que el Campeador mio Cid allí avié poblado,
venido es a moros, exido es de cristianos;
en la su vezindad non se treven ganar tanto.
Agardándose va mio Cid con todos sus vassallos,
el castiello de Alcocer en paria va entrando.
565
29
Los de Alcocer a mio Cid ya·l’ dan parias,
e los de Teca e los de Terrer la casa.
A los de Calataút, sabet, mal les pesava.
Allí yogo mio Cid complidas quinze semanas.
Cuando vio mio Cid que Alcocer non se le dava,
él fizo un art e non lo detardava:
dexa una tienda fita e las otras levava,
cojós’ Salón ayuso, la su seña alçada,
las lorigas vestidas e cintas las espadas,
a guisa de menbrado, por sacarlos a celada.
570
575
561 fazer] unleserlich ms., durch optische Mittel bestätigt. 570 dan parias]
dan parias de grado ms. 571 Terrer] teruel ms.; s. Komm. 572 mal les]
males ms. 577 cojós’] Coio ms.
66
Cantar primero, 28–29
um die Anhöhe herum, ganz nahe am Wasser,
560
allen seinen Männern befahl er, einen Graben auszuheben,
dass sie ihnen bei Tag noch bei Nacht keinen Handstreich
machen könnten,
dass sie wüssten, dass Mio Cid sich dort niedergelassen
hatte.
28
Durch all diese Landzüge gingen die Botschaften,
565
dass der Campeador Mio Cid dort Lager hatte;
zu den Mauren ist er gekommen, von den Christen ist er
gegangen.
In seiner Umgebung trauen sie sich nicht, Landwirtschaft
zu betreiben.
Auf der Lauer ist Mio Cid, mit allen seinen Vasallen,
die Burg von Alcocer beginnt bereits, ihm Tribute zu
zahlen.
29
Die aus Alcocer – dem Mio Cid geben sie bereits Tribute, 570
und die aus Teca und die aus Terrer, der Ortschaft.
Die aus Calataút, wisset, bekümmerte es sehr.
Dort verblieb Mio Cid vollendete fünfzehn Wochen.
Als Mio Cid sah, dass Alcocer sich ihm nicht ergab,
575
wandte er eine List an und verzögerte es nicht:
Er lässt ein Zelt stehen und nimmt die anderen mit,
zog den Salón abwärts, sein Banner erhoben,
die Ringrüstungen angezogen und die Schwerter gegürtet,
auf bedächtige Art, um sie in den Hinterhalt zu locken.
Erster Gesang, 28–29
67
Veyénlo los de Alcocer, ¡Dios, cómmo se alabavan!: 580
– Fallido á a mio Cid el pan e la cevada;
las otras abés lieva, una tienda á dexada;
de guisa va mio Cid commo si escapasse de arrancada. [13r]
Demos salto a él e feremos grant ganancia,
antes que·l’ prendan los de Terrer, si non, non nos darán
585
dent nada;
la paria qu’él á presa tornárnosla ha doblada. –
Salieron de Alcocer a una priessa much estraña.
Mio Cid, cuando los vio fuera, cogiós’ commo de
arrancada,
cojós’ Salón ayuso, con los sos abuelta anda.
590
Dizen los de Alcocer: – ¡Ya se nos va la ganancia! –
Los grandes e los chicos fuera salto davan,
al sabor del prender, de lo ál non piensan nada,
abiertas dexan las puertas, que ninguno non las guarda.
El buen Campeador la su cara tornava,
vio que entr’ellos e el castiello mucho avié grand plaça, 595
mandó tornar la seña, apriessa espoloneavan:
– ¡Firidlos, cavalleros, todos sines dubdança!
¡Con la merced del Criador, nuestra es la ganancia! –
Bueltos son con ellos por medio de la llana,
600
¡Dios, qué bueno es el gozo por aquesta mañana!
Mio Cid e Álbar Fáñez adelant aguijavan,
585 Terrer] teruel ms., korrigiert über terer | nada ergänzt illig.
588 arrancad ms. (beschnitten) 589 anda] nadi ms. 591 davan] dan ms.
599 llana] laña ms.
68
Cantar primero, 29
Das sahen die von Alcocer – Gott wie sie sich brüsteten! 580
»Dem Mio Cid ist das Brot und die Gerste ausgegangen.
Die anderen Zelte nimmt er mit Mühe mit, ein Zelt hat er
zurückgelassen;
Mio Cid zieht in einer Weise davon, als ob er nach einer
Niederlage auf der Flucht sei.
Greifen wir ihn an, und wir werden große Beute machen,
bevor die von Terrer ihn fangen, denn sonst werden sie uns
585
nichts davon geben.
Den Tribut, den er genommen hat, verdoppelt wird er ihn
uns zurückgeben.«
Sie kamen aus Alcocer heraus, mit ganz außerordentlicher
Eile.
Mio Cid, als er sie draußen sah, marschierte, als ob er
geschlagen wäre,
zog den Salón abwärts, mit den Seinen reitet er dahin.
Die aus Alcocer sagen: »Schon entgeht uns die Beute!« 590
Die Großen und die Kleinen sprengten hinaus,
im Vorgeschmack des Fangs, an Weiteres denken sie nicht.
Offen lassen sie die Tore, die niemand bewacht.
Der gute Campeador wandte sein Antlitz,
er sah, dass zwischen ihnen und der Burg sehr viel
595
Platz war,
er befahl dem Banner kehrtzumachen, schnell gaben
sie die Sporen:
»Schlagt sie, Ritter, alle, ohne zu zögern,
mit der Gnade des Schöpfers: Unser ist die Beute!
Ins Handgemenge geraten sie mit ihnen, mitten auf der
Ebene.
600
Gott, wie groß ist die Freude an diesem Morgen!
Mio Cid und Álbar Fáñez gaben vorwärts die Sporen,
Erster Gesang, 29
69
tienen buenos cavallos, sabet, a su guisa les andan,
entr’ellos e el castiello en essora entravan.
Los vassallos de mio Cid sin piedad les davan,
en un ora e un poco de logar trezientos moros matan.
Dando grandes alaridos los que están en la celada,
dexando van los delant, por el castiello se tornavan;
las espadas desnudas, a la puerta se paravan,
luego llegavan los sos, ca fecha es el arrancada.
Mio Cid gañó a Alcocer, sabet, por esta maña.
605
[13v]
610
30
Vino Pero Vermúez, que la seña tiene en mano,
metióla en somo, en todo lo más alto.
Fabló mio Cid Ruy Díaz, el que en buen ora fue nado:
– ¡Grado a Dios del cielo e a todos los sos santos,
ya mejoraremos posadas a dueños e a cavallos!
31
Oíd a mí, Álbar Fáñez e todos los cavalleros;
en este castiello grand aver avemos preso,
los moros yazen muertos, de bivos pocos veo;
los moros e las moras vender non los podremos,
610 sabent ms.
70
Cantar primero, 30–31
615
sie haben gute Pferde, wisset, nach ihrem Belieben
laufen sie.
Zwischen sie und die Burg dringen sie da.
Die Vasallen Mio Cids hieben erbarmungslos auf sie ein,
In kurzer Zeit und auf wenig Raum töten sie dreihundert
605
Mauren.
Großes Geschrei erheben die, die an dem Hinterhalt
teilnehmen.
Die von vorne lassen ab und wandten sich der Burg zu;
mit bloßen Schwertern halten sie am Tor,
dann kamen auch die Ihrigen, denn der Handstreich ist
gelungen.
610
Mio Cid gewann Alcocer, wisset, durch diese List.
30
Es kam Pero Vermúez, der das Banner in der Hand hat,
er stellt es oben auf, an die allerhöchste Stelle.
Mio Cid Ruy Díaz sprach, der zu guter Stunde geboren
wurde:
»Dank sei Gott im Himmel und allen seinen Heiligen,
jetzt werden wir die Unterkunft bessern, den Herren und
615
den Pferden!
31
Hört mir zu, Álbar Fáñez und alle Ritter:
In dieser Burg haben wir große Habe eingenommen,
die Mauren liegen tot, an Lebenden sehe ich wenige.
Die Mauren und die Maurinnen werden wir nicht
verkaufen können,
Erster Gesang, 30–31
71
que los descabecemos nada non ganaremos,
cojámoslos de dentro, ca el señorío tenemos,
posaremos en sus casas e d’ellos nos serviremos. –
620
32
Mio Cid con esta ganancia en Alcocer está,
fizo enbiar por la tienda que dexara allá.
Mucho pesa a los de Teca e a los de Terrer non plaze,
e a los de Calatayut non plaze.
Al rey de Valencia enbiaron con mensaje,
que a uno que dizién mio Cid Ruy Díaz de Bivar
airólo el rey Alfonso, de tierra echado lo ha,
vino posar sobre Alcocer en un tan fuerte logar,
sacólos a celada, el castiello ganado á.
– Si non das consejo, a Teca e a Terrer perderás,
perderás Calatayut, que non puede escapar.
Ribera de Salón toda irá a mal,
assí ferá lo de Siloca, que es del otra part. –
Cuando lo oyó el rey Tamín por cuer le pesó mal:
– Tres reyes veo de moros derredor de mí estar.
625 Terrer] teruel ms.
72
632 Terrer] teruel ms.
Cantar primero, 32
625
[14r]
630
635
wenn wir sie enthaupten, gewinnen wir nichts damit. 620
Nehmen wir sie drinnen auf, denn wir haben die
Herrschaft;
wir werden in ihren Häusern wohnen und uns von ihnen
bedienen lassen.«
32
Mio Cid ist mit dieser Beute in Alcocer,
er ließ nach dem Zelt schicken, das er dort zurückgelassen
hatte.
Sehr bekümmert es die von Teca und denen von Terrer
625
gefällt es nicht,
und denen von Calatayut gefällt es nicht.
Zum König von Valencia schickten sie mit der Botschaft,
dass einem, den man Mio Cid Ruy Díaz von Bivar nannte,
dem zürnte der König Alfonso – aus dem Lande hat er ihn
vertrieben.
Er kam, sich über Alcocer niederzulassen, an einem gar
630
befestigten Ort,
er lockte sie in einen Hinterhalt, die Burg hat er erobert.
»Wenn du nicht Rat schaffst – Teca und Terrer wirst du
verlieren,
verlieren wirst du Calatayut, das dem nicht entgehen kann.
Das Ufer des Salón wird insgesamt einen üblen Gang
nehmen,
ebenso wird es das des Jiloca tun, das sich auf der anderen
635
Seite befindet.«
Als das der König Tamín hörte, da bedrückte es ihn im
Herzen schwer:
»Drei Könige der Mauren sehe ich um mich stehen.
Erster Gesang, 32
73
Non lo detardedes, los dos id pora allá.
Tres mill moros levedes con armas de lidiar,
640
con los de la frontera, que vos ayudarán,
prendétmelo a vida, aduzídmelo deland;
porque se me entró en mi tierra, derecho me avrá a dar. –
Tres mill moros cavalgan e piensan de andar,
ellos vinieron a la noch en Sogorve posar.
645
Otro día mañana piensan de cavalgar,
vinieron a la noch a Celfa posar,
por los de la frontera piensan de enviar;
non lo detienen, vienen de todas partes.
Ixieron de Celfa, la que dizen de Canal,
650
andidieron todo’l día, que vagar non se dan,
vinieron essa noche en Calatayut posar.
Por todas essas tierras los pregones dan,
[14v]
gentes se ayuntaron sobejanas de grandes
con aquestos dos reyes que dizen Fáriz e Galve;
655
al bueno de mio Cid en Alcocer le van cercar.
33
Fincaron las tiendas e prendend las posadas,
crecen estos virtos, ca yentes son sobejanas.
Las arrobdas que los moros sacan,
de día e de noch enbueltos andan en armas;
651 calatayuh ms. 653 de grandes ms., e grandes al. 659 de día] in der
vorigen Zeile ms.
74
Cantar primero, 33
Verzögert es nicht, geht zwei von euch dorthin.
Dreitausend Mauren nehmt mit euch, mit Waffen zum
Kämpfen,
640
mit denen von der Grenze, die euch helfen werden,
nehmt ihn mir lebend gefangen, führt ihn mir vor.
Weil er in mein Land eingedrungen ist, wird er mir
Rechenschaft geben müssen.«
Dreitausend Mauren reiten und beginnen zu marschieren,
sie kamen in der Nacht nach Sogorve zum Lagern.
645
Am nächsten Tag in der Früh beginnen sie zu reiten,
sie kamen in der Nacht bis Celfa zum Lagern.
Nach denen von der Grenze beginnen sie auszusenden,
die halten sich nicht auf, sie kommen von überall her.
Sie verließen Celfa, das ›vom Kanal‹ genannt wird,
sie marschierten den ganzen Tag, denn Muße gönnen sie
650
sich nicht.
Sie kamen diese Nacht bis Calatayut zum Lagern.
Durch all diese Landzüge lassen sie Aufrufe ergehen,
Kriegsvolk kam zusammen in übergroßer Zahl
mit diesen beiden Königen, die Fáriz und Galve genannt
werden;
655
den guten Mio Cid – in Alcocer belagern sie ihn.
33
Sie pflanzten die Zelte auf und nehmen ihre Lagerplätze
ein.
Es wachsen diese Streitkräfte, denn die Menschen sind
ohne Zahl.
Die Vorposten, die die Mauren ausschicken,
bei Tag und bei Nacht stehen sie unter Waffen.
Erster Gesang, 33
659
75
muchas son las arrobdas e grande es el almofalla,
a los de mio Cid ya les tuellen el agua.
Mesnadas de mio Cid exir querién a la batalla,
el que en buen ora nasco firme ge lo vedava;
toviérongela en cerca complidas tres semanas.
660
34
A cabo de tres semanas, la cuarta querié entrar,
mio Cid con los sos tornós’ a acordar:
– El agua nos an vedada, exirnos ha el pan.
Que nos queramos ir de noch no nos lo consintrán;
grandes son los poderes por con ellos lidiar.
Dezidme, cavalleros, cómmo vos plaze de far. –
Primero fabló Minaya, un cavallero de prestar:
– De Castiella la gentil exidos somos acá,
si con moros non lidiáremos, no nos darán del pan.
Bien somos nós seiscientos, algunos ay de más;
675
en el nonbre del Criador, que non pase por ál:
vayámoslos ferir en aquel día de cras. –
Dixo el Campeador: – A mi guisa fablastes,
ondrástesvos, Minaya, ca avérvoslo iedes de far. –
Todos los moros e las moras de fuera los manda echar,
que non sopiesse ninguno esta su poridad.
El día e la noche piénsanse de adobar.
665 etrar ms.
76
675 nobre ms.
Cantar primero, 34
665
670
[15r]
680
Zahlreich sind die Vorposten, und groß ist das Heerlager,
denen von Mio Cid schneiden sie bereits das Wasser ab.
Die Scharen des Mio Cid – hinaus wollten sie in die
Schlacht;
der zu guter Stunde geboren wurde verbot es ihnen strikt.
Sie hielten sie belagert, drei volle Wochen lang.
34
665
Nach drei Wochen, die vierte wollte beginnen,
Mio Cid wandte sich an die Seinen zum Beraten:
»Das Wasser haben sie uns abgeschnitten, das Brot wird
uns ausgehen.
Dass wir bei Nacht fortgehen möchten, werden sie uns
nicht zulassen.
Groß sind die Streitkräfte, um mit ihnen zu kämpfen.
670
Sagt mir, Ritter, wie ihr handeln möchtet.«
Als erster sprach Minaya, ein treff licher Ritter:
»Aus dem edlen Castiella sind wir bis hierher
ausgezogen,
wenn wir mit Mauren nicht kämpfen sollten, werden sie
uns nicht das Brot geben.
Wir sind gut sechshundert, es gibt noch einige mehr.
675
Im Namen des Schöpfers, es soll nicht anders sein:
Gehen wir sie schlagen am morgigen Tag.«
Der Campeador sagte: »In meinem Sinne habt Ihr
gesprochen.
Ihr habt Euch geehrt, Minaya, wie Ihr es zu tun hattet.«
Alle Mauren und Maurinnen befiehlt er auszuweisen,
680
dass niemand es wisse, dieses sein Geheimnis.
Den Tag lang und die Nacht beginnen sie, sich zu rüsten.
Erster Gesang, 34
77
Otro día mañana el sol querié apuntar;
armado es mio Cid con cuantos que él ha.
Fablava mio Cid commo odredes contar:
685
– Todos iscamos fuera, que nadi non raste,
sinon dos peones solos por la puerta guardar.
Si nós muriéremos en campo, en castiello nos entrarán;
si venciéremos la batalla, creçremos en rictad.
E vós, Pero Vermúez, la mi seña tomad,
690
commo sodes muy bueno, tenerla edes sin art,
mas non aguijedes con ella si yo non vos lo mandar. –
Al Cid besó la mano, la seña va tomar.
Abrieron las puertas, fuera un salto dan;
viéronlo las arrobdas de los moros, al almofalla se van
tornar.
695
¡Qué priessa va en los moros! e tornáronse a armar,
ante roído de atamores la tierra querié quebrar;
veriedes armarse moros, apriessa entrar en az.
De parte de los moros dos señas ha cabdales
e fizieron dos azes de pendones mezclados, ¿quí los
[15v]
podrié contar?
Las azes de los moros ya·s’ mueven adelant,
700
por a mio Cid e a los sos a manos los tomar.
– Quedas sed, mesnadas, aquí en este logar,
non derranche ninguno fata que yo lo mande. –
690 art] arch ms.
78
699 peones ms.
Cantar primero, 34
702 menadas ms.
Am nächsten Tag in der Früh, die Sonne wollte
hervorkommen,
ist Mio Cid bewaffnet mit allen, die er bei sich hat.
684
Da sprach Mio Cid wie ihr werdet erzählen hören:
»Lasst uns alle hinausgehen, niemand soll zurückbleiben,
außer zwei vom Fußvolk allein, um das Tor zu bewachen.
Wenn wir im Felde sterben sollten, werden sie in die Burg
eindringen;
wenn wir in der Schlacht siegen sollten, werden wir an
Reichtum zunehmen.
Und Ihr, Pero Vermúez, nehmt mein Banner,
690
da Ihr sehr gut seid, werdet Ihr es treulich halten,
doch gebt mit ihm in der Hand nicht die Sporen, wenn ich
es Euch nicht befehle.«
Dem Cid küsste er die Hand, das Banner geht er
empfangen.
Sie öffneten die Tore, nach draußen sprengen sie.
Das sahen die Vorposten der Mauren, zum Lager kehren
sie zurück.
Welche Eile kommt unter die Mauren! Und sie beginnen,
695
sich zu wappnen.
Vom Lärm der Trommeln wollte die Erde zerbersten.
Da könntet ihr sehen, wie die Mauren sich wappnen und
eilig in Aufstellung gehen.
Auf der Seite der Mauren gibt es zwei Hauptbanner,
und sie bildeten zwei Aufstellungen mit gemischten
Feldzeichen. Wer könnte sie zählen?
Die Reihen der Mauren bewegen sich bereits vorwärts, 700
um Mio Cid und die Seinen gefangen zu nehmen.
»Steht still, ihr Scharen, hier an diesem Ort,
niemand breche aus den Reihen, bis ich es befehle.«
Erster Gesang, 34
79
Aquel Pero Vermúez non lo pudo endurar,
705
la seña tiene en mano, conpeçó de espolonar:
– ¡El Criador vos vala, Cid Campeador leal!
Vo meter la vuestra seña en aquella mayor az;
los que el debdo avedes veremos cómmo la acorrades. –
Dixo el Campeador: – ¡Non sea, por caridad! –
710
Respuso Pero Vermúez: – ¡Non rastará por ál! –
Espolonó el cavallo e metiól’ en el mayor az.
Moros le reciben por la seña ganar,
danle grandes colpes, mas no·l’ pueden falsar.
Dixo el Campeador: – ¡Valelde, por caridad! –
35
Enbraçan los escudos delant los coraçones,
abaxan las lanças abueltas de los pendones,
enclinaron las caras de suso de los arzones,
ívanlos ferir de fuertes coraçones.
A grandes vozes llama el que en buen ora nació:
– ¡Feridlos, cavalleros, por amor del Criador!
¡Yo só Ruy Díaz, el Cid Campeador! –
Todos fieren en el az do está Pero Vermúez,
trezientas lanças son, todas tienen pendones;
715
720
[16r]
708 acorredes ms. 716 abueltas] a buestas ms. 719 nasco ms.
720 del Criador] de caridad ms. 721 Campeador] campeador de biuar ms.
80
Cantar primero, 35
Jener Pero Vermúez konnte es nicht aushalten,
die Fahne hat er in der Hand, er begann, die Sporen
705
zu geben.
»Der Schöpfer behüte Euch, Cid, treuer Campeador!
Ich werde Euer Banner in jene Hauptformation
hineinstoßen;
die Ihr die Pflicht dazu habt, lasst sehen, wie Ihr zu Hilfe
kommt!«
Der Campeador sagte: »Das sei nicht, bei der
Barmherzigkeit!«
Pero Vermúez antwortete: »Anders wird es nicht
710
geschehen!«
Er spornte das Pferd an und stieß in die Hauptformation.
Mauren empfangen ihn, um das Banner zu gewinnen,
sie geben ihm gewaltige Hiebe, aber sie können ihm
keinen Schaden antun.
Der Campeador sagte: »Helft ihm, bei der Barmherzigkeit!«
35
Sie schultern die Schilde vor ihren Herzen,
sie senken die Lanzen mit den Wimpeln,
sie senkten die Gesichter über die Sattelbögen,
sie gingen sie schlagen mit starken Herzen.
Mit lauter Stimme ruft, der zu guter Stunde geboren
wurde:
»Schlagt auf sie ein, Ritter, bei der Liebe des Schöpfers!
Ich bin Ruy Díaz, der Cid Campeador!«
Alle schlagen ein in die Schlachtreihe, in der sich Pero
Vermúez befindet,
es sind dreihundert Lanzen, alle tragen sie Wimpel;
Erster Gesang, 35
715
720
81
seños moros mataron, todos de seños colpes;
a la tornada que fazen otros tantos son.
725
36
Veriedes tantas lanças premer e alçar,
tanta adágara foradar e passar,
tanta loriga falsar e desmanchar,
tantos pendones blancos salir vermejos en sangre,
tantos buenos cavallos sin sos dueños andar.
Los moros llaman – ¡Mafómat! – e los cristianos, –
¡Santi Yagüe! –
Cayén en un poco de logar moros muertos mill e
trezientos ya.
730
37
¡Cuál lidia bien sobre exorado arzón
mio Cid Ruy Díaz, el buen lidiador!
Minaya Álbar Fáñez, que Çorita mandó,
Martín Antolínez, el burgalés de pro,
Muño Gustioz, que so criado fue,
Martín Muñoz, el que mandó a Mont Mayor,
Álbar Álbarez e Álbar Salvadórez,
Galín García, el bueno de Aragón,
Félez Muñoz, so sobrino del Campeador;
desí adelante, cuantos que ý son
acorren la seña e a mio Cid el Canpeador.
735
740
728 falssa desmanchar ms. 731 Yagu ms. (beschnitten) 737 fue so criado
ms. 740 da aragō ms.
82
Cantar primero, 36–37
je einen Mauren töteten sie, alle mit je einem Schlag;
und mit dem Rückangriff, den sie tun, sind es noch mal
so viele.
725
36
Da würdet ihr so viele Lanzen senken und hochheben
sehen,
so viele Tartschen löchern und durchbohren,
so viele Ringrüstungen durchstechen und aufreißen,
so viele weiße Wimpel rot von Blut herausragen,
so viele gute Pferde ohne ihre Eigentümer laufen.
Die Mauren rufen »Mafómat!«, und die Christen
»Santi Yagüe!«
In kurzer Zeit fielen von den Mauren bereits
tausenddreihundert.
730
37
Wie gut kämpft auf goldenem Sattelbogen
Mio Cid Ruy Díaz, der gute Kämpfer!
Minaya Álbar Fáñez, der über Çorita regierte,
Martín Antolínez, der rechtschaffene Burgalese,
Muño Gustioz, der mit ihm großgezogen wurde,
Martín Muñoz, der über Mont Mayor regierte,
Álbar Álbarez und Álbar Salvadórez,
Galín García, der Gute aus Aragón,
Félez Muñoz, der Neffe des Campeador,
und weiterhin alle, die dort sind,
sie kommen dem Banner zu Hilfe und Mio Cid dem
Campeador.
Erster Gesang, 36–37
735
740
83
38
A Minaya Álbar Fáñez matáronle el cavallo,
bien lo acorren mesnadas de cristianos.
La lança á quebrada, al espada metió mano;
maguer de pie, buenos colpes va dando.
Violo mio Cid Ruy Díaz el castellano,
acostós’ a un aguazil que tenié buen cavallo,
diol’ tal espadada con el so diestro braço,
cortól’ por la cintura, el medio echó en campo;
a Minaya Álbar Fáñez íval’ dar el cavallo:
– ¡Cavalgad, Minaya, vós sodes el mio diestro braço!
Oy en este día de vós abré grand bando;
firmes son los moros, aún no·s’ van del campo. –
Cavalgó Minaya, el espada en la mano,
por estas fuerças fuertemientre lidiando;
a los que alcança valos delibrando.
Mio Cid Ruy Díaz, el que en buen ora nasco,
al rey Fáriz tres colpes le avié dado,
los dos le fallen e el uno·l’ ha tomado;
por la loriga ayuso la sangre destellando,
bolvió la rienda por írsele del campo.
Por aquel colpe rancado es el fonsado.
'
754 día ergänzt ms. , nicht in ms.
84
Cantar primero, 38
755 Firme ms.
762 destellado ms.
745
[16v]
750
755
760
38
Dem Minaya Álbar Fáñez tötete man das Pferd,
gut kommen ihm Scharen von Christen zu Hilfe.
745
Die Lanze hat er zerbrochen, ans Schwert legte er Hand;
obwohl zu Fuß, gibt er gute Hiebe.
Das sah Mio Cid Ruy Díaz der Kastilier,
er näherte sich einem Wesir, der ein gutes Pferd hatte,
er gab ihm einen solchen Schwerthieb mit seinem rechten
750
Arm,
er schlug ihn an der Hüfte durch, die Hälfte warf er auf
das Feld.
Dem Minaya Álbar Fáñez bringt er das Pferd:
»Steigt auf, Minaya, Ihr seid mein rechter Arm!
Heute an diesem Tag werde ich an Euch große
Unterstützung haben.
Die Mauren sind standhaft, noch gehen sie nicht vom
755
Feld.«
Es ritt Minaya, das Schwert in der Hand,
unter diesen Streitmächten heftig kämpfend.
Die er erreicht, erledigt er.
Mio Cid Ruy Díaz, der zu guter Stunde geboren wurde,
760
dem König Fáriz hatte er drei Schläge versetzt,
zwei davon gehen fehl, der eine hat ihn erwischt;
durch die Ringrüstung abwärts tropft das Blut,
er reißt die Zügel herum, um ihm aus dem Feld zu
entweichen.
Durch jenen Hieb ist das Heer besiegt.
Erster Gesang, 38
85
39
Martín Antolínez un colpe dio a Galve,
las carbonclas del yelmo echógelas aparte,
cortól’ el yelmo, que llegó a la carne;
sabet, el otro non ge l’osó esperar.
Arrancado es el rey Fáriz e Galve.
¡Tan buen día por la cristiandad,
ca fuyén los moros de la part!
Los de mio Cid firiendo en alcaz,
el rey Fáriz en Terrer se fue entrar,
e a Galve no·l’ cogieron allá,
para Calatayut cuanto puede se va.
El Campeador íval’ en alcaz,
fata Calatayut duró el segudar.
765
770
[17r]
775
40
A Minaya Álbar Fáñez bien l’anda el cavallo,
d’aquestos moros mató treinta e cuatro;
espada tajador, sangriento trae el braço,
780
por el cobdo ayuso la sangre destellando.
Dize Minaya: – Agora só pagado,
que a Castiella irán buenos mandados,
que mio Cid Ruy Díaz lid campal á arrancado. –
Tantos moros yazen muertos que pocos bivos á dexados,
786
ca en alcaz sin dubda les fueron dando.
Ya·s’ tornan los del que en buen ora nasco.
773 teruel ms. 775 calatayuch ms. 777 calatayuch ms. 784 arrancado]
vençida ms.
86
Cantar primero, 39–40
39
Martín Antolínez gab Galve einen Schlag,
die Karfunkel des Helms warf er ihm beiseite,
er durchtrennte ihm den Helm, dass er bis zum Fleisch
drang.
Wisset, den zweiten Hieb wagte er nicht zu erwarten:
Besiegt ist der König Fáriz und Galve.
So ein guter Tag für die Christenheit,
denn es flohen die Mauren von diesem Ort!
Die von Mio Cid schlagen in Verfolgung auf sie ein.
König Fáriz – in Terrer fand er Einlass.
Und Galve nahmen sie dort nicht auf;
nach Calatayut eilt er, so schnell er kann.
Der Campeador ist ihm hinterher.
Bis Calatayut dauerte die Verfolgung.
765
770
775
40
Dem Minaya Álbar Fáñez läuft das Pferd gut,
von diesen Mauren tötete er vierunddreißig.
Scharfes Schwert; blutig hat er den Arm,
780
am Ellbogen herab das Blut tropfend.
Minaya sagt: »Jetzt bin ich zufrieden,
denn nach Castiella werden gute Nachrichten gehen,
dass Mio Cid Ruy Díaz eine Feldschlacht gewonnen hat.«
Viele Mauren liegen tot, wenige hat er lebendig gelassen,
denn bei der Verfolgung hieben sie ohne zu zögern auf
786
sie ein.
Schon kehren sie zurück, die von dem, der zu guter Stunde
geboren wurde.
Erster Gesang, 39–40
87
Andava mio Cid sobre so buen cavallo,
la cofia fronzida, ¡Dios, cómmo es bien barbado!
Almófar a cuestas, la espada en la mano,
vio los sos cómmo·s’ van allegando:
– ¡Grado a Dios, a aquél que está en alto,
cuando tal batalla avemos arrancado! –
Esta albergada los de mio Cid luego la an robado
de escudos e de armas e de otros averes largos;
de los moriscos, cuando son llegados,
fallaron quinientos e diez cavallos.
Grand alegreya va entre essos cristianos,
más de quinze de los sos menos non fallaron.
Traen oro e plata que non saben recabdo,
con aquesta ganancia refechos son todos esos
cristianos.
A so castiello a los moros dentro los an tornados;
mandó mio Cid aún que les diessen algo.
Grant á el gozo mio Cid con todos sos vassallos,
dio a partir estos dineros e estos averes largos;
en la su quinta al Cid caen ciento cavallos.
¡Dios, qué bien pagó a todos sus vassallos,
a los peones e a los encavalgados!
Bien lo aguisa el que en buen ora nasco,
cuantos él trae todos son pagados.
– Oíd, Minaya, sodes mio diestro braço:
d’aquesta riqueza que el Criador nos á dado
a vuestra guisa prended con vuestra mano.
Enbiarvos quiero a Castiella con mandado
d’esta batalla que avemos arrancado;
790
795
796b
800 [17v]
792 a quel ms. 794 robada ms. 800 An- und Abvers umgestellt ms.
801 a sos castiellos ms. 814 arancada ms.
88
Cantar primero, 40
805
810
Es ritt Mio Cid auf seinem guten Pferde,
die Kappe runzlig, Gott, wie gut bärtig er ist!
Die Ringhaube auf dem Rücken, das Schwert in der Hand.
791
Er sah die Seinen, wie sie herankommen:
»Dank sei Gott, dem, der in der Höhe ist,
dass wir solch eine Schlacht gewonnen haben!«
Dieses Lager – die von Mio Cid haben es bald geplündert
von Schilden und von Waffen und von anderer reichlicher
795
Habe.
Von den Mauren, als sie ankamen,
796b
fanden sie fünf hundertzehn Pferde.
Große Freude breitet sich unter diesen Christen aus.
Mehr als fünfzehn von den Ihren vermissten sie nicht.
Sie bringen Gold und Silber, von dem sie keine Zahl
kennen;
mit diesem Gewinn sind alle diese Christen bereichert. 800
In ihre Burg haben sie die Mauren wieder hineingeführt;
Mio Cid befahl noch, dass man ihnen etwas gäbe.
Große Freude hat Mio Cid mit allen seinen Vasallen.
Zu verteilen gab er diese Gelder und diese großen
Reichtümer,
auf seinen Fünften entfielen dem Cid hundert Pferde. 805
Gott, wie gut er alle seine Vasallen auszahlte,
das Fußvolk und die Reiter!
Gut regelt er es, der zu guter Stunde geboren wurde,
die er mit sich führt sind alle zufrieden.
810
»Hört Minaya, Ihr seid mein rechter Arm,
von diesem Reichtum, den der Schöpfer uns gegeben hat,
nehmt mit Eurer Hand nach Eurem Gutdünken.
Schicken möchte ich Euch nach Castiella mit Nachricht
von dieser Schlacht, die wir gewonnen haben.
Erster Gesang, 40
89
al rey Alfonso, que me á airado,
quiérol’ enbiar en don treinta cavallos,
todos con siellas e muy bien enfrenados,
señas espadas de los arçones colgando. –
Dixo Minaya Álbar Fáñez: – Esto faré yo de grado. –
815
41
– Evades aquí oro e plata,
una huesa llena, que nada no·l’ mingua;
en Santa María de Burgos quitedes mill missas,
lo que romaneciere daldo a mi mugier e a mis fijas,
que rueguen por mí las noches e los días;
si les yo visquier, serán dueñas ricas. –
820
[18r]
825
42
Minaya Álbar Fáñez d’esto es pagado,
por ir con él omnes son contados.
42b
Agora davan cevada, ya la noch era entrada;
mio Cid Ruy Díaz con los sos se acordava:
821 una huesa llena in der vorigen Zeile ms. | minguaua ms.
826b s. Komm.
90
Cantar primero, 41–42b
826b
Dem König Alfonso, der mir seinen Zorn auferlegt hat,
möchte ich als Geschenk dreißig Pferde schicken,
alle mit Sättel und sehr gut gezäumt,
jeweils ein Schwert an den Sattelbögen hängend.«
Minaya Álvar Fáñez sagte: »Das werde ich gerne tun.«
815
41
»Hier habt Ihr Gold und Silber
820
einen Stiefel voll, dem nichts fehlt.
In Santa María zu Burgos bezahlt tausend Messen.
Was übrig bleiben möge, gebt es meiner Frau und meinen
Töchtern,
dass sie für mich beten bei Tag und bei Nacht.
Sollte ich ihnen am Leben bleiben, werden sie reiche
825
Damen sein.«
42
Minaya Álbar Fáñez ist es zufrieden;
um mit ihm zu gehen, werden Männer ausgewählt.
826b
42b
Jetzt geben sie Gerste, die Nacht war schon hereingebrochen.
Mio Cid Ruy Díaz, mit den Seinen besprach er sich:
Erster Gesang, 41–42b
91
43
– ¡Ídesvos, Minaya, a Castiella la gentil!
A nuestros amigos bien les podedes dezir:
«Dios nos valió e venciemos la lid».
It; a la tornada, si nos falláredes aquí,
si non, do sopiéredes que somos indos conseguir.
Por lanças e por espadas avemos de guarir,
si non, en esta tierra angosta non podriemos bivir. –
830
835
44
Ya es aguisado, mañana·s’ fue Minaya
e el Campeador incó ý con su mesnada.
La tierra es angosta e sobejana de mala;
todos los días a mio Cid aguardavan
moros de las fronteras e unas yentes estrañas.
Sanó el rey Fáriz, con él se consejavan;
entre los de Teca e los de Terrer la casa
e los de Calatayut, que es más ondrada,
así lo an asmado e metudo en carta:
vendido les á Alcocer por tres mill marcos de plata.
45
Mio Cid Ruy Díaz a Alcocer es venido.
¡Qué bien pagó a sus vassallos mismos!
A cavalleros e a peones fechos los ha ricos,
831 f. lid. / It] lidit in Zeile 831 ms. 835 biuir von al. nachgezogen;
s. Komm. 837 fincó ý] nicht in ms., s. Komm. 842 Terrer] teruel ms.
846 alcolçer ms.
92
Cantar primero, 43–45
840
845
43
»Ihr geht, Minaya, ins anmutige Castiella!
Unseren Freunden könnt Ihr wohl sagen:
830
›Gott stand uns bei und wir gewannen die Schlacht.‹
Geht. Bei der Rückkehr werdet Ihr uns hier antreffen,
wenn nicht, so holt uns ein, wo immer Ihr erfahrt, dass
wir seien.
Mit Lanzen und mit Schwertern müssen wir uns schützen,
sonst könnten wir in diesem harten Land nicht leben.« 835
44
Schon ist es beschlossen, am Morgen zog Minaya fort
und der Campeador blieb dort mit seiner Schar.
Das Land ist hart und äußerst karg.
Jeden Tag belauerten den Mio Cid
840
Mauren vom Grenzland und fremde Leute.
König Fáriz genas, mit ihm berieten sie sich;
gemeinsam haben es die von Teca und die von Terrer der
Festung
und die von Calatayut, das angesehener ist,
so abgeschätzt und in einer Urkunde festgelegt:
Verkauft hat er ihnen Alcocer für dreitausend Mark
845
Silber.
45
Mio Cid Ruy Díaz ist nach Alcocer gekommen.
Wie gut bezahlte er seine eigenen Vasallen!
Reiter und Fußvolk hat er reich gemacht,
Erster Gesang, 43–45
93
en todos los sos non fallariedes un mesquino:
qui a buen señor sirve siempre bive en delicio.
[18v]
850
46
Cuando mio Cid el castiello quiso quitar,
moros e moras tomáronse a quexar:
– ¡Vaste, mio Cid, [. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .]!
¡Nuestras oraciones váyante delante!
Nós pagados fincamos, señor, de la tu part. –
Cuando quitó a Alcocer mio Cid el de Bivar,
moros e moras compeçaron de llorar.
Alçó su seña, el Campeador se va,
pasó Salón ayuso, aguijó cabadelant;
al exir de Salón mucho ovo buenas aves.
Plogo a los de Terrer e a los de Calatayut más,
pesó a los de Alcocer, ca pro les fazié grant.
Aguijó mio Cid, ívas’ cabadelant,
ý fincó en un poyo que es sobre Montreal;
alto es el poyo, maravilloso e grant,
non teme guerra, sabet, a nulla part.
Metió en paria a Daroca enantes,
desí a Molina, que es del otra part,
la tercera Teruel, que estava delant;
en su mano tenié a Celfa la de Canal.
854 fincados ms.
94
860 terrer ms., teruel corr.; s. Komm.
Cantar primero, 46
853b
855
860
865
866 doroca ms.
unter all den Seinen würdet ihr nicht einen Bedürftigen
849
finden.
Wer einem guten Herrn dient, der lebt immer in Wonne.
46
Als Mio Cid die Burg verlassen wollte,
begannen Mauren und Maurinnen zu klagen:
»Du gehst, Mio Cid […],
unsere Gebete mögen dir vorangehen.
853b
Wir verbleiben zufriedengestellt, Herr, von deiner Seite.«
855
Als er Alcocer verließ, Mio Cid, der aus Bivar,
Mauren und Maurinnen begannen zu weinen.
Er erhob sein Banner, der Campeador zieht fort.
Er zog den Salón abwärts und spornte die Pferde
vorwärts an;
als er den Salón verließ, hatte er viele gute Vögel.
Denen von Terrer gefiel es und denen von Calatayut
860
noch mehr,
die von Alcocer schmerzte es, denn er hatte ihnen großen
Vorteil verschafft.
Mio Cid gab die Sporen, vorwärts zog er;
dort ließ er sich nieder, auf einem Hügel, der über
Montreal liegt.
Hoch ist der Hügel, erstaunlich und groß,
865
er fürchtet keinen Angriff, wisset, von keiner Seite.
Tributpflichtig machte er vorher Daroca,
darauf hin Molina, das auf der anderen Seite liegt,
als drittes Teruel, das weiter vorwärts lag;
in seiner Hand hatte er Celfa, das vom Kanal.
Erster Gesang, 46
95
47
¡Mio Cid Ruy Díaz de Dios aya su gracia!
870
Ido es a Castiella Álbar Fáñez Minaya,
treinta cavallos al rey los enpresentava.
[19r]
Violos el rey, fermoso sonrisava:
– ¿Quí·n’ los dio éstos, sí vos vala Dios, Minaya? –
875
– Mio Cid Ruy Díaz, que en buen ora cinxo espada.
Venció dos reyes moros en aquesta batalla;
sobejana es, señor, la su ganancia.
A vós, rey ondrado, enbía esta presentaja,
bésavos los pies e las manos amas
880
que l’ayades merced, sí el Criador vos vala. –
Dixo el rey: – Mucho es mañana
omne airado, que de señor non ha gracia,
por acogello a cabo de tres semanas.
Mas, después que de moros fue, prendo esta presentaja;
885
aún me plaze de mio Cid, que fizo tal ganancia.
Sobr’esto todo, a vós quito, Minaya;
honores e tierras avellas condonadas.
Id e venit, d’aquí vos dó mi gracia,
mas del Cid Campeador yo non vos digo nada.
890
Sobre aquesto todo, dezirvos quiero, Minaya,
877 ganaçia ms.
96
880 aydes ms.
Cantar primero, 47
47
Mio Cid Ruy Díaz – möge er von Gott seine Gnade
erhalten!
870
Nach Castiella ist Álbar Fáñez Minaya geritten.
Dreißig Rosse – dem König bot er sie an.
Der König sah sie, er lächelte breit:
»Wer schenkte mir diese, so Gott euch behüte, Minaya?«
»Mio Cid Ruy Díaz, der zu guter Stunde das Schwert
875
gürtete.
Er besiegte zwei maurische Könige in dieser Schlacht;
riesig ist, o Herr, seine Beute.
Euch, ruhmreicher König, schickt er dieses Geschenk.
Er küsst Euch die Füße und die Hände beide,
dass Ihr ihm gnädig sein möget, so Euch der Schöpfer
880
behüte.«
Der König sagte: »Zu früh ist es,
um einen mit dem Zorn belegten Mann, der vom Herrn
keine Gnade hat,
um ihn aufzunehmen nach drei Wochen.
Doch, da es von Mauren war, nehme ich dieses Geschenk
an;
überdies gefällt es mir von Mio Cid, dass er solche Beute
885
machte.
Zu alledem spreche ich Euch frei, Minaya;
Lehen und Länder sollt Ihr erstattet bekommen.
Geht und kommt, von jetzt an schenke ich Euch meine
Gnade,
doch vom Cid Campeador sage ich Euch nichts.
890
Zu alledem möche ich Euch sagen, Minaya:
Erster Gesang, 47
97
48
de todo mio reino los que lo quisieren far,
buenos e valientes, por a mio Cid huyar,
suéltoles los cuerpos e quítoles las heredades. –
Besóle las manos Minaya Álbar Fáñez:
– Grado e gracias, rey, commo a señor natural.
Esto feches agora, ál feredes adelant. –
895
49
– Id por Castiella e déxenvos andar, Minaya,
sin nulla dubda id a mio Cid buscar ganancia. –
Quiérovos dezir del que en buen ora cinxo espada.
Aquel poyo, en él priso posada;
mientra que sea el pueblo de moros e de la yente
cristiana,
el Poyo de mio Cid así·l’ dirán por carta.
Estando allí mucha tierra preava,
el río de Martín todo lo metió en paria.
A Saragoça sus nuevas llegavan,
non plaze a los moros, firmemientre les pesava.
Allí sovo mio Cid conplidas quinze semanas.
Cuando vio el caboso que se tardava Minaya,
con todas sus yentes fizo una trasnochada;
dexó el poyo, todo lo desenparava,
898 sin] Si ms. 899 cinxo espada] nasco e çinxo espada ms.; s. Komm.
904 el río de Martín] el de rio martin ms.; s. Komm.
98
Cantar primero, 48–49
[19v]
900
905
910
48
Aus meinem gesamten Reich – die, die es tun wollten,
gute und tapfere, Mio Cid beizustehen,
ich befreie ihnen Leib und Leben und erlasse ihnen die
Erbschaften.«
Er küsste ihm die Hände, Minaya Álbar Fáñez:
»Dank und nochmals Dank, König, als natürlicher Herr.
Dies tut Ihr jetzt, anderes werdet Ihr später tun.«
895
49
»Geht durch Castiella und man lasse Euch ziehen, Minaya,
ohne jegliche Angst geht zu Mio Cid, nach Beute zu
suchen.«
Ich will euch erzählen von dem, der zu guter Stunde das
Schwert gürtete.
900
Jener Hügel, auf ihm schlug er sein Lager auf;
solange es ein Volk der Mauren gibt und der christlichen
Menschen:
El Poyo de Mio Cid – so wird es urkundlich genannt
werden.
Während er sich dort befand, plünderte er viel Land,
den Fluss Martín machte er vollständig tributpflichtig.
905
Nach Zaragoza kamen die Neuigkeiten über ihn,
das gefiel den Mauren nicht, es bekümmerte sie
außerordentlich.
Dort verblieb Mio Cid vollendete fünfzehn Wochen.
Als der Treff liche sah, dass Minaya sich verspätete,
mit allen seinen Leuten unternahm er einen Nachtritt;
910
er verließ den Hügel, alles ließ er ungesichert,
Erster Gesang, 48–49
99
allende Teruel don Rodrigo passava,
en el pinar de Tévar don Roy Díaz posava,
todas essas tierras todas las preava,
a Saragoça metuda l’á en paria.
Cuando esto fecho ovo, a cabo de tres semanas,
de Castiella venido es Minaya,
dozientos con él, que todos ciñen espadas,
non son en cuenta, sabet, las peonadas.
Cuando vio mio Cid asomar a Minaya,
el cavallo corriendo, valo abraçar sin falla,
besóle la boca e los ojos de la cara.
Todo ge lo dize, que no l’encubre nada.
El Campeador fermoso sonrisava:
– ¡Grado a Dios e a las sus vertudes santas,
mientra vós visquiéredes, bien me irá a mí, Minaya! –
915
920
[20r]
925
50
¡Dios, cómmo fue alegre todo aquél fonsado
que Minaya Álbar Fáñez assí era llegado,
diziéndoles saludes de primos e de hermanos,
e de sus compañas, aquellas que avién dexado!
51
¡Dios, cómmo es alegre la barba vellida
que Álbar Fáñez pagó las mill missas
e que·l’ dixo saludes de su mugier e de sus fijas!
929 dexadas ms.
100
Cantar primero, 50–51
930
über Teruel hinaus zog Herr Rodrigo,
im Pinienwald von Tévar ließ sich Herr Roy Díaz nieder,
alle diese Länder plünderte er, alle,
und Saragoça hat er tributpflichtig gemacht.
915
Als er dies getan hatte, nach drei Wochen,
ist Minaya aus Castiella gekommen,
zweihundert mit ihm, die alle Schwerter gegürtet haben,
zahllos ist, wisset, das Fußvolk.
Als Mio Cid Minaya erscheinen sah,
das Ross im Galopp, ohne zu zögern geht er ihn umarmen,
921
er küsste ihm den Mund und die Augen im Gesicht.
Der sagt ihm alles, nichts verheimlicht er ihm.
Der Campeador lächelte breit:
»Dank sei Gott und seinen heiligen Mächten,
925
solange Ihr lebt, wird es mir gutgehen, Minaya.«
50
Gott, wie freute sich da dieses ganze Heer
darüber, dass Minaya Álbar Fáñez auf diese Weise
gekommen war,
ihnen Grüße ausrichtend von Vettern und von Brüdern,
und von ihren Gefolgschaften, jenen, die sie
zurückgelassen hatten!
51
Gott, wie freut sich da der prächtige Bart
darüber, dass Álbar Fáñez die tausend Messen bezahlte
und dass er ihm Grüße ausrichtete von seiner Frau und
seinen Töchtern!
Erster Gesang, 50–51
930
101
¡Dios, cómmo fue el Cid pagado e fizo gran alegría!
– ¡Ya Álbar Fáñez, bivades muchos días! –
52
Non lo tardó el que en buen ora nasco,
tierras de Alcañiz negras las va parando
e a derredor todo lo va preando;
al tercer día, don ixo, ý es tornado.
935
53
Ya va el mandado por las tierras todas,
pesando va a los de Monçón e a los de Huesca;
porque dan parias plaze a los de Saragoça,
de mio Cid Ruy Díaz que non temién ninguna fonta.
940
54
Con estas ganancias a la posada tornándose van;
todos son alegres, ganancias traen grandes,
plogo a mio Cid e mucho a Álbar Fáñez.
Sonrisós’ el caboso, que non lo pudo endurar:
– ¡Ya cavalleros! Dezirvos he la verdad:
qui en un logar mora siempre lo so puede menguar.
Cras a la mañana pensemos de cavalgar,
936 alcanz ms.
102
Cantar primero, 52–54
945
[20v]
Gott, wie zufrieden war der Cid, und er tat große Freude!
»Ach, Álbar Fáñez, möget Ihr viele Tage leben!«
52
Nicht verzögerte es der, der zu guter Stunde geboren
wurde,
die Länder von Alcañiz lässt er schwarz werden,
und ringsherum plündert er alles;
am dritten Tag – von wo er gekommen ist, dorthin ist er
zurückgekehrt.
935
53
Schon geht die Kunde durch die Länder alle,
sie bekümmert bereits die aus Monzón und die aus
Huesca;
weil sie Tribute zahlen, gefällt es denen aus Saragoça,
denn von Mio Cid Ruy Díaz befürchteten sie keine
Schmach.
940
54
Mit dieser Beute kehren sie zum Lager zurück.
Alle sind froh, große Beute führen sie mit sich.
Es gefiel Mio Cid und auch sehr dem Álbar Fáñez.
Es lächelte der Treff liche, er konnte es nicht verzögern:
»Auf, Ritter! Ich werde euch die Wahrheit sagen:
Wer immer an einem Ort verweilt, kann seinen Besitz
verringern.
Morgen in der Früh werden wir zu reiten beginnen,
Erster Gesang, 52–54
945
103
dexat estas posadas e iremos adelant. –
Estonces se mudó el Cid al puerto de Alucant,
dent corre mio Cid a Huesa e a Montalván;
en aquessa corrida diez días ovieron a morar.
Fueron los mandados a todas partes
que el salido de Castiella así los trae tan mal;
los mandados son idos a todas partes,
950
955
55
llegaron las nuevas al conde de Barcilona
que mio Cid Ruy Díaz que·l’ corrié la tierra toda;
ovo grand pesar e tóvos’lo a grand fonta.
56
El conde es muy follón e dixo una vanidat:
– Grandes tuertos me tiene mio Cid el de Bivar,
dentro en mi cort tuerto me tovo grand,
firióm’ el sobrino e no·n’ lo enmendó más;
agora córrem’ las tierras que en mi enpara están.
Non lo desafié ni·l’ torné amistad,
mas, cuando él me lo busca, írgelo he yo demandar. –
Grandes son los poderes e apriessa llegándose van,
960
965
951 alucat ms., alucãt al. 952 huesca ms. 965 amistad] enemistad ms.;
s. Komm. 967 llegándose van] se uan llegando ms.
104
Cantar primero, 55–56
verlasst diese Lagerplätze, und wir werden weiterziehen.«
951
Darauf begab sich der Cid zum Pass von Alucant,
von dort aus überfällt er Huesa und Montalván;
mit diesem Vorstoß brachten sie zehn Tage zu.
Die Botschaften gingen nach allen Seiten,
dass der aus Castiella Verbannte sie so schlecht
955
behandelt.
Die Botschaften sind nach allen Seiten gegangen.
55
Es kam die Kunde dem Grafen von Barcilona,
dass Mio Cid Ruy Díaz – dass er ihm das ganze Land
plündere;
der bekam großen Verdruss und empfand es als schwere
Beleidigung.
56
Der Graf ist ein großer Aufschneider und sagte eine
Prahlerei:
960
»Großes Unrecht tut mir Mio Cid, der aus Bivar, an.
An meinem Hofe drin tat er mir großes Unrecht an,
er schlug mir den Neffen und machte es nicht wieder gut;
nun plündert er mir die Länder, die unter meinem Schutz
stehen.
Ich habe ihn nicht herausgefordert noch habe ich ihm die
965
Freundschaft gekündigt,
doch da er darauf aus ist, werde ich gehen, ihm
Forderungen zu stellen.«
Groß sind die Streitkräfte, und schnell rücken sie heran,
Erster Gesang, 55–56
105
entre moros e cristianos gentes se le allegan grandes.
Adeliñan tras mio Cid, el bueno de Bivar,
tres días e dos noches pensaron de andar,
alcançaron a mio Cid en Tévar e el pinar;
así viene esforçado el conde que a manos se le cuidó
tomar.
Mio Cid don Rodrigo ganancia trae grand,
dice de una sierra e llegava a un val.
Del conde don Remont venido l’es mensaje;
mio Cid cuando lo oyó enbió pora allá:
– Digades al conde non lo tenga a mal,
de lo so non lievo nada, déxem’ ir en paz. –
Respuso el conde: – ¡Esto non será verdad!
¡Lo de antes e de agora todo·m’ lo pechará,
sabrá el salido a quién vino desondrar! –
Tornós’ el mandadero cuanto pudo más;
essora lo coñosce mio Cid el de Bivar
que a menos de batalla no·s’ pueden den quitar:
970
[21r]
975
980
57
– ¡Ya cavalleros, apart fazed ganancia,
apriessa vos guarnid e metedos en las armas!
El conde don Remont darnos ha grant batalla,
985
968 An- und Abvers umgestellt ms. 972 el conde que] que el conde ms.
973 ganancia trae grand] trae grand ganançia ms.
106
Cantar primero, 57
Mauren wie auch Christen, zahlreiches Kriegsvolk stößt zu
ihm,
sie marschieren Mio Cid nach, dem Guten aus Bivar.
970
Drei Tage und zwei Nächte lang marschierten sie,
sie erreichten Mio Cid in Tévar und im Pinienwald.
So kühnen Mutes kommt der Graf daher, dass er dachte, er
würde ihn ergreifen.
Mio Cid Herr Rodrigo führt große Beute mit sich,
er steigt von den Bergen hinunter und erreichte ein Tal.
Vom Grafen Herrn Remont ist ihm eine Botschaft
975
gekommen;
Mio Cid, als er sie hörte, schickte dorthin:
»Sagt dem Grafen, er möge es nicht übelnehmen:
Von dem, was sein ist, führe ich nichts mit mir, er soll
mich in Frieden ziehen lassen.«
Es antwortete der Graf: »Das wird nicht wahr werden!
Das von früher und das von jetzt – alles wird er mir
980
begleichen;
er wird es erfahren, der Verbannte, wen er zu beleidigen
kam.«
Der Bote kehrte zurück, so schnell er konnte.
Jetzt erkennt Mio Cid, der aus Bivar,
dass sie sich mit weniger als einer Schlacht dort nicht
herausschlagen können.
57
»Auf, Ritter, schafft die Beute beiseite,
schnell, bewaffnet euch und steigt in eure Rüstungen!
Der Graf Herr Remont wird uns eine große Schlacht
liefern,
Erster Gesang, 57
985
107
de moros e de cristianos gentes trae sobejanas,
a menos de batalla non nos dexarié por nada.
990
Pues adelant irán tras nós, aquí sea la batalla;
apretad los cavallos e bistades las armas.
Ellos vienen cuesta yuso e todos traen calças,
e las siellas coceras e las cinchas amojadas;
nós cavalgaremos siellas gallegas e huesas sobre calças,
ciento cavalleros devemos vencer a aquellas mesnadas.
Antes que ellos lleguen al llano presentémosles las
996
lanças:
por uno que firgades tres siellas irán vazias.
Verá Remont Verenguel tras quién vino en alcança,
oy en este pinar de Tévar por tollerme la ganancia. –
58
Todos son adobados
cuando mio Cid esto ovo
fablado,
1000
las armas avién presas e sedién sobre los cavallos;
vieron la cuesta yuso la fuerça de los francos.
Al fondón de la cuesta, cerca es del llano,
mandólos ferir mio Cid, el que en buen hora nasco;
esto fazen los sos de voluntad e de grado,
996 al llano] a laño ms.
108
1003 del llano] de laño ms.
Cantar primero, 58
[21v]
1005
an Mauren und an Christen führt er Kriegsvolk in
Überzahl,
mit weniger als einer Schlacht würde er uns auf keinen Fall
ziehen lassen.
Da sie weiter hinter uns herziehen werden, so soll hier die
990
Schlacht sein.
Gürtet die Pferde enger und legt die Waffen an.
Sie kommen den Abhang herab und tragen alle Hosen
und Rennsättel und die Gurte locker.
Wir werden auf galizischen Satteln reiten und mit hohen
Ledergamaschen über den Hosen.
Mit hundert Rittern müssen wir jene Scharen besiegen,
bevor sie die Ebene erreichen, wollen wir ihnen die Lanzen
996
entgegenhalten:
Mit einem, den ihr schlagt, werden drei Sättel leer
werden.
Remont Verenguel wird sehen, wen er zu verfolgen kam
heute in diesem Pinienwald von Tévar, um mir die Beute
abzunehmen.«
58
Alle sind gerüstet, als Mio Cid dies gesprochen hatte;
die Waffen hatten sie ergriffen, und sie saßen auf den
Pferden.
Sie sahen die Streitmacht der Franken den Abhang
herabkommen.
Am Fuß des Abhangs, es ist nahe der Ebene,
befahl Mio Cid, der zu guter Stunde geboren wurde, sie
anzugreifen.
Das tun die Seinen mit gutem Willen und gern.
Erster Gesang, 58
1000
1005
109
los pendones e las lanças tan bien las van enpleando,
a los unos firiendo e a los otros derrocando.
Vencido á esta batalla el que en buen ora nasco,
al conde don Remont a presón le á tomado.
59
Ý gañó a Colada, que más vale de mill marcos de plata,
1011
ý benció esta batalla, por o ondró su barba.
Prísolo al conde, pora su tienda lo levava,
a sos creenderos guardarlo mandava.
De fuera de la tienda un salto dava,
1015
de todas partes los sos se ayuntavan;
plogo a mio Cid, ca grandes son las ganancias.
A mio Cid don Rodrigo grant cozina l’adobavan,
el conde don Remont non ge lo precia nada;
adúzenle los comeres, delant ge los paravan,
1020
él non los quiere comer, a todos los sosañava:
– Non combré un bocado por cuanto ha en toda España,
antes perderé el cuerpo e dexaré el alma,
pues que tales malcalçados me vencieron en batalla. –
1008 ora ergänzt al. 1009 á] an ms.; s. Komm. 1012 tienda] tierra ms.
1013 guardarlo mandava] mandar lo guardava ms. 1015 aiuntaron ms.
110
Cantar primero, 59
Die Wimpel und die Lanzen, schon setzen sie sie sehr
gut ein.
Die einen schlagen sie, die anderen werfen sie ab.
Gewonnen hat diese Schlacht der, der zu guter Stunde
geboren wurde;
den Grafen, Herrn Remont, hat er gefangen genommen.
59
Dort gewann er Colada, das mehr wert ist als tausend Mark
1010
Silber;
dort siegte er in dieser Schlacht, wodurch er seinem Barte
Ehre verlieh.
Den Grafen nahm er gefangen, zu seinem Zelt brachte er
ihn,
seinen Dienern befahl er, ihn zu bewachen.
Aus seinem Zelt heraus eilte er,
1015
von allen Seiten kamen die Seinen zusammen;
es gefiel Mio Cid, denn groß war die Beute.
Für Mio Cid Herrn Rodrigo bereitete man ein großes
Mahl,
der Graf Herr Remont ist ihm dafür gar nicht dankbar.
Man bringt ihm die Speisen, vor ihm stellte man sie hin,
1020
er will sie nicht essen, alles verschmähte er:
»Ich werde keinen Bissen essen, nicht um alles, was es in
Spanien gibt;
eher werde ich den Leib verlieren und die Seele lassen,
weil solche Schlechtbehosten mich in der Schlacht besiegt
haben.«
Erster Gesang, 59
111
60
Mio Cid Ruy Díaz odredes lo que dixo:
– Comed, conde, d’este pan e beved d’este vino; 1025 [22r]
si lo que digo fiziéredes saldredes de cativo,
si non, en todos vuestros días non veredes cristianismo. –
61
Dixo el conde: – Comede, don Rodrigo e pensedes de
folgar,
que yo dexarm’é morir, que non quiero yantar. –
Fasta tercer día no·l’ pueden acordar;
ellos partiendo estas ganancias grandes,
no·l’ pueden fazer comer un muesso de pan.
1030
62
Dixo mio Cid: – Comed, conde, algo,
ca si non comedes, non veredes cristianos;
e si vós comiéredes don yo sea pagado,
a vós e a dos fijosdalgo
quitarvos he los cuerpos e darvos é de mano. –
Cuando esto oyó el conde ya s’iva alegrando:
1033b
1035b
1028 conde] conde don Remont ms.; s. Komm. | folgar] fol ms.; s. Komm.
1033b cristianos illig., cristiano ms. (beschnitten) 1035 a dos] dos ms.
1035b é de mano ergänzt illig.
112
Cantar primero, 60–62
60
Mio Cid Ruy Díaz, ihr werdet hören, was der sagte:
»Esst, Graf, von diesem Brot und trinkt von diesem Wein;
wenn Ihr tun solltet, was ich sage, werdet Ihr freigelassen
1026
werden,
wenn nicht, werdet Ihr Euer Lebtage die Christenheit nicht
wiedersehen.«
61
Der Graf sagte: »Esst, Herr Rodrigo, und lasst es Euch
gutgehen,
denn ich werde mich sterben lassen, weil ich nichts essen
möchte.«
Bis zum dritten Tag können sie nicht seine Meinung
1030
ändern;
während sie diese große Beute verteilen,
können sie ihn nicht dazu bringen, einen Bissen Brot zu
essen.
62
Mio Cid sagte: »Esst etwas, Graf,
denn wenn Ihr nicht esst, werdet Ihr die Christen nicht
1033b
wiedersehen;
und wenn Ihr so esst, dass ich es zufrieden bin –
1035
Euch und zwei Edelleuten
werde ich Leib und Leben befreien und Euch aus meiner
1035b
Hand geben.«
Als das der Graf hörte, wurde er allmählich fröhlicher:
Erster Gesang, 60–62
113
– Si lo fiziéredes, Cid, lo que avedes fablado,
tanto cuanto yo biva seré dent maravillado. –
– Pues comed, conde, e cuando fuéredes yantado
1040
a vós e a otros dos darvos he de mano,
mas cuanto avedes perdido e yo gané en canpo,
1042
sabet, non vos daré a vós un dinero malo,
ca huebos me lo he e pora estos mios vassallos
1044
que conmigo andan lazrados.
1045
Prendiendo de vós e de otros irnos hemos pagando,
abremos esta vida mientra ploguiere al Padre Santo,
commo qui ira á de rey e de tierra es echado. –
Alegre es el conde e pidió agua a las manos,
1050
e tiénengelo delant e diérongelo privado.
Con los cavalleros que el Cid le avié dados,
[22v]
comiendo va el conde, ¡Dios, qué de buen grado!
Sobr’él sedié el que en buen ora nasco:
– Si bien non comedes, conde, don yo sea pagado,
1055
aquí feremos la morada, no nos partiremos amos. –
Aquí dixo el conde: – ¡De voluntad e de grado! –
Con estos dos cavalleros apriessa va yantando;
pagado es mio Cid, que lo está aguardando,
porque el conde don Remont tan bien bolvié las manos.
1041 Mas quanto auedes perdido non uos lo dare ms., s. Komm.
1045 lazrados] lazrados e non uos lo dare ms. 1048 qui] que ms.
114
Cantar primero, 62
»Wenn Ihr das tun solltet, Cid, was Ihr gesprochen habt –
solange ich lebe, werde ich darüber erstaunt sein.«
»Dann esst, Graf, und wenn Ihr gespeist habt,
werde ich Euch und zwei andere aus meiner Hand
1040
geben.
Doch alles, was Ihr verloren habt und was ich gewann in
der Schlacht,
wisset, davon werde ich Euch keinen falschen Heller
1042
geben,
denn ich brauche es für mich und für diese meine
1044
Vasallen,
die mit mir im Elend dahinziehen.
1045
Von Euch und von anderen nehmend werden wir uns
zufrieden geben.
Dieses Leben werden wir führen, solange es dem heiligen
Vater gefällt,
wie einer, dem der König zürnt und der von seinem Lande
vertrieben worden ist.«
Froh ist der Graf, und er bat um Wasser für die Hände,
und man hält es ihm hin, und man reichte es ihm
1050
schnell.
Mit den Rittern, die der Cid ihm gegeben hatte,
speist der Graf – Gott, wie gerne!
Neben ihn setzte sich, der zu guter Stunde geboren wurde:
»Wenn Ihr nicht gut esst, Graf, dass ich es zufrieden bin,
werden wir hier Aufenthalt machen, werden wir beide uns
1055
nicht trennen.«
Da sagte der Graf: »Mit ganzem Willen und gern!«
Mit diesen beiden Rittern isst er jetzt eilig;
zufrieden ist Mio Cid, der ihn beobachtet,
dass der Graf Herr Remont so gut die Hände regt.
Erster Gesang, 62
115
– Si vos ploguiere, mio Cid, de ir somos guisados;
mandadnos dar las bestias e cavalgaremos privado.
Del día que fue conde non yanté tan de buen grado,
el sabor que dend é non será olbidado. –
Danle tres palafrés muy bien ensellados
e buenas vestiduras de pelliçones e de mantos.
El conde don Remont entre los dos es entrado,
fata cabo del albergada escurriólos el castellano:
– ¡Ya vos ides, conde, a guisa de muy franco!
¡En grado vos lo tengo lo que me avedes dexado!
Si vos viniere emiente que quisiéredes vengallo,
si me viniéredes buscar, fallarme podredes,
o me dexaredes de lo vuestro o de lo mio llevaredes
algo. –
– Folguedes ya, mio Cid, sodes en vuestro salvo;
pagado vos he por todo aqueste año,
de venirvos buscar sol non será pensado. –
1060
1065
1070
1072–73
1075
63
Aguijava el conde e pensava de andar,
tornando va la cabeça e catándos’ atrás,
miedo iva aviendo que mio Cid se repintrá,
lo que non ferié el caboso por cuanto en el mundo ha,
[23r]
1080
1061 caualgeremos ms. 1063 dend] ded ms., dende al. 1071 bulcar ms.
1072 f. E si non mandedes buscar o me dexaredes / De lo uuestro o de lo
mio leuaredes algo ms., s. Komm.
116
Cantar primero, 63
»Wenn es Euch gefällt, Mio Cid: wir sind bereit zu gehen.
Befehlt, uns die Tiere zu geben, und wir werden eilig
1061
davonreiten.
Seit dem Tag, an dem ich Graf wurde, habe ich nicht so
gerne gegessen.
Den Genuss, den ich verspürt habe, werde ich nicht
vergessen.«
Man gibt ihm drei Zelter, die sehr gut gesattelt sind,
1065
und gute Kleidung an Pelzen und an Mänteln.
Der Graf Herr Remont hat sich zwischen die beiden
gestellt;
bis zum Ende des Lagerplatzes begleitete sie der Kastilier:
»Nun geht Ihr, Graf, ganz wie ein franker Mann.
Ich weiß Euch Dank für das, was Ihr mir gelassen habt!
Sollte Euch in den Sinn kommen, das rächen zu wollen –
wenn Ihr mich suchen kommt, werdet Ihr mich finden
1071
können:
Dann werdet Ihr entweder mir etwas vom Eurigen lassen
oder etwas vom Meinen fortnehmen.« 1072
»Seid ohne Sorge, Mio Cid, Ihr seid in Sicherheit.
1074
Bezahlt habe ich Euch für dieses ganze Jahr;
1075
Euch aufzusuchen, daran wird nicht einmal gedacht
werden.«
63
Der Graf gab die Sporen und begann zu reiten,
immer wieder wendet er den Kopf und blickt zurück,
er bekam Angst, den Cid würde es gereuen,
was der Treff liche nicht um alles, was es in der Welt gibt,
1080
tun würde –
Erster Gesang, 63
117
una deslealtança, ca non la fizo alguandre.
Ido es el conde, tornós’ el de Bivar,
juntós’ con sus mesnadas, conpeçólas de pagar
de la ganancia que an fecha, maravillosa e grand:
¡Tan ricos son los sos que non saben qué se an!
1081 desleatança ms.
118
1083 pagar] legar ms.
Cantar primero, 63
1086 s. Komm.
1084
1086
eine Treulosigkeit –, denn niemals hat er eine begangen.
Fort ist der Graf, kehrt machte der von Bivar,
er gesellte sich zu seinen Scharen, er begann, sie
auszubezahlen
mit dem Gewinn, den sie gemacht haben, erstaunlich und
1084
groß.
So reich sind die Seinen, dass sie nicht wissen, was sie
1086
besitzen!
Erster Gesang, 63
119
Cantar segundo
64
Aquí·s’ conpieça la gesta de mio Cid el de Bivar.
Poblado ha mio Cid el puerto de Alucant,
dexado á Saragoça e las tierras d’acá,
e dexado á Huesa e las tierras de Montalván;
contra la mar salada conpeçó de guerrear,
a orient exe el sol e tornós’ a essa part.
Mio Cid gañó a Xérica e a Onda e a Almenar,
tierras de Borriana todas conquistas las ha.
1085
1087
1090
65
Ayudóle el Criador, el Señor que es en cielo.
Él con todo esto priso a Murviedro;
ya vie mio Cid que Dios le iva valiendo.
Dentro en Valencia non es poco el miedo.
1095
66
Pesa a los de Valencia, sabet, non les plaze;
prisieron so consejo que·l’ viniessen cercar.
Trasnocharon de noch, al alva de la man
acerca de Murviedro tornan tiendas a fincar.
Violo mio Cid, tomós’ a maravillar:
1100
1088 dexado corr., dexando ms. | e las tierras] e alas tierras ms. | d’acá]
duca ms. 1089 dexado corr., dexando ms. | huesca ms. 1092 a Almenar]
al menar ms. 1096 le ergänzt corr.
120
Cantar segundo, 64–66
Zweiter Gesang
64
Hier beginnt die Tat von Mio Cid, dem aus Bivar.
1085
Mio Cid hat den Pass von Alucant besetzt,
1087
verlassen hat er Zaragoza und die Länder diesseits,
und verlassen hat er Huesa und die Länder von Montalván.
Nach dem salzigen Meer hin begann er Krieg zu
1090
führen;
im Orient geht die Sonne auf, und dorthin wandte er sich.
Mio Cid gewann Xérica und Onda und Almenara,
die Länder von Borriana – vollständig hat er sie erobert.
65
Es half ihm der Schöpfer, der Herr, der im Himmel ist.
Außerdem nahm er auch Murviedro ein.
Schon sah Mio Cid, dass Gott ihm Beistand gab.
Drinnen in Valencia ist die Furcht nicht gering.
1095
66
Es bekümmert die von Valencia, wisset, es gefällt ihnen
nicht.
Sie beschlossen in ihrem Rat, dass sie kommen würden,
ihn zu belagern.
Über Nacht machen sie einen Nachtritt; bei Tagesanbruch
1100
am Morgen,
nahe bei Murviedro schlagen sie die Zelte auf.
Das sah Mio Cid, er begann zu staunen:
Zweiter Gesang, 64–66
121
– ¡Grado a ti, Padre spirital!
En sus tierras somos e fémosles todo mal,
bevemos so vino e comemos el so pan;
si nos cercar vienen, con derecho lo fazen.
A menos de lid aquesto no·s’ partirá;
vayan los mandados por los que nos deven ayudar,
los unos a Xérica e los otros a Alucad,
desí a Onda e los otros a Almenar,
los de Borriana luego vengan acá.
Conpeçaremos aquesta lid campal,
yo fío por Dios que en nuestro pro eñadrán. –
Al tercer día todos juntados son,
el que en buen ora nasco compeçó de fablar:
– ¡Oíd, mesnadas, sí el Criador vos salve!
Después que nos partiemos de la linpia cristiandad
(non fue a nuestro grado ni nós non pudiemos más),
grado a Dios, lo nuestro fue adelant.
Los de Valencia cercados nos han,
si en estas tierras quisiéremos durar,
firmemientre son éstos a escarmentar.
67
Passe la noche e venga la mañana,
aparejados me sed a cavallos e armas;
iremos ver aquella su almofalla.
1106 aquesto no·s’ partirá] nos partira aquesto ms.
122
Cantar segundo, 67
1102b
[23v]
1105
1110
1115
1120
»Dank sei dir, geistiger Vater!
1102b
In ihrem Land befinden wir uns und fügen ihnen jeglichen
Schaden zu,
wir trinken ihren Wein und essen ihr Brot;
wenn sie kommen, uns zu belagern, so tun sie es mit
1105
Recht.
Um weniger als eine Schlacht wird dies nicht abgehen.
Die Boten sollen zu denen gehen, die uns Hilfe schulden,
die einen nach Xérica und die anderen nach Alucad,
dann nach Onda und die anderen nach Almenar;
1110
die von Borriana sollen sofort hierherkommen.
Wir werden diese Feldschlacht beginnen,
ich vertraue auf Gott, dass diese hier zu unserem Vorteil
beitragen werden.«
Am dritten Tag sind alle zusammengekommen.
Der zu guter Stunde geboren wurde, begann zu sprechen:
»Hört, ihr Scharen, so der Schöpfer euch selig machen
1115
möge!
Seitdem wir von der reinen Christenheit geschieden sind
– es war nicht nach unserem Gefallen und wir konnten
auch nichts anderes tun –,
Gott sei Dank, ging unsere Sache voran.
Die von Valencia haben uns belagert.
1120
Wenn wir in diesen Landen bleiben wollen –
entschlossen müssen diese abgeschreckt werden.
67
Die Nacht vergehe, der Morgen komme,
dann seid mir gerüstet mit Pferden und Waffen.
Wir werden uns jenes Lager ansehen,
Zweiter Gesang, 67
123
Commo omnes exidos a tierra estraña,
allí pareçrá el que merece la soldada. –
1125
68
Oíd qué dixo Minaya Álbar Fáñez:
– Campeador, fagamos lo que a vós plaze.
A mí dedes ciento cavalleros, que non vos pido más,
vós con los otros firádeslos delant,
bien los ferredes, que dubda non ý avrá;
yo con los ciento entraré del otra part,
commo fío por Dios, el campo nuestro será. –
Commo ge lo á dicho al Campeador mucho plaze.
Mañana era e piénsanse de armar,
quis cada uno d’ellos bien sabe lo que ha de far;
con los alvores mio Cid ferirlos va:
– ¡En el nombre del Criador e del apóstol Santi Yagüe,
feridlos, cavalleros, d’amor e de grand voluntad,
ca yo só Ruy Díaz, mio Cid el de Bivar! –
Tanta cuerda de tienda ý veriedes quebrar,
arrancarse las estacas e acostarse los tendales.
Moros son muchos, ya quieren reconbrar;
del otra part entróles Álbar Fáñez,
maguer les pesa, oviéronse a dar e a arrancar
1125 a] de ms.
1130
[24r]
1135
1140
1145
1139 d’amor e de grand voluntad] damor e de grado e de
grand voluntad ms.; s. Komm. 1142 e acostarse los tendales] e acostarse a
todas partes los tendales ms.; s. Komm. 1143 Moros ms., los Moros ms.'
124
Cantar segundo, 68
wie Männer, die in ein fremdes Land ausgewiesen wurden.
1126
Dort wird sich zeigen, wer den Sold verdient.«
68
Hört, was da Minaya Álbar Fáñez sprach:
»Campeador, lasst uns tun, was Euch gefällt.
Mir gebt hundert Ritter, denn um mehr bitte ich Euch
nicht;
1130
Ihr mit den übrigen – haut von vorne auf sie ein,
Ihr werdet gut auf sie einschlagen, da wird es kein Zögern
geben.
Ich, mit den Hundert, werde von der anderen Seite
eindringen.
Wie ich zu Gott hoffe: das Feld wird unser sein!«
So, wie er es ihm gesagt hat – dem Campeador gefällt es
sehr.
1135
Morgen war es, und sie beginnen, sich zu wappnen,
ein jeder von ihnen weiß genau, was er zu tun hat.
Mit dem Morgengrauen geht Mio Cid auf sie einschlagen.
»Im Namen des Schöpfers und des Apostels Santi Yagüe,
schlagt auf sie ein, Ritter, mit Mut und mit großem
Willen,
1140
denn ich bin Ruy Díaz, Mio Cid, der von Bivar!«
So viele Zeltleinen hättet ihr da zerreißen sehen können,
die Pflöcke herausspringen und die Zeltstangen sich
senken.
Die Mauren sind viele, schon wollen sie sich aufrappeln;
von der anderen Seite drang Álbar Fáñez auf sie ein.
Obwohl es sie schmerzt, mussten sie sich ergeben und
1145
fliehen –
Zweiter Gesang, 68
125
de pies de cavallo los que·s’ pudieron escapar.
¡Grand es el gozo que va por es logar!
Dos reyes de moros mataron en es alcaz,
fata Valencia duró el segudar.
Grandes son las ganancias que mio Cid fechas ha,
prisieron Cebolla e cuanto que es ý adelant;
robavan el campo e piénsanse de tornar,
entravan a Murviedro con estas ganancias que traen
grandes.
Las nuevas de mio Cid, sabet, sonando van;
1155
miedo an en Valencia, que non saben qué se far.
Sonando van sus nuevas allent parte del mar.
1151
1146
1150
1152
[24v]
69
Alegre era el Cid e todas sus compañas,
que Dios le ayudara e fiziera esta arrancada.
Davan sus corredores e fazién las trasnochadas,
llegan a Gujera e llegan a Xátiva,
aún más ayusso, a Deyna la casa;
cabo del mar, tierra de moros firme la quebranta,
ganaron Peña Cadiella, las exidas e las entradas.
1151 s. Komm.
126
Cantar segundo, 69
1160
die, die den Hufen der Pferde entkommen konnten.
1151
Groß ist die Freude, die an diesem Orte herrscht!
1146
Zwei Könige der Mauren töteten sie bei der Verfolgung;
bis Valencia dauerte das Nachsetzen.
Groß ist die Beute, die Mio Cid gemacht hat –
1150
sie nahmen Cebolla ein und alles, was dahinter liegt.
Sie plünderten das Schlachtfeld und beginnen
1152
zurückzukehren.
Nach Murviedro hinein kamen sie mit dieser großen
Beute, die sie mit sich führen.
Die Neuigkeiten über Mio Cid, wisset, werden bereits
verkündet.
Angst haben die in Valencia, dass sie nicht wissen, was
1155
tun.
Verkündet werden die Neuigkeiten über ihn jenseits des
Meeres.
69
Froh war der Cid und all seine Scharen,
dass Gott ihm geholfen und diesen Sieg geschaffen hatte.
Sie schickten ihre Plünderer und machten
Nachtmärsche,
sie kommen nach Gujera und sie kommen nach Xátiva, 1160
und weiter unten noch nach Deyna, der Ortschaft.
Am Meer entlang verwüstet er heftig das Land der
Mauren.
Sie gewannen Peña Cadiella, die Zugänge und Ausgänge.
Zweiter Gesang, 69
127
70
Cuando el Cid Campeador ovo Peña Cadiella,
mal les pesa en Xátiva e dentro en Gujera,
non es con recabdo el dolor de Valencia.
1165
71
En tierra de moros, prendiendo e ganando,
e durmiendo los días e las noches trasnochando,
en ganar aquellas villas mio Cid duró tres años.
72
A los de Valencia escarmentados los han,
1170
non osan fueras exir nin con él se ayuntar.
Tajávales las huertas e fazíales grand mal,
en cada uno d’estos años mio Cid les tollió el pan.
Mal se aquexan los de Valencia, que non sabent qué·s’ far,
1175
de ninguna part que sea non les vinié pan.
Nin da consejo padre a fijo nin fijo a padre,
nin amigo a amigo no·s’ pueden consolar.
¡Mala cueta es, señores, aver mingua de pan,
fijos e mugieres verlos murir de fanbre!
1180 [25r]
Delante veyén so duelo, non se pueden huviar,
por el rey de Marruecos ovieron a enbiar;
1165 mal les] males ms. 1168 tranochando ms. 1176 consejo] cosseio ms.
1179 verlos] ver lo ms. 1180 non se pueden corr., non pue ms.
128
Cantar segundo, 70–72
70
Als der Cid Campeador Peña Cadiella besaß –
äußerst schmerzt es die in Xátiva und die drinnen in
Gujera,
maßlos ist der Schmerz in Valencia.
1165
71
Im Land der Mauren, plündernd und erobernd,
bei Tage schlafend und bei Nacht marschierend,
diese Städte zu erobern brachte Mio Cid drei Jahre zu.
72
Die von Valencia haben sie abgeschreckt:
1170
Sie wagen es nicht, herauszukommen oder mit ihm
zusammenzutreffen.
Er verwüstete ihre Äcker und fügte ihnen großen Schaden
zu,
in jedem dieser Jahre nahm er ihnen das Brot weg.
Bitter klagen die von Valencia, die nicht wissen, was tun;
von keiner Seite, ganz gleich welcher, erreichte sie Brot.
Weder schafft der Vater dem Sohn Rat, noch der Sohn
1176
dem Vater,
noch kann der Freund dem Freunde Trost spenden.
Böses Übel ist es, ihr Herren, Mangel an Brot zu haben,
Kinder und Frauen vor Hunger sterben zu sehen!
Vor sich sahen sie ihre Not – sie können sich nicht
1180
helfen.
Zum König von Marruecos mussten sie schicken;
Zweiter Gesang, 70–72
129
con el de los Montes Claros avié guerra tan grand,
non les dixo consejo nin los vino huviar.
Sópolo mio Cid, de coraçón le plaz;
salió de Murviedro una noche en trasnochada,
amaneció a mio Cid en tierras de Monreal.
Por Aragón e por Navarra pregón mandó echar,
a tierras de Castiella enbió sus mensajes:
quien quiere perder cueta e venir a ritad,
viniesse a mio Cid, que á sabor de cavalgar,
cercar quiere a Valencia por a cristianos la dar.
1185
1190
73
– Quien quiere ir comigo cercar a Valencia
(todos vengan de grado, ninguno non ha premia),
tres días le speraré en Canal de Celfa. –
73b
Esto dixo mio Cid, el que en buen ora nasco,
tornávas’ a Murviedro, ca él se la á ganado.
1182 avié] auyen ms.
130
1183 consejo] cosijo ms.
Cantar segundo, 73–73b
1195
1196 ganado] ganada ms.
mit dem von den Montes Claros führte dieser so großen
Krieg –
er schuf ihnen keinen Rat und kam auch nicht, ihnen zu
helfen.
Das erfuhr Mio Cid, von Herzen behagte es ihm.
Er zog aus Murviedro eines Nachts zum Nachtmarsch, 1185
der Morgen graute dem Mio Cid im Gebiet von Monreal.
Durch Aragón und durch Navarra ließ er einen Aufruf
ergehen,
in die Länder von Castiella schickte er seine Botschaften:
Wer Sorgen verlieren will und zu Reichtum gelangen,
der solle zu Mio Cid kommen, der einen Ritt unternehmen
1190
will:
Belagern möchte er Valencia, um sie den Christen zu
geben.
73
»Wer mit mir gehen möchte, Valencia zu belagern –
alle sollen freiwillig kommen, keiner wird gezwungen –,
drei Tage lang werde ich auf ihn warten in Canal
de Celfa.«
73b
Das sagte Mio Cid, der zu guter Stunde geboren wurde.
Er kehrte zurück nach Murviedro, weil er es für sich
gewonnen hat.
Zweiter Gesang, 73–73b
1195
131
74
Andidieron los pregones, sabet, a todas partes;
al sabor de la ganancia non lo quieren detardar,
grandes yentes se le acojen de la buena cristiandad.
Creciendo va en riqueza mio Cid el de Bivar;
cuando vio mio Cid las gentes juntadas, conpeçós’ de
pagar.
Mio Cid don Rodrigo non lo quiso detardar,
adeliñó pora Valencia e sobr’ella·s’ va echar,
bien la cerca mio Cid, que non ý avía art;
viédales exir e viédales entrar.
Sonando van sus nuevas todas a todas partes;
más le vienen a mio Cid, sabet, que no·s’ le van.
Metióla en plazo, si les viniessen huviar.
Nueve meses complidos, sabet, sobr’ella yaz,
cuando vino el dezeno oviérongela a dar.
Grandes son los gozos que van por es logar,
cuando mio Cid gañó a Valencia e entró en la cibdad.
Los que fueron de pie cavalleros se fazen;
el oro e la plata ¿quién vos lo podrié contar?
Todos eran ricos cuantos que allí ha.
Mio Cid don Rodrigo la quinta mandó tomar,
en el aver monedado treinta mill marcos le caen,
e los otros averes ¿quién los podrié contar?
Alegre era el Campeador con todos los que ha,
cuando su seña cabdal sedié en somo del alcácer.
1198 quieren] quiere ms.
132
Cantar segundo, 74
1209 iaz ms., iaze al.
1220 alcaçar ms.
1200
1205
[25v]
1210
1215
1220
74
Es gingen die Aufrufer, wisset, überall hin.
Im Vorgeschmack der Beute will niemand es aufschieben:
Zahlreiches Kriegsvolk schließt sich ihm aus der guten
Christenheit an.
1200
Es wächst an Reichtum Mio Cid, der von Bivar;
als Mio Cid alles Volk beisammen sah, wurde er zufrieden.
Mio Cid Herr Rodrigo wollte es nicht hinauszögern:
Er begab sich nach Valencia und ließ sich neben ihr nieder,
fest belagert sie Mio Cid, da gab es keine List,
er hindert sie daran, hinauszugehen, und er hindert sie
1205
daran, hineinzugehen.
Es ertönen die Nachrichten über ihn bis überallhin;
es kommen mehr Leute zu Mio Cid, wisset, als von ihm
fortgehen.
Er setzte eine Frist, falls man ihnen zu Hilfe kommen
wolle.
Neun volle Monate, wisset, lagert er bei ihr,
1210
als der zehnte kam, mussten sie sie ihm übergeben.
Groß ist die Freude, die durch diese Gegend zieht,
als Mio Cid Valencia gewann und in die Stadt einzog.
Die vorher zu Fuß gingen, werden zu Reitern;
das Gold und das Silber – wer könnte es für euch zählen?
1215
Alle waren reich, so viele da auch sind.
Mio Cid Herr Rodrigo ließ den fünften Teil zurücklegen,
an Münzgut fallen ihm dreißigtausend Mark zu,
und die übrigen Güter – wer könnte sie zählen?
Froh war der Campeador, mit allen denen, die er bei sich
1219
hat,
als sein oberstes Zeichen auf der Spitze der Festung stand.
Zweiter Gesang, 74
133
75
Ya folgava mio Cid con todas sus conpañas;
a aquel rey de Sevilla el mandado llegava
que presa es Valencia, que no ge la enparan.
Vínolos ver con treinta mill de armas,
aprés de la huerta ovieron la batalla;
arrancólos mio Cid el de la luenga barba,
fata dentro en Xátiva duró el arrancada.
En el passar de Xúcar ý veriedes barata,
moros en aruenço amidos bever agua.
Aquel rey de Sevilla con tres colpes escapa.
Tornado es mio Cid con toda esta ganancia,
buena fue la de Valencia cuando ganaron la casa,
más mucho fue provechosa, sabet, esta arrancada;
a todos los menores cayeron ciento marcos de plata.
¡Las nuevas del cavallero ya vedes dó llegavan!
1225
1230
[26r]
1235
76
Grand alegría es entre todos essos cristianos
con mio Cid Ruy Díaz, el que en buen ora nasco.
Ya·l’ crece la barba e vale allongando;
dixo mio Cid de la su boca atanto:
– Por amor del rey Alfonso, que de tierra me á
echado, –
1222 a aquel] Aquel ms. 1230 Sevilla] marruecos ms.
1235 ya corr., y ms. 1240 del corr., dei ms.
134
Cantar segundo, 75–76
1240
1233 arancanda ms.
75
Schon ruhte Mio Cid, mit all seinen Scharen.
Zu jenem König von Sevilla kam die Nachricht,
dass Valencia eingenommen ist, dass sie ihm nicht mehr
geschützt wird.
Er suchte sie auf, mit dreißigtausend unter Waffen.
1225
Neben der Huerta schlugen sie die Schlacht.
Mio Cid besiegte sie, der mit dem langen Bart;
bis nach Xátiva hinein dauerte die Verfolgung.
Beim Überqueren des Xúcar hättet ihr die Verwirrung
sehen können,
die Mauren auf dem Rückzug wider Willen Wasser
trinken.
Jener König von Sevilla – mit drei Hieben entkommt er.
1231
Mio Cid ist mit all dieser Beute zurückgekehrt;
gut war die von Valencia, als sie die Stadt gewannen,
doch noch einträglicher war, wisset, dieser Sieg:
Auf jeden der Geringen entfielen hundert Mark Silber.
Die Nachrichten vom Ritter – da seht ihr, bis wohin sie
1235
kamen!
76
Große Freude herrscht unter allen diesen Christen
bei Mio Cid Ruy Díaz, der zu guter Stunde geboren wurde.
Es wächst ihm bereits der Bart und wird zunehmend
länger;
Mio Cid sprach aus seinem Munde wie folgt:
»Aus Liebe zu König Alfonso, der mich des Landes
1240
verwiesen hat«,
Zweiter Gesang, 75–76
135
nin entrarié en ella tigera ni un pelo non avrié tajado,
e que fablassen d’esto moros e cristianos.
Mio Cid don Rodrigo en Valencia está folgando,
con él Minaya Álbar Fáñez, que no·s’ le parte de so braço.
1245
Los que exieron de tierra de ritad son abondados;
a todos les dio en Valencia el que en buen ora nasco
1246b
casas e heredades de que son pagados;
el amor de mio Cid ya lo ivan provando.
Los que fueron con él e los de después todos son pagados.
Véelo mio Cid, que con los averes que avién tomados,
1250
que si·s’ pudiessen ir, ferlo ien de grado.
Esto mandó mio Cid, Minaya lo ovo consejado:
que ningún omne de los sos vassallos
1252b
que·s’ le non spidiés o no·l’ besás la mano,
si·l’ pudiessen prender o fuesse alcançado,
tomássenle el aver e pusiéssenle en un palo.
1255
Afevos todo aquesto puesto en buen recabdo,
con Minaya Álbar Fáñez él se va consejando:
[26v]
– Si vós quisiéredes, Minaya, quiero saber recabdo
de los que son aquí e comigo ganaron algo.
1246 el que en buen ora nasco] nicht in ms.; s. Komm. 1252 vasallos] nicht
in ms. 1252b mano] man ms. (beschnitten) 1256 consegar ms.
136
Cantar segundo, 76
werde keine Schere in ihn eindringen noch ein einziges
Haar von ihm abgeschnitten,
und davon sollten die Mauren und die Christen sprechen.
Mio Cid Herr Rodrigo, in Valencia ruht er sich aus,
mit ihm Minaya Álbar Fáñez, der nicht von seinem Arm
weicht.
Die, die das Land verließen, sind mit Reichtum
1245
überschüttet;
ihnen allen gab der, der zu guter Stunde geboren wurde, in
Valencia
Häuser und Erbeigentümer, mit denen sie zufrieden
1246b
sind.
Die Liebe von Mio Cid bekommen sie zu spüren.
Die, die mit ihm zogen, und die, die später kamen, alle
sind sie zufrieden.
Mio Cid sieht es, dass sie mit den Gütern, die sie
bekommen haben –
wenn sie mit ihnen fortziehen könnten, dass sie es gern
1250
tun würden.
Dies befahl Mio Cid, Minaya hatte dazu geraten:
dass kein Mann von seinen Vasallen,
der sich nicht von ihm verabschiedet oder ihm nicht die
1252b
Hand geküsst hätte –
wenn sie ihn fassen könnten oder er eingeholt würde,
dass man ihm seine Güter nehmen und ihn an einen
Galgen hängen solle.
1255
Seht, als das alles richtig angeordnet ist,
mit Minaya Álbar Fáñez hält er Rat:
»Wenn Ihr wolltet, Minaya: Ich will die Anzahl derer
wissen,
die hier sind und die mit mir etwas gewannen.
Zweiter Gesang, 76
137
Meterlos he en escripto e todos sean contados,
que si alguno·s’ furtare o menos le fallaren,
el aver me avrá a tornar a aquestos mios vassallos
que curian a Valencia e andan arrobdando. –
Allí dixo Minaya: – Consejo es aguisado. –
1260
1260b
77
Mandólos venir a la cort e a todos los juntar;
cuando los falló por cuenta, fízolos nonbrar:
tres mill e seiscientos avié mio Cid el de Bivar,
alégras’le el coraçón e tornós’ a sonrisar:
– ¡Grado a Dios, Minaya, e a Santa María madre,
con más pocos ixiemos de la casa de Bivar!
Agora avemos riqueza, más avremos adelant.
Si a vós pluguiere, Minaya, e non vos caya en pesar,
enbiarvos quiero a Castiella, do avemos heredades,
al rey Alfonso, mio señor natural;
d’estas mis ganancias que avemos fechas acá
darle quiero ciento cavallos e vós ídgelos levar.
Desí, por mí besalde la mano e firme ge lo rogad
por mi mugier e mis fijas, las ifantes,
1260b a aquestos] Aquestos ms. 1262 consejio corr., consenio ms.
1276 f. las ifantes] nicht in ms.; s. Komm.
138
Cantar segundo, 77
1265
1270
1275
Ich werde sie verzeichnen und alle sollen gezählt werden,
denn wenn einer entschlüpft ist oder man ihn
1260
vermisst,
so muss er seine Güter diesen meinen Vasallen
1260b
zurückgeben,
die Valencia schützen und um sie herum patroullieren.«
Dort sprach Minaya: »Der Rat ist angemessen.«
77
Er befahl ihnen, an den Hof zu kommen, und alle zu
versammeln;
als er sie dort vorfand, ließ er sie zum Zählen aufrufen.
Dreitausendsechshundert hatte Mio Cid, der von Bivar.
1266
Es erfreut sich sein Herz und er begann zu lächeln:
»Gott sei gedankt, Minaya, und der heiligen María, seiner
Mutter.
Mit weniger verließen wir die Heimat Bivar!
Jetzt besitzen wir Reichtum, später werden wir mehr
haben.
Wenn es Euch gefiele, Minaya, und es Euch nicht unrecht
1270
wäre,
ich möchte Euch nach Castiella schicken, wo wir Erblehen
besitzen,
zum König Alfonso, meinem natürlichen Herrn.
Von dieser meiner Beute, die wir hier gemacht haben,
will ich ihm hundert Pferde geben, und Ihr sollt gehen, sie
ihm zu bringen.
Außerdem: An meiner Statt küsst ihm die Hand und bittet
1275
ihn inständig
um meine Frau und meine Töchter, die Infantinnen –
Zweiter Gesang, 77
139
si fuere su merced, que·m’ las dexe sacar;
enbiaré por ellas, e vós sabed el mensage:
la mugier de mio Cid e sus fijas las ifantes,
de guisa irán por ellas que a grand ondra vernán
a estas tierras estrañas que nós pudiemos ganar. –
Essora dixo Minaya: – De buena voluntad. –
Pues esto an fablado, piénsanse de adobar;
ciento omnes le dio mio Cid a Álbar Fáñez
por servirle en la carrera [. . . . . . . . . . . . .],
e mandó mill marcos de plata a San Pero levar,
1280
[27r]
1284b
1285
78
e que los diesse al abbat don Sancho.
En estas nuevas todos se alegrando,
de parte de orient vino un coronado,
el obispo don Jerónimo so nombre es llamado,
bien entendido es de letras e mucho acordado,
de pie e de cavallo mucho era arreziado.
Las provezas de mio Cid andávalas demandando,
sospirando el obispo que·s’ viesse con moros en el
campo,
que si·s’ fartás lidiando e firiendo con sus manos,
a los días del sieglo non le llorassen cristianos.
1279 yffantes ms., ynffantes al.
1287 se] sea ms.
140
Cantar segundo, 78
1284b carrer ms. (beschnitten)
1290
1295
wenn es in seiner Gnade sei, dass er mir gestatte, sie
fortzuholen.
Ich werde nach ihnen schicken und Ihr sollt die Botschaft
wissen:
Die Frau von Mio Cid und seine Töchter, die
Infantinnen –
man wird sie dergestalt holen gehen, dass sie unter großen
1280
Ehren kommen werden
in diese fremden Länder, die wir erobern konnten.«
Da sprach Minaya: »Mit gutem Willen.«
Nachdem sie dies gesprochen haben, beginnen sie, sich zu
rüsten.
Hundert Männer gab Mio Cid dem Álvar Fáñez,
1284b
die ihm unterwegs dienen sollen […],
und er befahl, tausend Mark Silber nach San Pero zu
1285
bringen
78
und dass er sie dem Abt Herrn Sancho gebe.
Während alle sich über diese Neuigkeiten freuten –
von Osten her kam ein Tonsurierter,
der Bischof Herr Jerónimo wird er mit Namen genannt.
1290
Er versteht viel von Schriften und ist sehr umsichtig,
zu Fuß und zu Pferde war er sehr tüchtig.
Nach den Taten Mio Cids erkundigte er sich.
Der Bischof sehnte sich danach, sich auf dem Schlachtfeld
mit Mauren zu sehen,
und wenn er je genug bekäme vom Kämpfen und Hauen
mit seinen Händen,
1295
würde am Ende seiner Tage keiner um ihn trauern.
Zweiter Gesang, 78
141
Cuando lo oyó mio Cid, de aquesto fue pagado:
– ¡Oíd, Minaya Álbar Fáñez, por aquel que está en alto:
cuando Dios prestarnos quiere, nos bien ge lo
gradescamos!
En tierras de Valencia fer quiero obispado
1300
e dárgelo a este buen cristiano.
Vós, cuando ides a Castiella, levaredes buenos
mandados. –
79
Plogo a Álbar Fáñez de lo que dixo don Rodrigo.
A este don Jerónimo ya l’otorgan por obispo,
diéronle en Valencia o bien puede estar rico.
¡Dios, qué alegre era todo cristianismo,
que en tierras de Valencia señor avié obispo!
Alegre fue Minaya e spidiós’ e vínos’.
1305
80
Tierras de Valencia remanidas en paz,
adeliñó pora Castiella Minaya Álbar Fáñez;
dexarévos las posadas, non las quiero contar.
Demandó por Alfonso, dó lo podrié fallar;
fuera el rey a San Fagunt aún poco ha,
tornós’ a Carrión, ý lo podrié fallar.
1305 todo al., toda ms.
142
Cantar segundo, 79–80
[27v]
1310
Als das Mio Cid hörte, wurde er damit zufrieden:
»Hört, Minaya Álbar Fáñez, bei dem, der in der Höhe ist:
Da Gott uns beistehen will, wollen wir ihm gut dafür
danken!
Im Lande Valencias möchte ich ein Bistum gründen
1300
und es diesem guten Christen geben.
Wenn Ihr nach Castiella geht, werdet Ihr gute Nachrichten
mitbringen.«
79
Es gefiel Álbar Fáñez, was Herr Rodrigo gesagt hatte.
Diesen Herrn Jerónimo setzen sie bereits als Bischof ein;
man gab ihm in Valencia einen Ort, an dem er mit
Reichtum leben konnte.
1305
Gott, wie froh war die ganze Christenheit,
dass es im Lande von Valencia einen Herrn Bischof gab!
Froh war Minaya, und er verabschiedete sich, und er ging
fort.
80
Die Länder von Valencia in Frieden zurückgelassen –
nach Castiella wandte sich Minaya Álbar Fáñez.
Ich erspare euch die Aufenthalte, ich möchte sie nicht
1310
aufzählen.
Er fragte nach Herrn Alfonso, wo er ihn finden könnte;
der König war nach San Fagunt gezogen, noch vor kurzer
Zeit,
von dort aus wandte er sich nach Carrión – dort könne er
ihn finden.
Zweiter Gesang, 79–80
143
Alegre fue de aquesto Minaya Álbar Fáñez,
con esta presentaja adeliñó pora allá.
1315
81–82
De missa era exido essora el rey Alfonso,
afé Minaya Álbar Fáñez, dó llega tan apuesto;
fincó los inojos ante tod el pueblo,
a los pies del rey Alfonso cayó con grand duelo,
besávale las manos e fabló tan apuesto:
– ¡Merced, señor Alfonso, por amor del Criador!
Besávavos las manos mio Cid lidiador,
los pies e las manos, commo a tan buen señor,
que l’ayades merced, sí vos vala el Criador.
Echástesle de tierra, non ha la vuestra amor;
maguer en tierra agena, él bien faze lo so:
ganada á a Xérica e a Onda por nombre,
priso a Almenar e a Murviedro, que es miyor,
assí fizo Cebolla e adelant Castejón
e Peña Cadiella, que es una peña fuert;
con aquestas todas de Valencia es señor.
Obispo fizo de su mano el buen Campeador
e fizo cinco lides campales e todas las arrancó.
Grandes son las ganancias que·l’ dio el Criador,
fevos aquí las señas, verdad vos digo yo:
cient cavallos gruessos e corredores,
de siellas e de frenos todos guarnidos son,
1315 presenteia ms.
144
1327 á a Xérica] a xerica ms.
Cantar segundo, 81–82
1320
1325
1330
[28r]
1335
Froh war darüber Minaya Álbar Fáñez,
mit diesem Geschenk wandte er sich dorthin.
1315
81–82
Der König Alfonso war soeben aus der Messe gekommen.
Seht hier Álbar Fáñez, wie er so prächtig daherkommt:
Er beugte die Knie vor dem ganzen Volk,
zu Füßen des Königs Alfonso fiel er mit großer Trauer,
1320
er küsste ihm die Hände und sprach wohlgesetzt:
»Gnade, mein Herr Alfonso, um der Liebe des Schöpfers
willen!
Mio Cid, der Kämpfer, küsst Euch die Hände;
die Füße und die Hände, als einem guten Herrn,
auf dass Ihr ihm Gnade erweist, so Euch der Schöpfer
helfen möge.
Ihr habt ihn des Landes verwiesen, er hat Eure Liebe nicht.
Obwohl in fremdem Lande, führt er seine Sache zum
1326
Guten:
Er hat Xérica gewonnen und den Ort namens Onda,
er nahm Almenar ein und Murviedro, das besser ist,
ebenso tat er mit Cebolla und weiter voran mit Castejón
und mit Peña Cadiella, das eine starke Felsenveste ist. 1330
Zusammen mit all diesen ist er Herr über Valencia.
Einen Bischof setzte er mit seiner Hand ein, der gute
Campeador,
und schlug fünf Feldschlachten und alle gewann er sie.
Groß ist die Beute, die ihm der Schöpfer gab,
1335
seht hier die Zeichen, die Wahrheit sage ich Euch:
Hundert Rosse, stark und schnell,
mit Satteln und mit Zaumzeug sind sie alle ausgerüstet,
Zweiter Gesang, 81–82
145
bésavos las manos que los prendades vós;
razónas’ por vuestro vassallo e a vós tiene por señor. –
1340
Alçó la mano diestra, el rey se santigó:
– De tan fieras ganancias commo á fechas el Campeador,
sí me vala Sant Esidro, plazme de coraçón
e plázem’ de las nuevas que faze el Campeador;
recibo estos cavallos que m’enbía de don. –
1345
Maguer plogo al rey mucho pesó a Garcí Ordóñez:
– ¡Semeja que en tierra de moros non á bivo omne
cuando assí faze a su guisa el Cid Campeador! –
Dixo el rey al conde: – ¡Dexad essa razón,
que en todas guisas mijor me sirve que vós! –
1350
Fablava Minaya ý a guisa de varón:
– Merced vos pide el Cid, si vos cayesse en sabor,
por su mugier doña Ximena e sus fijas amas a dos,
saldrién del monesterio do elle las dexó
e irién pora Valencia al buen Campeador. –
1355
Essora dixo el rey: – Plazme de coraçón;
yo les mandaré dar conducho mientra que por mi tierra
fueren,
1338 manos e que ms.
146
1356 fuere ms. (beschnitten)
Cantar segundo, 81–82
er küsst Euch die Hände, dass Ihr sie annehmt.
Er hält sich für Euren Vasallen und sieht Euch als seinen
Herrn an.«
1340
Er hob die rechte Hand, der König bekreuzigte sich:
»Solch riesige Beute wie der Campeador sie gemacht hat,
so mir Sankt Esidro beistehen möge, gefällt mir von
Herzen,
und mir gefallen die Neuigkeiten, die der Campeador
vollbringt.
Ich empfange diese Pferde, die er mir als Geschenk
schickt.«
Obwohl es dem König gefiel, Garcí Ordóñez schmerzte es
1345
sehr:
»Es scheint, dass es im Land der Mauren keinen lebenden
Menschen gibt,
wenn er so nach seinem Belieben verfahren kann, der Cid
Campeador!«
Der König sagte zum Grafen: »Lasst diese Rede,
denn unter jeden Umständen dient er mir besser
als Ihr!«
1350
Da sprach Minaya wie ein Edelmann:
»Um Gnade bittet Euch der Cid, falls es Euch gefallen
sollte,
für seine Gattin Frau Ximena und seine Töchter beide
gemeinsam –
sie würden das Kloster verlassen, wo er sie zurückließ,
und sie würden nach Valencia gehen, zum guten
Campeador.«
1355
Da sagte der König: »Das gefällt mir von Herzen.
Ich werde befehlen, sie versorgen zu lassen, solange sie
durch mein Land ziehen,
Zweiter Gesang, 81–82
147
de fonta e de mal curiallas, e de desonor;
cuando en cabo de mi tierra aquestas dueñas fueren
catad cómmo las sirvades vós e el Campeador.
¡Oídme, escuelas e toda la mi cort!
Non quiero que nada pierda el Campeador:
a todas las escuelas que a él dizen señor
porque los deseredé, todo ge lo suelto yo;
sírvanles sus herdades do fuere el Campeador,
atrégoles los cuerpos de mal e de ocasión,
por tal fago aquesto que sirvan a so señor. –
Minaya Álbar Fáñez las manos le besó,
sonrisós’ el rey, tan vellido fabló:
– Los que quisieren ir servir al Campeador
de mí sean quitos e vayan a la gracia del Criador;
más ganaremos en esto que en otra desonor. –
Aquí entraron en fabla los ifantes de Carrión:
– Mucho crecen las nuevas de mio Cid el Campeador,
bien casariemos con sus fijas pora huebos de pro.
Non la osariemos acometer nós esta razón,
mio Cid es de Bivar e nós de los condes de Carrión. –
Non lo dizen a nadi e fincó esta razón.
[28v]
1360
1365
1370
1375
1357 curiallas] curialdas ms. 1362 todas ms.', toda ms. 1363 por todas las
que ms. 1364 Siruan le sus ms. 1369 servir] seuir ms.
148
Cantar segundo, 81–82
sie vor Schmach und Schmerz zu schützen und vor Verlust
der Ehre.
Wenn diese Damen an die Grenzen meines Reiches
kommen,
seht zu, wie Ihr ihnen dient, Ihr und der Campeador.
1360
Hört zu, Räte und mein gesamter Hof !
Ich möchte nicht, dass der Campeador etwas verliert.
All den Gefolgsleuten, die ihn seinen Herrn nennen,
weil ich sie enterbte – alles gebe ich ihnen frei:
Ihre Erbschaften sollen ihnen dienen, wo immer sich der
Campeador befinden mag,
ich versichere ihnen Leib und Leben vor Schaden oder vor
1365
Gefahr.
Das tue ich darum, dass sie ihrem Herrn dienen sollen.«
Minaya Álbar Fáñez – die Hände küsste er ihm.
Der König lächelte, sehr schön sprach er:
»Wer gehen möchte, dem Campeador zu dienen,
der sei von mir befreit und gehe hin mit der Gnade des
1370
Schöpfers;
mehr werden wir dadurch gewinnen als mit einer weiteren
Ächtung.«
Da kamen ins Gespräch die Infanten von Carrión:
»Äußerst wächst der Ruf von Mio Cid dem Campeador;
wohl würden wir seine Töchter heiraten, aus Bedarf an
dem Gewinn.
Wir würden es nicht wagen, diese Angelegenheit
1375
anzugehen,
Mio Cid ist aus Bivar und wir von den Grafen von
Carrión.«
Sie sagen es niemandem und so hatte die Angelegenheit
damit ihr Bewenden.
Zweiter Gesang, 81–82
149
Minaya Álbar Fáñez al buen rey se espidió.
– ¡Ya vos ides Minaya, id a la gracia del Criador!
Levedes un portero, tengo que vos avrá pro;
si leváredes las dueñas, sírvanlas a su sabor,
fata dentro en Medina denles cuanto huebos les fuer,
desí adelant piense d’ellas el Campeador. –
Espidiós’ Minaya e vasse de la cort.
1380
[29r]
83
Los ifantes de Carrión [. . . . . . . . . . . . . .]
dando ivan conpaña a Minaya Álbar Fáñez:
– En todo sodes pro, en esto assí lo fagades:
saludadnos a mio Cid el de Bivar,
somos en so pro cuanto lo podemos far,
el Cid que bien nos quiera nada non perderá. –
Respuso Minaya: – Esto non me á por qué pesar. –
Ido es Minaya, tórnanse los ifantes;
adeliñó pora San Pero, o las dueñas están,
¡tan grand fue el gozo cuando·l’ vieron assomar!
Decido es Minaya, a San Pero va rogar,
cuando acabó la oración a las dueñas se va tornar:
– Omíllom’, doña Ximena, Dios vos curie de mal,
1395 oración a san pero le ms. | se va tornar] se torno ms.
150
Cantar segundo, 83
1385
1385b
1390
1395
Minaya Álbar Fáñez – vom guten König verabschiedete er
sich.
»Schon geht Ihr, Minaya; geht hin mit der Gnade des
Schöpfers.
Nehmt einen Aufseher mit, ich denke, er wird Euch von
1380
Nutzen sein.
Wenn Ihr die Damen mitnehmt, soll man ihnen nach
ihrem Gefallen dienen;
bis nach Medina hinein soll man ihnen alles geben, was sie
benötigen sollten,
von dort an soll sich der Campeador um sie kümmern.«
Minaya verabschiedete sich, und er verlässt den Hof.
83
1385
Die Infanten von Carrión […]
gaben ihr Geleit dem Minaya Álbar Fáñez:
1385b
»In allem seid Ihr gut, tut in folgendem ebenso:
Grüßt von uns Mio Cid, den von Bivar,
wir stehen ihm bei, so gut wir es vermögen.
Der Cid, wenn er uns wohlgesinnt ist, wird dadurch nichts
verlieren.«
Minaya antwortete: »Daran ist nichts, was mir missfallen
1390
sollte.«
Fort ist Minaya, zurück kehren die Infanten.
Er begab sich nach San Pero, wo die Damen sind;
groß war die Freude, als sie ihn kommen sahen!
Abgestiegen ist Minaya, zum Heiligen Pero geht er beten,
als er das Gebet beendet hat, begibt er sich zu den Damen:
»Ich neige mich vor Euch, Frau Ximena, Gott beschütze
1396
Euch vor Übel,
Zweiter Gesang, 83
151
assí faga a vuestras fijas las ifantes.
Salúdavos mio Cid allá onde elle está;
sano lo dexé e con tan grand rictad.
1400
El rey por su merced sueltas me vos ha
por levaros a Valencia, que avemos por heredad;
si vos viesse el Cid sanas e sin mal,
todo serié alegre, que non avrié ningún pesar. –
Dixo doña Ximena: – El Criador lo mande. –
1405
Dio tres cavalleros Minaya Álbar Fáñez,
enviólos a mio Cid a Valencia, do está:
– Dezid al Canpeador, que Dios le curie de mal,
[29v]
que su mugier e sus fijas el rey sueltas me las ha,
mientra que fuéremos por sus tierras conducho nos
mandó dar;
1410
de aquestos quinze días, si Dios nos curiare de mal,
seremos ý yo e su mugier e sus fijas que él á
y todas las dueñas con ellas, cuantas buenas ellas han. –
Idos son los cavalleros e d’ello pensarán,
remaneció en San Pero Minaya Álbar Fáñez.
1415
Veriedes cavalleros venir de todas partes,
irse quieren a Valencia a mio Cid el de Bivar;
que les toviesse pro rogavan a Álbar Fáñez.
1397 las ifantes] amas ms.; s. Komm. 1398 onde] ond de ms. 1411 ý] nicht
in ms. 1413 dello penssaran corr., dellos pensaren ms. 1416 quiere ms.
152
Cantar segundo, 83
ein gleiches tue er mit Euren Töchtern, den Infantinnen.
Mio Cid grüßt Euch von dort aus, wo er sich befindet;
gesund ließ ich ihn zurück und in großem Reichtum.
Der König in seiner Gnade hat Euch mir freigegeben, 1400
um Euch nach Valencia zu bringen, das wir als
Erbeigentum besitzen.
Wenn der Cid Euch sähe, gesund und unversehrt –
vollkommen wäre er erfreut und hätte keine einzige Sorge.«
Frau Ximena sagte: »Möge es der Schöpfer anordnen.«
1405
Drei Ritter bestimmte Minaya Álbar Fáñez,
er schickte sie zu Mio Cid nach Valencia, wo er sich auf hält:
»Sagt dem Campeador, Gott möge ihn vor Übel
beschützen,
dass seine Frau und seine Töchter – der König hat sie mir
freigegeben;
solange wir durch seine Länder ziehen, hat er befohlen, uns
Versorgung zu geben.
Von heute in fünfzehn Tagen, wenn Gott uns vor Übel
1410
schützt,
werden wir dort sein, ich und seine Frau und die Töchter,
die er hat,
und all die Damen mit ihnen, so viele sie der Guten
haben.«
Fort sind die Ritter und werden dafür sorgen.
In San Pero blieb Minaya Álbar Fáñez zurück.
Ihr hättet Ritter von allen Seiten herkommen sehen
1415
können;
sie wollen nach Valencia ziehen, zu Mio Cid, dem von
Bivar;
dass er ihnen wohlwollend sei, darum baten sie Álbar
Fáñez.
Zweiter Gesang, 83
153
Diziendo está Mianaya: – Esto feré de veluntad. –
A Minaya sessaenta e cinco cavalleros acrecido·l’ han
1420
e él se tenié ciento que aduxera d’allá;
por ir con estas dueñas buena conpaña se faze.
Los quinientos marcos dio Minaya al abbat,
de los otros quinientos dezirvos he qué faze:
Minaya a doña Ximina e a sus fijas que ha
1425
e a las otras dueñas que las sirven delant,
el bueno de Minaya pensólas de adobar
de los mejores guarnimientos que en Burgos pudo fallar,
palafrés e mulas, que non parescan mal.
Cuando estas dueñas adobadas las ha,
1430
el bueno de Minaya pensar quiere de cavalgar;
afevos Rachel e Vidas a los pies le caen:
[30r]
– ¡Merced, Minaya, cavallero de prestar!
¡Desfechos nos ha el Cid, sabet, si no nos val!
Soltariemos la ganancia, que nos diesse el cabdal. –
1435
– Yo lo veré con el Cid si Dios me lieva allá;
por lo que avedes fecho buen cosiment ý avrá. –
Dixo Rachel e Vidas: – ¡El Criador lo mande!
Si non, dexaremos Burgos, irlo hemos buscar. –
Ido es pora San Pero Minaya Álbar Fáñez,
1440
muchas yentes se le acogen, pensó de cavalgar,
1418 está] esto ms.
1429 ha] han ms.
corr.
154
Cantar segundo, 83
1438 daxaremos ms., dixaremos
Minaya sagt darauf: »Das werde ich willentlich tun.«
Minaya haben sich fünfundsechzig Ritter angeschlossen
1420
und er hatte hundert, die er von dort herführte;
um mit diesen Damen zu ziehen, entsteht eine stattliche
Schar.
Die einen fünf hundert Mark gab Minaya dem Abt,
mit den anderen fünf hundert – ich sage euch, was er damit
tut:
Minaya, der Frau Ximena und den Töchtern, die sie hat,
1425
und den anderen Damen, die ihnen dienen –
der gute Minaya beginnt sie auszustatten
mit den besten Kleidern, die er in Burgos finden konnte,
mit Zeltern und Maultieren, damit sie keinen schlechten
Eindruck machen.
Als er diese Damen ausgestattet hat,
1430
will der gute Minaya zu reiten beginnen.
Seht hier Rachel und Vidas, zu Füßen fallen sie ihm:
»Gnade Minaya, vortreff licher Ritter,
ruiniert hat uns der Cid, wisset, wenn er uns nicht hilft!
Wir würden ihm den Gewinn erlassen, wenn er uns nur
das Kapital gäbe.«
»Ich werde das mit dem Cid besprechen, wenn mich Gott
1435
dorthinführt;
für das, was ihr getan habt, wird es dort einen guten Lohn
geben.«
Es sagte Rachel und Vidas: »Der Schöpfer möge es
anordnen!
Wenn nicht, werden wir Burgos verlassen und werden ihn
aufsuchen.«
Nach San Pero ist Minaya Álbar Fáñez gegangen;
viele Menschen schließen sich ihm an, er begann zu reiten.
Zweiter Gesang, 83
155
grand duelo es al partir del abbat:
– ¡Sí vos vala el Criador, Minaya Álbar Fáñez!
Por mí al Campeador las manos le besad
aqueste monesterio no lo quiera olbidar,
1445
todos los días del sieglo en levarlo adelant
el Cid siempre valdrá más. –
Respuso Minaya: – Ferlo he de veluntad. –
Ya s’espiden e piensan de cavalgar,
el portero con ellos que los ha de aguardar;
1450
por la tierra del rey mucho conducho les dan.
De San Pero fasta Medina en cinco días van,
felos en Medina las dueñas e Álbar Fáñez.
Dirévos de los cavalleros que levaron el mensaje:
al ora que lo sopo mio Cid el de Bivar,
1455
plógol’ de coraçón e tornós’ a alegrar,
de la su boca compeçó de fablar:
– ¡Qui buen mandadero enbía tal deve sperar!
[30v]
Tú, Muño Gustioz, e Pero Vermúez delant
e Martín Antolínez, un burgalés leal,
1460
e el obispo don Jerónimo, coronado de prestar,
cavalguedes con ciento guisados pora huebos de lidiar.
Por Santa María vós vayades passar,
vayades a Molina, que yaze más adelant,
tiénela Avengalvón, mio amigo es de paz,
1465
con otros ciento cavalleros bien vos consigrá.
1460 e el] El ms.
156
1464 auegaluon ms.
Cantar segundo, 83
Große Trauer herrscht beim Abschied vom Abt:
1441
»So Euch der Schöpfer helfen möge, Minaya Álbar Fáñez!
An meiner Statt küsst die Hände dem Campeador,
dieses Kloster möge er nicht vergessen.
1445
Alle Tage seines Lebens, wenn er es weiterfördert,
wird der Cid immer mehr Ansehen genießen.«
Minaya antwortete: »Das werde ich willentlich tun.«
Schon verabschieden sie sich und beginnen zu reiten,
der Aufseher mit ihnen, der sie beschützen soll;
entlang der Länder des Königs gibt man ihnen viel
1450
Proviant.
Von San Pero bis Medina ziehen sie in fünf Tagen;
seht sie hier in Medina, die Damen und Álbar Fáñez.
Erzählen werde ich euch von den Rittern, die die Botschaft
überbrachten:
Im Augenblick, als es Mio Cid, der aus Bivar, erfuhr,
gefiel es ihm von Herzen, und er begann, sich zu freuen. 1455
Aus seinem Munde hob er an zu sprechen:
»Wer einen guten Boten aussendet, darf ebensolches
erwarten!
Du, Muño Gustioz, und dazu Pero Vermúez
und Martín Antolínez, ein treuer Burgalese,
und der Bischof Herr Jerónimo, ein vortreff licher
1460
Tonsurierter,
reitet mit hundert, ausgerüstet für den Fall, dass ihr
kämpfen müsst.
Durch Santa María sollt ihr passieren,
zieht nach Molina, das weiter voran liegt;
das besitzt Avengalvón, der ist mein Freund durch
Friedensabkommen,
mit weiteren hundert Rittern wird er euch wohl begleiten.
Zweiter Gesang, 83
157
Id pora Medina cuanto lo pudiéredes far,
mi mugier e mis fijas con Minaya Álbar Fáñez
así commo a mí dixieron ý los podredes fallar;
con grand ondra aduzídmelas delant.
1470
E yo fincaré en Valencia, que mucho costado·m’ ha,
grand locura serié si la desenparás;
yo fincaré en Valencia, ca la tengo por heredad. –
Esto era dicho, piensan de cavalgar
e cuanto que pueden non fincan de andar,
trocieron a Santa María e vinieron albergar a Fronchales
1476
e el otro día vinieron a Molina posar.
El moro Avengalvón, cuando sopo el mensaje,
saliólos recebir con grant gozo que faze:
– ¡Venides, los vassallos de mio amigo natural!
1480
A mí non me pesa, sabet, mucho me plaze. –
Fabló Muño Gustioz, non speró a nadi:
– Mio Cid vos saludava e mandólo recabdar
con ciento cavalleros que privado l’acorrades;
su mugier e sus fijas en Medina están,
1485 [31r]
que vayades por ellas, adugádesgelas acá
e fata en Valencia d’ellas non vos partades. –
Dixo Avengalvón – Ferlo he de veluntad. –
Essa noch conducho les dio grand,
a la mañana piensan de cavalgar;
1475 Fronchales] frontael ms.; s. Komm.
Co ms. 1487 auegaluon ms.
158
Cantar segundo, 83
1477 auegaluon ms.
1483 con]
Zieht nach Medina, so schnell ihr könnt;
1466
meine Frau und meine Töchter mit Minaya Álbar Fáñez,
so hat man mir berichtet – dort werdet ihr sie antreffen
können.
Unter großen Ehren führt sie mir vor.
Und ich werde in Valencia bleiben, denn es kam mich teuer
1470
zu stehen,
es wäre eine große Torheit, wenn ich es schutzlos ließe;
ich werde in Valencia bleiben, denn ich besitze es als mein
Erbeigentum.«
Als das gesagt war, beginnen sie zu reiten
und, solange sie können, hören sie nicht auf zu reiten.
Sie passierten Santa María und kamen nach Fronchales, um
1475
Herberge zu nehmen,
und am nächsten Tag kamen sie nach Molina zum
Nachtlager.
Der Maure Avengalvón – als er die Nachricht erfuhr,
kam er heraus, sie zu empfangen, und machte große
Freude:
»Ihr kommt, Vasallen meines natürlichen Freundes!
1480
Mich schmerzt es nicht, wisset, es gefällt mir sehr.«
Muño Gustioz sprach, er wartete auf niemanden:
»Mio Cid grüßt Euch und befahl anzuordnen,
dass Ihr ihm mit hundert Rittern schnell zu Hilfe
kommt –
seine Frau und seine Töchter sind in Medina –,
1485
dass Ihr sie holen geht, sie hierher bringt
und bis nach Valencia Euch nicht von ihnen trennt.«
Avengalvón sagte: »Das werde ich willentlich tun.«
Diese Nacht gab er ihnen viel Proviant.
Am Morgen beginnen sie zu reiten;
Zweiter Gesang, 83
159
ciento·l’ pidieron, mas él con dozientos va.
Passan las montañas, que son fieras e grandes,
passaron Mata de Toranz
de tal guisa que ningún miedo non han,
por el val de Arbuxuelo piensan a deprunar.
E en Medina todo el recabdo está,
envió dos cavalleros Minaya que sopiessen la verdad,
esto non detardan, ca de coraçón lo han;
el uno fincó con ellos e el otro tornó a Álbar Fáñez:
– Virtos del Campeador a nós vienen buscar,
afevos aquí Pero Vermúez delant
e Muño Gustioz, que vos quieren sin art,
e Martín Antolínez, el burgalés natural,
e el obispo don Jerónimo, coranado leal,
e el alcáyaz Avengalvón con sus fuerças que trae
por sabor de mio Cid, de grand ondra·l’ dar;
todos vienen en uno, agora llegarán. –
Essora dixo Minaya: – ¡Vaimos cavalgar! –
Esso fue apriessa fecho, que no·s’ quieren detardar,
bien salieron den ciento que non parecen mal,
en buenos cavallos a cuberturas de cendales
e a petrales a cascaveles; e escudos a los cuellos traen
e en las manos lanças que pendones traen,
1490
1492b
1495
1499b
1500
1505
1510
1493 arbuxedo ms. 1495 Minaya] mynaya albarfanez ms.; s. Komm. |
sopiesse ms. 1496 detardan al., detardo ms. 1499 delant] nicht in ms.
1502 auegaluon ms. 1508 f. En buenos cauallos a petrales e a cascaueles /
E a cuberturas de çendales e escudos alos cuellos ms., traen nicht in ms.
160
Cantar segundo, 83
um hundert hat man ihn gebeten, doch er zieht mit
1490
zweihundert.
Sie durchqueren die Berge, die wild sind und hoch,
sie ziehen vorbei an Mata de Toranz
1492b
auf eine Weise, dass sie keine Furcht haben,
durch das Tal von Arbuxuelo beginnen sie hinabzureiten.
Und in Medina sind alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen:
Minaya schickte zwei Ritter, dass sie die Wahrheit
1495
erfahren sollten.
Das schieben sie nicht auf, denn sie tun es mit ganzem
Herzen.
Der eine blieb bei ihnen und der andere kehrte zu Álbar
Fáñez zurück:
»Streitkräfe des Campeador kommen uns abholen,
seht hier Pero Vermúez zuvorderst
1499b
und Muño Gustioz, die Euch ohne Falsch lieben,
und Martín Antolínez, der aus Burgos stammt,
1500
und der Bischof Herr Jerónimo, ein treuer Tonsurierter,
und der Burgherr Avengalvón mit seinen Kräften, die er
mit sich führt,
mit der Absicht, Mio Cid große Ehre zu erweisen.
Sie kommen alle zusammen, gleich werden sie dasein.«
1505
Da sagte Minaya: »Lasst uns reiten!«
Das wurde alsbald getan, denn sie wollen keine Zeit
verlieren,
gut hundert ritten heraus, die keinen schlechten Anblick
bieten,
auf guten Pferden mit Satteldecken aus Zendel
und Brustriemen mit Schellen; und sie tragen Schilder um
die Hälse
1510
und in den Händen Lanzen, die Wimpel führen,
Zweiter Gesang, 83
161
que sopiessen los otros de qué seso era Álbar Fáñez
o cuémo saliera de Castiella con estas dueñas que trae. [31v]
Los que ivan mesurando e llegando delant
luego toman armas e tómanse a deportar,
1515
por cerca de Salón tan grandes gozos van.
Don llegan los otros, a Minaya se van homillar;
cuando llegó Avengalvón, dont a ojo lo ha,
sonrisándose de la boca ívalo a abraçar,
en el ombro lo saluda, ca tal es su usaje:
1520
– ¡Tan buen día convusco, Minaya Álbar Fáñez!
Traedes estas dueñas por o valdremos más,
mugier del Cid lidiador e sus fijas naturales;
ondrarvos hemos todos, ca tal es la su auze,
maguer que mal le queramos non ge lo podremos far,
1525
en paz o en guerra de lo nuestro abrá,
¡mucho·l’ tengo por torpe qui non conosce la verdad! –
Sonrisós’ de la boca Minaya Álbar Fáñez:
1511 sopienssen ms. 1512 de castiella albarfanez ms. 1513 legando
lo van ms. 1516 minaya albarfanez ms.; s. Komm zu V. 1495.
1517 auegaluon ms. | lo] nicht in ms. 1524 fer ms. 1527 Sorrisos ms.
162
Cantar segundo, 83
damit die anderen wüssten, welchen Sinnes Álbar Fáñez
war
oder wie er aus Castiella herausritt mit diesen Damen, die
er mit sich führt.
Diejenigen, die kundschafteten und voranritten,
sofort ergreifen sie die Waffen und beginnen mit
Reiterspielen.
1515
In der Nähe des Salón herrscht gar große Freude.
Als die anderen ankommen, gehen sie, sich vor Minaya zu
verneigen.
Als Avengalvón kam, als er seiner ansichtig wurde,
mit dem Munde lächelnd ging er, ihn zu umarmen;
auf die Schultern küsst er ihn, denn so ist seine
Gewohnheit.
»Ein sehr guter Tag sei mit Euch, Minaya Álbar Fáñez! 1520
Ihr bringt diese Damen, durch die unser Ansehen steigen
wird,
die Frau des Cid, dem Kämpfer, und seine natürlichen
Töchter.
Ehren werden wir Euch alle, denn sein gutes Glück ist
dergestalt,
dass wir, auch wenn wir ihm schaden wollten, es ihm
nicht antun könnten.
Im Frieden und im Krieg wird er von dem haben, was
1525
unser ist.
Für sehr töricht halte ich den, der diese Wahrheit nicht
kennt!«
Es lächelte mit dem Munde Minaya Álbar Fáñez:
Zweiter Gesang, 83
163
84
– ¡Ya Avengalvón, amigo·l’ sodes sin falla!
Si Dios me llegare al Cid e lo vea con el alma,
d’esto que avedes fecho vós non perderedes nada.
Vayamos posar, ca la cena es adobada.
Dixo Avengalvón: – ¡Plazme d’esta presentaja!
Antes d’este tercer día vos la daré doblada. –
Entraron en Medina, sirvíalos Minaya,
todos fueron alegres del cervicio que tomaran,
el portero del rey quitarlo mandava;
ondrado es mio Cid en Valencia do estava
de tan grand conducho commo en Medina·l’ sacaran;
el rey lo pagó todo e quito se va Minaya.
Passada es la noche, venida es la mañana,
oída es la missa e luego cavalgavan,
salieron de Medina e Salón passavan,
Arbuxuelo arriba privado aguijavan,
el campo de Torancio luego l’atravessavan,
vinieron a Molina, la que Avengalvón mandava.
El obispo don Jerónimo, buen cristiano sin falla,
las noches e los días las dueñas aguarda,
e buen cavallo en diestro que va ante sus armas;
entre él e Álbar Fáñez ivan a una compaña.
Entrados son a Molina, buena e rica casa;
1528 Ya] Hy ms. | auegaluon ms. 1533 teçer ms. | la corr., lo ms.
1535 tomaron ms. 1538 sacaron ms. 1545 molina corr., medina ms.
1547 aguarda] aguardando ms.
164
Cantar segundo, 84
1530
1535
[32r]
1540
1545
1550
84
»Ach, Avengalvón, ein Freund seid Ihr ihm, unfehlbar!
Sollte Gott mich zum Cid bringen und sollte ich ihn lebend
wiedersehen –
1530
das, was Ihr getan habt, wird Euch nicht schaden.
Gehen wir lagern, denn das Abendessen ist bereitet.«
Avengalvón sagte: »Mir gefällt dieses Anerbieten!
Noch vor dem dritten Tag werde ich es Euch doppelt
vergelten.«
Sie zogen in Medina ein, es bediente sie Minaya,
alle wurden froh über die Aufmerksamkeit, die ihnen
1535
zuteil wurde.
Der Aufseher des Königs befahl, es zu bezahlen.
Geehrt ist Mio Cid in Valencia, wo er sich auf hielt,
durch eine so große Fülle an Lebensmitteln, wie man sie in
Medina für ihn bereitstellte.
Der König bezahlte es alles, und schuldenlos zieht Minaya
davon.
1540
Die Nacht ist vergangen, gekommen ist der Morgen,
die Messe ist gehört und sofort ritten sie los,
sie verließen Medina und überquerten den Salón,
den Arbuxuelo aufwärts gaben sie die Sporen,
das Feld von Torancio durchquerten sie bald,
1545
sie sahen Molina, das Avengalvón befehligte.
Der Bischof Herr Jerónimo, ein guter Christ, unfehlbar –
des Nachts und des Tags behütet er die Damen
und ein gutes Streitross, das vor seinen Waffen
schreitet;
er und Álbar Fáñez ritten gemeinsam.
Sie sind in Molina eingezogen, eine gute und reiche Veste,
Zweiter Gesang, 84
165
el moro Avengalvón bien los sirvié sin falla,
de cuanto que quisieron non ovieron falla,
aun las ferraduras quitárgelas mandava.
¡A Minaya e a las dueñas, Dios, cómmo las ondrava!
Otro día mañana luego cavalgavan,
fata en Valencia sirvíalos sin falla,
lo so despendié el moro, que d’ellos non tomava nada.
Con estas alegrías e nuevas tan ondradas,
aprés son de Valencia, a tres leguas contadas.
1555
85
A mio Cid, el que en buen ora nasco,
dentro a Valencia liévanle el mandado.
Alegre fue mio Cid, que nuncua más nin tanto,
ca de lo que más amava ya·l’ viene el mandado.
Dozientos cavalleros mandó exir privado,
que reciban a Mianaya e a las dueñas fijasdalgo.
Él sedié en Valencia curiando e guardando,
ca bien sabe que Álbar Fáñez trae todo recabdo.
1560
[32v]
1565
86
Afevos todos aquestos reciben a Minaya
e a las dueñas e a las niñas e a las otras conpañas.
Mandó mio Cid a los que ha en su casa
1557 lo so … d’ellos] Los sos … delo so ms.
166
Cantar segundo, 85–86
1564 Dozitos ms.
1570
der Maure Avengalvón – gut bediente er sie, unfehlbar; 1551
an allem, was sie wollten, fanden sie keinen Mangel,
sogar die Hufeisen befahl er zu bezahlen.
Minaya und die Damen, Gott, wie er die ehrte!
Am nächsten Tag in der Früh ritten sie schnell weiter. 1555
Bis nach Valencia diente er ihnen unfehlbar;
von dem Seinen gab der Maure aus, denn von ihnen nahm
er nichts.
In diesen Freuden und mit so ehrenvollen Nachrichten
sind sie in der Nähe von Valencia, genau drei Meilen
entfernt.
85
1560
Dem Mio Cid, der zu guter Stunde geboren wurde,
nach Valencia hinein bringen sie ihm die Botschaft.
Froh wurde Mio Cid, so sehr, wie er es nie gewesen war,
denn von dem, was er am meisten liebte, kommt ihm
bereits die Botschaft.
Zweihundert Ritter hieß er sofort hinausreiten,
1565
dass sie Minaya empfangen und die adeligen Damen.
Er blieb in Valencia, wachend und schützend,
denn wohl weiß er, dass Álbar Fáñez alle Vorsichtsmaßnahmen ergreift.
86
Seht, alle diese empfangen Minaya
und die Damen und die Mädchen und die übrige
Gefolgschaft.
Mio Cid befahl denen, die er zu Hause hat,
Zweiter Gesang, 85–86
1570
167
que guardassen el alcáçar e las otras torres altas
e todas las puertas e las exidas e las entradas,
e aduxiéssenle a Bavieca (poco avié que·l’ ganara,
aún no sabié mio Cid, el que en buen ora cinxo espada,
1575
si serié corredor o si abrié buena parada).
A la puerta de Valencia, do fuesse en so salvo,
delante su mugier e de sus fijas querié tener las armas.
Recebidas las dueñas a una grant ondrança,
el obispo don Jerónimo adelant se entrava,
1580
ý dexava el cavallo, pora la capiella adeliñava.
Con cuantos que él puede que con oras se acordaran,
sobrepelliças vestidas e con cruces de plata,
recibir salién las dueñas e al bueno de Minaya.
El que en buen ora nasco non lo detardava,
1587
vistiós’ el sobregonel, luenga trae la barba;
ensiéllanle a Bavieca, cuberturas le echavan,
1585
mio Cid salio sobr’él e armas de fuste tomava.
1589
Por nombre el cavallo Bavieca cavalga,
fizo una corrida, ¡ésta fue tan estraña!
1588 [33r]
1580 la capiella corr., capiella ms.
1584 en buen] ēl buen ms.
168
Cantar segundo, 86
1581 acordaron ms.
1584–90 s. Komm.
dass sie die Burg bewachen sollten und die anderen hohen
Türme
und alle Tore und die Ein- und Ausgänge
und dass man ihm Bavieca vorführe; vor kurzem erst hatte
er es erbeutet.
Noch wusste Mio Cid nicht, der zu guter Stunde das
Schwert gürtete,
ob es ein guter Renner war oder leicht zum Stehen
1575
gebracht werden könnte.
Am Tor von Valencia, wo er in Sicherheit war,
vor seiner Frau und seinen Töchtern wollte er ein
Waffenspiel zeigen.
Als die Damen mit großer Ehrerbietung empfangen
worden waren,
der Bischof Herr Jerónimo ritt geradewegs hinein;
1580
dort ließ er das Pferd, zur Kapelle wandte er sich.
Mit so vielen, wie er kann, die sich für die Stundengebete
bereiteten,
die Chorhemden übergezogen und mit Kreuzen aus
Silber –
heraus kamen sie, um die Damen und den guten Minaya
zu empfangen.
Der zu guter Stunde geboren wurde, verzögerte es nicht
länger:
1587
Er zog den Überrock an, den Bart trägt er lang,
man sattelt ihm Bavieca, Kuvertüren wurden ihm
1585
aufgelegt,
Mio Cid kam auf ihm heraus und nahm Waffen aus Holz.
1589
Auf dem Pferd namens Bavieca reitet er,
er machte einen Proberitt, der war ganz außer1588
gewöhnlich!
Zweiter Gesang, 86
169
Cuando ovo corrido todos se maravillavan,
1590
d’es día se preció Bavieca en cuant grant fue España.
En el cabo del cosso mio Cid descavalgava,
adeliñó a su mugier e a sus fijas amas;
cuando lo vio doña Ximena a pies se le echava:
– ¡Merced, Campeador, en buen ora cinxiestes espada, 1595
sacada me avedes de muchas vergüenças malas!
Afeme aquí, señor, yo e vuestras fijas amas,
con Dios e convusco buenas son e criadas. –
A la madre e a las fijas bien las abraçava,
1600
del gozo que avién de los sos ojos lloravan.
Todas las sus mesnadas en grant deleit estavan,
armas tenién e tablados quebrantavan.
Oíd lo que dixo el que en buen ora cinxo espada:
– Vós, mugier querida e ondrada,
1605
e amas mis fijas, mi coraçón e mi alma,
entrad comigo en Valencia la casa,
en esta heredad que vos yo he ganada. –
Madre e fijas las manos le besavan,
a tan grand ondra ellas a Valencia entravan.
87
Adeliñó mio Cid con ellas al alcácer,
allá las subié en el más alto logar.
Ojos vellidos catan a todas partes,
1610
1592 descalgaua ms. 1594 pies] ṕes ms. 1597 yo uuestras fijas e amas
ms. 1601 delent ms. 1602 tenién] teniendo ms. | quebrantavan]
quebrantando ms. 1603 cinxo espada] nasco ms. 1604 f. Vos querida e
ondrada mugier e amas mis fijas / My coraçon e mi coraçon e mi alma ms.
1610 alcaçar ms.
170
Cantar segundo, 87
Als er zu Ende geritten war, staunten alle,
1590
von diesem Tag an wurde Bavieca hochgeschätzt in dem
ganzen großen Spanien.
Am Ende des Ritts stieg Mio Cid ab,
er ging auf seine Frau zu und seine beiden Töchter.
Als Frau Ximena ihn sah, warf sie sich ihm zu Füßen:
»Gnade, Campeador, zu guter Stunde gürtetet Ihr das
1595
Schwert,
Ihr habt mich befreit von vielen großen Schanden!
Seht mich hier, Herr, mich und Eure beiden Töchter,
mit Gott und mit Euch sind sie gut und großgewachsen.«
Die Mutter und die Töchter – wohl umarmte er sie,
vor Freude, die sie hatten, weinten sie aus ihren Augen. 1600
Alle seine Scharen waren in großem Entzücken,
führten Waffenspiele und brachen hölzerne Zielscheiben.
Hört, was er sagte, der zu guter Stunde das Schwert
gürtete:
»Ihr, geliebte und geehrte Frau,
und meine Töchter beide, mein Herz und meine Seele, 1605
tretet ein mit mir in Valencia, die Veste,
in dieses Erbeigentum, das ich für euch gewonnen habe.«
Mutter und Töchter – die Hände küssten sie ihm,
unter gar großen Ehren traten sie in Valencia ein.
87
Mio Cid ging mit ihnen auf die Burg zu,
dort brachte er sie hinauf, auf die höchste Stelle.
Schöne Augen blicken nach allen Seiten,
Zweiter Gesang, 87
1610
171
miran Valencia, cómmo yaze la cibdad,
e del otra parte a ojo han el mar,
miran la huerta, espessa es e grand;
alçan las manos por a Dios rogar
d’esta ganancia, commo es buena e grand.
Mio Cid e sus compañas tan a grand sabor están.
El ivierno es exido, que el março quiere entrar.
Dezirvos quiero nuevas de allent partes del mar,
de aquel rey Yúcef que en Marruecos está.
[33v]
1615
1620
88
Pesól’ al rey de Marruecos de mio Cid don Rodrigo:
– Que en mis heredades fuertemientre es metido
e él non ge lo gradece sinon a Jesucristo. –
Aquel rey de Marruecos ajuntava sus virtos,
con cincuaenta vezes mill de armas todos fueron
conplidos,
entraron sobre mar, en las barcas son metidos,
van buscar a Valencia, a mio Cid don Rodrigo;
arribado an las naves, fuera eran exidos.
1625
89
Llegaron a Valencia, la que mio Cid a conquista,
fincaron las tiendas e posan las yentes descreídas.
Estas nuevas a mio Cid eran venidas.
1623 fuerte mietre ms.
172
1626 conplidos corr., conpldos ms.
Cantar segundo, 88–89
1630
sie betrachten Valencia, wie die Stadt daliegt,
und auf der anderen Seite haben sie das Meer vor Augen,
1615
sie betrachten die Huerta, dicht ist sie und weit;
sie erheben die Hände, um Gott zu loben
für diese Eroberung, wie gut und groß sie ist.
Mio Cid und seine Scharen fühlen sich gar wohl.
Der Winter ist vergangen, der März will anbrechen.
Sagen möchte ich euch Neuigkeiten von jenseits des
1620
Meeres,
von jenem König Yúcef, der in Marruecos sitzt.
88
Es ärgerte sich der König von Marruecos über Mio Cid
Herrn Rodrigo:
»Dass er tief in mein Erbland eingedrungen ist,
und er dankt niemandem dafür außer Jesus Christus.« 1624
Jener König von Marruecos sammelte seine Streitkräfte,
mit fünfzig Mal tausend unter Waffen waren sie alle
vollständig.
Sie stachen in See, sie haben sich eingeschifft,
sie suchen Valencia auf und Mio Cid Herrn Rodrigo.
Die Schiffe sind gelandet, sie sind ausgestiegen.
89
Sie kamen nach Valencia, das Mio Cid erobert hat,
sie schlugen die Zelte auf und es lagern die ungläubigen
Scharen.
Diese Nachrichten waren zu Mio Cid gekommen.
Zweiter Gesang, 88–89
1630
173
90
– ¡Grado al Criador e al Padre espirital,
todo el bien que yo he todo lo tengo delant!
Con afán gané a Valencia e éla por heredad,
a menos de muert no la puedo dexar.
¡Grado al Criador e a Santa María madre,
mis fijas e mi mugier, que las tengo acá!
Venido m’es delicio de tierras d’allent mar,
entraré en las armas, non lo podré dexar;
mis fijas e mi mugier verme an lidiar,
en estas tierras agenas verán las moradas cómmo se
fazen,
afarto verán por los ojos cómmo se gana el pan. –
Su mugier e sus fijas subiólas al alcácer,
alçavan los ojos, tiendas vieron fincar:
– ¿Qué’s esto, Cid, sí el Criador vos salve? –
– ¡Ya mugier ondrada, non ayades pesar!
Riqueza es que nos acrece maravillosa e grand;
á poco que viniestes, presend vos quieren dar,
por casar son vuestras fijas, adúzenvos axuvar. –
– A vós grado, Cid, e al Padre spirital. –
– Mugier, sed en este palacio e, si quisiéredes, en el
alcácer;
1633 al] a ms.
174
1644 alcaçar ms.
Cantar segundo, 90
1645 fincadas ms.
1652 alcaçar ms.
1635
[34r]
1640
1645
1650
90
»Dank sei dem Schöpfer und dem geistigen Vater;
alles Gut, das ich besitze, alles habe ich vor mir!
Mit Mühe gewann ich Valencia, und ich habe es als
1635
Erbeigentum,
für weniger als den Tod kann ich es nicht hergeben.
Dank sei dem Schöpfer und der heiligen Mutter María,
meine Töchter und meine Frau, dass ich sie hier habe!
Wonne ist mir gekommen von den Ländern jenseits des
Meeres,
ich werde zu den Waffen greifen, ich werde es nicht
1640
unterlassen können;
meine Töchter und meine Frau werden mich kämpfen
sehen,
in diesen fremden Ländern werden sie sehen, welches
Leben man führt,
ausgiebig werden sie mit den Augen sehen, wie man sich
sein Brot verdient.«
Seine Frau und seine Töchter brachte er hinauf auf die Burg,
1645
sie erhoben die Augen, sie sahen Zelte aufschlagen:
»Was ist das, Cid, so Euch der Schöpfer selig mache?«
»Ach, geehrte Frau, habt keinen Kummer!
Reichtum ist es, der sich uns mehrt, erstaunlich und groß.
Kaum seid Ihr angekommen, will man Euch ein Geschenk
machen;
um Eure Töchter zu heiraten, bringt man Euch die
1650
Aussteuer herbei.«
»Euch danke ich, Cid, und dem geistigen Vater.«
»Frau, bleibt in diesem Palas oder, wenn Ihr wollt, in der
Burg,
Zweiter Gesang, 90
175
non ayades pavor porque me veades lidiar:
con la merced de Dios e de Santa María madre,
crécem’ el coraçón porque estades delant.
¡Con Dios aquesta lid yo la he de arrancar! –
1655
91
Fincadas son las tiendas e parecen los alvores,
a una grand priessa tañién los atamores.
Alegrávas’ mio Cid e dixo: – ¡Tan buen día es oy! –
Miedo á su mugier e quiérel’ quebrar el coraçón,
assí fazié a las dueñas e a sus fijas amas a dos,
del día que nasquieran non vieran tal tremor.
Prísos’ a la barba el buen Cid Campeador:
– Non ayades miedo, ca todo es vuestra pro.
Antes d’estos quinze días, si ploguiere al Criador,
[. . . . . . . . . . . .] aquellos atamores
a vós los pondrán delant e veredes cuáles son,
desí an a ser del obispo don Jerónimo,
colgarlos han en Santa María, madre del Criador. –
Vocación es que fizo el Cid Campeador.
Alegres son las dueñas, perdiendo van el pavor.
Los moros de Marruecos cavalgan a vigor,
por las huertas adentro entran sines pavor.
1665 a criador ms. 1666b cuáles son] quanles son ms.; s. Komm.
1668 criad ms. (beschnitten) 1670 Alegre son ms. 1672 entran]
estan ms.
176
Cantar segundo, 91
1660
[34v]
1665
1666b
1670
habt keine Angst, wenn Ihr mich kämpfen seht.
Mit der Gnade Gottes und der heiligen Mutter María
wächst mir das Herz, weil Ihr anwesend seid.
Mit Gott, diese Schlacht – ich werde sie gewinnen!«
1655
91
Aufgeschlagen sind die Zelte und die Morgenröte
erscheint,
in großer Eile wirbelte man die Trommeln.
Es freute sich Mio Cid und sagte: »So ein guter Tag ist
heute!«
1660
Angst hat seine Frau, und das Herz will ihr brechen,
ebenso erging es den Damen und den Töchtern beiden
gemeinsam;
seit dem Tag, an dem sie geboren wurden, hatten sie kein
solches Beben erlebt.
Er ergriff seinen Bart, der gute Cid Campeador:
»Habt keine Angst, denn alles ist zu eurem Vorteil.
Ehe fünfzehn Tage vergangen sind, falls es dem Schöpfer
1665
gefallen sollte –
[…] jene Pauken
wird man vor euch hinlegen und ihr werdet sehen, wie sie
1666b
sind.
Danach werden sie dem Bischof Herrn Jerónimo gehören,
auf hängen wird man sie in Santa María, Mutter des
Schöpfers.«
Das ist eine Weihung, die der Cid Campeador gewährte.
Froh sind die Damen, zunehmend verlieren sie die Angst.
1671
Die Mauren aus Marruecos reiten kraftvoll,
durch die Äcker hinein dringen sie ohne Angst.
Zweiter Gesang, 91
177
92
Violo el atalaya e tanxo el esquila,
prestas son las mesnadas de las yentes cristianas,
adóbanse de coraçón e dan salto de la villa;
do·s’ fallan con los moros cometiénlos tan aína,
sácanlos de las huertas mucho a fea guisa,
quinientos mataron d’ellos conplidos en es día.
1675
93
Bien fata las tiendas dura aqueste alcaz,
mucho avién fecho, piénsanse de tornar;
1680
Álbar Salvadórez preso fincó allá.
Tornados son a mio Cid los que comién so pan,
él se lo vio con los ojos, cuéntangelo delant;
alegre es mio Cid por cuanto fecho han:
1685
– ¡Oídme, cavalleros, non rastará por ál:
oy es día bueno e mejor será cras!
Por la mañana prieta todos armados seades,
1689
el obispo don Jerónimo soltura nos dará,
dezirnos ha la missa e pensad de cavalgar.
1688
Irlos hemos ferir en aquel día de cras
1690 [35r]
en el nombre del Criador e del apóstol Santi Yagüe. 1690b
'
1679 tiendas ms. , tierras ms. 1680 piénsase de tornar] piessan de
caualgar ms. 1687 manana ms. 1690 en aquel día de cras] nicht in ms.;
s. Komm.
178
Cantar segundo, 92–93
92
Das sah der Wächter und läutete die Glocke,
die Scharen der christlichen Heere sind bereit,
sie rüsten sich von Herzen und sprengen aus der Stadt
1675
hervor.
Wo sie auf die Mauren treffen, griffen sie sie schnell an,
sie holen sie aus den Äckern heraus auf sehr hässliche Art;
genau fünf hundert von ihnen töteten sie an diesem Tag.
93
Bis hin zu den Zelten dauert diese Verfolgung,
viel hatten sie getan, sie beginnen zurückzukehren;
1680
Álbar Salvadórez blieb dort gefangen.
Zu Mio Cid sind die zurückgekehrt, die von seinem Brot
essen:
Er hatte es mit den Augen gesehen – sie berichten es vor
ihm.
Froh ist Mio Cid über alles, was sie getan haben:
1685
»Hört mir zu, Ritter, es wird nicht anders sein:
Heute ist ein guter Tag und morgen wird ein besserer sein!
Am Morgen früh seid alle bewaffnet,
der Bischof Herr Jerónimo wird uns die Absolution
geben,
er wird uns die Messe lesen, und dann beginnt zu
reiten.
Wir werden gehen, mit ihnen zu kämpfen am morgigen
1690
Tag
im Namen des Schöpfers und des Apostels Santi
1690b
Yagüe.
Zweiter Gesang, 92–93
179
¡Más vale que nós los vezcamos que ellos cojan el pan! –
Essora dixieron todos: – ¡D’amor e de voluntad! –
Fablava Minaya, non lo quiso detardar:
1694
– Pues esso queredes, Cid, a mí mandedes ál:
dadme ciento e treinta cavalleros pora huebos de lidiar,
cuando vós los fuéredes ferir, entraré yo del otra part;
o de amas o del una Dios nos valdrá. –
Essora dixo el Cid: – De buena voluntad. –
94
Es día es salido e la noch es entrada,
1700
no·s’ detardan de adobasse essas yentes cristianas.
A los mediados gallos, antes de la manana,
el obispo don Jerónimo la missa les cantava;
la missa dicha, grant sultura les dava:
– El que aqui muriere lidiando de cara,
1705
préndol’ yo los pecados e Dios le abrá el alma.
A vós, Cid don Rodrigo, en buen ora cinxiestes espada,
yo vos canté la missa por aquesta mañana;
pídovos una dona e séam’ presentada:
las feridas primeras que las aya yo otorgadas. –
Dixo el Campeador – Des aqui vos sean mandadas. – 1710
1691 pan ms., campo corr. 1699 es entrada] entrada es ms.
1708 vn don … presentado ms.
180
Cantar segundo, 94
Es ist besser, dass wir sie besiegen, als dass sie uns das Brot
nehmen!«
Das sagten alle: »Von Herzen und willentlich!«
Minaya sprach, er möchte es nicht aufschieben:
»Da Ihr das wollt, Cid, so befehlt mir etwas anderes:
1695
gebt mir hundertdreißig Ritter zum Kämpfen;
wenn Ihr geht, auf sie einzuschlagen, werde ich von der
anderen Seite eindringen;
auf beiden Seiten oder auf einer – Gott wird uns beistehen.«
Da sagte der Cid: »Mit gutem Willen.«
94
Dieser Tag ist vergangen und die Nacht ist angebrochen.
Sie zögern nicht, sich zu rüsten, jene christlichen
1700
Heerscharen.
Beim zweiten Hahnenschrei, vor dem Morgen,
der Bischof Herr Jerónimo las ihnen die Messe.
Nach gelesener Messe erteilte er ihnen eine große
Absolution:
»Wer hier sterben sollte, mit dem Gesicht zum Feind
kämpfend,
dem vergebe ich die Sünden und Gott wird seine Seele
1705
aufnehmen.
Euch, Cid Herr Rodrigo, zu guter Stunde gürtetet Ihr das
Schwert –
ich habe Euch die Messe gesungen für diesen Morgen;
ich bitte Euch um eine Gabe und möge sie mir gewährt
werden:
1709
Die ersten Schläge: seien sie mir zugestanden.«
Der Campeador sagte: »Hiermit seien sie Euch anbefohlen.«
Zweiter Gesang, 94
181
95
Por las torres de Valencia salidos son todos armados,
mio Cid a los sos vassallos tan bien los acordando;
dexan a las puertas omnes de grant recabdo.
Dio salto mio Cid en Bavieca, el so cavallo,
1715
de todas guarnizones muy bien es adobado.
La seña sacan fuera, de Valencia dieron salto,
[35v]
cuatro mill menos treinta con mio Cid van a cabo,
a los cincuaenta mill vanlos ferir de grado;
Álvar Álvarez e Álbar Fáñez entráronles del otro
1719–20
cabo.
Plogo al Criador e ovieron de arrancarlos.
Mio Cid enpleó la lança, al espada metió mano,
atantos mata de moros que non fueron contados,
por el cobdo ayuso la sangre destellando.
1725
Al rey Yúcef tres colpes le ovo dados,
saliós’le de so l’espada, ca mucho l’andido el cavallo,
metiós’le en Gujera, un castiello palaciano.
Mio Cid el de Bivar fasta allí llegó en alcanço
con otros que·l’ consiguen de sus buenos vassallos.
1730
Desd’allí se tornó el que en buen ora nasco,
mucho era alegre de lo que han caçado;
allí preció a Bavieca de la cabeça fasta a cabo.
Toda esta ganancia en su mano á rastado.
1719 f. Aluar aluarez e Álvar Salvadórez e
minaya albarfanez / Entraron les del otro cabo ms.; s. Komm.
1721 ouieron los de arrancar ms. 1728 alcanço] alcaz ms. 1733 toda corr.,
todo ms.
1711 valençia al., vançia ms.
182
Cantar segundo, 95
95
Durch die Türme von Valencia sind alle bewaffnet
herausgeritten,
Mio Cid unterweist seine Vasallen sehr genau.
Sie überlassen die Tore Männern mit großer Vorsicht.
Hinaus sprengte Mio Cid auf Bavieca, seinem Ross,
1715
mit allem Rüstzeug ist er sehr gut ausgestattet.
Das Banner bringen sie heraus, aus Valencia sprengen sie
hervor,
viertausend weniger dreißig sind an der Seite von Mio Cid,
die fünfzigtausend gehen sie bereitwillig angreifen.
Álvar Álvarez und Álbar Fáñez drangen vom anderen Ende
1719–20
her auf sie ein.
Es gefiel dem Schöpfer, und sie mussten sie besiegen.
Mio Cid gebrauchte die Lanze, ans Schwert legte er die
Hand.
Er tötet so viele von den Mauren, dass sie nicht gezählt
wurden,
am Ellenbogen hinab das Blut tropfend.
Dem König Yúcef – drei Schläge hatte er ihm versetzt, 1725
der entkam ihm von unter seinem Schwert, denn gar
schnell lief sein Pferd,
er schlüpfte in Gujera ein, einer Burg wie ein Palast.
Mio Cid, der aus Bivar – bis dorthin kam er auf Verfolgung
mit anderen seiner guten Vasallen, die ihm folgen.
Von dort aus kehrte er zurück, der zu guter Stunde geboren
1730
wurde,
sehr froh war er über das, was sie erjagt haben.
Dort schätzte er Bavieca vom Kopf bis zum Schwanz.
Diese ganze Beute ist in seine Hand gelangt.
Zweiter Gesang, 95
183
Los cincuaenta mill por cuenta fueron notados,
non escaparon más de ciento e cuatro.
Mesnadas de mio Cid robado an el canpo,
entre oro e plata fallaron tres mill marcos,
de las otras ganancias non avía recabdo.
Alegre era mio Cid e todos sos vassallos,
que Dios le ovo merced que vencieron el canpo.
Cuando al rey de Marruecos assí lo han arrancado,
dexó a Álbar Fáñez por saber todo recabdo;
con ciento cavalleros a Valencia es entrado,
fronzida trae la cara, que era desarmado;
assí entró sobre Bavieca, el espada en la mano.
Recibiénlo las dueñas, que lo están esperando.
Mio Cid fincó ant’ellas, tovo la rienda al cavallo:
– A vós me omillo, dueñas, grant prez vos he gañado;
vós teniendo Valencia e yo vencí el campo.
Esto Dios se lo quiso con todos los sos santos,
cuando en vuestra venida tal ganancia nos an dado.
¿Vedes el espada sangrienta e sudiento el cavallo?
Con tal cum esto se vencen moros del campo.
Rogad al Criador que vos biva algunt año,
1735
1740
[36r]
1745
1750
1734 fuero ms. 1735 de ergänzt corr. 1738 de] nicht in ms. 1740 le ms.,
les corr. 1742 a Álbar] albar ms. 1747 tovo ms., e tovo corr. 1751 dado]
dada ms. 1754 Rogand ms.
184
Cantar segundo, 95
Die fünfzigtausend wurden genau gezählt,
1735
es entkamen nicht mehr als hundertundvier.
Die Scharen des Mio Cid – geplündert haben sie das
Schlachtfeld,
an Gold und Silber fanden sie dreitausend Mark,
die übrige Beute konnte nicht gezählt werden.
Froh war Mio Cid, und alle seine Vasallen,
dass Gott ihm gnädig gewesen war, dass sie auf dem
1740
Schlachtfeld siegten.
Als sie den König von Marruecos auf diese Weise besiegt
haben,
ließ er Álbar Fáñez zurück, um genau Rechnung
aufzustellen;
mit hundert Rittern ist er in Valencia eingezogen,
runzlig ist sein Gesicht, denn er war ohne Rüstung.
So kam er auf Bavieca herein, das Schwert in der Hand. 1745
Es empfingen ihn die Damen, die ihn erwartet haben.
Mio Cid blieb vor ihnen stehen, er zog dem Pferd die
Zügel an:
»Vor euch verneige ich mich, Damen, große Ehre habe ich
für euch gewonnen;
ihr hieltet Valencia, und ich siegte auf dem Feld.
1750
Das wollte Gott so mit allen seinen Heiligen,
dass sie bei eurer Ankunft uns solchen Gewinn gegeben
haben.
Seht ihr das blutige Schwert und das schweißbedeckte
Pferd?
Auf solche Weise besiegt man die Mauren auf dem
Schlachtfeld.
Bittet den Schöpfer, dass ich euch noch einige Jahre am
Leben bleibe,
Zweiter Gesang, 95
185
entraredes en prez e besarán vuestras manos. –
1755
Esto dixo mio Cid diciendo del cavallo.
Cuando·l’ vieron de pie, que era descavalgado,
las dueñas e las fijas e la mugier, que vale algo,
1759
delant el Campeador los inojos fincaron:
– ¡Somos en vuestra merced e bivades muchos años! –
En buelta con él entraron al palacio
e ivan posar con él en unos preciosos escaños:
– Ya mugier doña Ximena, ¿no·m’ lo aviedes rogado?
Estas dueñas que aduxiestes, que vos sirven tanto,
1765
quiérolas casar con de aquestos mios vassallos;
a cada una d’ellas doles dozientos marcos,
que lo sepan en Castiella a quién sirvieron tanto.
[36v]
Lo de vuestras fijas venirse á más por espacio. –
Levantáronse todas e besáronle las manos.
1770
Grant fue el alegría que fue por el palacio;
commo lo dixo el Cid, assí lo han acabado.
Minaya Álbar Fáñez fuera era en el campo
con todas estas yentes escriviendo e contando.
Entre tiendas e armas e vestidos preciados,
1775
tanto fallan d’esto que es mucho sobejano.
Quiérovos dezir lo que es más granado:
1763 daña ms.
1766 marcos] marcos de plata ms.; s. Komm. 1775 mucho
sobejano] cosa sobejano ms., cosa sobejana corr.; s. Komm.
186
Cantar segundo, 95
ihr werdet zu hohen Ehren gelangen, und man wird eure
1755
Hände küssen.«
Dies sagte Mio Cid, indem er vom Pferde stieg.
Als sie ihn zu Fuß sahen, weil er abgestiegen war –
die Damen und die Töchter und die Frau edler
Abstammung,
vor dem Campeador gingen sie in die Knie:
»Wir stehen in Eurer Gnade und möget Ihr noch viele Jahre
1760
leben!«
Zusammen mit ihm traten sie in den Palas ein
und gingen und ließen sich mit ihm auf kostbare Bänke
nieder:
»Ach, Gemahlin, Frau Ximena, hattet Ihr mich nicht
darum gebeten?
Diese Damen, die Ihr mitbrachtet, die Euch so eifrig
1764
dienen,
ich möchte sie mit diesen meinen Vasallen verheiraten;
jeder von ihnen gebe ich zweihundert Mark,
dass man es in Castiella wisse, wem sie so eifrig
dienten.
Was Eure Töchter betrifft, muss es noch etwas langsamer
gehen.«
Sie erhoben sich alle und küssten ihm die Hände.
1770
Groß war die Freude, die im Palas herrschte;
wie es Mio Cid gesagt hatte, so hat man es ausgeführt.
Minaya Álbar Fáñez war draußen auf dem Feld
mit all diesen Scharen, schreibend und zählend.
An Zelten und Waffen und kostbaren Kleidern –
so viel finden sie von all dem, dass es ganz über die
1775
Maßen ist.
Ich möchte euch sagen, was am bedeutendsten ist:
Zweiter Gesang, 95
187
non pudieron ellos saber la cuenta de todos los cavallos
que andan arriados e non ha qui tomallos;
los moros de las tierras ganado se an ý algo.
1780
Maguer de todo esto, el Campeador contado
de los buenos e otorgados cayéronle mill e quinientos
cavallos;
cuando a mio Cid cayeron tantos,
1782b
los otros bien pueden fincar pagados.
¡Tanta tienda preciada e tanto tendal obrado
que á ganado mio Cid con todos sus vassallos!
La tienda del rey de Marruecos, que de las otras es cabo,
1786
dos tendales la sufren con oro son labrados;
mandó mio Cid Ruy Díaz, que en buen hora nasco,
que fita soviesse la tienda e non la tolliesse dent cristiano:
– Tal tienda commo ésta, que de Marruecos á passado,
1790
enbiarla quiero a Alfonso el castellano, –
que croviesse sos nuevas de mio Cid, que avié algo.
Con aquestas riquezas tantas a Valencia son entrados.
El obispo don Jerónimo, caboso coronado,
cuando es farto de lidiar con amas las sus manos,
1795 [37r]
non tiene en cuenta los moros que ha matados.
Lo que cayé a él mucho era sobejano;
1787 f. Mando myo çid Ruy diaz que fita souiesse la tienda / E non la
tolliesse dent christiano ms.; s. Komm. 1789 es passada ms.
188
Cantar segundo, 95
Sie konnten nicht die gesamte Anzahl der Pferde
ausmachen,
die ausgerüstet umherlaufen, und es gibt keinen, sie
einzufangen.
Die Mauren dieser Länder haben sich dort etwas verdient.
1780
Trotz all dem: dem berühmten Campeador –
von den guten und ausgewählten entfielen auf ihn
tausendfünf hundert Pferde.
Wenn auf Mio Cid so viele entfielen –
1782b
die anderen können wohl zufrieden sein.
So viele kostbare Zelte und so viele schön gearbeitete
Zeltstangen,
die Mio Cid gewonnen hat mit all seinen Vasallen!
Das Zelt des Königs von Marruecos, das die anderen
1785
übertrifft –
zwei Zeltstangen tragen es, die aus Gold gearbeitet sind.
Es befahl Mio Cid Ruy Díaz, der zu guter Stunde geboren
wurde,
dass das Zelt aufgestellt bleiben und kein Christ es von
dort fortnehmen sollte:
»Ein solches Zelt wie dieses, das von Marruecos
herübergekommen ist –
1790
ich möchte es Alfonso dem Kastilier schicken«,
damit er den Nachrichten über Mio Cid glauben solle, dass
der einiges besitze.
Mit diesen großen Reichtümern sind sie in Valencia
eingezogen.
Der Bischof Herr Jerónimo, treff licher Tonsurierter,
als er es satt war, mit seinen beiden Händen zu kämpfen,
1795
kann er nicht die Mauren zählen, die er getötet hat.
Was auf ihn entfiel, war übermäßig zahlreich;
Zweiter Gesang, 95
189
mio Cid don Rodrigo, el que en buen ora nasco,
de toda la su quinta el diezmo l’á mandado.
96
Alegres son por Valencia las yentes cristianas,
¡tantos avién de averes, de cavallos e de armas!
1800
Alegre es doña Ximena e sus fijas amas
e todas las otras dueñas que·s’ tienen por casadas.
El bueno de mio Cid non lo tardó por nada:
– ¿Dó sodes, caboso? ¡Venid acá, Minaya!
1805
De lo que a vós cayó vós non gradecedes nada;
d’esta mi quinta (dígovos sin falla)
prended lo que quisiéredes, lo otro remanga;
e cras a la mañana irvos hedes sin falla
con cavallos d’esta quinta que yo he ganada,
1810
con siellas e con frenos e con señas espadas;
por amor de mi mugier e de mis fijas amas,
porque assí las enbió dond’ellas son pagadas,
estos dozientos cavallos irán en presentajas,
que non diga mal el rey Alfonso del que Valencia manda. –
1815
Mandó a Pero Vermúez que fuesse con Minaya.
Otro día mañana privado cavalgavan
e dozientos omnes lievan en su conpaña,
con saludes del Cid, que las manos le besava,
1802 las] la ms. | que·s’] que ms.
190
Cantar segundo, 96
Mio Cid Herr Rodrigo, der zu guter Stunde geboren
wurde –
von seinem ganzen Fünften hat er ihm den Zehnten
zugewiesen.
96
Froh sind in Valencia die christlichen Heerscharen,
so viel hatten sie an Gütern, an Pferden und an Waffen!
1801
Froh ist Frau Ximena und ihre beiden Töchter
und all die anderen Damen, die sich als verheiratet
betrachten.
Der gute Mio Cid verzögerte es um nichts:
»Wo seid Ihr, Treff licher? Kommt her, Minaya!
Von dem, was auf Euch entfiel, schuldet Ihr niemandem
1805
etwas;
von diesem meinem Fünften, das sage ich ganz bestimmt,
nehmt, was Ihr wollt, der Rest soll bleiben.
Und morgen in der Früh sollt Ihr unverzüglich auf brechen,
mit Pferden dieses Fünften, den ich gewonnen habe,
mit Sätteln und mit Zügeln und den jeweiligen
1810
Schwertern;
aus Liebe zu meiner Frau und zu meinen Töchtern beiden,
weil er sie so herschickte, wo sie zufrieden sind,
diese zweihundert Pferde werden als Geschenk mitgehen,
damit der König Alfonso nicht übel spricht von dem, der
Valencia regiert.«
1815
Er befahl Pero Vermúez, dass er mit Minaya gehe.
Am folgenden Tag in der Früh ritten sie eilig,
und zweihundert Männer führen sie in ihrer Schar,
mit Grüßen vom Cid, der ihm die Hände küsse;
Zweiter Gesang, 96
191
d’esta lid que ha arrancada
dozientos cavallos le enbiava en presentaja:
– E servirlo he sienpre mientra que ovisse el alma. –
1819b
1820
97
Salidos son de Valencia e piensan de andar,
tales ganancias traen que son a aguardar.
Andan los días e las noches, que vagar non se dan,
e passada han la sierra que las otras tierras parte.
Por el rey don Alfonso tómanse a preguntar.
[37v]
1825
98
Passando van las tierras e los montes e las aguas,
llegan a Valladolid, do el rey Alfonso estava.
Enviávanle mandado Pero Vermúez e Minaya
que mandasse recebir a esta conpaña:
mio Cid el de Valencia envía su presentaja.
1830
99
Alegre fue el rey, non viestes atanto,
mandó cavalgar apriessa todos sos fijosdalgo,
1822 que corr., q ms. 1823 f. Andan los días e las noches e passada han la
sierra / Que las otras tierras parte ms.; s. Komm. 1828 enviauanle corr.,
enviauale ms. 1832 tosdos ms.', tos ms.
192
Cantar segundo, 97–99
von dieser Schlacht, die er gewonnen habe –
zweihundert Pferde schicke er ihm als Geschenk:
»Und dienen werde ich ihm immer, solange ich meine
Seele habe.«
1819b
1820
97
Herausgezogen sind sie aus Valencia und beginnen
fortzureiten,
so große Schätze führen sie mit sich, die bewacht werden
müssen.
Sie ziehen bei Tag und bei Nacht, denn Ruhe gönnen sie
sich nicht,
und überquert haben sie die Bergkette, welche die anderen
1824
Länder abtrennt.
Nach dem König Herrn Alfonso beginnen sie zu fragen.
98
Sie durchqueren nach und nach die Länder und die Berge
und die Gewässer,
sie gelangen nach Valladolid, wo sich der König Alfonso
auf hielt.
Sie schickten ihm Botschaft, Pero Vermúez und Minaya,
dass er Befehl gebe, diese Schar zu empfangen:
1830
Mio Cid, der aus Valencia, schicke sein Geschenk.
99
Froh war der König, nie saht ihr dergleichen.
Er befahl allen seinen Adeligen, schnell aufzusitzen;
Zweiter Gesang, 97–99
193
ý en los primeros el rey fuera dio salto,
a ver estos mensajes del que en buen ora nasco.
1835
Los ifantes de Carrión, sabet, ý s’acertaron,
e el conde don García, so enemigo malo.
A los unos plaze e a los otros va pesando.
A ojo los avién los del que en buen ora nasco,
cuédanse que es almofalla, ca non vienen con mandado;
1840
el rey don Alfonso seíse santiguando.
Minaya e Per Vermúez adelante son llegados,
firiéronse a tierra, decendieron de los cavallos;
ant’el rey Alfonso los inojos fincados,
besan la tierra e los pies amos:
1845
– ¡Merced, rey Alfonso, sodes tan ondrado!
Por mio Cid el Campeador todo esto vos besamos,
a vós llama por señor e tiénes’ por vuestro vassallo; [38r]
mucho precia la ondra el Cid que l’avedes dado.
Pocos días ha, rey, que una lid á arrancado:
1850
a aquel rey de Marruecos, Yúcef por nombrado,
con cincuaenta mill arrancólos del campo;
las ganancias que fizo non son con recabdo,
ricos son venidos todos los sos vassallos,
e embíavos dozientos cavallos e bésavos las manos. –
1855
Dixo el rey don Alfonso: – Recíbolos de grado.
1836 e el] El ms.
1838 los] lo ms. 1848 el ergänzt corr. 1852 non son
con recabdo] mucho son sobeianas ms.; s. Komm.
194
Cantar segundo, 99
dort, unter den ersten, sprengte der König hinaus,
um die Botschaft dessen zu sehen, der zu guter Stunde
geboren wurde.
Die Infanten von Carrión, wisset, stellten sich dort ein 1835
und der Graf Herr García, sein böser Feind.
Den einen gefällt es und den anderen missfällt es mehr
und mehr.
Sie wurden ihrer ansichtig, derer von dem, der zu guter
Stunde geboren wurde.
Sie glauben, es ist ein Heer, da sie ohne Ankündigung
kommen;
1840
der König Herr Alfonso bekreuzigte sich.
Minaya und Per Vermúez sind zuerst angelangt,
sie sprangen zu Boden, sie stiegen von den Pferden ab.
Vor dem König Alfonso, die Knie gebeugt,
küssen sie den Boden und beide Füße.
1845
»Gnade, König Alfonso, Ihr seid gar hoch geehrt!
An Stelle von Mio Cid, dem Campeador, küssen wir Euch
dies alles,
er spricht Euch als seinen Herrn an und hält sich für Euren
Vasallen;
hoch schätzt der Cid die Ehre, die Ihr ihm erwiesen habt.
Es ist wenige Tage her, König, dass er eine Schlacht
gewonnen hat:
1850
Jenen König von Marruecos, Yúcef wird er genannt,
mit fünfzigtausend – er hat sie im Felde geschlagen.
Die Beute, die er gemacht hat, kann nicht gezählt werden,
reich sind sie geworden, alle seine Vasallen,
und er schickt Euch zweihundert Rosse und küsst Euch die
1854
Hände.«
Der König Herr Alfonso sagte: »Ich empfange sie gern.
Zweiter Gesang, 99
195
Gradéscolo a mio Cid, que tal don me ha enbiado;
aún vea el ora que de mí sea pagado. –
Esto plogo a muchos e besáronle las manos;
pesó al conde don García e mal era irado,
con diez de sos parientes aparte davan salto:
– ¡Maravilla es del Cid, que su ondra crece tanto!
En la ondra que él ha nós seremos abiltados;
por tan biltadamientre vencer reyes del campo,
commo si los fallasse muertos aduzirse los cavallos,
por esto que él faze nós avremos enbargo. –
1860
1865
99b
Fabló el rey don Alfonso e dixo esta razón:
– Grado al Criador e al señor Sant Esidro el de León
100
estos dozientos cavallos que m’enbía mio Cid;
mio reino adelant mejor me podrá servir.
A vós, Minaya Álbar Fáñez, e a Pero Vermúez aquí
1870
mándovos los cuerpos ondradamientre servir e vestir [38v]
e guarnirvos de todas armas commo vós dixiéredes aquí,
que bien parescades ante Ruy Díaz mio Cid;
1857 el] nicht in ms.
1870 e a] τ ea ms.
ondra mientre ms.
196
Cantar segundo, 99b–100
1871 ondrada mientre corr.,
Ich danke Mio Cid, dass er mir ein solches Geschenk
gesandt hat;
möge ich noch die Stunde erleben, wo er von mir belohnt
wird.«
Dies gefiel vielen, und sie küssten ihm die Hände;
es missfiel dem Grafen Herrn García, und er war übel
erzürnt.
1860
Mit zehn seiner Verwandten trat er zur Seite:
»Erstaunlich ist es vom Cid, dass sein Ansehen derart
zunimmt!
Durch das Ansehen, das er hat, werden wir erniedrigt.
Weil er Könige so schändlich auf dem Schlachtfeld besiegt,
als ob er sie tot vorfände und ihre Pferde herbeiführt –
1865
durch das, was er tut, werden wir Schaden tragen.«
99b
Der König Herr Alfonso sprach und sagte folgende Worte:
»Dank sei dem Schöpfer und dem Herrn Sankt Esidro,
dem von León,
100
für diese zweihundert Pferde, die mir Mio Cid schickt;
meinem Reich wird er künftig besser dienen können.
Euch, Minaya Álbar Fáñez und Pero Vermúez hier,
heiße ich die Leiber ehrenvoll bedienen und bekleiden
und euch ausstatten mit allen Waffen, wie ihr es hier
anordnen mögt,
damit ihr eine gute Erscheinung macht vor Ruy Díaz
Mio Cid.
Zweiter Gesang, 99b–100
1870
197
dóvos tres cavallos e prendedlos aquí.
Assí commo semeja e la veluntad me lo diz,
todas estas nuevas a bien abrán de venir. –
1875
101
Besáronle las manos e entraron a posar;
bien los mandó servir de cuanto huebos han.
De los ifantes de Carrión yo vos quiero contar,
fablando en su consejo, aviendo su poridad:
1880
– Las nuevas del Cid mucho van adelant,
demandemos sus fijas pora con ellas casar,
creçremos en nuestra ondra e iremos adelant. –
1884
Vinién al rey Alfonso con esta poridad:
– ¡Merced vos pedimos commo a rey e a señor natural!
102
Con vuestro consejo lo queremos fer nós,
que nos demandedes fijas del Campeador;
casar queremos con ellas a su ondra e a nuestra pro. –
Una grant ora el rey pensó e comidió:
– Yo eché de tierra al buen Campeador,
e faziendo yo a él mal e él a mí grand pro,
del casamiento non sé si s’abrá sabor;
mas, pues bós lo queredes, entremos en la razón. –
198
Cantar segundo, 101–102
1890
Ich gebe euch drei Pferde, und nehmt sie hier hin.
So, wie es aussieht und der Wille mir sagt –
alle diese Neuigkeiten werden zum Guten gedeihen.«
1875
101
Sie küssten ihm die Hände und gingen hinein, Herberge zu
nehmen;
sie gut zu bedienen befahl er, mit allem, was sie brauchen.
Von den Infanten von Carrión möchte ich euch erzählen,
wie sie in ihrem Rat sprechen, im Geheimen verhandelnd:
1881
»Das Ansehen des Cid wächst stark an;
halten wir um seine Töchter an, um sie zu heiraten.
Wir werden in unserem Ansehen wachsen, und wir
werden Fortschritte machen.«
Sie kamen zum König Alfonso mit diesem Geheimnis:
»Um eine Gnade bitten wir Euch, als König und
1885
natürlichen Herrn!
102
Mit Eurem Rat wollen wir es tun,
dass Ihr für uns anhaltet um die Töchter des Campeador;
wir wollen sie heiraten, zu ihrer Ehre und zu unserem
Vorteil.«
Eine lange Weile dachte der König nach und wägte ab:
1890
»Ich verwies des Landes den guten Campeador,
und da ich ihm Übel zufügte und er mir viel Gutes,
diese Ehe – ich weiß nicht, ob sie ihm gefallen wird;
doch da ihr danach verlangt, so lasst uns darüber
verhandeln.«
Zweiter Gesang, 101–102
199
A Minaya Álbar Fáñez e a Pero Vermúez
el rey don Alfonso essora los llamó,
a una cuadra elle los apartó:
– ¡Oídme, Minaya, e vós, Per Vermúez!
Sírvem’ mio Cid el Campeador,
él lo merece e de mí abrá perdón;
viniéssem’ a vistas, si oviesse dent sabor.
Otros mandados ha en esta mi cort:
Diego e Ferrando, los ifantes de Carrión,
sabor han de casar con sus fijas amas a dos.
Sed buenos mensageros e ruégovoslo yo
que ge lo digades al buen Campeador;
abrá ý ondra e creçrá en onor
por consagrar con los ifantes de Carrión. –
Fabló Minaya e plogo a Per Vermúez:
– Rogárgelo emos lo que dezides vós,
después faga el Cid lo que oviere sabor. –
– Dezid a Ruy Díaz, el que en buen ora nació,
que l’iré a vistas do aguisado fuere;
do él dixiere, ý sea el mojón;
andarle quiero a mio Cid en toda pro. –
Espidiénse al rey, con esto tornados son;
van pora Valencia ellos e todos los sos.
Cuando lo sopo el buen Campeador,
apriessa cavalga, a recebirlos salió;
sonrisós’ mio Cid e bien los abraçó:
1895
[39r]
1898b
1900
1905
1910
1915
1898 f. Siruem myo çid el campeador el lo merece [a merecer yo corr.] /
E de mi abra perdon viniessem a vistas si ouiesse dent sabor ms.
1910 dezid ms., diredes al. | nasco ms.; s. Komm. 1911 fuere aguisado ms.;
s. Komm. 1914 Espidiensse ms., despidiensse al.
200
Cantar segundo, 102
Den Minaya Álbar Fáñez und den Pero Vermúez –
1895
der König Herr Alfonso rief sie sogleich herbei,
in einen Raum führte er sie beiseite:
»Hört mir zu, Minaya, und Ihr, Per Vermúez!
Es dient mir Mio Cid der Campeador
er verdient es und wird von mir Vergebung erhalten. 1898b
Er soll mir zu Hofe kommen, wenn dies in seinem
Gefallen ist.
Weitere Angelegenheiten hat er in diesem meinen Hof:
1901
Diego und Ferrando, die Infanten von Carrión,
haben den Wunsch, seine Töchter beide gemeinsam zu
heiraten.
Seid gute Botschafter, und ich bitte euch darum,
dass ihr es dem guten Campeador sagt.
Es wird dabei Ansehen geben und sein Familienbesitz wird
1905
wachsen,
wenn er sich mit den Infanten von Carrión verschwägert.«
Minaya sprach und es gefiel Per Vermúez:
»Wir werden ihn um das bitten, was Ihr sagt,
danach möge der Cid tun, wie es ihm gefalle.«
1910
»Sagt Ruy Díaz, der zu guter Stunde geboren wurde,
dass ich für ihn zum Hoftag gehen werde, wohin es
angemessen sei;
wo er es bestimme, dort sei der Treffpunkt.
Ich möchte Mio Cid in allem Vorteil entgegenkommen.«
Sie verabschiedeten sich vom König, damit sind sie
zurückgekehrt;
1915
sie ziehen nach Valencia, sie und all die Ihrigen.
Als das der gute Campeador erfuhr –
schnell reitet er, sie zu empfangen zog er hinaus.
Mio Cid lächelte und umarmte sie kräftig.
Zweiter Gesang, 102
201
– ¡Venides, Minaya, e vós, Pero Vermúez!
¡En pocas tierras á tales dos varones!
¿Cómmo son las saludes de Alfonso, mio señor,
si es pagado o recibió el don? –
Dixo Minaya: – ¡D’alma e de coraçón
es pagado e davos su amor! –
Dixo mio Cid: – ¡Grado al Criador! –
Esto diziendo, conpieçan la razón,
lo que·l’ rogava Alfonso el de León
de dar sus fijas a los ifantes de Carrión,
que·l’ coñoscié ý ondra e creçrié en onor,
que ge lo consejava d’alma e de coraçón.
Cuando lo oyó mio Cid el buen Campeador,
una grand ora pensó e comidió:
– ¡Esto gradesco a Christus el mio señor!
Echado fu de tierra e, tollida la onor,
con grand afán gané lo que he yo.
A Dios lo gradesco, que del rey he su amor
e pídenme mis fijas pora los ifantes de Carrión.
Ellos son mucho urgullosos e an part en la cort;
d’este casamiento non avría sabor,
mas, pues lo conseja el que más vale que nós,
fablemos en ello, en la poridad seamos nós.
¡Afé Dios del cielo, que nos acuerde en lo mijor! –
– Con todo esto a vós dixo Alfonso
que vos vernié a vistas do oviéssedes sabor,
querervos ie ver e darvos su amor,
1929 creçie ms.
202
1936 amor] graçia ms.; s. Komm.
Cantar segundo, 102
1941 Flablemos ms.
1920
[39v]
1925
1930
1935
1940
1945
»Ihr kommt, Minaya, und Ihr, Pero Vermúez!
1920
In wenigen Ländern gibt es zwei solche Männer!
Wie sind die Grüße von Alfonso, meinem Herrn?
Ist er zufrieden, und nahm er das Geschenk an?«
Minaya sagte: »Von Seele und von Herzen
ist er zufrieden und schenkt Euch seine Liebe!«
1925
Mio Cid sagte: »Dank sei dem Schöpfer!«
Dies sagend beginnen sie die Besprechung,
worum ihn Alfonso bat, der aus León,
seine Töchter zu geben den Infanten von Carrión,
dass ihm dadurch Ansehen anerkannt und sein
Familienbesitz wachsen würde,
1930
dass er ihm dazu rate, von Seele und von Herzen.
Als das Mio Cid hörte, der gute Campeador –
eine lange Weile dachte er nach und wägte ab:
»Dafür danke ich Christus meinem Herrn!
Verwiesen wurde ich des Landes und, meiner Besitzungen
verlustig,
1935
mit großer Mühe gewann ich, was ich habe.
Ich danke Gott dafür, dass ich vom König die Liebe habe
und dass man um meine Töchter anhält für die Infanten
von Carrión.
Sie sind sehr stolz und haben teil am Hof;
diese Ehe würde mir nicht gefallen,
1940
doch, da der dazu rät, der mehr gilt als wir,
lasst uns darüber sprechen, seien wir im geheimen Rat.
Seht Gott im Himmel – möge er uns zum Besten raten!«
»Zu all diesem sagte Euch Alfonso,
dass er Euch zum Hoftag entgegenkäme, wohin Ihr
wolltet,
er wird Euch sehen wollen und Euch seine Liebe geben, 1945
Zweiter Gesang, 102
203
acordarvos iedes después a todo lo mejor. –
Essora dixo el Cid: – ¡Plazme de coraçón! –
– Estas vistas ó las ayades vós
– dixo Minaya – vós sed sabidor. –
– Non era maravilla, si quisiesse el rey Alfonso,
fasta do lo fallássemos buscar lo iriémos nós,
por darle grand ondra commo a rey e a señor;
mas lo que él quisiere, esso queramos nós.
Sobre Tajo, que es un agua cabdal,
ayamos vistas cuando lo quiere mio señor. –
Escrivién cartas, bien las selló,
con dos cavalleros luego las enbió:
lo que el rey quisiere esso ferá el Campeador.
[40r]
1950
1955
103
Al rey ondrado delant le echaron las cartas;
cuando las vio, de coraçón se paga:
1960
– Saludadme a mio Cid, el que en buen ora cinxo espada.
Sean las vistas d’estas tres semanas;
si yo bivo só, allí iré sin falla. –
Non lo detardan, a mio Cid se tornavan.
1965
D’ella part e d’ella pora las vistas se adobavan:
¿quién vio por Castiella tanta mula preciada
e tanto palafré que bien anda,
cavallos gruessos e corredores sin falla,
tanto buen pendón meter en buenas astas,
1951 yremos ms. 1952 e a señor] de tierra ms.; s. Komm. 1963 si yo] Syo
ms. 1965 las] la ms.
204
Cantar segundo, 103
danach werdet Ihr in allem zum Besten beschließen.«
Da sagte der Cid: »Das gefällt mir von Herzen!«
»Diesen Hoftag, wo Ihr ihn haltet«,
sagte Minaya, »das wisset selbst.«
»Es wäre nicht verwunderlich – wenn der König Alfonso
1950
es wollte,
bis wo wir ihn fänden, würden wir ihn aufsuchen gehen,
um ihm große Ehre zu erweisen, als König und als Herrn.
Doch was er will, das sollen auch wir wollen.
Am Tajo, der ein wichtiger Fluss ist,
1955
wollen wir den Hoftag halten, da mein Herr es will.«
Man schrieb Briefe, gut hat er sie versiegelt,
mit zwei Rittern schickte er sie sofort ab:
Was der König wolle, das werde der Campeador tun.
103
Dem geehrten König legte man die Briefe vor,
als er sie sah, ist er von Herzen zufrieden:
1960
»Grüßt von mir Mio Cid, der zu guter Stunde das Schwert
gürtete.
Der Hoftag sei in drei Wochen;
wenn ich am Leben bin, werde ich ganz gewiss dorthin
gehen.«
Sie verzögern es nicht, zu Mio Cid kehrten sie zurück.
Auf der einen Seite und auf der anderen bereitete man sich
1965
auf den Hoftag vor.
Wer sah in Castiella so viele wertvolle Maultiere
und so viele Zelter, die gut laufen,
starke und schnelle Rosse, unfehlbar,
so viele gute Wimpel an gute Lanzen stecken,
Zweiter Gesang, 103
205
escudos boclados con oro e con plata,
mantos e pielles e buenos cendales d’Andria?
Conduchos largos el rey enbiar mandava
a las aguas de Tajo, o las vistas son aparejadas.
Con el rey atantas buenas conpañas.
Los ifantes de Carrión mucho alegres andan,
lo uno adebdan e lo otro pagavan;
commo ellos tenién, crecerles ía la ganancia,
cuantos quisiessen averes d’oro o de plata.
El rey don Alfonso apriessa cavalgava,
cuendes e podestades e muy grandes mesnadas;
los ifantes de Carrión lievan grandes conpañas.
Con el rey van leoneses e mesnadas galizianas,
non son en cuenta, sabet, las castellanas;
sueltan las riendas, a las vistas se van adeliñadas.
1970
[40v]
1975
1980
104
Dentro en Valencia mio Cid el Campeador
non lo detarda, pora las vistas se adobó:
¡tanta gruessa mula e tanto palafré de sazón,
tanta buena arma e tanto buen cavallo corredor,
tanta buena capa e mantos e pelliçones!
Chicos e grandes vestidos son de colores.
Minaya Álbar Fáñez e aquel Pero Vermúez,
Martín Muñoz, el que mandó a Mont Mayor,
e Martín Antolínez, el burgalés de pro,
el obispo don Jerónimo, coranado mejor,
1985
1990
1992b
1971 dadria ms. 1975 carrio ms. 1977 ganaçia ms. 1982 leoneses ms.',
leones ms. 1986 las ergänzt corr.
206
Cantar segundo, 104
Buckelschilde mit Gold und mit Silber,
1970
Mäntel und Felle und guten Zendel aus Andria?
Reichliche Lebensmittel hieß der König schicken
an die Gewässer des Tajo, wo der Hoftag vorbereitet ist.
Mit dem König viele gute Scharen.
1975
Die Infanten von Carrión laufen sehr freudig daher,
das eine bleiben sie schuldig und das andere
bezahlten sie;
sie hielten dafür, dass ihnen ihr Gewinn wachsen würde,
so viel sie wünschten, Habe an Gold und an Silber.
Der König Herr Alfonso ritt schnell,
1980
Grafen und Machthaber und sehr große Scharen;
die Infanten von Carrión führen große Gefolgschaft.
Mit dem König ziehen Leoneser und galizische Scharen,
zahllos sind, wisset, die kastilischen;
sie lockern die Zügel, zum Hoftag ziehen sie dahin.
104
Drinnen in Valencia, Mio Cid der Campeador –
1985
er verzögert es nicht: Auf den Hoftag bereitet er
sich vor.
So viele kräftige Maultiere und so viele treff liche Zelter,
so viele gute Waffen und so viele gute schnelle Rosse,
so viele gute Umhänge und Mäntel und Pelze!
Die Niedrigen und die Hohen, gekleidet sind sie in
1990
Farben.
Minaya Álbar Fáñez und jener Pero Vermúez,
Martín Muñoz, der Mont Mayor befehligte,
und Martín Antolínez, der rechtschaffene Burgalese, 1992b
der Bischof Herr Jerónimo, der beste Tonsurierte,
Zweiter Gesang, 104
207
Álvar Álvarez e Álvar Salvadórez,
Muño Gustioz, el cavallero de pro,
Galind Garcíaz, el que fue de Aragón,
estos se adoban por ir con el Campeador,
e todos los otros que ý son.
Álvar Salvadórez e Galínd Garcíaz el de Aragón,
a aquestos dos mandó el Campeador
que curien a Valencia d’alma e de coraçón,
e todos los que en poder d’éssos fossen.
Las puertas del alcáçar [. . . . . . . . . . .]
que non se abriessen de día nin de noch.
Dentro es su mugier e sus fijas amas a dos,
en que tiene su alma e su coraçón,
e las otras dueñas que las sirven a su sabor.
Recabdado ha, commo tan buen varón,
que del alcáçar una salir non puede
fata que·s’ torne el que en buen hora nació.
Salién de Valencia, aguijan a espolón:
¡tantos cavallos en diestro, gruessos e corredores,
mio Cid se los gañara, que non ge los dieran en don!
Ya·s’ va pora las vistas que con el rey paró.
De un día es llegado antes el rey don Alfonso;
cuando vieron que vinié el buen Campeador,
recebirlo salen con tan grand onor.
1995
[41r]
2000
2000b
2002b
2005
2010
2015
1994 sauadorez ms. 2000 f. in zwei Zeilen mit Umbruch nach Valencia
ms. 2002–2002b in einer Zeile ms.; s. Komm. 2005 e las otras] E
otras ms. 2008 nasco ms. 2009 a espolón] e espolonauan ms.; s. Komm.
2014 el corr., ei ms.
208
Cantar segundo, 104
Álvar Álvarez und Álvar Salvadórez,
1995
Muño Gustioz, der rechtschaffene Ritter,
Galind Garcíaz, der aus Aragón war,
diese bereiten sich vor, um mit dem Campeador zu ziehen,
sowie all die anderen, die dort sind.
Álvar Salvadórez und Galínd Garcíaz, der aus Aragón,
2000
diesen beiden befahl der Campeador,
dass sie Valencia hüten sollten, von Seele und von
2000b
Herzen,
sowie allen, die unter der Gewalt dieser beiden stünden.
Die Tore der Burg […] –
dass sie nicht geöffnet würden, weder bei Tag noch bei
2002b
Nacht.
Darinnen befinden sich seine Frau und seine Töchter beide
gemeinsam,
an denen liegen seine Seele und sein Herz,
sowie die anderen Damen, die ihnen nach ihrem Wunsch
2005
dienen.
Angewiesen hat er, als ein sehr guter Mann,
dass aus der Burg keine herauskann,
bis der zurückkehrt, der zu guter Stunde geboren wurde.
Sie verließen Valencia, sie gaben den Rossen spitze Sporen.
2010
So viele Streitrosse, kräftig und schnell:
Mio Cid hatte sie gewonnen, man gab sie ihm nicht etwa
als Geschenk!
Schon zieht er zum Hoftag, den er mit dem König
anberaumt hat.
Einen Tag früher ist der König Herr Alfonso
angekommen.
Als sie sahen, dass der gute Campeador kam,
2015
ziehen sie aus, ihn mit großer Ehre zu empfangen.
Zweiter Gesang, 104
209
Don lo ovo a ojo el que en buen ora nació,
a todos los sos estar los mandó,
sinon a estos cavalleros que querié de coraçón.
Con unos quinze a tierra·s’ firió;
commo lo comidía el que en buen ora nació,
los inojos e las manos en tierra los fincó,
las yerbas del campo a dientes las tomó.
Llorando de los ojos, tanto avié el gozo mayor,
así sabe dar omildança a Alfonso so señor.
De aquesta guisa a los pies le cayó,
tan grand pesar ovo el rey don Alfonso:
– ¡Levantados en pie, ya Cid Campeador!
Besad las manos, ca los pies no;
si esto non feches, non avredes mi amor. –
Hinojos fitos sedié el Campeador:
– ¡Merced vos pido a vós, mio natural señor!
Assí estando, dédesme vuestra amor,
que lo oyan cuantos aquí son. –
Dixo el rey: – Esto feré d’alma e de coraçón.
Aquí vos perdono e dóvos mi amor
e en todo mio reino parte desde oy. –
Fabló mio Cid e dixo esta razón:
– ¡Merced! Yo lo recibo, don Alfonso, mio señor.
Gradéscolo a Dios del cielo e después a vós
e a estas mesnadas que están aderredor. –
Hinojos fitos, las manos le besó,
levós’ en pie e en la boca·l’ saludó.
2020
[41v]
2025
2030
2032b
2035
2036b
2040
2016 nasco ms. 2018 coraço ms. 2029 les auredes ms. 2035 e en] En
ms. 2036–2036b Fabló myo çid e dixo lo merçed yo lo Reçibo [don ms.']
alfonsso mio señor ms.; s. Komm.
210
Cantar segundo, 104
Als er seiner ansichtig wurde, der zu guter Stunde geboren
wurde,
all die Seinen hieß er anhalten,
außer diesen Rittern, die er von Herzen liebte.
Mit etwa fünfzehn sprang er zu Boden;
wie er es sich überlegt hatte, der zu guter Stunde geboren
2020
wurde,
die Knie und die Hände stützte er auf die Erde,
die Gräser des Feldes erfasste er mit den Zähnen.
Aus seinen Augen weinend, so sehr hatte er größte Freude,
so weiß er Ehrfurcht zu zeigen vor Alfonso, seinem Herrn!
2025
Auf diese Weise fiel er ihm zu Füßen,
großes Leid bereitete das dem König Herrn Alfonso:
»Erhebt Euch auf Eure Füße, ach Cid Campeador!
Küsst die Hände, doch die Füße nicht,
wenn Ihr das nicht tut, werdet Ihr nicht meine Liebe
erhalten.«
2030
Die Knie am Boden saß der Campeador:
»Um Gnade bitte ich Euch, mein natürlicher Herr!
In dieser Stellung gebt mir Eure Liebe,
2032b
dass es alle hören, die hier sind.«
Es sagte der König: »Das werde ich tun, von Seele und von
Herzen.
Hier verzeihe ich Euch und gebe Euch meine Liebe
2035
und Anteil an meinem ganzen Reich, von heute an.«
Es sprach Mio Cid und sagte folgende Worte:
2036b
»Danke! Ich empfange es, Herr Alfonso, mein Herr.
Ich danke dafür Gott im Himmel und danach Euch
und diesen Scharen, die ringsum stehen.«
Die Knie am Boden, küsste er ihm die Hände,
er erhob sich auf die Füße und küsste ihn auf den Mund.
Zweiter Gesang, 104
211
Todos los demás d’esto avién sabor,
pesó a Álbar Díaz e a Garcí Ordóñez.
Fabló mio Cid e dixo esta razón:
– Esto gradesco al Criador:
cuando he la gracia de don Alfonso mio señor,
valerme á Dios de día e de noch.
¡Fuéssedes mi huésped, si vos ploguiesse, señor! –
Dixo el rey: – Non es aguisado oy:
vós agora llegastes e nós viniemos anoch,
mio huésped seredes, Cid Campeador,
e cras feremos lo que ploguiere a vós. –
Besóle la mano, mio Cid lo otorgó.
Essora se le omillan los ifantes de Carrión:
– ¡Omillámosnos, Cid, en buen ora nasquiestes vós!
En cuanto podemos andamos en vuestro pro. –
Respuso mio Cid: – ¡Assí lo mande el Criador! –
Mio Cid Ruy Díaz, que en ora buena nació,
en aquel día del rey so huésped fue.
Non se puede fartar d’él, tanto·l’ querié de coraçón,
catándol’ sedié la barba que tan aína·l’ creció;
maravíllanse de mio Cid cuantos que ý son.
El día es passado e entrada es la noch,
otro día mañana claro salié el sol.
El Campeador a los sos lo mandó,
que adobassen cozina pora cuantos que ý son.
De tal guisa los paga mio Cid el Campeador,
todos eran alegres e acuerdan en una razón:
2056 nasco ms.
212
2059 creçiera ms.
Cantar segundo, 104
2043b
2045
[42r]
2050
2055
2060
2065
Alle anderen hatten Gefallen daran,
2041
es verdross Álbar Díaz und Garcí Ordóñez.
Mio Cid sprach und sagte folgende Worte:
2043b
»Dafür danke ich dem Schöpfer:
da ich die Gnade habe von Herrn Alfonso meinem Herrn,
2045
wird mir Gott bei Tag und bei Nacht helfen.
Ihr wärt mein Gast, wenn es Euch gefiele, Herr!«
Der König sagte: »Das geht heute nicht an:
Ihr seid eben angekommen und wir kamen gestern Abend.
Mein Gast werdet Ihr sein, Cid Campeador,
und morgen werden wir tun, was Euch gefallen mag.« 2050
Er küsste ihm die Hand, Mio Cid gewährte es.
Da neigen sich vor ihm die Infanten von Carrión:
»Wir verneigen uns, Cid, zu guter Stunde wurdet Ihr
geboren!
In allem, was wir vermögen, sind wir Euch zu Gunsten.«
Mio Cid antwortete: »So möge es der Schöpfer
2055
anordnen!«
Mio Cid Ruy Díaz, der zu guter Stunde geboren wurde,
war an jenem Tag des Königs Gast.
Der kann seiner nicht müde werden, so sehr liebte er ihn
von Herzen,
er betrachtete immerfort seinen Bart, der ihm so schnell
gewachsen war.
2060
Alle, die dort sind, erstaunen über Mio Cid.
Der Tag ist vergangen und die Nacht ist angebrochen.
Am nächsten Tag in der Früh – hell ging die Sonne auf.
Der Campeador befahl den Seinen,
2064
Küche zu bereiten für alle, die dort sind.
Derart stellt er sie zufrieden, Mio Cid der Campeador –
alle waren froh und stimmten überein in einem Urteil:
Zweiter Gesang, 104
213
passado avié tres años no comieran mejor.
Al otro día mañana, assí commo salió el sol,
el obispo don Jerónimo la missa cantó.
Al salir de la missa todos juntados son,
non lo tardó el rey, la razón conpeçó:
– ¡Oídme, las escuelas, cuendes e ifançones!
Cometer quiero un ruego a mio Cid el Campeador,
assí lo mande Christus que sea a so pro:
vuestras fijas vos pido, don Elvira e doña Sol,
que las dedes por mugieres a los ifantes de Carrión.
Seméjam’ el casamiento ondrado e con grant pro,
ellos vos las piden e mándovoslo yo.
D’ella e d’ella parte cuantos que aquí son,
los míos e los vuestros, que sean rogadores:
¡dándoslas, mio Cid, sí vos vala el Criador! –
– Non habría fijas de casar – respuso el Campeador – ,
ca non han grant edad e de días pequeñas son.
De grandes nuevas son los ifantes de Carrión,
pertenecen pora mis fijas e aun pora mejores.
Yo las engendré amas e criásteslas vos,
entre yo y ellas en vuestra merced somos nós:
afellas en vuestra mano don Elvira e doña Sol,
dadlas a qui quisiéredes vós, ca yo pagado só. –
– Gracias – dixo el rey – a vós e a tod esta cort. –
Luego se levantaron los ifantes de Carrión,
2083 edad] hedand ms.
214
2090 rey] rey ca yo pagado so ms.
Cantar segundo, 104
2070
[42v]
2075
2080
2085
2090
Es waren drei Jahre vergangen, in denen sie nicht besser
gegessen hatten.
Am nächsten Tag in der Früh, sobald die Sonne aufging,
sang der Bischof Herr Jerónimo die Messe.
Als sie aus der Messe kamen, haben sie sich alle
2070
versammelt,
der König verzögerte es nicht, die Rede begann er:
»Hört mir zu, Gefolgschaft, Grafen und Edelleute!
Eine Bitte will ich unterbreiten Mio Cid dem Campeador,
so möge es Christus anordnen, dass es zu seinem Gunsten
2074
sei.
Um Eure Töchter bitte ich Euch, Frau Elvira und Frau Sol,
dass Ihr die zu Ehefrauen den Infanten von Carrión gebt.
Mir scheint die Heirat ehrenvoll und von großem Vorteil.
Sie bitten Euch darum und ich fordere Euch dazu auf.
Von dieser und von jener Seite, alle die, die hier sind,
2080
die Meinen und die Eurigen, sollen Fürbitter sein:
Gebt sie uns, Mio Cid, so Euch der Schöpfer helfen möge!«
»Ich hätte keine Töchter zu verheiraten«, erwiderte der
Campeador,
»denn sie haben kein großes Alter und sind noch jung an
Tagen.
Von großer Berühmtheit sind die Infanten von Carrión,
sie sind angemessen für meine Töchter und für noch
2085
bessere.
Ich habe sie beide gezeugt und Ihr habt sie aufgezogen,
sowohl ich wie sie sind in Eure Gnade gegeben:
Seht sie hier in Eurer Hand, Frau Elvira und Frau Sol,
2089
gebt sie, wem Ihr wollt, denn ich bin es zufrieden.«
»Gnade«, sagte der König, »Euch und diesem ganzen Hof.«
Danach erhoben sich die Infanten von Carrión,
Zweiter Gesang, 104
215
ban besar las manos al que en buen ora nació;
camearon las espadas ant’el rey don Alfonso.
Fabló el rey don Alfonso, commo tan buen señor:
2095
– Grado e gracias, Cid, e primero al Criador,
que·m’ dades vuestras fijas pora los ifantes
[43r]
de Carrión.
D’aquí las prendo por mis manos a don Elvira e doña Sol
e dolas por veladas a los ifantes de Carrión.
Yo las caso a vuestras fijas con vuestro amor,
2100
al Criador plega que ayades ende sabor.
Afellos en vuestras manos los ifantes de Carrión,
ellos vayan convusco, ca d’aquén me torno yo.
Trezientos marcos de plata en ayuda les do yo
que metan en sus bodas o do quisiéredes vós;
2105
pues fueren en vuestro poder en Valencia la mayor,
los yernos e las fijas todos vuestros fijos son,
lo que vos ploguiere d’ellos fet, Campeador. –
Mio Cid ge los recibe, las manos le besó:
– Mucho vos lo gradesco commo a rey e a señor,
2110
vós casades mis fijas, ca non ge las do yo. –
Las palabras son puestas [. . . . . . . . . . . .]
que otro día mañana, cuando saliés el sol
2112b
que·s’ tornasse cada uno don salidos son.
2095 Cid] cid commo tan bueno ms.; s. Komm. 2098 dolas ms., dóselas
al. 2104 quisieredes corr., quisiedes ms. 2111–2112b in zwei Zeilen mit
Umbruch nach mañana ms. 2112 saliés] salie ms., saliele corr.
216
Cantar segundo, 104
sie gehen dem die Hände küssen, der zu guter Stunde
geboren wurde.
Sie tauschten die Schwerter vor dem König Herrn Alfonso.
Der König Herr Alfonso sprach, als ein sehr guter Herr:
2095
»Dank und Gnade, Cid, und zuerst dem Schöpfer,
dafür, dass Ihr mir Eure Töchter gebt für die Infanten von
Carrión.
Hiermit nehme ich sie in meine Hände, Frau Elvira und
Frau Sol,
und gebe sie als Ehefrauen den Infanten von Carrión.
Ich vermähle Eure Töchter mit Eurer Liebe,
2100
der Schöpfer wolle, dass Ihr daran Gefallen habt.
Seht sie in Euren Händen, die Infanten von Carrión,
sie sollen mit Euch gehen, denn ich kehre von hier aus
zurück.
Dreihundert Mark Silber gebe ich ihnen als Hilfe,
damit sie sie zu ihrer Hochzeit verwenden oder wozu Ihr
2104
wollt.
Danach seien sie in Eurer Gewalt in Valencia, der großen;
die Schwiegersöhne und die Töchter sind alle Eure Kinder,
was Euch gefallen mag, das tut mit ihnen, Campeador.«
Mio Cid nimmt sie von ihm entgegen, die Hände küsste
er ihm:
»Ich danke Euch sehr dafür, als König und als Herrn;
Ihr verheiratet meine Töchter, denn nicht ich gebe sie
2110
ihnen.«
Mit Worten vereinbaren sie […],
dass am nächsten Tag in der Früh, wenn die Sonne
aufginge,
dass jeder dorthin zurückkehre, von wo er gekommen
2112b
ist.
Zweiter Gesang, 104
217
Aquí·s’ metió en nuevas mio Cid el Campeador:
tanta gruessa mula e tanto palafré de sazón,
2116
tantas buenas vestiduras que d’alfaya son,
compeçó mio Cid a dar a quien quiere prender so don; 2115
cada uno lo que pide nadi no·l’ dize de no.
2117
Mio Cid de los cavallos sessaenta dio en don.
[43v]
Todos son pagados de las vistas cuantos que ý son;
partirse quieren, que entrada era la noch.
2120
El rey a los ifantes a las manos les tomó,
metiólos en poder de mio Cid el Campeador:
– Evad aquí vuestros fijos, cuando vuestros yernos son,
de oy más sabed qué fer d’ellos, Campeador. –
2125
– Gradéscolo, rey, e prendo vuestro don.
¡Dios que está en cielo dévos dent buen galardón! –
Sobre el so cavallo Bavieca mio Cid salto dio:
– Aquí lo digo ante mio señor el rey Alfonso:
qui quiere ir a las bodas o recebir mi don,
2130
d’aquend vaya comigo, cuedo que l’avrá pro.
105
Yo vos pido merced a vós, rey natural:
pues que casades mis fijas así commo a vós plaz,
dad manero a qui las dé cuando vós las tomades;
2116–2115 s. Komm. 2124 de oy más] Oy de mas ms. 2126 dévos] dem
ms. 2127 dio] daua ms. 2129 ir a] yr comigo a ms.; s. Komm.
218
Cantar segundo, 105
Hier gab von sich zu reden Mio Cid der Campeador:
So viele kräftige Maultiere und so viele treff liche Zelter,
2116
so viele gute Kleider, die von hohem Wert sind,
begann Mio Cid dem zu geben, der sein Geschenk
2115
annehmen will –
jedem das, worum er bittet; niemand sagt ihm nein.
2117
Von den Pferden gab Mio Cid sechzig als Geschenk.
Alle sind zufrieden mit dem Hoftag, so viele ihrer dort
sind;
scheiden wollen sie, denn die Nacht ist angebrochen.
2121
Der König nahm die Infanten bei den Händen,
er gab sie in die Gewalt von Mio Cid dem Campeador:
»Hier habt ihr Eure Kinder, denn sie sind Eure
Schwiegersöhne;
von heute an sehet zu, was mit ihnen zu tun ist,
2124
Campeador.«
»Ich danke dafür, König, und nehme Euer Geschenk an.
Gott, der im Himmel ist, gebe Euch dafür guten Lohn!«
Auf sein Pferd Bavieca schwang sich Mio Cid:
»Hier sage ich es, vor meinem Herrn, dem König Alfonso:
wer zur Hochzeit gehen will oder mein Geschenk
annehmen,
von hier aus soll er mit mir ziehen, ich denke, es wird zu
2130
seinem Gunsten sein.
105
Ich bitte Euch um eine Gnade, natürlicher König:
Da Ihr meine Töchter so verheiratet, wie es Euch gefällt,
gebt einen Bevollmächtigten, dem ich sie geben kann,
wenn Ihr sie nehmt;
Zweiter Gesang, 105
219
non ge las daré yo con mi mano ni dend non se alabarán. –
2135
Respondió el rey: – Afé aquí Álbar Fáñez,
prendellas con vuestras manos e daldas a los ifantes,
assí commo yo las prendo d’aquent commo si fosse
delant,
sed padrino d’ellas a tod el velar;
cuando vos juntáredes comigo que·m’ digades la verdat. –
2140
Dixo Álbar Fáñez: – ¡Señor, afé que me plaz! –
106
Tod esto es puesto, sabet, en gran recabdo.
– ¡Ya, rey don Alfonso, señor tan ondrado!
[44r]
D’estas vistas que oviemos, de mí tomedes algo:
tráyovos treinta palafrés, éstos bien adobados,
2145
e treinta cavallos corredores, éstos bien ensellados;
tomad aquesto e beso vuestras manos. –
Dixo el rey don Alfonso: – ¡Mucho me avedes enbargado!
Recibo este don que me avedes mandado.
¡Plega al Criador con todos los sos santos,
2150
este plazer que·m’ feches que bien sea galardonado!
Mio Cid Ruy Díaz, mucho me avedes ondrado;
de vós bien só servido e téngon’ por pagado,
aún bivo seyendo de mí ayades algo.
2134 dend] ded ms. 2138 dellos ms. 2144 treinta] .xx. ms.; s. Komm.
2150 este plazer in der vorigen Zeile ms.
220
Cantar segundo, 106
ich werde sie ihnen nicht mit meiner Hand geben, und sie
werden sich dessen nicht rühmen.«
2135
Der König antwortete: »Seht hier Álbar Fáñez,
nehmt sie mit Euren Händen und gebt sie den Infanten,
so wie ich sie von hier aus nehme, wie wenn ich anwesend
wäre;
seid Ihr Pate während der ganzen Hochzeit,
so dass Ihr mir, wenn Ihr Euch mit mir trefft, die Wahrheit
sagt.«
2140
Álbar Fáñez sagte: »Herr, wahrlich, das gefällt mir!«
106
All dies ist angeordnet, wisset, mit großer Vorsicht.
»Ach, König Herr Alfonso, hochgeehrter Herr!
Von diesem Hoftag, den wir gehalten haben, nehmt etwas
von mir mit:
Ich bringe Euch dreißig Zelter, diese gut ausgerüstet,
2145
und dreißig schnelle Rosse, diese gut gesattelt.
Nehmt dieses, und ich küsse eure Hand.«
Der König Herr Alfonso sagte: »Ihr habt mich sehr
gerührt!
Ich nehme dieses Geschenk an, das Ihr mir geboten habt.
Möge es dem Schöpfer und allen seinen Heiligen gefallen,
diese Freude, die Ihr mir bereitet, dass sie gut belohnt
2150
werde!
Mio Cid Ruy Díaz, Ihr habt mich sehr geehrt,
von Euch wird mir gut gedient und ich betrachte mich als
zufriedengestellt;
dass Ihr noch zu meinen Lebzeiten von mir etwas
bekommen möget.
Zweiter Gesang, 106
221
A Dios vos acomiendo, d’estas vistas me parto.
¡Afé Dios del cielo que lo ponga en buen recabdo! –
2155
107
Ya s’espidió mio Cid de so señor Alfonso,
non quiere que l’escurra, quitól’ dessí luego.
Veriedes cavalleros que bien andantes son
besar las manos e espedirse del rey Alfonso:
– Merced vos sea e fazednos este perdón:
iremos en poder de mio Cid a Valencia la mayor,
seremos a las bodas de los ifantes de Carrión
e de las fijas de mio Cid, de don Elvira e doña Sol. –
Esto plogo al rey e a todos los soltó;
la conpaña del Cid crece e la del rey mengó,
grandes son las yentes que van con el Canpeador,
adeliñan pora Valencia, la que en buen punto ganó.
E a don Fernando e a don Diego aguardarlos mandó
a Pero Vermúez e Muño Gustioz
(en casa de mio Cid non ha dos mejores),
que sopiessen sos mañas de los ifantes de Carrión.
E va ý Asur Gonçález, que era bullidor,
que es largo de lengua, mas en lo ál non es tan pro.
2155 recabdo] logar ms.; s. Komm. 2159 e nicht in ms. | del Rey corr.,
de Rey ms.
222
Cantar segundo, 107
2160
2165
[44v]
2170
Gott empfehle ich Euch, von diesem Hoftag scheide ich.
Seht Gott im Himmel, der möge ihn zum Besten führen!«
107
Schon verabschiedete sich Mio Cid von seinem Herrn
Alfonso,
2156
er möchte nicht, dass er ihn begleitet – er trennte sich von
ihm sogleich.
Da würdet ihr Reiter sehen, die prächtig gehen,
die Hände küssen und vom König Alfonso Abschied
nehmen.
2160
»Gnade sei mit Euch und gewährt uns diese Bitte:
Wir werden unter der Obhut von Mio Cid nach Valencia,
der großen, gehen,
wir werden bei der Hochzeit der Infanten von Carrión sein
und der Töchter von Mio Cid, Frau Elvira und Frau Sol.«
Das gefiel dem König und er gab allen Erlaubnis.
Das Gefolge des Cid wächst und das des Königs wurde
2165
kleiner,
zahlreich sind die Leute, die mit dem Campeador ziehen,
sie wenden sich nach Valencia, das er zu gutem Zeitpunkt
gewann.
Und Herrn Fernando und Herrn Diego – sie zu umsorgen
befahl er Pero Vermúez und Muño Gustioz
2170
(im Hause des Cid gibt es keine zwei besseren),
dass sie die Gewohnheiten erkundeten der Infanten von
Carrión.
Und dort geht Asur Gonçález, der ein Unruhestifter war,
der eine lose Zunge hat; aber in allem anderen ist er nicht
so gut.
Zweiter Gesang, 107
223
Grant ondra les dan a los ifantes de Carrión.
Afelos en Valencia, la que mio Cid gañó,
cuando a ella assomaron los gozos son mayores.
Dixo mio Cid a don Pero e a Muño Gustioz:
– Dadles un reyal a los ifantes de Carrión,
vós con ellos sed, que assí vos lo mando yo.
Cuando viniere la mañana, que apuntare el sol,
verán a sus esposas, a don Elvira e a doña Sol. –
2175
2180
108
Todos essa noch fueron a sus posadas;
mio Cid el Campeador al alcáçar entrava,
recibiólo doña Ximena e sus fijas amas:
2184
– ¡Venides, Campeador, en buena ora cinxiestes espada,
muchos días vos veamos con los ojos de las caras! –
– ¡Grado al Criador, vengo, mugier ondrada!
Yernos vos adugo de que avremos ondrança,
¡gradídmelo, mis fijas, ca bien vos he casadas! –
2190 [45r]
Besáronle las manos la mugier e las fijas amas
e todas las dueñas que las sirven sin falla:
109
– ¡Grado al Criador e a vós, Cid, barba vellida!
Todo lo que vós feches es de buena guisa,
2178 reyal a los] Reyal e alos ms. 2185 en buena ora corr., buena ms.
2191 sin falla] nicht in ms.; s. Komm.
224
Cantar segundo, 108–109
Große Ehre erweisen sie den Infanten von Carrión.
2175
Seht sie hier in Valencia, das Mio Cid gewann,
als sie vor ihr erschienen, waren die Freuden sehr groß.
Es sagte Mio Cid zu Herrn Pero und zu Muño Gustioz:
»Gebt ihnen eine Unterkunft, den Infanten von Carrión;
ihr bleibt bei ihnen, denn so befehle ich es euch.
2180
Wenn der Morgen kommt und die Sonne aufgeht,
werden sie ihre Ehefrauen sehen, Frau Elvira und
Frau Sol.«
108
Alle gingen diese Nacht in ihre Quartiere;
Mio Cid, der Campeador, ging in die Burg hinein.
Frau Ximena empfing ihn und seine Töchter beide:
»Ihr kommt, Campeador, zu guter Stunde gürtetet Ihr das
2185
Schwert,
mögen wir Euch viele Tage sehen mit den Augen unseres
Angesichts!«
»Dank sei dem Schöpfer, ich komme, ehrenwerte Frau!
Schwiegersöhne führe ich Euch mit, durch die uns Ehre
zuteil werden wird.
Dankt mir dafür, meine Töchter, denn ich habe Euch gut
verheiratet!«
Sie küssten ihm die Hände, die Frau und die Töchter beide
2191
und all die Damen, die ihnen unfehlbar dienen:
109
»Dank sei dem Schöpfer und Euch, Cid, prächtiger Bart!
Alles, was Ihr tut, ist wohlgetan.
Zweiter Gesang, 108–109
225
non serán menguadas en todos vuestros días. –
– ¡Cuando vós nos casáredes bien seremos ricas! –
2195
110
– Mugier doña Ximena, ¡grado al Criador!
A vós digo, mis fijas, don Elvira e doña Sol,
d’este vustro casamiento creçremos en onor,
mas bien sabet verdat, que non lo levanté yo:
pedidas vos ha e rogadas el mio señor Alfonso
atán firmemientre e de todo coraçón
que yo nulla cosa no·l’ sope dezir de no.
Metívos en sus manos, fijas amas a dos;
bien me lo creades que él vos casa, ca non yo. –
2200
111
Pensaron de adobar essora el palacio:
por el suelo e suso tan bien encortinado,
tanta pórpola e tanto xamed e tanto paño preciado;
sabor abriedes de ser e de comer en el palacio.
Todos sus cavalleros apriessa son juntados;
por los ifantes de Carrión essora enbiaron;
cavalgan los ifantes adelant, adeliñavan al palacio
con buenas vestiduras e fuertemientre adobados,
de pie e a sabor, ¡Dios, qué quedos entraron!
2196 criaador ms.
226
'
2205 palaçio ms. , pacio ms.
Cantar segundo, 110–111
2205
2210
Sie werden keine Not leiden, alle Eure Tage lang.«
»Da Ihr uns verheiratet, werden wir wohl reich und
mächtig sein.«
2195
110
»Gattin Frau Ximena, Dank sei dem Schöpfer!
Euch sage ich, meine Töchter, Frau Elvira und Frau Sol,
durch diese eure Ehe werden wir an Ansehen zunehmen.
Doch wisset wohl die Wahrheit, dass nicht ich sie
vereinbart habe.
Euch erbeten und um euch angehalten hat mein Herr
2200
Alfonso
mit solcher Entschlossenheit und von ganzem Herzen,
dass ich ihm zu nichts nein sagen konnte.
Ich gab euch in seine Hände, Töchter, beide gemeinsam;
glaubt es mir wohl, dass er euch verheiratet, nicht ich.«
111
Sie begannen nun, den Saal herzurichten,
2205
über den Boden und obenherum gar wohl mit Teppichen
ausgelegt,
so viel Purpurstoff und Seide und so viel kostbares Tuch.
Es würde euch gefallen, im Saal zu sitzen und zu speisen.
Alle seine Ritter haben sich rasch versammelt;
2210
nach den Infanten von Carrión schickten sie nun,
die Infanten reiten vorwärts, sie gehen auf den Saal zu,
mit guten Kleidern und reichlich ausgeschmückt,
zu Fuß und wie man es gern hat. Gott, wie langsam sie
eintraten!
Zweiter Gesang, 110–111
227
Recibiólos mio Cid con todos sus vasallos,
[45v]
a él e a su mugier delant se le omillaron
2215
e ivan posar en un precioso escaño.
Todos los de mio Cid tan bien son acordados,
están parando mientes al que en buen ora nasco.
El Campeador en pie es levantado:
– Pues que a fazer lo avemos, ¿por qué lo imos tardando?
2221
Venit acá, Álbar Fáñez, el que yo quiero e amo:
afé amas mis fijas métolas en vuestra mano;
sabedes que al rey assí ge lo he mandado,
non lo quiero fallir por nada de cuanto á ý parado;
2225
a los ifantes de Carrión dadlas con vuestra mano
e prendan bendiciones e vayamos recabdando. –
Estoz dixo Minaya: – Esto faré yo de grado. –
Levántanse derechas e metiógelas en mano,
a los ifantes de Carrión Minaya va fablando:
2230
– Afevos delant Minaya, amos sodes hermanos;
por mano del rey Alfonso, que a mí lo ovo mandado,
dóvos estas dueñas, amas son fijasdalgo,
que las tomássedes por mugieres a ondra e a recabdo. –
Amos las reciben d’amor e de grado,
2235
a mio Cid e a su mugier van besar las manos.
Cuando ovieron aquesto fecho, salieron del palacio,
pora Santa María apriessa adeliñando.
[46r]
El obispo don Jerónimo vistiós’ tan privado,
a la puerta de la eclegia sediéllos sperando;
2240
dioles bendictiones, la missa á cantado.
Al salir de la eclegia cavalgaron tan privado,
2215 e a] τ ea ms.
2227 estoz ms., estoze al.
mano ms.
228
Cantar segundo, 111
2235 las manos corr., la
Mio Cid empfing sie mit allen seinen Vasallen,
2215
vor ihm und vor seiner Frau verneigten sie sich
und gingen sich setzen auf eine reich verzierte Bank.
All die von Mio Cid sind gar wohl in Einklang,
sie achten auf den, der zu guter Stunde geboren wurde.
Der Campeador ist aufgestanden:
2220
»Da wir es tun müssen, warum verzögern wir es?
Kommt her, Álbar Fáñez, den ich gern habe und liebe:
Seht meine beiden Töchter, ich gebe sie in Eure Hand.
Ihr wisst, dass ich es dem König so versprochen habe,
ich möchte in nichts von all dem fehlen, was darüber
vereinbart wurde.
2225
Den Infanten von Carrión gebt sie mit Eurer Hand,
und sie mögen den Segen empfangen und lasst uns zu
Ende kommen.«
Da sagte Minaya: »Das werde ich gerne tun.«
Sie stehen auf und gerade, und er gab sie ihnen in die Hand;
zu den Infanten von Carrión spricht Minaya:
2230
»Seht, ihr seid vor Minaya, ihr beide seid Brüder.
Anstelle des Königs Alfonso, der es mir aufgetragen hat,
gebe ich euch diese Damen, beide sind edler Abstammung,
auf dass ihr sie zu Ehefrauen nehmt, in Ehre und
rechtmäßig.«
Beide empfangen sie mit Liebe und mit Freude;
2235
Mio Cid und seiner Frau gehen sie die Hände küssen.
Als sie dies getan hatten, verließen sie den Saal,
nach Santa María begeben sie sich schnell.
Der Bischof Herr Jerónimo kleidete sich ganz rasch an,
an der Tür der Kirche erwartete er sie;
2240
er gab ihnen den Segen, die Messe hat er gesungen.
Als sie aus der Kirche kamen, stiegen sie schnell zu Pferd,
Zweiter Gesang, 111
229
a la glera de Valencia fuera dieron salto,
¡Dios, qué bien tovieron armas el Cid e sus vassallos!
Tres cavallos cameó el que en buen ora nasco,
mio Cid de lo que veyé mucho era pagado:
los ifantes de Carrión bien an cavalgado.
Tórnanse con las dueñas, a Valencia an entrado;
ricas fueron las bodas en el alcáçar ondrado
e al otro día fizo mio Cid fincar siete tablados,
antes que entrassen a yantar todos los quebrantaron.
Quinze días conplidos en las bodas duraron,
ya cerca de los quinze días ya·s’ van los fijosdalgo.
Mio Cid don Rodrigo, el que en buen hora nasco,
entre palafrés e mulas e corredores cavallos,
en bestias sines ál ciento á mandados;
mantos e pelliçones e otros vestidos largos,
non fueron en cuenta los averes monedados.
Los vassallos de mio Cid assí son acordados,
cada uno por sí sos dones avién dados.
Qui aver quiere prender bien era abastado,
ricos tornan a Castiella los que a las bodas llegaron.
Ya s’ivan partiendo aquestos ospedados,
espidiéndos’ de Ruy Díaz, el que en buen hora nasco,
2251 en las bodas duraron] duraron en las bodas ms.
s. Komm.
230
Cantar segundo, 111
2255 á] son ms.;
2245
2250
2255
2260
[46v]
auf das Sandufer von Valencia hinaus sprengten sie.
Gott, wie gute Waffenspiele führten der Cid und seine
Vasallen vor!
Drei Pferde wechselte der aus, der zu guter Stunde geboren
wurde;
2245
Mio Cid – über was er sah, war er sehr erfreut:
Die Infanten von Carrión sind gut geritten.
Sie kehren mit den Damen zurück, nach Valencia sind sie
hinein.
Reich war die Hochzeit auf der ehrwürdigen Burg,
und am nächsten Tag hieß Mio Cid sieben hölzerne
Zielscheiben errichten;
bevor sie zum Essen einkehrten, hatten sie sie alle
2250
zerbrochen.
Fünfzehn volle Tage brachten sie auf der Hochzeit zu;
als der fünfzehnte Tag herankam, brechen die Edelleute
schließlich auf.
Mio Cid Herr Rodrigo, der zu guter Stunde geboren
wurde,
an Zeltern und Maultieren und schnellen Pferden,
2255
an Tieren allein hat er hundert verschenkt;
Mäntel und Pelze und andere lange Gewänder;
nicht zu zählen waren die geprägten Gelder.
Die Vasallen von Mio Cid waren so übereingekommen,
dass jeder für sich seine Geschenke gegeben hatte.
2260
Wer Habe annehmen will, der wurde gut versorgt,
reich kehren die nach Castiella zurück, die zur Hochzeit
gekommen waren.
Schon brachen diese Gäste auf,
sich von Mio Cid verabschiedend, der zu guter Stunde
geboren wurde,
Zweiter Gesang, 111
231
e a todas las dueñas e a los fijosdalgo;
por pagados se parten de mio Cid e de sus vassallos,
grant bien dizen d’ellos ca era aguisado.
Mucho eran alegres Diego e Fernando,
estos fueron fijos del conde don Gonçalo.
Venidos son a Castiella aquestos ospedados,
el Cid e sos yernos en Valencia son rastados.
Ý moran los ifantes bien cerca de dos años,
los amores que les fazen mucho eran sobejanos;
alegre era el Cid e todos sus vassallos.
¡Plega a Santa María e al Padre Santo
que·s’ pague d’es casamiento mio Cid o el que lo ovo a
algo!
¡Las coplas d’este cantar aquí·s’ van acabando,
el Criador vos vala con todos los sos santos!
2264 e a corr., ca ms., e de al.
2271 yfantas ms.
232
Cantar segundo, 111
2265
2270
2275
2266 dizen] dizen dezen ms. | era] sera ms.
und von allen Damen und den Edelleuten.
Sie scheiden zufrieden von Mio Cid und seinen Vasallen,
2266
viel Gutes sagen sie von ihnen, denn das war recht.
Sehr froh waren Diego und Fernando;
diese waren Söhne des Grafen Herrn Gonçalo.
Nach Castiella sind diese Gäste gekommen,
der Cid und seine Schwiegersöhne sind in Valencia
2270
verblieben.
Dort leben die Infanten wohl nahe an zwei Jahren;
die Liebesbezeugungen, die man ihnen kundtut, waren
über die Maßen groß.
Froh war der Cid und all seine Vasallen.
Möge es der heiligen María und dem Heiligen Vater
gefallen,
dass der Cid oder wem immer an ihr gelegen war mit
2275
dieser Ehe zufrieden sei!
Die Verse dieses Gesangs gehen hier zu Ende,
der Schöpfer beschütze euch mit allen seinen Heiligen!
Zweiter Gesang, 111
233
Cantar tercero
112
En Valencia seí mio Cid con todos los sos,
con él amos sus yernos, los ifantes de Carrión.
Yaziés’ en un escaño, durmié el Campeador;
mala sobrevienta sabed que les cuntió:
saliós’ de la red e desatós’ el león.
En grant miedo se vieron por medio de la cort;
enbraçan los mantos los del Campeador
e cercan el escaño e fincan sobre so señor;
Ferrán Gonçález [. . . . . . . . . . . .]
non vio allí dó s’alçasse, nin cámara abierta
nin torre,
metiós’ so l’escaño, tanto ovo el pavor;
Diego Gonçález por la puerta salió
diziendo de la boca: – ¡Non veré Carrión! –
Tras una viga lagar metiós’ con grant pavor,
el manto e el brial todo suzio lo sacó.
En esto despertó el que en buen ora nació,
vio cercado el escaño de sus buenos varones:
– ¿Qué’s esto, mesnadas, o qué queredes vós? –
– ¡Ya señor ondrado, rebata nos dio el león! –
Mio Cid fincó el cobdo, en pie se levantó,
2278 sey ms., seye corr. | los sos] sus vassallos ms.; s. Komm.
2286–2286b s. Komm.
234
Cantar tercero, 112
2280
2285
[47r]
2286b
2290
2295
Dritter Gesang
112
Auf Valencia saß Mio Cid mit all den Seinen,
mit ihm seine beiden Schwiegersöhne, die Infanten von
Carrión.
2280
Er lag auf einer Bank, er schlief, der Campeador.
Ein böser Vorfall geschah ihnen da:
Aus dem Käfig entkam und löste sich der Löwe.
In großer Angst sah man sich mitten am Hofe.
Auf die Arme nehmen sie die Mäntel, die vom Campeador,
und sie umstellen die Bank und wachen über ihren
2285
Herrn.
Ferrán Gonçález […]
sah dort weder eine Kammer offen stehen noch einen
2286b
Turm;
er kroch unter die Bank: So große Angst hatte er.
Diego Gonçález ging zur Tür hinaus,
aus seinem Munde sprach er: »Ich werde Carrión nicht
wiedersehen!«
Hinter einem Kelterbaum verkroch er sich mit großem
2290
Schrecken,
den Mantel und den Rock zog er ganz schmutzig wieder
hervor.
Unterdessen erwachte der, der zu guter Stunde geboren
wurde,
er sah die Bank umstellt von seinen guten Männern:
»Was ist das, ihr Scharen, oder was wollt ihr?«
2295
»Ach, geehrter Herr, uns überfiel der Löwe!«
Mio Cid stützte sich auf den Ellbogen und stand auf,
Dritter Gesang, 112
235
el manto trae al cuello e adeliñó pora’l león;
el león, cuando lo vio, assí envergonçó,
ante mio Cid la cabeça premió e el rostro fincó.
2300
Mio Cid don Rodrigo al cuello lo tomó
e liévalo adestrando, en la red le metió.
A maravilla lo han cuantos que ý son
e tornáronse al palacio, pora la cort.
Mio Cid por sos yernos demandó e no los falló;
maguer los están llamando, ninguno non responde. 2305
Cuando los fallaron, ellos vinieron assí sin color;
non viestes tal juego commo iva por la cort,
mandólo vedar mio Cid el Campeador.
Mucho·s’ tovieron por enbaídos los ifantes de Carrión,
2310
fiera cosa les pesa d’esto que les cuntió.
113
Ellos en esto estando, don avién grant pesar,
fuerças de Marruecos Valencia vienen cercar,
cincuaenta mill tiendas fincadas ha de las cabdales.
Aqueste era el rey Bucar, si l’oviestes contar.
2297 pora Leon ms. 2303 al palacio] apalaçio ms. 2306 vinieron assi
vinieron sin ms.
236
Cantar tercero, 113
[47v]
den Mantel trägt er um den Hals und ging auf den Löwen
zu;
der Löwe – als er ihn sah, erniedrigte er sich so:
Vor Mio Cid senkte er den Kopf und beugte die Schnauze.
2300
Mio Cid Herr Rodrigo fasste ihn am Hals
und führt ihn mit seiner Rechten; in den Käfig steckt er ihn.
Für erstaunlich halten es alle, die dort sind,
und sie kehrten in den Saal zurück, an den Hof.
Mio Cid – nach seinen Schwiegersöhnen fragte er und fand
sie nicht;
2305
obwohl man sie ruft, antwortet keiner von ihnen.
Als man sie fand, kamen sie ganz farblos hervor.
Nie saht ihr solchen Spaß, wie er da am Hof umging;
er hieß ihn verbieten, Mio Cid der Campeador.
Für sehr gekränkt halten sich die Infanten von Carrión,
2310
heftig schmerzt sie das, was ihnen da geschah.
113
Als sie in diesem Zustand waren, durch den sie großen
Kummer hatten –
Streitkräfte kommen aus Marruecos, um Valencia zu
belagern.
Fünfzigtausend Zelte sind aufgeschlagen, von den
großen.
Dies war der König Bucar, von dem ihr vielleicht schon
erzählen hörtet.
Dritter Gesang, 113
237
114
Alegrávas’ el Cid e todos sus varones,
2315
que les crece la ganancia, grado al Criador;
mas, sabed, de cuer les pesa a los ifantes de Carrión,
ca veyén tantas tiendas de moros de que non avién sabor.
Amos hermanos apart salidos son:
2320
– Catamos la ganancia e la pérdida no.
Ya en esta batalla a entrar abremos nós,
esto es aguisado por non ver Carrión,
bibdas remandrán fijas del Campeador. –
2324
Oyó la poridad aquel Muño Gustioz,
vino con estas nuevas a mio Cid Ruy Díaz el Canpeador:
– ¡Evades qué pavor han vuestros yernos, tan osados son,
por entrar en batalla desean Carrión!
Idlos conortar, sí vos vala el Criador,
que sean en paz e non ayan ý ración.
¡Nos convusco los vençremos e valernos ha el Criador! –
2331
Mio Cid don Rodrigo sonrisando salió:
– ¡Dios vos salve, yernos, ifantes de Carrión!
2318 auie ms.
238
2326 son] nicht in ms., so ergänzt corr., soy ergänzt al.
Cantar tercero, 114
114
Es freute sich der Cid und all seine Männer,
2315
dass ihnen die Beute anwächst, dank dem Schöpfer;
doch wisset, von Herzen schmerzt es die Infanten von
Carrión,
denn sie sahen so viele Maurenzelte, an denen sie keinen
Gefallen hatten.
Beide Brüder sind beiseite gegangen:
»Wir haben den Gewinn bedacht, doch den Verlust
2320
nicht;
an dieser Schlacht werden wir jetzt teilnehmen müssen.
Das hat sich so gefügt, damit wir Carrión nicht
wiedersehen;
als Witwen werden sie zurückbleiben, die Töchter des
Campeador.«
Es hörte diese geheime Unterhaltung jener Muño Gustioz,
er kam mit diesen Neuigkeiten zu Mio Cid Ruy Díaz, dem
2325
Campeador:
»Seht, welche Angst Eure Schwiegersöhne haben: Sie sind
so mutig –
um in die Schlacht zu ziehen, wünschen sie sich nach
Carrión!
Geht sie trösten, so Euch der Schöpfer beschützen möge,
dass sie in Frieden bleiben und keine Beteiligung daran
haben.
Wir mit Euch werden sie besiegen und der Schöpfer wird
2330
uns beschützen!«
Mio Cid Herr Rodrigo ging lächelnd hinaus:
»Gott beschütze euch, Schwiegersöhne, Infanten von
Carrión!
Dritter Gesang, 114
239
En braços tenedes mis fijas, tan blancas commo el sol.
Yo desseo lides e vós a Carrión;
en Valencia folgad a todo vuestro sabor,
ca d’aquellos moros yo só sabidor,
arrancármelos trevo con la merced del Criador. –
[. . . . . . . . . . . . . . . . .]
2335
115
– Aún vea el ora que vos meresca dos tanto. –
En una conpaña tornados son amos.
Assí lo otorga don Pero cuemo se alaba Ferrando,
plogo a mio Cid e a todos sos vassallos:
– ¡Aún, si Dios quisiere e el Padre que está en alto,
amos los mios yernos buenos serán en canpo! –
Esto van diziendo e las yentes se allegando.
En la hueste de los moros los atamores sonando,
a maravilla lo avién muchos d’essos cristianos,
ca nuncua lo vieran, ca nuevos son llegados.
Más se maravillan entre Diego e Ferrando,
por la su voluntad non serién allí llegados.
Oíd lo que fabló el que en buen ora nasco:
– ¡Ala, Pero Vermúez, el mio sobrino caro!
2337 s. Komm. 2341 sos ergänzt corr.
2343 capo ms. 2346 maraulla ms.
240
Cantar tercero, 115
2342 si ergänzt corr.
[48r]
2340
2345
2350
In die Arme nehmt ihr meine Töchter, so weiß wie die
Sonne.
Ich wünsche mir Kämpfe, ihr euch nach Carrión;
ruht in Valencia ganz nach eurem Gefallen,
denn mit jenen Mauren kenne ich mich aus,
sie zu besiegen traue ich mir zu, mit der Gnade des
Schöpfers.«
[…]
2335
115
»Möge ich noch die Stunde erleben, wo ich es Euch
zweifach vergelten kann.«
Gemeinsam sind beide zurückgekehrt.
Genauso bestätigt es Herr Pero, wie Ferrando sich dessen
2340
rühmt.
Es gefiel Mio Cid und all seinen Vasallen:
»Noch können, wenn Gott es wollte und der Vater, der in
der Höhe ist,
meine beiden Schwiegersöhne gut auf dem Schlachtfeld
werden.«
Während sie dieses sagten, kommen die Truppen
zusammen.
2345
Im Heer der Mauren ertönen die Trommeln,
für erstaunlich hielten es viele dieser Christen,
denn sie hatten es noch nie gesehen, denn sie sind neu
angekommen.
Noch mehr erstaunen sowohl Diego wie Ferrando,
aus eigenem Willen wären sie nicht dorthin gekommen.
Hört, was er sprach, der zu guter Stunde geboren wurde:
2351
»Auf, Pero Vermúez, mein teurer Neffe!
Dritter Gesang, 115
241
Cúriesme a don Diego e curiésme a don Fernando,
mios yernos amos a dos, las cosas que mucho amo,
ca los moros, con Dios, non fincarán en canpo. –
116
– Yo vos digo, Cid, por toda caridad,
2355
que oy los ifantes a mí por amo non abrán,
cúrielos quiquier, ca d’ellos poco m’incal,
yo con los míos ferir quiero delant,
vós con los vuestros firmemientre la çaga tengades;
2360
si cueta fuere, bien me podredes huviar. –
Aquí llegó Minaya Álbar Fáñez:
2361b
– ¡Oíd, ya Cid Campeador leal!
Esta batalla el Criador la ferá
e vós, tan diño que con él avedes part,
mandádnoslos ferir de cual part vos semejar;
2365 [48v]
el debdo que á cada uno a conplir será.
Verlo hemos con Dios e con la vuestra auze. –
Dixo mio Cid: – ¡Ayamos más de vagar! –
Afevos el obispo don Jerónimo, muy bien armado está,
parávas’ delant al Campeador, siempre con la buen auze:
2370
– Oy vos dix la missa de Santa Trinidade.
Por esso salí de mi tierra e vinvos buscar,
'
2352 don] nicht in ms. 2353 las cosas corr., las cosa ms. , la cosa ms.
2364 mandádnoslos] mandad nolos ms. 2367 ayamos ms., ayamoslo al.
2368 está] nicht in ms.
242
Cantar tercero, 116
Hütet mir Herrn Diego, und hütet mir Herrn Fernando,
meine beiden Schwiegersöhne gemeinsam, die ich sehr
liebe,
denn die Mauren, Gott mit uns, werden nicht auf dem
Schlachtfeld halten.«
116
2355
»Ich sage Euch, Cid, um aller Barmherzigkeit willen,
dass die Infanten mich heute nicht als Beschützer haben
werden.
Es soll auf sie aufpassen, wer wolle, denn sie sind mir ganz
gleichgültig,
ich mit den Meinen will vorneweg angreifen,
ihr mit den Euren haltet standhaft die Nachhut;
wenn es Gefahr geben sollte – Ihr werdet mir wohl helfen
2360
können.«
Da kam Minaya Álbar Fáñez:
2361b
»Hört, ach Cid, treuer Campeador!
Diese Schlacht – der Schöpfer wird sie schlagen;
und Ihr, der Ihr so würdig seid, dass Ihr an ihm teilhabt,
befehlt uns, sie anzugreifen, auf welcher Seite es Euch gut
scheint.
Die Pflicht, die jeder hat, wird erfüllt werden müssen. 2365
Wir werden es sehen, mit Gott und mit Eurem Glück.«
Mio Cid sagte: »Lasst uns mehr Ruhe haben.«
Seht da den Bischof Herrn Jerónimo: Gut bewaffnet ist er.
Er hielt vor dem Campeador, immer mit dem guten Glück:
»Heute habe ich Euch die Messe gesagt von der heiligen
2370
Dreifaltigkeit.
Deswegen verließ ich mein Land und suchte Euch auf,
Dritter Gesang, 116
243
por sabor que avía de algún moro matar.
Mi orden e mis manos querríalas ondrar
e a estas feridas yo quiero ir delant.
2375
Pendón trayo a corças e armas de señal,
si ploguiesse a Dios querríalas ensayar,
mio coraçón que pudiesse folgar
e vós, mio Cid, de mí más vos pagar.
Si este amor no·n’ feches, yo de vós me quiero quitar. –
Essora dixo mio Cid: – Lo que vós queredes plazme. 2380
Afé los moros a ojo, idlos ensayar;
nós d’aquent veremos cómmo lidia el abbat. –
117
El obispo don Jerónimo priso a espolonada
e ívalos ferir a cabo del albergada.
Por la su ventura e Dios que l’amava,
a los primeros colpes dos moros matava de la lança;
el astil á quebrado e metió mano al espada.
Ensayávas’ el obispo, ¡Dios qué bien lidiava!,
dos mató con lança e cinco con el espada.
2390
Los moros son muchos, derredor le cercavan,
dávanle grandes colpes, mas no·l’ falsan las armas.
2375 corcas ms.
244
Cantar tercero, 117
2385
[49r]
wegen des Verlangens, das ich hatte, irgendeinen Mauren
zu töten.
Meinem Priesterorden und meinen Händen würde ich
gerne Ehre machen,
und bei diesem Angriff möchte ich vorneweg gehen.
Einen Wimpel trage ich mit Ricken und Waffen mit
2375
Kennzeichen;
wenn es Gott gefiele, würde ich sie gerne erproben,
mein Herz – damit es Ruhe finden kann
und damit Ihr, Mio Cid, mit mir noch zufriedener sein
könnt.
Wenn Ihr mir diesen Gefallen nicht tut, möchte ich von
Euch scheiden.«
2380
Da sagte Mio Cid: »Was Ihr wollt, gefällt mir.
Seht die Mauren in Sichtweite, geht sie erproben.
Wir werden von hier aus sehen, wie der Priester kämpft.«
117
Der Bischof Herr Jerónimo begann spornstreichs den
Ansturm
und ging sie angreifen in der Nähe des Lagers.
2384
Wegen seines Glücks und wegen Gott, der ihn liebte –
bei den ersten Stößen tötete er zwei Mauren mit der Lanze.
Den Schaft hat er zerbrochen, und er legte Hand ans
Schwert.
Der Bischof setzte sich ein – Gott, wie gut er kämpfte!
Zwei tötete er mit der Lanze und fünf mit dem Schwert.
2390
Die Mauren sind viele, sie umstellten ihn ringsum,
sie gaben ihm große Hiebe, doch sie durchbrechen nicht
seine Waffen.
Dritter Gesang, 117
245
El que en buen ora nasco los ojos le fincava,
enbraçó el escudo e abaxó el asta,
aguijó a Bavieca, el cavallo que bien anda,
2395
ívalos ferir de coraçón e de alma.
En las azes primeras el Campeador entrava,
abatió a siete e a cuatro matava.
Plogo a Dios, aquésta fue el arrancada.
Mio Cid con los suyos cae en alcança;
veriedes quebrar tantas cuerdas e arrancarse las estacas,
2401
e acostarse los tendales con huebras eran tantas.
Los de mio Cid a los de Bucar de las tiendas los sacan.
118
Sácanlos de las tiendas, cáenlos en alcaz,
tanto braço con loriga veriedes caer apart,
tantas cabeças con yelmos que por el campo caen,
cavallos sin dueños salir a todas partes.
Siete migeros conplidos duró el segudar,
mio Cid al rey Bucar cayól’ en alcaz:
– ¡Acá torna, Bucar! Venist d’allent mar,
verte as con el Cid, el de la barba grant,
saludarnos hemos amos e tajaremos amistad. –
Respuso Bucar al Cid: – ¡Cofonda Dios tal amistad!
2401 acostarse corr., costarse ms.
246
Cantar tercero, 118
2411 amistas ms.
2405
2410
Der zu guter Stunde geboren wurde, heftete seine Augen
auf ihn,
er nahm den Schild in den Arm und senkte den Schaft,
spornte Bavieca an, das Pferd, das gut läuft,
2395
er ging sie angreifen, von Herzen und von Seele.
In die ersten Reihen drang der Campeador ein,
er schlug sieben nieder und tötete vier.
Es gefiel Gott, dies war der Sieg.
Mio Cid mit den Seinen beginnt die Verfolgung;
da würdet ihr so viele Zeltleinen zerspringen und Pfähle
2400
herausreißen sehen
und die Zeltstangen sich senken, mit so vielen
Verzierungen.
Die von Mio Cid holen die von Bucar aus den Zelten.
118
Sie holen sie aus den Zelten und nehmen die Verfolgung auf,
so viele Arme mit Kettenhemden hättet ihr da abfallen
sehen können,
2405
so viele Köpfe mit Helmen, die auf das Feld fallen,
Pferde ohne Herren nach allen Seiten davonsprengen.
Sieben volle Meilen dauerte die Verfolgung an,
Mio Cid nahm die Verfolgung von König Bucar auf:
»Kehr hierher zurück, Bucar! Du kamst von jenseits des
Meeres,
2410
du wirst den Cid treffen, den mit dem großen Bart,
wir werden uns gegenseitig begrüßen, und wir werden
Freundschaft schließen.«
Bucar antwortete dem Cid: »Gott verderbe solche
Freundschaft!
Dritter Gesang, 118
247
Espada tienes desnuda en mano e véot’ aguijar,
así commo semeja, en mí la quieres ensayar;
mas si el cavallo non estropieça o conmigo non caye,
non te juntarás comigo fata dentro en la mar. –
Aquí respuso mio Cid: – Esto non será verdad. –
Buen cavallo tiene Bucar e grandes saltos faz,
mas Bavieca, el de mio Cid, alcançándolo va.
Alcançólo el Cid a Bucar a tres braças del mar,
arriba alçó Colada, un grant colpe dado·l’ ha,
las carbonclas del yelmo tollidas ge las ha,
cortól’ el yelmo e, librado todo lo ál,
fata la cintura el espada llegado ha.
Mató a Bucar, al rey de allén mar
e ganó a Tizón, que mill marcos d’oro val.
Venció la batalla maravillosa e grant,
aquí s’ondró mio Cid e cuantos con el están.
[49v]
2416
2420
2425
119
Con estas ganancias ya s’ivan tornando.
Sabet, todos de firme robavan el canpo,
a las tiendas eran llegados
do estava el que en buen ora nasco.
Mio Cid Ruy Díaz, el Campeador contado,
con dos espadas que el preciava algo,
2413 El espada … en la mano ms.; s. Komm.
2428 están] son ms.
248
Cantar tercero, 119
2422 ge las] gela ms.
2430
Ein Schwert hältst du bloß in der Hand, und ich sehe dich
die Sporen geben;
wie es aussieht, willst du es an mir erproben.
Doch wenn das Pferd nicht strauchelt oder mit mir
2415
hinfällt,
wirst du mich nicht einholen bis ins Meer hinein!«
Darauf antwortete Mio Cid: »Das wird nicht wahr sein.«
Ein gutes Pferd hat Bucar, und große Sprünge macht es,
doch Bavieca, das von Mio Cid, holt es langsam ein.
Der Cid erreicht den Bucar drei Armlängen weit vom
2420
Meer,
hoch erhob er Colada, einen gewaltigen Hieb hat er ihm
gegeben,
die Karfunkel des Helms hat er ihm zerspalten,
er zerschnitt ihm den Helm, und, alles andere
überwunden,
bis zur Hüfte ist das Schwert gedrungen.
2425
Er tötete Bucar, den König von Übersee,
und gewann Tizón, das tausend Mark Gold wert ist.
Er gewann die Schlacht, erstaunlich und groß,
hier erwarb sich Mio Cid Anerkennung und alle, die mit
ihm sind.
119
Mit dieser Beute kehrten sie nun zurück.
Wisset, alle plünderten entschlossen das Schlachtfeld. 2430
Zu den Zelten waren sie gekommen,
wo sich der befand, der zu guter Stunde geboren wurde,
Mio Cid Ruy Díaz, der berühmte Campeador,
mit zwei Schwertern, die er sehr schätzte.
Dritter Gesang, 119
249
por la matança vinía tan privado,
2435
la cara fronzida e almófar soltado,
cofia sobre los pelos, fronzida d’ella yacuanto.
Algo vie mio Cid de lo que era pagado,
alçó sos ojos, estava adelant catando
2440 [50r]
e vio venir a Diego e a Fernando,
amos son fijos del conde don Gonçalo.
Alegrós’ mio Cid, fermoso sonrisando:
– ¡Venides, mios yernos, mios fijos sodes amos!
Sé que de lidiar bien sodes pagados,
2445
a Carrión de vós irán buenos mandados,
cómmo al rey Bucar avemos arrancado.
Commo yo fío por Dios e en todos los sos santos,
2448
d’esta arrancada nós iremos pagados. –
De todas partes sos vassallos van llegando,
2455
Minaya Álvar Fáñez essora es llegado,
2449
el escudo trae al cuello e todo espadado,
2450
de los colpes de las lanças non avié recabdo,
aquellos que ge los dieran non ge lo avién logrado.
Por el cobdo ayuso la sangre destellando,
de veinte arriba ha moros matado:
2456
– ¡Grado a Dios e al Padre que está en alto,
e a vós Cid, que en buen ora fuestes nado!
Matastes a Bucar e arrancamos el canpo;
todos estos bienes de vós son e de vuestros vassallos,
2439 esteua ms. 2441 goçalo ms. 2450 espado ms. 2454 veinte] xx
ms.', ix ms. 2455 s. Komm.
250
Cantar tercero, 119
Durch das Blutbad kam er ganz schnell,
2435
das Gesicht runzlig und die Ringhaube gelöst,
die Kappe über den Haaren ganz faltig.
Etwas sah Mio Cid, was ihn zufrieden machte:
Er erhob seine Augen, nach vorne blickte er
2440
und sah Diego und Fernando kommen,
beide sind Söhne des Grafen Herrn Gonçalo.
Mio Cid erfreute sich, breit lächelnd:
»Ihr kommt, meine Schwiegersöhne, meine Söhne seid ihr
beide!
Ich weiß, dass ihr des Kämpfens wohl zufrieden seid,
nach Carrión werden über euch gute Nachrichten
2445
gelangen,
wie wir den König Bucar besiegt haben.
Wie ich in Gott vertraue und in alle seine Heiligen –
über diesen Sieg werden wir zufrieden davongehen.« 2448
Von allen Seiten kommen seine Vasallen heran,
2455
Minaya Álvar Fáñez ist in diesem Moment
2449
angekommen,
den Schild trägt er am Hals, mit Schwerthieben
2450
bedeckt,
die Lanzenstiche waren unzählbar,
diejenigen, die sie ihm gaben, hatten keinen Nutzen davon
gehabt.
Den Ellbogen hinab das Blut tropfend,
zwanzig und aufwärts hat er von den Mauren getötet:
2456
»Dank sei Gott und dem Vater, der in der Höhe ist,
und Euch, Cid, der Ihr zu guter Stunde geboren wurdet!
Ihr habt Bucar getötet, und wir haben die Schlacht
gewonnen;
all diese Güter gehören Euch und Euren Vasallen,
Dritter Gesang, 119
251
e vuestros yernos aquí son ensayados,
fartos de lidiar con moros en el campo. –
Dixo mio Cid: – Yo d’esto só pagado,
cuando agora son buenos adelant serán preciados. –
Por bien lo dixo el Cid, mas ellos lo tovieron a mal.
2460
119b
Todas las ganancias a Valencia son llegadas,
alegre es mio Cid con todas sus conpañas,
que a la ración cayé seiscientos marcos de plata.
2465 [50v]
119c
Los yernos de mio Cid, cuando este aver tomaron
d’esta arrancada, que lo tenién en so salvo,
cuidaron que en sus días nuncua serién minguados.
Fueron en Valencia muy bien arreados,
conduchos a sazones, buenas pieles e buenos mantos.
Mucho son alegres mio Cid e sus vassallos.
2470
120
Grant fue el día en la cort del Campeador,
después que esta batalla vencieron e al rey Bucar mató.
2476
Alçó la mano, a la barba se tomó:
– ¡Grado a Christus, que del mundo es señor,
2473 Muchos ms.
252
2474 en] nicht in ms.
Cantar tercero, 119b–120
und Eure Schwiegersöhne sind hier erprobt worden, 2460
müde vom Kämpfen mit den Mauren auf dem Feld.«
Mio Cid sagte: »Ich bin damit zufrieden;
wenn sie jetzt gut sind, werden sie künftig geschätzt
werden.«
Im Guten sagte es der Cid, doch sie nahmen es im Bösen
auf.
119b
Die ganze Beute ist in Valencia angekommen,
2465
froh ist Mio Cid und all seine Scharen,
dass auf jeden Anteil sechshundert Mark Silber entfielen.
119c
Die Schwiegersöhne des Cid, als sie diesen Reichtum
davontrugen
von diesem Sieg und ihn in sicherem Besitz hatten,
glaubten sie, dass sie ihr Lebtag nie arm sein würden.
In Valencia war man gut versorgt,
die besten Lebensmittel, gute Felle und gute Mäntel.
Sehr froh sind Mio Cid und seine Vasallen.
2470
120
Groß war der Tag am Hof des Campeador,
nachdem sie diese Schlacht gewonnen hatten und er den
2475
König Bucar tötete.
Er erhob die Hand, er griff sich an den Bart:
»Dank sei Christus, der über die Welt Herr ist,
Dritter Gesang, 119b–120
253
cuando veo lo que avía sabor,
que lidiaran comigo en campo mios yernos amos a dos!
2480
Mandados buenos irán d’ellos a Carrión,
cómmo son ondrados e avervos han grant pro.
121
Sobejanas son las ganancias que todos an ganado,
lo uno es nuestro, lo otro han en salvo. –
Mandó mio Cid, el que en buen ora nasco,
d’esta batalla que han arrancado
que todos prisiessen so derecho contado,
e el su quinto non fuesse olbidado.
Assí lo fazen todos, ca eran acordados.
Cayéronle en quinta al Cid seixcientos cavallos
e otras azémilas e camellos largos,
tantos son de muchos que non serién contados.
2485
2490 [51r]
122
Todas estas ganancias fizo el Canpeador:
– ¡Grado a Dios, que del mundo es señor!
Antes fu minguado, agora rico só,
que he aver e tierra e oro e onor,
e son mios yernos ifantes de Carrión.
Arranco las lides commo plaze al Criador,
moros e cristianos de mí han grant pavor.
2481 han] nicht in ms. 2482 ganadas ms. 2487 el su quinto] la su
quinta ms.
254
Cantar tercero, 121–122
2495
dass ich sehe, was ich wünschte,
dass meine Schwiegersöhne beide gemeinsam mit mir auf
dem Schlachtfeld kämpften.
Gute Nachrichten werden über sie nach Carrión gehen,
wie sehr sie geehrt werden und dass sie euch von großem
2481
Nutzen sein werden.
121
Unzählig ist die Beute, die alle gewonnen haben,
das eine ist unser, das andere haben sie in sicherem Besitz.«
Mio Cid befahl, der zu guter Stunde geboren wurde,
2485
dass von dieser Schlacht, die sie gewonnen haben,
dass alle nehmen sollten, was ihnen rechtmäßig zustünde,
und dass sein Fünfter nicht vergessen werde.
So tun es alle, denn sie waren sich einig.
Im Fünften fielen dem Cid sechshundert Pferde zu
2490
und dazu Lasttiere und viele Kamele;
so viele sind es, dass sie nicht gezählt werden könnten.
122
All diese Beute machte der Campeador:
»Dank sei Gott, der über die Welt Herr ist!
Einst war ich arm, nun bin ich reich,
habe ich doch Reichtum und Land und Gold und
2495
Grundbesitz,
und es sind meine Schwiegersöhne die Infanten von
Carrión.
Ich gewinne die Schlachten, wie es dem Schöpfer gefällt,
Mauren und Christen – vor mir haben sie große Angst,
Dritter Gesang, 121–122
255
Allá dentro en Marruecos, o las mezquitas son,
que abrán de mí salto quiçab alguna noch,
ellos lo temen, ca non lo pienso yo;
no los iré buscar, en Valencia seré yo,
ellos me darán parias con ayuda del Criador,
que paguen a mí o a qui yo ovier sabor. –
Grandes son los gozos en Valencia con mio Cid el
Canpeador
de todas sus compañas e de todos los sos.
Grandes son los gozos de sus yernos amos a dos,
d’aquesta arrancada que lidiaron de coraçón
valía de cinco mill marcos ganaron amos a dos;
mucho·s’ tienen por ricos los ifantes de Carrión.
Ellos con los otros vinieron a la cort,
aquí está con mio Cid el obispo don Jerónimo,
el bueno de Álbar Fáñez, cavallero lidiador,
e otros muchos que crió el Campeador.
Cuando entraron los ifantes de Carrión,
recibiólos Minaya por mio Cid el Campeador:
– ¡Acá venid, cuñados, que más valemos por vós! –
Assí commo llegaron, pagós’ el Campeador:
– Evades aquí, yernos, la mi mugier de pro
e amas las mis fijas, don Elvira e doña Sol,
bien vos abracen e sírvanvos de coraçón.
¡Grado a Santa María, madre del nuestro señor Dios,
2501 piesso ms. 2505 Canpeado ms. (beschnitten) 2506 los sos] sus
vasallos ms.; s. Komm. 2512 don] do ms. 2520 las] la ms.
256
Cantar tercero, 122
2500
2505
2510
2515
[51v]
2520
2524
dort drinnen in Marruecos, wo die Moscheen sind,
dass sie von mir überfallen werden vielleicht eines
2500
Nachts –
sie befürchten es, doch ich denke nicht daran.
Ich werde sie nicht aufsuchen, in Valencia werde ich sein,
sie werden mir Tribut zahlen mit Hilfe des Schöpfers,
sie sollen mir zahlen oder wem es mir gefällt.«
Groß sind die Freuden in Valencia mit Mio Cid, dem
2505
Campeador,
von allen seinen Scharen und all den Seinen.
Groß sind die Freuden seiner Schwiegersöhne, beiden
gemeinsam,
mit diesem Sieg, den sie von Herzen erkämpften,
den Wert von fünftausend Mark haben sie beide
gemeinsam gewonnen;
2510
für sehr reich halten sich die Infanten von Carrión.
Sie und die anderen kamen am Hof zusammen,
Hier ist, mit Mio Cid, der Bischof Herr Jerónimo,
der gute Álbar Fáñez, kämpfender Ritter,
und viele andere, die der Campeador heranzog.
2515
Als die Infanten von Carrión eintraten,
empfing sie Minaya im Namen von Mio Cid, dem
Campeador:
»Kommt her, Schwäger, denn euretwegen ist unser
Ansehen größer!«
Sobald sie ankamen, erfreute sich der Campeador:
»Seht hier, Schwiegersöhne, meine rechtschaffene Ehefrau
2520
und meine beiden Töchter, Frau Elvira und Frau Sol;
gut sollen sie euch umarmen und euch von Herzen dienen.
Dank sei der heiligen María, Mutter unseres Herren
2524
Gott,
Dritter Gesang, 122
257
d’estos vuestros casamientos vós abredes honor,
buenos mandados irán a tierras de Carrión! –
2525
123
A estas palabras fabló don Ferrando:
– Grado al Criador e a vós, Cid ondrado,
tantos avemos de averes que no son contados.
Por vós avemos ondra e avemos lidiado,
2530
venciemos moros en campo e matamos
2522
a aquel rey Bucar, traidor provado.
2523
Pensad de lo otro, que lo nuestro tenémoslo en
2531
salvo. –
Vassallos de mio Cid seyénse sonrisando
quién lidiara mejor o quién fuera en alcanço,
mas non fallavan ý a Diego ni a Ferrando.
2535
Por aquestos juegos que ivan levantando
e las noches e los días tan mal los escarmentando,
tan mal se consejaron estos ifantes amos.
Amos salieron apart, ¡veramientre son hermanos!,
d’esto qu’ellos fablaron nós parte non ayamos:
2540
– Vayamos pora Carrión, aquí mucho detardamos.
Los averes que tenemos grandes son e sobejanos,
mientra que visquiéremos despender no los podremos.
2525 nuestros ms. 2527 don Ferrando] feran gonçalez ms.; s. Komm.
2522 f. s. Komm. 2538 saliero ms. 2542 los] lo ms.
258
Cantar tercero, 123
durch diese eure Ehen werdet ihr Grundbesitz
2525
erhalten;
gute Nachrichten werden in die Lande von Carrión gehen!«
123
Auf diese Worte hin sprach Herr Ferrando;
»Dank sei dem Schöpfer und Euch, ehrenwerter Cid;
so viel Reichtum haben wir, dass er nicht gezählt wurde.
Euretwegen haben wir Ehre und haben wir gekämpft, 2530
wir haben Mauren auf dem Schlachtfeld besiegt und wir
2522
haben getötet
jenen König Bucar, den offenkundigen Verräter.
2523
Denkt an anderes, denn das Unsere haben wir sicher
2531
verwahrt.«
Die Vasallen des Mio Cid lachten leise,
darüber, wer am besten gekämpft habe oder wer in der
Verfolgung gewesen sei,
doch sie fanden dabei nirgends weder Diego noch
Ferrando.
2535
Wegen dieser Späße, die sie immer weiter trieben,
bei Tag und bei Nacht sie so übel verhöhnend –
einen schlechten Entschluss fassten diese beiden Infanten.
Beide gingen beiseite, wahrlich, sie sind Brüder!
An dem, was sie besprachen, sollen wir keinen Anteil
haben!
»Gehen wir nach Carrión, hier halten wir uns schon lange
2540
auf.
Die Reichtümer, die wir haben – groß sind sie und
unzählbar,
solange wir leben, werden wir sie nicht ausgeben können.
Dritter Gesang, 123
259
124
Pidamos nuestras mugieres al Cid Campeador,
digamos que las levaremos a tierras de Carrión,
e enseñarlas hemos dó las heredades son.
Sacarlas hemos de Valencia, de poder del Campeador;
después en la carrera feremos nuestro sabor,
ante que nos retrayan lo que cuntió del león.
Nós de natura somos de condes de Carrión,
averes levaremos grandes que valen grant valor,
escarniremos las fijas del Canpeador.
D’aquestos averes sienpre seremos ricos omnes,
podremos casar con fijas de reyes o de enperadores,
ca de natura somos de condes de Carrión.
Assí las escarniremos a las fijas del Campeador
antes que nos retrayan lo que fue del león. –
Con aqueste consejo amos tornados son,
fabló Ferrán Gonçález e fizo callar la cort:
– ¡Sí vos vala el Criador, Cid Campeador!
Que plega a doña Ximena e primero a vós,
e a Minaya Álbar Fáñez e a cuantos aquí son:
dadnos nuestras mugieres que avemos a bendiciones,
levarlas hemos a nuestras tierras de Carrión,
meterlas hemos en las villas
2545 e] nicht in ms.
260
Cantar tercero, 124
[52r]
2545
2550
2555
2560
124
Bitten wir den Cid Campeador um unsere Frauen,
sagen wir, dass wir sie in die Lande von Carrión bringen
werden
2545
und ihnen zeigen werden, wo die Erbgüter sind.
Wir werden sie aus Valencia fortführen, aus der Gewalt
des Campeador.
Dann, unterwegs, werden wir nach unserem Willen tun,
bevor man uns öffentlich vorwirft, was mit dem Löwen
geschah.
Wir sind vom Geschlecht der Grafen von Carrión,
große Reichtümer werden wir mitbringen, die großen
2550
Wert haben,
schänden werden wir die Töchter des Campeador.
Mit diesen Reichtümern werden wir für immer
Edelmänner sein,
wir werden die Töchter von Königen und Kaisern heiraten
können,
denn wir sind vom Geschlecht der Grafen von Carrión.
So werden wir sie schänden, die Töchter des Campeador,
bevor man uns öffentlich vorwirft, was mit dem Löwen
2556
war.«
Mit diesem Beschluss sind beide zurückgekehrt,
Ferrán Gonçález sprach und hieß den Hof schweigen:
»So Euch der Schöpfer beschützen möge, Cid Campeador!
2560
Möge es Frau Ximena gefallen und allererst Euch
und Minaya Álbar Fáñez und allen, die hier sind:
Gebt uns unsere Ehefrauen, die uns mit Segen angehören,
wir werden sie in unsere Lande in Carrión führen,
wir werden ihnen die Güter übergeben,
Dritter Gesang, 124
261
que les diemos por arras e por onores.
Verán vuestras fijas lo que avemos nós,
los fijos que oviéremos en qué avrán partición. –
De assí ser afontado no·s’ curiava el Campeador;
dixo el Cid: – Darvos he mis fijas e algo de lo mio.
Vós les diestes villas por arras en tierras de Carrión,
yo quiéroles dar axuvar tres mill marcos de oro,
darvos é mulas e palafrés muy gruessos de sazón,
cavallos pora en diestro, fuertes e corredores,
e muchas vestiduras de paños de ciclatones.
Darvos he dos espadas, a Colada e a Tizón;
bien lo sabedes vós que las gané a guisa de varón.
Mios fijos sodes amos, cuando mis fijas vos dó,
allá me levades las telas del coraçón.
Que lo sepan en Gallizia e en Castiella e en León,
con qué riqueza enbío mios yernos amos a dos.
A mis fijas sirvades que vuestras mugieres son;
si bien las servides, yo vos rendré buen galardón. –
Atorgado lo han esto los ifantes de Carrión,
aquí reciben las fijas del Campeador,
conpieçan a recebir lo que el Cid mandó.
2565
2569
2568
2570
[52v]
2575
2580
2585
2568 f. Dixo el campeador daruos he mys fijas e algo delo myo / El çid
que nos curiaua de assi ser afontado ms.; s. Komm. 2570 villas por arras]
villas en tierras de por arras ms.; 2571 de oro] de plata ms.; s. Komm.
2574 paños e de ms.; s. Komm.
262
Cantar tercero, 124
die wir ihnen als Morgengabe und Grundbesitz gaben. 2565
Eure Töchter werden sehen, was wir besitzen,
woran die Kinder, die wir haben mögen, Anteil haben
werden.«
Dadurch geschmäht zu werden, daran dachte nicht der
2569
Campeador;
der Cid sagte: »Ich werde euch meine Töchter geben und
etwas von dem, was mir gehört. 2568
Ihr gabt ihnen als Morgengabe Güter in den Landen von
2570
Carrión,
ich möchte ihnen zur Aussteuer dreitausend Mark Gold
geben,
ich werde euch Maultiere und Zelter geben, rüstig und gut
zugeritten,
Rosse für den Kampf, kräftig und schnell,
und viele Kleider aus Brokatstoff.
Ich werde euch zwei Schwerter geben, Colada und Tizón;
ihr wisst es genau, dass ich sie gewann wie ein Mann. 2576
Meine Söhne seid ihr beide, da ich euch meine Töchter
gebe,
hin führt ihr mir die Fasern meines Herzens.
Man soll es in Gallizia und in Castiella und in León
wissen,
mit welchem Reichtum ich meine Schwiegersöhne
2580
entsende, beide gemeinsam.
Dient meinen Töchtern, die eure Ehefrauen sind;
wenn ihr ihnen gut dient, werde ich euch gut dafür
belohnen.«
Darin willigten die Infanten von Carrión ein.
Hier nehmen sie die Töchter des Campeador in Empfang,
2585
sie beginnen zu empfangen, was der Cid befahl.
Dritter Gesang, 124
263
Cuando son pagados a todo so sabor,
ya mandavan cargar ifantes de Carrión.
Grandes son las nuevas por Valencia la mayor,
todos prenden armas e cavalgan a vigor,
porque escurren sus fijas del Cid a tierras de Carrión.
Ya quieren cavalgar, en espidimiento son;
amas hermanas, don Elvira e doña Sol,
fincaron los inojos ant’el Cid Campeador:
– ¡Merced vos pedimos, padre, sí vos vala el Criador!
Vós nos engendrastes, nuestra madre nos parió;
delante sodes amos, señora e señor,
agora nos enviades a tierras de Carrión,
debdo nos es a cunplir lo que mandáredes vós.
Assí vos pedimos merced nós amas a dos
que ayades vuestros mensajes en tierras de Carrión. –
Abraçólas mio Cid e saludólas amas a dos.
2590
2595
[53r]
2600
125
Él fizo aquesto, la madre lo doblava:
– Andad, fijas, d’aquí el Criador vos vala.
De mí e de vuestro padre bien avedes nuestra gracia.
Id a Carrión, do sodes heredadas;
assí commo yo tengo, bien vos he casadas. –
2588 son ergänzt corr.
264
2590 Cid] campeador ms.; s. Komm.
Cantar tercero, 125
2605
Als sie zufriedengestellt waren, ganz nach ihrem
Wunsche,
da befahlen sie bereits aufzuladen, die Infanten von
Carrión.
Groß sind die Neuigkeiten in Valencia, der großen,
alle ergreifen Waffen und reiten wacker,
weil sie die Töchter des Cid nach den Landen von Carrión
2590
verabschieden.
Schon möchten sie reiten, sie befinden sich beim Abschied.
Die beiden Schwestern, Frau Elvira und Frau Sol,
knieten vor dem Cid Campeador nieder:
»Um Gnade bitten wir Euch, Vater, so Euch der Schöpfer
beschützen möge!
Ihr habt uns gezeugt, unsere Mutter hat uns geboren; 2595
vor uns seid ihr beide, Herrin und Herr,
jetzt schickt ihr uns in die Lande von Carrión,
unsere Pflicht ist zu erfüllen, was ihr befehlen mögt.
So bitten wir euch um Gnade, wir beide gemeinsam,
dass ihr eure Nachrichten in die Lande von Carrión
2600
schickt.«
Mio Cid umarmte sie und grüßte sie beide gemeinsam.
125
Er tat dies, die Mutter tat ein gleiches:
»Geht, Töchter, von nun an möge euch der Schöpfer
beschützen.
Von mir und von eurem Vater habt ihr sehr wohl unsere
Huld.
2605
Geht nach Carrión, wo ihr eure Güter habt;
wie ich glaube, seid ihr mir gut verheiratet.«
Dritter Gesang, 125
265
Al padre e a la madre las manos les besavan,
amos las bendixieron e diéronles su gracia.
Mio Cid e los otros de cavalgar pensavan
a grandes guarnimientos, a cavallos e armas.
Ya salién los ifantes de Valencia la clara,
espidiéndos’ de las dueñas e de todas sus compañas.
Por la huerta de Valencia teniendo salién armas,
alegre va mio Cid con todas sus compañas.
Violo en los avueros el que en buen ora cinxo espada
que estos casamientos non serién sin alguna tacha;
no·s’ puede repentir, que casadas las ha amas.
2610
2615
126
– ¿Ó eres, mio sobrino, tú, Félez Muñoz?
Primo eres de mis fijas amas d’alma e de coraçón,
mándot’ que vayas con ellas fata dentro en Carrión,
verás las heredades que a mis fijas dadas son.
Con aquestas nuevas vernás al Campeador. –
Dixo Félez Muñoz: – Plazme d’alma e de coraçón. –
Minaya Álbar Fáñez ante mio Cid se paró:
2612 Espiendos ms.
266
Cantar tercero, 126
2620
[53v]
Dem Vater und der Mutter küssten sie die Hände,
beide segneten sie und gaben ihnen ihre Huld.
Mio Cid und die anderen begannen zu reiten
mit großer Ausrüstung, mit Pferden und mit Waffen. 2610
Schon verließen die Infanten das strahlende Valencia,
sie verabschiedeten sich von den Damen und von all
seinen Scharen.
Durch die Huerta von Valencia zogen sie mit
Waffenspielen,
froh zieht der Cid dahin mit all seinen Scharen.
Er sah es an den Vorzeichen, der zu guter Stunde das
2615
Schwert gürtete,
dass diese Ehen nicht ohne irgendeinen Makel sein
würden;
er kann es nicht rückgängig machen, denn er hat sie beide
verheiratet.
126
»Wo bist du, mein Neffe, du, Félez Muñoz?
Vetter bist du meiner beiden Töchter, von Seele und von
Herzen,
ich befehle dir, dass du mit ihnen gehst bis hinein nach
2620
Carrión,
sehen wirst du die Güter, die meinen Töchtern gegeben
wurden.
Mit diesen Neuigkeiten wirst du zum Campeador
kommen.«
Es sagte Félez Muñoz: »Es gefällt mir von Seele und von
Herzen.«
Minaya Álbar Fáñez trat vor Mio Cid hin:
Dritter Gesang, 126
267
– Tornémosnos, Cid, a Valencia la mayor,
que si a Dios ploguiere e al Padre Criador,
irlas hemos ver a tierras de Carrión. –
– A Dios vos acomendamos, don Elvira e doña Sol,
atales cosas fed que en plazer caya a nós. –
Respondién los yernos: – ¡Assí lo mande Dios! –
Grandes fueron los duelos a la departición,
el padre con las fijas lloran de coraçón,
assí fazían los cavalleros del Campeador.
– Oyas, sobrino, tú Félez Muñoz:
por Molina iredes, ý yazredes una noch;
saludad a mio amigo el moro Avengalvón,
reciba a mios yernos commo él pudier mejor.
Dil’ que enbío mis fijas a tierras de Carrión,
de lo que ovieren huebos sírvalas a so sabor,
desí escúrralas fasta Medina por la mi amor;
de cuanto él fiziere yo·l’ daré por ello buen galardón. –
Cuemo la uña de la carne ellos partidos son,
ya·s’ tornó pora Valencia el que en buen ora nasció;
piénsanse de ir los ifantes de Carrión.
Por Santa María d’Alvarrazín fazían la posada,
aguijan cuanto pueden ifantes de Carrión,
2625
2630
2635
2640
2645
2635 vna noch y iazredes ms., s. Komm. 2639 siruanlas ms. 2641 daré]
dar ms. 2643 que ergänzt corr.
268
Cantar tercero, 126
»Kehren wir zurück, Cid, nach Valencia, der großen,
2625
denn wenn es Gott gefallen sollte und dem Vater Schöpfer,
werden wir gehen, sie zu sehen, in die Lande von Carrión.«
»Gott vertrauen wir euch an, Frau Elvira und Frau Sol,
handelt so, dass wir daran Gefallen haben.«
Die Schwiegersöhne antworteten: »Möge es Gott so
2630
anordnen!«
Groß war die Trauer beim Abschied,
der Vater und die Töchter weinen von Herzen,
ebenso taten die Ritter des Campeador.
»Höre, Neffe, du, Félez Muñoz:
Über Molina werdet ihr ziehen, dort werdet ihr eine Nacht
2635
lagern;
grüßt meinen Freund, den Mauren Avengalvón,
er möge meine Schwiegersöhne aufnehmen, so gut er
könne.
Sag ihm, dass ich meine Töchter in die Lande von Carrión
schicke,
mit allem, was sie brauchen sollten, möge er ihnen nach
ihrem Wunsch dienen.
Dann möge er sie bis Medina begleiten, um meiner Liebe
2640
willen;
für alles, was er tut – ich werde ihm dafür guten Lohn
geben.«
Wie der Fingernagel vom Fleisch haben sie sich getrennt,
schon kehrte zurück nach Valencia, der zu guter Stunde
geboren wurde.
Sie beginnen weiterzuziehen, die Infanten von Carrión.
2645
Bei Santa María d’Alvarrazín machten sie das Lager;
sie geben die Sporen, so sehr sie können, die Infanten
von Carrión.
Dritter Gesang, 126
269
felos en Molina con el moro Avengalvón.
El moro, cuando lo sopo, plógol’ de coraçón,
saliólos recebir con grandes alvorozes.
¡Dios, qué bien los sirvió a todo so sabor!
Otro día mañana con ellos cavalgó,
con dozientos cavalleros escurrirlos mandó.
Ivan trocir los montes, los que dizen de Luzón,
trocieron Arbuxuelo e llegan a Salón,
o dizen El Ansarera ellos posados son.
A las fijas del Cid el moro sus donas dio,
buenos seños cavallos a los ifantes de Carrión;
tod esto les fizo el moro por el amor del Cid
Campeador.
Ellos veyén la riqueza que el moro sacó,
entramos hermanos consejaron tración:
– Ya pues que a dexar avemos fijas del Campeador,
si pudiéssemos matar el moro Avengalvón,
cuanta riquiza tiene averla iemos nós,
tan en salvo lo abremos commo lo de Carrión,
nuncua avrié derecho de nós el Cid Campeador. –
Cuando esta falsedad dizién los de Carrión,
un moro latinado bien ge lo entendió,
non tiene poridad, díxolo a Avengalvón:
– Alcáyaz, cúriate d’éstos, ca eres mio señor.
Tu muert oí consejar a los ifantes de Carrión. –
2649 avorozes ms., s. Komm.
2656 f. s. Komm. 2658 Campeador]
Campe ms., teilweise rasuriert 2668 a Avengalvón] avengaluon ms.
2669 Acayaz ms.; s. Komm. 2670 cosseiar ms.
270
Cantar tercero, 126
2650
[54r]
2653
2656
2657
2654
2655
2658
2660
2665
2670
Seht sie in Molina beim Mauren Avengalvón.
Der Maure, als er es erfuhr – es gefiel ihm von Herzen,
er kam, sie zu empfangen, mit großen Freuden.
Gott, wie gut er ihnen diente, ganz nach ihrem Gefallen!
2651
Am anderen Tag in der Früh ritt er mit ihnen;
er befahl, sie mit zweihundert Rittern zu begleiten.
Sie zogen, die Berge zu überqueren, die man die von Luzón
2653
nennt,
sie überquerten Arbuxuelo und kamen an den Salón, 2656
am Ort genannt El Ansarera haben sie gelagert.
2657
Den Töchtern des Cid gab der Maure seine Geschenke, 2654
jeweils ein gutes Pferd den Infanten von Carrión;
2655
all dies tat der Maure für sie aus Liebe zum Cid
2658
Campeador.
Sie sahen den Reichtum, den der Maure zum Vorschein
brachte;
2660
untereinander beschlossen beide Brüder Verrat:
»Da wir schon die Töchter des Campeador verstoßen
werden,
wenn wir den Mauren Avengalvón töten könnten –
was er an Reichtum besitzt, das besäßen dann wir,
so sicher werden wir es haben wie das in Carrión,
nie würde von uns Rechenschaft erhalten der Cid
2665
Campeador.«
Als sie diesen Verrat besprachen, die von Carrión –
ein Spanisch sprechender Maure verstand es gut.
Er verheimlicht es nicht, er sagte es Avengalvón:
»Vogt, hüte dich vor diesen, denn du bist mein Herr;
deinen Tod habe ich beraten hören durch die Infanten von
2670
Carrión.«
Dritter Gesang, 126
271
127
El moro Avengalvón mucho era buen barragán,
con dozientos que tiene iva cavalgar,
armas iva teniendo, parós’ ante los ifantes.
De lo que el moro dixo a los ifantes non plaze:
2675
– Dezidme, ¿qué vos fiz, ifantes?
Yo sirviéndovos sin art e vós, pora mí, muert consejastes.
Si no lo dexás por mio Cid el de Bivar,
[54v]
tal cosa vos faría que por el mundo sonás,
e luego levaría sus fijas al Campeador leal.
2680
¡Vós nuncua en Carrión entrariedes jamás!
128
Aquí·m’ parto de vós commo de malos e de traidores.
Iré con vuestra gracia, don Elvira e doña Sol;
poco precio las nuevas de los de Carrión.
Dios lo quiera e lo mande, que de tod el mundo es señor,
2685
d’aqueste casamiento que·s’ grade el Canpeador. –
Esto les ha dicho e el moro se tornó,
teniendo iva armas al trocir de Salón;
cuemo de buen seso, a Molina se tornó.
Ya movieron d’El Ansarera los ifantes de Carrión,
2690
acójense a andar de día e de noch.
A siniestro dexan Atienza, una peña muy fuert,
la sierra de Miedes passáronla estoz,
2672 con] co ms.
2691 atineza ms.
272
2680 nuqua ms.
Cantar tercero, 127–128
2685 que·s’] que ms.
2687 yuan ms.
127
Der Maure Avengalvón war ein sehr tapferer junger Mann;
mit zweihundert, die er hat, reitet er voran,
mit den Waffen spielend hielt er vor den Infanten an.
Was der Maure sagte – den Infanten gefällt es nicht:
2675
»Sagt mir, was tat ich euch, Infanten?
Ich habe euch ohne Arglist bedient, und ihr habt meinen
Tod beratschlagt.
Unterließe ich es nicht um Mio Cid willen, dem aus Bivar,
würde ich euch solches antun, dass es in der Welt
widerhallte,
und dann würde ich seine Töchter dem treuen Campeador
bringen.
2680
Ihr würdet niemals in Carrión einziehen!
128
Hier scheide ich von euch wie von Schurken und Verrätern.
Ich werde mit eurer Gnade gehen, Frau Elvira und Frau Sol;
wenig schätze ich den Ruf derer von Carrión.
Gott wolle und füge es, der Herr über die ganze Welt ist,
dass sich der Campeador über diese Ehe erfreuen möge.«
Das hat er ihnen gesagt, und der Maure machte kehrt, 2686
mit Waffenspielen überquerte er den Salón.
Wie es vernünftig war, kehrte er nach Molina zurück.
Schon zogen sie von El Ansarera fort, die Infanten von
Carrión.
2690
Sie beginnen, bei Nacht und bei Tag zu ziehen.
Zur Linken lassen sie Atienza, eine sehr starke Felsenveste,
die Bergkette von Miedes überquerten sie dann,
Dritter Gesang, 127–128
273
por los Montes Claros aguijan a espolón.
A siniestro dexan a Griza, que Álamos pobló
(allí son caños do a Elpha encerró),
a diestro dexan a Sant Estevan, más cae aluén.
Entrados son los ifantes al robredo de Corpes,
los montes son altos, las ramas pujan con las núes,
e las bestias fieras que andan aderredor.
Fallaron un vergel con una linpia fuent,
mandan fincar la tienda ifantes de Carrión,
con cuantos que ellos traen ý yazen essa noch,
con sus mugieres en braços demuéstranles amor,
¡mal ge lo cunplieron cuando salié el sol!
Mandaron cargar las azémilas con grandes averes
a nombre,
cogida han la tienda do albergaron de noch,
adelant eran idos los de criazón,
assí lo mandaron los ifantes de Carrión,
que non ý fincás ninguno, mugier nin varón,
sinon amas sus mugieres, doña Elvira e doña Sol,
deportarse quieren con ellas a todo su sabor.
Todos eran idos, ellos cuatro solos son,
tanto mal comidieron los ifantes de Carrión:
– Bien lo creades, don Elvira e doña Sol,
aquí seredes escarnidas, en estos fieros montes,
oy nos partiremos e dexadas seredes de nós,
2705 a nombre] nicht in ms., s. Komm.
274
Cantar tercero, 128
2695
2700
2705
[55r]
2710
2715
durch die Montes Claros gaben sie spitze Sporen.
Zur Linken lassen sie Griza, das Álamos bevölkerte
(dort sind die Grotten, in denen er Elpha einsperrte), 2695
zur Rechten lassen sie Sant Estevan, das weiter weg liegt.
Die Infanten haben den Eichenwald von Corpes betreten,
die Berge sind hoch, die Zweige steigen bis in die Wolken,
und wild sind die Tiere, die umherlaufen.
2700
Sie fanden einen Garten mit einer klaren Quelle.
Sie befehlen, die Zelte aufzuschlagen, die Infanten von
Carrión;
mit allen, die sie mit sich führen, rasten sie dort diese
Nacht,
mit ihren Frauen in den Armen, sie erweisen ihnen Liebe.
Übel erfüllten sie sie ihnen, als die Sonne aufging!
Sie hießen die Saumtiere beladen, mit Gütern groß an der
2705
Zahl,
sie haben das Zelt abgebrochen, in dem sie in der Nacht
gelagert hatten.
Die Gefolgschaft war vorangegangen,
so befahlen es die Infanten von Carrión:
Dass dort niemand zurückbliebe, weder Frau noch Mann,
außer ihren beiden Gemahlinnen, Frau Elvira und Frau Sol;
ergötzen wollen sie sich mit ihnen, ganz nach ihrem
2711
Gefallen.
Alle waren gegangen, die vier sind allein;
auf sehr Übles sannen die Infanten von Carrión:
»Glaubt es wohl, Frau Elvira und Frau Sol,
hier werdet ihr geschändet werden, in diesen wilden
2715
Bergen.
Heute werden wir uns trennen, und ihr werdet von uns
verlassen werden,
Dritter Gesang, 128
275
non abredes part en tierras de Carrión.
Irán aquestos mandados al Cid Campeador,
nos vengaremos por aquésta la del león. –
Allí les tuellen los mantos e los pelliçones,
páranlas en cuerpos e en camisas e en ciclatones.
Espuelas tienen calçadas los malos traidores,
en mano prenden las cinchas fuertes e duradores.
Cuando esto vieron las dueñas, fablava doña Sol:
– ¡Don Diego e don Ferrando, rogámosvos por Dios!
Dos espadas tenedes fuertes e tajadores,
al una dizen Colada e al otra Tizón,
cortandos las cabeças, mártires seremos nós;
moros e cristianos departirán d’esta razón,
que por lo que nós merecemos no lo prendemos nós.
Atán malos ensiemplos non fagades sobre nós;
si nós fuéremos majadas, abiltaredes a vós,
retraérvoslo han en vistas o en cortes. –
Lo que ruegan las dueñas non les ha ningún pro,
essora les conpieçan a dar los ifantes de Carrión,
con las cinchas corredizas májanlas tan sin sabor;
con las espuelas agudas, don ellas an mal sabor,
2720
2725
2730
[55v]
2735
2719 por aquésta] aquesta por ms. 2725 Por dios uos Rogamos don diego
e don ferando ms., s. Komm.
276
Cantar tercero, 128
ihr werdet keinen Anteil haben an den Landen von
Carrión.
Diese Botschaften werden zum Cid Campeador kommen.
Wir werden mit dieser die vom Löwen rächen.«
2720
Da reißen sie ihnen die Mäntel und die Pelze ab,
sie lassen sie in Unterkleidung und in Hemden und in
Brokatkleidern.
Sporen haben sie angelegt, die üblen Verräter,
in die Hände nehmen sie die Riemen, stark und
dauerhaft.
Als das die Damen sahen, sprach Frau Sol:
»Herr Diego und Herr Ferrando, wir bitten euch durch
2725
Gott!
Zwei Schwerter habt ihr, stark und scharf:
Das eine wird Colada genannt, das andere Tizón;
schneidet uns die Köpfe ab, Märtyrerinnen werden wir
sein,
Mauren und Christen werden darüber sagen,
dass wir es nicht als das empfangen, was wir verdienen.
2731
So grausame Untaten – übt sie nicht an uns aus.
Wenn wir geschlagen würden, würdet ihr euch
erniedrigen;
man wird euch anklagen vor dem Gerichtstag oder vor
dem Hofe.«
Soviel die Damen auch bitten, es nützt ihnen nichts.
Nun beginnen sie, auf sie einzuhauen, die Infanten von
2735
Carrión,
mit den schmiegsamen Riemen schlagen sie sie so
schmerzhaft,
mit den scharfen Sporen, wovon sie üblen Schmerz
empfinden.
Dritter Gesang, 128
277
ronpién las camisas e las carnes a ellas amas a dos.
Linpia salié la sangre sobre los ciclatones,
ya lo sienten ellas en los sos coraçones.
¡Cuál ventura serié ésta, sí ploguiesse al Criador,
que assomasse essora el Cid Campeador!
Tanto las majaron que sin cosimente son,
sangrientas an las camisas e todos los ciclatones.
Cansados son de ferir ellos amos a dos,
ensayándos’ amos cuál dará mejores colpes.
Ya non pueden fablar don Elvira e doña Sol,
por muertas las dexaron en el robredo de Corpes.
2740
2745
129
Leváronles los mantos e las pieles armiñas,
mas déxanlas marridas en briales e en camisas
2750
e a las aves del monte e a las bestias de la fiera guisa.
Por muertas las dexaron, sabed, que non por bivas.
¡Cuál ventura serié si assomás essora el Cid Campeador!
130
Los ifantes de Carrión [. . . . . . . . . . .],
en el robredo de Corpes por muertas las dexaron,
que el una al otra no·l’ torna recabdo.
Por los montes do ivan, ellos ívanse alabando:
2755
2744 an] en ms. 2748 Robredro ms. 2752 las] la ms. 2754 f. Los yfantes
de carrion en el Robredo de corpes / Por muertas las dexaron ms.;
s. Komm.
278
Cantar tercero, 129–130
Sie zerfetzten ihnen beiden gemeinsam die Hemden und
das Fleisch;
sauber rann das Blut über den Brokat,
2740
schon spüren sie es in ihren Herzen.
Welch ein Glück wäre es, wenn es dem Schöpfer gefiele,
dass jetzt erschiene der Cid Campeador!
Sehr heftig schlugen sie sie, denn sie haben keine Gnade;
blutig sind die Hemden und all der Brokat.
2745
Ermüdet vom Schlagen sind sie beide gemeinsam,
untereinander wetteifernd, wer die besten Schläge geben
würde.
Schon können Frau Elvira und Frau Sol nicht mehr
sprechen,
für tot verließen sie sie im Eichenwald von Corpes.
129
Sie nahmen ihnen die Mäntel fort und die Hermelinpelze,
lassen sie aber ohnmächtig in Seidenkleidern und in
2750
Hemden,
den Vögeln des Bergs und den Tieren von wilder Art.
Für tot verließen sie sie, wisset, und nicht für lebendig.
Welch ein Glück wäre es, wenn jetzt erschiene der Cid
Campeador!
130
Die Infanten von Carrión […],
im Eichenwald von Corpes ließen sie sie für tot zurück,
2756
so dass die eine der anderen keine Hilfe gibt.
Durch die Wälder, durch die sie zogen, rühmten sie sich:
Dritter Gesang, 129–130
279
– De nuestros casamientos agora somos vengados,
non las deviemos tomar por varraganas si non fuéssemos
2759–60 [56r]
rogados,
pues nuestras parejas non eran pora en braços.
¡La desondra del león assí s’irá vengando! –
131
Alabándos’ ivan los ifantes de Carrión,
mas yo vos diré d’aquel Félez Muñoz,
sobrino era del Cid Campeador.
2765
Mandáronle ir adelante, mas de su grado non fue;
en la carrera do iva doliól’ el coraçón,
de todos los otros aparte se salió.
En un monte espesso Félez Muñoz se metió
2770
fasta que viesse venir sus primas amas a dos
o qué han fecho los ifantes de Carrión.
Violos venir e oyó una razón,
ellos no·l’ vien ni dend sabién ración.
Sabet bien que, si ellos le viessen, non escapara de muert.
2775
Vanse los ifantes, aguijan a espolón;
por el rastro tornós’ Félez Muñoz,
falló sus primas amortecidas amas a dos.
Llamando: – ¡Primas, primas! – , luego descavalgó,
arrendó el cavallo, a ellas adeliñó:
– ¡Ya primas, las mis primas, don Elvira e doña Sol! 2780
Mal se ensayaron los ifantes de Carrión.
2759 f. s. Komm.
280
Cantar tercero, 131
»Für unsere Ehen sind wir jetzt gerächt,
wir hätten sie nicht einmal als Kebsen nehmen sollen,
wären wir nicht gebeten worden, 2759–60
da sie uns nicht gleichwertig waren, um in unseren Armen
zu liegen.
Die Schande mit dem Löwen – so wird sie gerächt werden!«
131
Sich rühmend zogen sie dahin, die Infanten von Carrión,
doch ich werde euch erzählen von jenem Félez Muñoz;
2765
Neffe war er vom Cid Campeador.
Sie hatten ihm befohlen vorauszugehen, aber gern ging er
nicht.
Auf dem Weg, den er ging, bekam er Herzensschmerzen,
von all den anderen entfernte er sich.
In einen dichten Wald drang Félez Muñoz ein,
bis er sähe, wie seine Cousinen beide gemeinsam kommen
2771
oder was die Infanten von Carrión getan haben.
Er sah sie kommen und hörte ein Gespräch,
sie sahen ihn nicht und wussten nichts davon.
Wisset wohl, dass er, wenn sie ihn gesehen hätten, dem
Tode nicht entgangen wäre.
Fort ziehen die Infanten, sie gaben den Pferden spitze
2775
Sporen;
auf ihrer Spur kehrte Félez Muñoz zurück,
er fand seine Cousinen, ohnmächtig beide gemeinsam.
Er rief: »Cousinen, Cousinen«, dann stieg er ab,
2779
er band sein Pferd fest und ging zu ihnen:
»Ach Cousinen, meine Cousinen, Frau Elvira und Frau Sol!
Übel haben sie sich hier bemüht, die Infanten von Carrión.
Dritter Gesang, 131
281
¡A Dios plega e a Santa María que dent prendan ellos mal
galardón! –
Valas tornando a ellas amas a dos,
tanto son de traspuestas que nada dezir non pueden.
2785
Partiéronsele las telas de dentro del coraçón,
llamando: – ¡Primas, primas, don Elvira e doña Sol!
¡Despertedes, primas, por amor del Criador,
[56v]
mientra que es el día, ante que entre la noch,
los ganados fieros non nos coman en aqueste mont! –
2790
Van recordando don Elvira e doña Sol,
abrieron los ojos e vieron a Félez Muñoz:
– ¡Esforçadvos, primas, por amor del Criador!
De que non me fallaren los ifantes de Carrión,
a grant priessa seré buscado yo.
2795
Si Dios non nos vale, aquí morremos nós. –
Tan a grant duelo fablava doña Sol:
– ¡Sí vos lo meresca, mio primo, nuestro padre el
Canpeador,
dandos del agua, sí vos vala el Criador! –
Con un sonbrero que tiene Félez Muñoz
2800
(nuevo era e fresco, que de Valencia·l’ sacó)
cogió del agua en él e a sus primas dio.
Mucho son lazradas e amas las fartó,
tanto las rogó fata que las assentó;
valas conortando e metiendo coraçón
2805
fata que esfuerçan e amas las tomó,
e privado en el cavallo las cavalgó,
con el so manto a amas las cubrió.
2784 non pueden dezir nada ms. 2785 de los coraçones ms. 2786 don
Sol ms. 2788 Mientra es el kaum leserlich ms. 2793 De que ms.', que ms.
282
Cantar tercero, 131
Mögen es Gott und die heilige María wollen, dass sie dafür
einen üblen Lohn erhalten!«
Er dreht sie um, beide gemeinsam;
2784
so bewusstlos sind sie, dass sie nichts sagen können.
Da zerrissen ihm die Fasern im Inneren seines Herzens.
Er rief: »Cousinen, Cousinen, Frau Elvira und Frau Sol!
Wacht auf, Cousinen, um des Schöpfers willen,
solange es Tag ist, bevor die Nacht einbricht,
dass die wilden Tiere uns nicht fressen in diesem Wald!«
Allmählich kommen sie zu sich, Frau Elvira und Frau Sol,
2791
sie öffneten die Augen und sahen Félez Muñoz:
»Rafft euch auf, Cousinen, um des Schöpfers willen!
Sobald sie mich nicht antreffen, die Infanten von
Carrión –
in großer Eile wird man nach mir suchen.
2795
Wenn Gott uns nicht hilft, werden wir hier sterben.«
Mit großem Schmerz sprach Frau Sol:
»Möge Euch lohnen, mein Cousin, unser Vater, der
Campeador:
Gebt uns Wasser, so Euch der Schöpfer helfen möge!«
Mit einem Hut, den Félez Muñoz hat
(neu war er und frisch, aus Valencia hat er ihn
2800
mitgebracht) –
er nahm Wasser in ihn und gab seinen Cousinen davon.
Schwer misshandelt sind sie, und er stillte beiden ihren
Durst.
So lange bat er sie, bis er sie zum Sitzen brachte.
Allmählich tröstet er sie und macht ihnen Mut,
bis sie wieder zu Kräften kommen, und er nahm sie beide,
2806
und schnell setzte er sie aufs Pferd;
mit seinem Mantel bedeckte er sie beide.
Dritter Gesang, 131
283
El cavallo priso por la rienda e luego dent las partió.
Todos tres señeros por los robredos de Corpes,
2810
entre noch e día salieron de los montes.
A las aguas de Duero ellos arribados son,
a la Torre de don Urraca elle las dexó.
A Sant Estevan vino Félez Muñoz,
falló a Diego Téllez, el que de Álbar Fáñez fue.
2815 [57r]
Cuando elle lo oyó, pesól’ de coraçón,
priso bestias e vestidos de pro,
iva recebir a don Elvira e a doña Sol.
En Sant Estevan dentro las metió,
cuanto él mejor puede, allí las ondró.
2820
Los de Sant Estevan siempre mesurados son,
cuando sabién esto, pesóles de coraçón,
a llas fijas del Cid danles esfuerço.
Allí sovieron ellas fata que sanas son.
Alabándos’ seían los ifantes de Carrión,
2825
de cuer pesó esto al buen rey don Alfonso.
Van aquestos mandados a Valencia la mayor,
cuando ge lo dizen a mio Cid el Campeador,
una grand ora pensó e comidió,
alçó la su mano, a la barba se tomó:
2830
– ¡Grado a Christus, que del mundo es señor,
cuando tal ondra me an dada los ifantes de Carrión!
¡Par aquesta barba que nadi non messó,
non la lograrán los ifantes de Carrión,
que a mis fijas bien las casaré yo! –
2835
Pesó a mio Cid e a toda su cort,
2808 partió] part ms. 2815 ele im Reklamant von fol. 56v., el ms.
2824 alabandos seyan corr., alabados sean ms.
284
Cantar tercero, 131
Das Pferd nahm er beim Zügel, und dann entfernte er sie
von dort.
Alle drei alleine durch die Eichenwälder von Corpes –
zwischen Nacht und Tag kamen sie aus den Bergen heraus.
2811
An die Gewässer des Duero sind sie gelangt,
in Torre de Doña Urraca ließ er sie zurück.
Nach Sant Estevan kam Félez Muñoz;
er fand Diego Téllez, der zu Álbar Fáñez gehört hatte.
2815
Als dieser das hörte, tat es ihm von Herzen leid;
er nahm gute Tiere und Kleider,
er ging Frau Elvira und Frau Sol abholen.
Nach Sant Estevan hinein brachte er sie,
so gut er es kann, ehrte er sie dort.
2820
Die von Sant Estevan sind immer gemäßigt;
als sie dies erfuhren, schmerzte es sie von Herzen.
Die Töchter des Cid brachten sie zu Kräften.
Dort verblieben diese, bis sie gesund sind.
Es rühmten sich dessen die Infanten von Carrión,
von Herzen schmerzte dies den guten König Alfonso. 2825
Diese Botschaften gehen nach Valencia, der großen,
als man es ihm sagt, Mio Cid dem Campeador,
lange Zeit überlegte er und dachte nach.
Er erhob seine Hand, an den Bart griff er sich:
2830
»Dank sei Christus, der Herr ist von der Welt,
dass sie mir eine solche Ehre gemacht haben, die Infanten
von Carrión!
Bei diesem Bart, den niemand raufte,
sie werden keinen Nutzen davon haben, die Infanten von
Carrión,
denn meine Töchter werde ich gut verheiraten!«
2835
Es schmerzte Mio Cid und seinen ganzen Hof
Dritter Gesang, 131
285
e a Álbar Fáñez d’alma e de coraçón.
2835b
Cavalgó Minaya con Pero Vermúez
e Martín Antolínez, el burgalés de pro,
con dozientos cavalleros cuales mio Cid mandó.
Díxoles fuertemientre que andidiessen de día e de noch,
2840
aduxiessen a sus fijas a Valencia la mayor.
Non lo detardan el mandado de su señor,
[57v]
apriessa cavalgan, andan los días e las noches,
vinieron a Gormaz, un castillo tan fuert,
ý albergaron por verdad una noch.
2845
A Sant Estevan el mandado llegó
que vinié Minaya por sus primas amas a dos.
Varones de Sant Estevan, a guisa de muy pros,
reciben a Minaya e a todos sus varones.
Presentan a Minaya essa noch grant enfurción,
2850
non ge lo quiso tomar, mas mucho ge lo gradió:
– Gracias, varones de Sant Estevan, que sodes
coñoscedores,
por aquesta ondra que vós diestes a esto que nos cuntió;
mucho vos lo gradece, allá do está, mio Cid el Canpeador,
assí lo fago yo que aquí estó.
¡Afé Dios de los cielos, que vos dé dent buen galardón! –
2856
Todos ge lo gradecen e sos pagados son.
2835b e a Álbar] e albar ms.; s. Komm. 2842 andan los días e las noches]
los dias e las noches andan ms. 2843 Gormaz] santesteuan de gormaz
ms.; s. Komm.
286
Cantar tercero, 131
und Álbar Fáñez von Herzen und von Seele.
2835b
Minaya ritt mit Pero Vermúez
und Martín Antolínez, dem rechtschaffenen Burgalesen,
mit zweihundert Rittern, die Mio Cid entsandte.
Er schärfte ihnen ein, dass sie bei Tag und bei Nacht reiten
sollten,
dass sie seine Töchter bringen sollten nach Valencia, der
2840
großen.
Sie verzögern ihn nicht, den Befehl ihres Herrn,
schnell reiten sie, sie ziehen bei Tag und bei Nacht,
sie kamen nach Gormaz, einer sehr starken Festung,
dort lagerten sie wahrlich eine Nacht.
2845
Nach Sant Estevan gelangte die Nachricht,
dass Minaya gekommen sei wegen seiner Cousinen, beiden
gemeinsam.
Die Männer von Sant Estevan, in der Art sehr
rechtschaffener Menschen,
empfangen Minaya und all seine Männer.
Sie bieten Minaya in dieser Nacht viel Proviant an;
er wollte es nicht von ihnen annehmen, doch dankte er
2850
ihnen sehr dafür:
»Danke, Männer von Sant Estevan, die ihr verständig
seid,
für die Ehre, die ihr uns erwiesen habt, in dieser Sache, die
uns geschehen ist.
Es dankt euch sehr dafür, dort, wo er ist, Mio Cid der
Campeador,
so tu auch ich, der ich hier bin.
Seht Gott im Himmel, möge er euch dafür guten Lohn
2855
geben!«
Alle danken ihm dafür und sind mit ihm zufrieden.
Dritter Gesang, 131
287
Adeliñan a posar pora folgar essa noch;
Minaya va ver sus primas dó son,
2859
en él fincan los ojos don Elvira e doña Sol:
– Atanto vos lo gradimos commo si viéssemos al Criador,
e vós a Él lo gradid cuando bivas somos nós.
132
[. . . . . . . . . . . .] en los días de vagar,
toda nuestra rencura sabremos contar. –
Lloravan de los ojos las dueñas e Álbar Fáñez,
e Pero Vermúez conortándolas ba:
– Don Elvira e doña Sol, cuidado non ayades,
cuando vós sodes sanas e bivas e sin otro mal;
buen casamiento perdiestes, mejor podredes ganar.
¡Aun veamos el día que vos podamos vengar! –
Ý yazen essa noche e tan grand gozo que fazen,
otro día mañana piensan de cavalgar.
Los de Sant Estevan escurriéndolos van
fata río d’Amor, dándoles solaz.
D’allent se espidieron d’ellos, piénsanse de tornar,
e Minaya con las dueñas iva cabadelant.
Trocieron Alcoceva, a diestro dexan Gormaz,
2862b
2865
[58r]
2870
2875
2862–2862b s. Komm. 2864 otro tanto las ha ms.; s. Komm. 2875 dexan
Gormaz] de santesteuan de gormaz ms., s. Komm.
288
Cantar tercero, 132
Sie gehen, Quartier zu nehmen, um diese Nacht
auszuruhen;
Minaya geht seine Cousinen sehen, wo diese sich befinden.
Auf ihn heften sie ihren Blick, Frau Elvira und Frau Sol:
»So sehr danken wir Euch, wie wenn wir den Schöpfer
2860
sähen,
und dankt Ihr ihm dafür, dass wir noch lebendig sind.
132
[…] in den Tagen der Muße –
all unseren Kummer werden wir euch zu erzählen
wissen.«
2862b
Sie weinten aus den Augen, die Damen und Álbar Fáñez,
und Pero Vermúez tröstet sie:
2865
»Frau Elvira und Frau Sol, habt keine Sorge,
solange ihr gesund und lebendig seid und ohne weiteren
Schaden.
Eine gute Ehe habt ihr verloren, eine bessere könnt ihr
erhalten.
Mögen wir noch den Tag erleben, an dem wir uns rächen
können!«
Dort lagern sie diese Nacht und haben große Freude,
Am nächsten Morgen in der Früh beginnen sie zu reiten.
2871
Die von Sant Estevan begleiten sie
bis Río d’Amor und geben ihnen Unterhaltung.
Dort verabschiedeten sie sich von ihnen und beginnen
zurückzukehren,
und Minaya ritt mit den Damen vorwärts.
Sie durchquerten Alcoceba, zur Rechten lassen sie
2875
Gormaz,
Dritter Gesang, 132
289
o dizen Bado de Rey allá ivan passar,
a la casa de Berlanga posada presa han.
Otro día mañana métense a andar,
a cual dizen Medina ivan albergar
e de Medina a Molina en otro día van.
Al moro Avengalvón de coraçón le plaz,
saliólos a recebir de buena voluntad,
por amor de mio Cid rica cena les da.
Dent pora Valencia adeliñechos van.
Al que en buen ora nasco llegava el mensaje,
privado cavalga, a recebirlos sale,
armas iva teniendo e grant gozo que faze.
Mio Cid a sus fijas ívalas abraçar,
besándolas a amas tornós’ de sonrisar:
– ¡Venides, mis fijas, Dios vos curie de mal!
Yo tomé el casamiento, mas non osé dezir ál.
¡Plega al Criador que en cielo está
que vos vea mejor casadas d’aquí en adelant!
De mios yernos de Carrión Dios me faga vengar. –
Besaron las manos las fijas al padre.
Teniendo ivan armas, entráronse a la cibdad,
grand gozo fizo con ellas doña Ximena su madre.
El que en buen ora nasco non quiso tardar,
fablós’ con los sos en su poridad,
al rey Alfonso de Castiella pensó de enbiar:
2876 posar ms.
290
Cantar tercero, 132
2880
2885
2890
2895
[58v]
2900
am Ort genannt Bado del Rey setzen sie über,
in der Veste von Berlanga haben sie Herberge genommen.
Am nächsten Tag in der Früh beginnen sie zu reiten,
zu dem Ort, den man Medina nennt, gingen sie herbergen,
und von Medina nach Molina ziehen sie an einem
2880
weiteren Tag.
Dem Mauren Avengalvón – von Herzen gefällt es ihm,
er kam heraus, sie zu empfangen, mit gutem Willen,
Mio Cid zuliebe gibt er ihnen ein reiches Abendessen.
Von dort aus ziehen sie geradewegs nach Valencia.
Den, der zu guter Stunde geboren wurde, erreichte die
2885
Botschaft;
schnell reitet er – sie zu empfangen zieht er hinaus,
mit Waffenspielen und großen Freudenbekundungen.
Mio Cid geht seine Töchter umarmen,
sie beide küssend begann er zu lächeln:
»Ihr kommt, meine Töchter, Gott beschütze euch vor Übel!
Ich nahm die Heirat an, doch wagte ich es nicht, etwas
2891
anderes zu sagen.
Möge es dem Schöpfer gefallen, der im Himmel ist,
dass ich euch künftig besser verheiratet sehe!
Gott füge es, dass ich mich an meinen Schwiegersöhnen
aus Carrión räche!«
2895
Es küssten die Hände die Töchter dem Vater.
Sie führten Waffenspiele aus, sie zogen in die Stadt hinein.
Große Freude teilte mit ihnen Frau Ximena, ihre Mutter.
Der zu guter Stunde geboren wurde, wollte es nicht
verzögern:
2899
Er sprach mit den Seinen im geheimen.
Zum König Alfonso von Castiella gedachte er zu schicken:
Dritter Gesang, 132
291
133
– ¿Ó eres, Muño Gustioz, mio vassallo de pro?
En buen ora te crié a ti en la mi cort.
Lieves el mandado a Castiella al rey Alfonso,
por mi bésale la mano d’alma e de coraçón,
2905
cuemo yo so su vassallo e él es mio señor,
d’esta desondra que me an fecha los ifantes de Carrión
que·l’ pese al buen rey d’alma e de coraçón.
Él casó mis fijas, ca non ge las di yo;
cuando las han dexadas a grant desonor,
2910
si desondra ý cabe alguna contra nós,
la poca e la grant toda es de mio señor.
Mios averes se me han levado que sobejanos son,
esso me puede pesar con la otra desonor.
Adúgamelos a vistas o a juntas o a cortes,
2915
commo aya derecho de ifantes de Carrión,
ca tan grant es la rencura dentro en mi coraçón. –
Muño Gustioz privado cavalgó,
con él dos cavalleros que·l’ sirvan a so sabor
e con él escuderos que son de criazón.
2920
Salién de Valencia e andan cuanto pueden,
no·s’ dan vagar los días e las noches.
292
Cantar tercero, 133
133
»Wo bist du, Muño Gustioz, mein rechtschaffener Vasall?
Zu guter Stunde zog ich dich auf an meinem Hof.
Bring die Botschaft nach Castiella, dem König Alfonso.
An meiner Statt küsse ihm die Hand von Herzen und von
Seele.
2905
Wie ich sein Vasall bin und er mein Herr ist –
diese Schande, die mir die Infanten von Carrión angetan
haben,
sie soll den guten König schmerzen, von Herzen und von
Seele.
Er verheiratete meine Töchter, denn nicht ich gab sie ihnen.
Da sie sie verstoßen haben mit großer Schande,
2910
wenn darin irgendeine Schande für uns liegt,
sei sie groß oder klein – sie betrifft allein meinen Herrn.
Meine Reichtümer haben sie mir genommen, die
außerordentlich sind,
das kann mich schmerzen, neben der anderen Schande.
Er soll sie mir vorladen zu Gerichtsverhandlung,
Hofversammlung oder Hoftag,
so dass ich Rechenschaft erhalte von den Infanten von
2915
Carrión,
denn sehr groß ist die Wut drinnen in meinem Herzen.«
Muño Gustioz ritt eilig davon,
mit ihm zwei Ritter, die ihm nach seinem Wunsch dienen
sollen,
und mit ihm Knappen, die an seinem Hof großgezogen
wurden.
2920
Sie verließen Valencia und reiten, soviel sie können,
sie gönnen sich keine Ruhe bei Tag noch bei Nacht.
Dritter Gesang, 133
293
Al rey en San Fagunt lo falló,
rey es de Castiella e rey es de León,
e de las Asturias bien a San Çalvador,
fasta dentro en Santi Yaguo de todo es señor
e llos condes gallizanos a él tienen por señor.
Assí commo descavalga aquel Muño Gustioz,
omillós’ a los santos e rogó al Criador;
adeliñó pora·l’ palacio do estava la cort,
con él dos cavalleros que l’aguardan cum a señor.
Assí commo entraron por medio de la cort,
violos el rey e coñosció a Muño Gustioz;
levantós’ el rey, tan bien los recibió.
Delant el rey fincó los inojos,
besábale los pies aquel Muño Gustioz:
– ¡Merced, rey Alfonso, de largos reinos a vós dizen
señor!
Los pies e las manos vos besa el Campeador,
elle es vuestro vassallo e vós sodes so señor.
Casastes sus fijas con ifantes de Carrión,
alto fue el casamiento, ca lo quisiestes vós.
Ya vós sabedes la ondra que es cuntida a nós,
cuémo nos han abiltados ifantes de Carrión.
Mal majaron sus fijas del Cid Campeador,
majadas e desnudas a grande desonor,
desenparadas las dexaron en el robredo de Corpes
a las bestias fieras e a las aves del mont.
Afelas sus fijas en Valencia, do son.
Por esto vos besa las manos commo vassallo a señor
[59r]
2925
2930
2935
2940
2945
[59v]
2928 al Criador] acriador ms. 2934 inojos] ynoios aquel muño gustioz
ms., s. Komm. 2940 casamieno ms.
294
Cantar tercero, 133
Den König – in Sant Fagunt fand er ihn.
König ist er von Castiella, und König ist er von León
und von Asturias wohl bis San Çalvador,
2925
bis hinein nach Santi Yaguo ist er von allem der Herr,
und die galizischen Grafen betrachten ihn als ihren Herrn.
Sobald er absteigt, jener Muño Gustioz,
er kniete nieder vor den Heiligen und betete zum Schöpfer.
Er ging auf den Palast zu, wo sich der Hof befand,
mit ihm zwei Ritter, die ihn als ihren Herrn beschützen.
2931
Sobald sie hineinkamen, mitten in den Hof,
sah sie der König und erkannte Muño Gustioz.
Der König stand auf, sehr gut empfing er sie.
Vor dem König kniete er nieder,
2935
er küsste ihm die Füße, jener Muño Gustioz:
»Gnade, König Alfonso, von vielen Reichen nennt man
Euch Herr!
Die Füße und die Hände küsst Euch der Campeador,
er ist Euer Vasall und Ihr seid sein Herr.
Ihr habt seine Töchter verheiratet mit den Infanten von
Carrión,
2940
nobel war die Ehe, denn Ihr wolltet es.
Ihr kennt bereits die Ehre, die uns widerfahren ist:
Wie sie uns Schande zugefügt haben, die Infanten von
Carrión.
Übel schlugen sie seine Töchter, die des Cid Campeador,
geschlagen und entblößt zu großer Schande,
schutzlos überließen sie sie im Eichenwald von Corpes 2945
den wilden Tieren und den Vögeln des Berges.
Seht seine Töchter in Valencia, wo sie sind.
Deswegen küsst er Euch die Hände, wie ein Vasall seinem
Herrn,
Dritter Gesang, 133
295
que ge los levedes a vistas o a juntas o a cortes.
Tiénes’ por desondrado, mas la vuestra es mayor,
e que vos pese, rey, commo sodes sabidor;
que aya mio Cid derecho de ifantes de Carrión. –
El rey una grand ora calló e comidió:
– Verdad te digo yo que me pesa de coraçón
e verdad dizes en esto tú, Muño Gustioz,
ca yo casé sus fijas con ifantes de Carrión,
fizlo por bien que fuesse a su pro;
¡siquier el casamiento fecho non fuesse oy!
Entre yo e mio Cid pésanos de coraçón,
ayudarl’é a derecho, sí·n’ salve el Criador,
lo que non cuidava fer de toda esta sazón.
133b
Andarán mios porteros por todo mio reino,
pregonarán mi cort pora dentro en Toledo.
296
Cantar tercero, 133b
2950
2955
2960
dass Ihr sie ihm vorladet, zu Gerichtsverhandlung,
Hofversammlung oder Hoftag.
Er sieht sich in Schande gebracht, doch Eure ist größer –
und dass es Euch schmerze, König, da Ihr rechtskundig
2951
seid;
dass Mio Cid Rechenschaft erhalte von den Infanten von
Carrión.«
Der König – lange Zeit schwieg er und dachte nach:
»Die Wahrheit sage ich dir, dass es mich von Herzen
schmerzt,
2955
und die Wahrheit sagst du hierin, Muño Gustioz,
denn ich verheiratete seine Töchter mit den Infanten von
Carrión.
Ich tat es im Guten, damit es zu seinem Vorteil wäre.
Wenn nur die Ehe heute nicht geschehen wäre!
Mich und Mio Cid zusammen schmerzt es von Herzen.
Ich werde ihm zu seinem Recht verhelfen, so mich der
2960
Schöpfer behüte,
was ich in dieser ganzen Angelegenheit nicht zu tun
gedachte.
133b
Meine Gesandten werden durch mein ganzes Reich
ziehen,
sie werden meinen Hoftag verkünden, den ich drinnen in
Toledo halten werde.
Dritter Gesang, 133b
297
133c
Que allá me vayan cuendes e ifançones;
mandaré cómmo ý vayan ifantes de Carrión
e cómmo den derecho a mio Cid el Campeador,
2965
134
e que non aya rencura podiendo yo vedallo.
Dezidle al Campeador, que en buen ora nasco,
que d’estas siete semanas adóbes’ con sus vassallos,
véngam’ a Toledo, esto·l’ dó de plazo.
Por amor de mio Cid esta cort yo fago,
saludádmelos a todos, entr’ellos aya espacio,
d’esto que les avino aun bien serán ondrados. –
Espidiós’ Muño Gustioz, a mio Cid es tornado.
Assí commo lo dixo, suyo era el cuidado;
non lo detiene por nada Alfonso el castellano,
enbía sus cartas pora León e a Santi Yaguo,
a los portogaleses e a galizianos,
e a los de Carrión e a varones castellanos,
que cort fazié en Toledo aquel rey ondrado,
298
Cantar tercero, 133c–134
2970
[60r]
2975
2980
133c
Dorthin sollen mir Grafen und Edelmänner kommen;
ich werde befehlen, dass die Infanten von Carrión dorthin
2965
gehen
und dass sie Rechenschaft geben sollen dem Mio Cid
Campeador
134
und dass es zu keiner Anklage komme, wenn ich es
verhindern kann.
Sagt dem Campeador, der zu guter Stunde geboren wurde,
dass er sich in sieben Wochen vorbereiten soll mit seinen
Vasallen.
Er soll mir nach Toledo kommen, dies setze ich ihm als
2970
Termin.
Mio Cid zuliebe halte ich diesen Hoftag,
grüßt sie mir alle, Frohmut sei unter ihnen,
aus dem, was ihnen geschah, wird ihnen noch Ehre
erwachsen.«
Es verabschiedete sich Muño Gustioz, zu Mio Cid ist er
zurückgekehrt.
So, wie er es gesagt hatte, so hat er sich darum
2975
gekümmert;
er verzögert es um nichts, Alfonso, der Kastilier,
er schickt seine Briefe nach León und nach Santi Yaguo,
den Portugiesen und den Galiziern,
und denen von Carrión und den kastilischen Männern,
dass er einen Hoftag halten werde in Toledo, jener geehrte
2980
König,
Dritter Gesang, 133c–134
299
a cabo de siete semanas que ý fuessen juntados,
qui non viniesse a la cort non se toviesse por su vassallo.
Por todas sus tierras assí lo ivan pensando,
que non falliessen de lo que el rey avié mandado.
135
Ya les va pesando a los ifantes de Carrión
porque el rey en Toledo fazié cort,
miedo han que ý verná mio Cid el Campeador.
Prenden so consejo assí parientes commo son,
ruegan al rey que los quite d’esta cort;
dixo el rey: – No lo feré, sí·n’ salve Dios,
ca ý verná mio Cid el Campeador,
dar l’edes derecho, ca rencura ha de vós.
Qui lo fer non quisiesse o no ir a mi cort
quite mio reino, ca d’él non he sabor. –
Ya lo vieron qué es a fer los ifantes de Carrión,
prenden consejo parientes commo son;
el conde don García en estas nuevas fue,
enemigo de mio Cid, que mal siempre·l’ buscó,
2986 fazie cort en tolledo ms.
300
Cantar tercero, 135
2998 que siemprel busco mal ms.
2985
2990
2995
nach Ablauf von sieben Wochen, dass sie dort
zusammenkommen sollten;
wer nicht zum Hoftag käme, solle sich nicht als sein Vasall
betrachten.
In allen seinen Ländern dachte man daran,
nicht zu versäumen, was der König geboten hatte.
135
Schon schmerzt es mehr und mehr die Infanten von
2985
Carrión,
dass der König in Toledo den Hoftag hielt.
Angst haben sie, dass Mio Cid der Campeador dorthin
kommen wird.
Sie halten Rat mit allen Verwandten, die sie haben;
sie bitten den König, dass er sie von diesem Hoftag
beurlaube.
Der König sagte: »Ich werde es nicht tun, so mich Gott
2990
schützen möge,
denn dorthin wird Mio Cid der Campeador kommen.
Ihr werdet ihm Rechenschaft geben, denn er führt Klage
gegen euch.
Wer es nicht tun oder nicht zu meinem Hoftag kommen
will,
der verlasse mein Reich, denn an ihm habe ich keinen
Gefallen.«
Schon sahen sie, was zu tun war, die Infanten von Carrión:
2996
Sie halten Rat mit allen Verwandten, die sie haben.
Der Graf Herr García war in dieser Angelegenheit dabei,
ein Feind von Mio Cid, der ihm stets zu schaden gesucht
hatte;
Dritter Gesang, 135
301
aquéste consejó los ifantes de Carrión.
Llegava el plazo, querién ir a la cort,
en los primeros va el buen rey don Alfonso,
el conde don Anrich e el conde don Remond
(aquéste fue padre del buen enperador),
el conde don Fruela e el conde don Beltrán.
Fueron ý de su reino otros muchos sabidores,
de toda Castiella todos los mejores.
El conde don García con ifantes de Carrión
(Diego e Ferrando ý son amos a dos),
e Asur Gonçález e Gonçalo Assúrez
e con ellos grant bando que aduxieron a la cort,
enbaírle cuidan a mio Cid el Campeador.
De todas partes allí juntados son,
aún non era llegado el que en buen ora nació,
porque se tarda el rey non ha sabor.
Al quinto día venido es mio Cid el Campeador,
a Álvar Fáñez adelante l’enbió,
que besasse las manos al rey so señor,
bien lo sopiesse, que ý serié essa noch.
Cuando lo oyó el rey, plógol’ de coraçón,
con grandes yentes el rey cavalgó
e iva recebir al que en buen ora nació.
Bien aguisado viene el Cid con todos los sos,
buenas compañas que assí an tal señor.
3009 amos a dos] a dos amos a dos ms.; s. Komm.
3016 a Álvar] Aluar ms.
302
Cantar tercero, 135
3011 Ebayrle ms.
[60v]
3000
3005
3009
3008
3010
3015
3020
dieser beriet die Infanten von Carrión.
3000
Die Frist lief ab, sie wollten zum Hoftag ziehen,
unter den ersten geht der gute König Herr Alfonso,
der Graf Herr Anrich und der Graf Herr Remond
(dieser war der Vater des guten Kaisers),
der Graf Herr Fruela und der Graf Herr Beltrán.
Da waren aus seinem Reich viele andere Rechtskundige,
3006
aus ganz Castiella all die besten.
Der Graf Herr García mit den Infanten von Carrión
(Diego und Ferrando, dort sind sie beide gemeinsam), 3009
und Asur Gonçález und Gonçalo Assúrez
3008
und mit ihnen viele Freunde, die sie an den Hof
3010
brachten;
ihn anzugreifen gedenken sie, Mio Cid den Campeador.
Von allen Seiten sind sie dort zusammengekommen.
Noch war er nicht angekommen, der zu guter Stunde
geboren wurde;
dass er sich verspätet – der König findet daran keinen
Gefallen.
Am fünften Tag ist er angekommen, Mio Cid der
3015
Campeador;
Álvar Fáñez schickte er voraus,
dass er dem König, seinem Herrn, die Hände küsse,
dass er wohl wissen solle, dass er in derselben Nacht dort
ankommen würde.
Als das der König hörte, gefiel es ihm von Herzen.
3020
Mit zahlreicher Begleitung ritt der König
und ging, den zu empfangen, der zu guter Stunde geboren
wurde.
Wohlgerüstet kommt der Cid mit all den Seinen –
gute Gefolgschaften, die einen solchen Herrn haben.
Dritter Gesang, 135
303
Cuando l’ovo a ojo el buen rey don Alfonso,
firiós’ a tierra mio Cid el Campeador,
biltarse quiere e ondrar a so señor.
Cuando lo vio el rey, por nada non tardó:
– ¡Par Sant Esidro, verdad non será oy!
Cavalgad, Cid, si non non avría dend sabor;
saludarnos hemos d’alma e de coraçón,
de lo que a vós pesa a mí duele el coraçón.
¡Dios lo mande, que por vós se ondre oy la cort! –
– ¡Amén! – dixo mio Cid el Campeador,
besóle la mano e después le saludó:
– ¡Grado a Dios cuando vos veo, señor!
Omíllom’ a vós e al conde don Remond,
e al conde don Anrich e a cuantos que ý son.
¡Dios salve a nuestros amigos e a vós más, señor!
Mi mugier doña Ximena, dueña es de pro,
bésavos las manos e mis fijas amas a dos,
d’esto que nos abino que vos pese, señor. –
Respondió el rey: – ¡Sí fago, sí·n’ salve Dios! –
3025 [61r]
3030
3035
3040
136
Pora Toledo el rey tornada da,
essa noch mio Cid Tajo no quiso passar:
– ¡Merced, ya rey, sí el Criador vos salve!
3027 vio] oyo ms.
3037 arrich ms.
304
3029 dend] ded ms.
Cantar tercero, 136
3036 don] do ms.
3045
Als er seiner ansichtig wurde, der gute König Herr Alfonso,
3025
sprang Mio Cid der Campeador zu Boden,
sich demütigen will er und seinem Herrn Ehre erweisen.
Als das der König sah, zögerte er um nichts:
»Bei Sant Esidro, das wird heute nicht geschehen!
Steigt auf, Cid; wenn nicht, würde ich daran keinen
Gefallen haben.
3030
Wir werden uns von Herzen und von Seele grüßen,
was Euch kümmert – mich schmerzt es im Herzen.
Gott füge, dass heute durch Euch der Hoftag geehrt
werde!«
»Amen«, sprach Mio Cid der Campeador,
er küsste ihm die Hand, und dann grüßte er ihn:
3035
»Dank sei Gott, dass ich Euch sehe, Herr!
Ich neige mich vor Euch und vor dem Grafen Herrn
Remond
und vor dem Grafen Herrn Anrich und vor allen, die hier
sind.
Gott schütze unsere Freunde und Euch mehr, Herr!
Meine Gattin Frau Ximena, sie ist eine ehrenwerte Dame,
sie küsst Euch die Hände und meine Töchter beide
3040
gemeinsam;
das, was uns geschah – es möge Euch schmerzen, Herr.«
Der König antwortete ihm: »Das tut es, so Gott mich
schütze!«
136
Nach Toledo macht der König kehrt,
in dieser Nacht wollte Mio Cid den Tajo nicht überqueren:
»Gnade, ach König, so der Schöpfer Euch schützen möge!
Dritter Gesang, 136
305
Pensad, señor, de entrar a la cibdad
e yo con los mios posaré a San Serván.
Las mis compañas esta noche llegarán,
terné vigilia en aqueste santo logar,
cras mañana entraré a la cibdad
e iré a la cort enantes de yantar. –
Dixo el rey: – ¡Plazme de veluntad! –
El rey don Alfonso a Toledo entrado ha;
mio Cid Ruy Díaz es posado en San Serván,
mandó fazer candelas e poner en el altar,
sabor á de velar en essa santidad,
al Criador rogando e fablando en poridad.
Entre Minaya e los buenos que ý ha
acordados fueron cuando vino la man.
3050
[61v]
3055
137
Matines e prima dixieron faza los albores,
suelta fue la missa antes que saliesse el sol
e su ofrenda han fecha muy buena e conplida.
– Vós, Minaya Álbar Fáñez, el mio braço mejor,
vós iredes comigo e el obispo don Jerónimo,
e Pero Vermúez e aqueste Muño Gustioz,
e Martín Antolínez, el burgalés de pro,
e Álbar Álbarez e Álbar Salvadórez,
e Martín Muñoz, que en buen punto nació,
e mio sobrino, Félez Muñoz,
comigo irá Malanda, que es bien sabidor,
3060
3065
3070
3053 entrado ha] es entrado ms., s. Komm. 3054 es posado en San
Serván] en san seruan posado ms. 3060 faza los albores] fazal alba ms.;
s. Komm.
306
Cantar tercero, 137
Beginnt, Herr, in die Stadt zurückzukehren,
3046
und ich werde mit den Meinen in San Serván lagern.
Meine Scharen werden diese Nacht ankommen,
ich werde Nachtwache halten an diesem heiligen Ort.
3050
Morgen in der Früh werde ich in die Stadt einziehen
und an den Hoftag gehen, noch vor dem Essen.«
Der König sagte: »Das gefällt mir gern!«
Der König Herr Alfonso ist in Toledo eingezogen;
Mio Cid Ruy Díaz hat in San Serván Herberge genommen.
Er ließ Kerzen anzünden und sie auf den Altar stellen, 3055
er möchte an diesem Heiligtum wachen,
zum Schöpfer betend und heimliche Gespräche führend.
Mit Minaya und den Guten, die dort sind,
waren sie sich einig, als der Morgen kam.
137
Mette und Prim sprachen sie beim Morgengrauen,
3060
die Messe war gelesen, bevor die Sonne aufging,
und ihre Opfergabe haben sie dargebracht, sehr gut und
vollständig.
»Ihr, Minaya Álbar Fáñez, mein bester Arm,
Ihr werdet mit mir gehen und der Bischof Herr Jerónimo
3065
und Pero Vermúez und dieser Muño Gustioz
und Martín Antolínez, der rechtschaffene Burgalese,
und Álbar Álbarez und Álbar Salvadórez
und Martín Muñoz, der zu einem guten Zeitpunkt geboren
wurde,
und mein Neffe Félez Muñoz,
mit mir wird gehen Malanda, der ein guter Rechtskundiger
3070
ist,
Dritter Gesang, 137
307
e Galind Garcíez, el bueno d’Aragón,
con éstos cúmplanse ciento de los buenos que ý son;
velmezes vestidos por sufrir las guarnizones,
de suso las lorigas, tan blancas commo el sol;
3075
sobre las lorigas armiños e pelliçones,
e que non parescan las armas, bien presos los cordones;
so los mantos las espadas, dulces e tajadores:
d’aquesta guisa quiero ir a la cort,
[62r]
por demandar mios derechos e dezir mi razón.
Si desobra buscaren ifantes de Carrión,
3080
do tales ciento tovier, bien seré sin pavor. –
Respondieron todos: – Nós esso queremos, señor. –
Assí commo lo á dicho, todos adobados son.
No·s’ detiene por nada el que en buen ora nació,
3085
calças de buen paño en sus camas metió,
sobr’ellas unos çapatos que a grant huebra son;
vistió camisa de rançal, tan blanca commo el sol,
con oro e con plata todas las presas son,
al puño bien están, ca él se lo mandó;
3090
sobr’ella un brial primo de ciclatón,
obrado es con oro, parecen por o son;
sobr’esto una piel vermeja, las bandas d’oro son,
308
Cantar tercero, 137
und Galind Garcíez, der Gute aus Aragón,
mit diesen sollen es hundert sein von den Guten, die hier
sind.
Mit Wämsen gekleidet, um die Rüstungen aushalten zu
können,
darüber die Kettenhemden, so blank wie die Sonne,
3075
über den Kettenhemden Hermeline und Pelze
und, dass man die Waffen nicht sieht, die Riemen gut
festgeschnürt;
unter den Mänteln die Schwerter, widerstandsfähig und
scharf:
In dieser Aufmachung will ich zum Hoftag gehen,
um mein Recht zu fordern und meine Angelegenheit
darzulegen.
Wenn sie Händel suchen sollten, die Infanten von Carrión,
wo immer ich hundert solcher Männer habe, werde ich
3081
wohl ohne Furcht sein.«
Sie antworteten alle: »Wir wollen dies, Herr.«
So, wie er gesagt hat, haben sich alle gerüstet.
Um nichts hält er sich auf, der zu guter Stunde geboren
wurde:
3085
Beinkleider aus gutem Tuch zog er über seine Beine,
darüber Schuhe, die von wertvoller Verzierung sind.
Er zog ein Hemd aus feinem Linnen an, so weiß wie die
Sonne,
mit Gold und mit Silber sind alle Schließen versehen,
am Handgelenk sitzen sie gut, denn so hat er es veranlasst;
3090
darüber einen Überwurf aus bestem Brokat,
durchwoben ist er mit Gold, man sieht die Fäden, wo sie
sind;
darüber einen rotbraunen Pelz, die Säume sind aus Gold,
Dritter Gesang, 137
309
siempre la viste mio Cid el Campeador;
una cofia sobre los pelos d’un escarín de pro,
3095
con oro es obrada, fecha por razón
que non le contalassen los pelos al buen Cid Canpeador;
la barba avié luenga e prísola con el cordón,
por tal lo faze esto que recabdar quiere todo lo suyo;
de suso cubrió un manto que es de grant valor,
3100
en él abrién que ver cuantos que ý son.
Con aquestos ciento que adobar mandó,
apriessa cavalga, de San Serván salió.
Assí iva mio Cid adobado a lla cort,
a la puerta de fuera descavalga a sabor,
3105
cuerdamientre entra mio Cid con todos los sos,
él va en medio e los ciento aderredor.
[62v]
Cuando lo vieron entrar al que en buen ora nació,
levantós’ en pie el buen rey don Alfonso
e el conde don Anrich e el conde don Remont,
3110
e desí adelant, sabet, todos los otros:
a grant ondra lo reciben al que en buen ora nació.
No·s’ quiso levantar el Crespo de Grañón
nin todos los del bando de ifantes de Carrión.
El rey dixo al Cid: – Venid acá ser, Campeador,
3115
en aqueste escaño que·m’ diestes vós en don.
¡Maguer que a algunos pesa, mejor sodes que nós! –
Essora dixo muchas mercedes el que Valencia gañó:
3105 cuerda mientra ms.
310
Cantar tercero, 137
3116 a algunos] algunos ms.
immer zieht er ihn an, Mio Cid der Campeador;
eine Haube über die Haare aus einem guten Batist,
mit Gold ist sie durchwirkt, hergestellt in der Absicht,
dass man ihm nicht die Haare ausreiße, dem guten Cid
3096
Campeador;
den Bart trug er lang, und er schnürte ihn mit einem Band,
das tut er aus dem Grund, weil er alles, was sein ist,
bewahren will.
Darüber bedeckte er sich mit einem Mantel, der von
großem Wert ist,
3100
auf den würden alle blicken, die dort sind.
Mit diesen hundert, die er sich zu rüsten befohlen hatte –
schnell reitet er, er verließ San Serván.
So gerüstet ging Mio Cid an den Hoftag.
Am äußeren Tor steigt er guten Willens ab,
3105
besonnen tritt er ein, Mio Cid mit all den Seinen;
er geht in der Mitte und die hundert um ihn herum.
Als sie ihn hereinkommen sahen, den, der zu guter Stunde
geboren wurde,
da stand der gute König Herr Alfonso auf
und der Graf Herr Anrich und der Graf Herr Remont
3110
und weiterhin, wisset, alle anderen:
Unter großen Ehren empfangen sie ihn, der zu guter
Stunde geboren wurde.
Nicht erheben wollte sich der Krauskopf von Grañón
auch nicht all die von der Partei der Infanten von Carrión.
Der König sagte zum Cid: »Kommt her, Euch zu setzen,
Campeador,
3115
auf diese Bank, die Ihr mir als Geschenk gabt.
Auch wenn es manchen schmerzt, besser seid Ihr als wir!«
Da sagte der großen Dank, der Valencia gewonnen hatte:
Dritter Gesang, 137
311
– Sed en vuestro escaño commo rey e señor,
acá posaré con todos aquestos mios. –
Lo que dixo el Cid al rey plogo de coraçón.
En un escaño torniño essora mio Cid posó,
los ciento que l’aguardan posan aderredor.
Catando están a mio Cid cuantos ha en la cort,
a la barba que avié luenga e presa con el cordón;
en sos aguisamientos bien semeja varón.
No·l’ pueden catar de vergüença ifantes de Carrión.
Essora se levó en pie el buen rey don Alfonso:
– ¡Oíd, mesnadas, sí vos vala el Criador!
Yo de que fu rey non fiz más de dos cortes,
la una fue en Burgos e la otra en Carrión,
e esta tercera a Toledo la vin fer oy
por el amor de mio Cid, el que en buen ora nació,
que reciba derecho de ifantes de Carrión.
Grande tuerto le han tenido, sabémoslo todos nós,
alcaldes sean d’esto [. . . . . . . . . . . .]
el conde don Anrich e el conde don Remond
e estos otros condes que del vando non sodes.
Todos meted ý mientes, ca sodes coñoscedores,
por escoger el derecho, ca tuerto non mando yo.
D’ella e d’ella part en paz seamos oy;
3129 mas de dos corr., mas dos ms.
3135–3135b s. Komm.
312
Cantar tercero, 137
3131 e esta] Esta ms.
3120
3125
3130
[63r]
3135
3135b
»Setzt Euch auf Eure Bank, als König und Herr,
ich werde mich hier niederlassen, mit all diesen Meinen.«
3120
Was der Cid sagte, gefiel dem König von Herzen.
Auf eine Bank aus gedrechseltem Holz setzte sich da
Mio Cid,
die hundert, die ihn bewachen, setzen sich um ihn herum.
Alle, die an dem Hoftag sind, betrachten Mio Cid,
den Bart, den er lang trug und mit einem Band umfasst;
seiner Aufmachung nach sieht er wahrlich aus wie ein
3125
ganzer Mann.
Nicht ansehen können ihn, vor Scham, die Infanten von
Carrión.
Da erhob sich der gute König Herr Alfonso:
»Hört, Gefolgschaften, so euch der Schöpfer schützen
möge!
Ich habe, seit ich König wurde, nicht mehr als zweimal
Hoftag gehalten,
3130
der eine war in Burgos, der andere in Carrión,
und diesen dritten – nach Toledo bin ich heute gekommen,
ihn zu halten,
aus Liebe zu Mio Cid, der zu guter Stunde geboren wurde,
damit er Rechenschaft erhalte von den Infanten von
Carrión.
Großes Unrecht haben sie ihm angetan, wir alle wissen es;
3135
Richter darüber sollen sein […]
der Graf Herr Anrich und der Graf Herr Remond
3135b
und diese anderen Grafen, die ihr nicht der Partei angehört.
Prüft alle diese Angelegenheit, denn ihr seid rechtskundig,
um das Recht herauszufinden, denn das Unrecht lasse ich
nicht zu.
Auf dieser und jener Seite mögen wir heute Frieden haben;
Dritter Gesang, 137
313
juro par Sant Esidro, el que bolviere mi cort
3140
quitarme á el reino, perderá mi amor.
Con el que toviere derecho, yo d’essa parte me só.
Agora demande mio Cid el Campeador,
sabremos qué responden ifantes de Carrión. –
3145
Mio Cid la mano besó al rey e en pie se levantó:
– Mucho vos lo gradesco, commo a rey e a señor,
por cuanto esta cort fiziestes por mi amor.
Esto les demando a ifantes de Carrión:
por mis fijas que·m’ dexaron yo non he desonor,
3150
ca vós las casastes, rey, sabredes qué fer oy;
mas cuando sacaron mis fijas de Valencia la mayor,
yo bien los quería d’alma e de coraçón,
diles dos espadas, a Colada e a Tizón
(éstas yo las gané a guisa de varón),
3155
que s’ondrassen con ellas e sirviessen a vós.
Cuando dexaron mis fijas en el robredo de Corpes,
comigo non quisieron aver nada e perdieron mi amor:
¡denme mis espadas cuando mios yernos non son! –
[63v]
Atorgan los alcaldes: – Tod esto es razón. –
Dixo el conde don García: – A esto fablemos nós. –
3160
Essora salién aparte ifantes de Carrión
con todos sus parientes e el vando que ý son;
3152 los] las ms.
314
3160 fablemos nós] nos fablemos ms.
Cantar tercero, 137
ich schwöre bei Sankt Esidro – wer meinen Hoftag
3140
aufwiegeln sollte,
muss mein Reich verlassen, wird meine Liebe verlieren.
Mit dem, der Recht haben sollte, auf dessen Seite stehe ich.
Nun soll er Anklage erheben, Mio Cid der Campeador;
wir werden wissen, was sie antworten, die Infanten von
Carrión.«
3145
Mio Cid küsste dem König die Hand und erhob sich:
»Ich danke Euch sehr dafür, als König und als Herr,
dass Ihr diesen Hoftag aus Liebe zu mir gehalten habt.
Dies fordere ich von den Infanten von Carrión:
Wegen meiner Töchter, die sie verstießen, habe ich keine
Schande,
denn Ihr habt sie verheiratet, König, Ihr werdet wissen,
3150
was heute zu tun ist.
Doch als sie meine Töchter fortführten aus Valencia, der
großen –
ich liebte sie sehr, von Seele und von Herzen,
ich gab ihnen zwei Schwerter, Colada und Tizón
(die hatte ich gewonnen in der Art eines Mannes),
damit sie Ansehen erwürben mit ihnen und Euch dienten.
Als sie meine Töchter verließen im Eichenwald von
3156
Corpes,
wollten sie mit mir nichts zu tun haben, und sie verloren
meine Liebe:
Sie sollen mir meine Schwerter geben, da sie nicht meine
Schwiegersöhne sind!«
Die Richter bewilligen: »All dies ist Recht.«
Der Graf Herr García sagte: »Darüber unterreden wir.« 3160
Dann gingen sie beiseite, die Infanten von Carrión,
mit all ihren Verwandten und der Partei, die dort ist;
Dritter Gesang, 137
315
apriessa lo ivan trayendo e acuerdan la razón:
– Aún grand amor nos faze el Cid Campeador
3165
cuando desondra de sus fijas no nos demanda oy,
bien nos avendremos con el rey don Alfonso.
Démosle sus espadas, cuando assí finca la boz,
e cuando las toviere partirse á la cort,
ya más non avrá derecho de nós el Cid Canpeador. –
3170
Con aquesta fabla tornaron a la cort:
– ¡Merced, ya rey don Alfonso, sodes nuestro señor!
No lo podemos negar, que dos espadas nos dio;
cuando las demanda e d’ellas ha sabor,
dárgelas queremos delant estando vós. –
3175
Sacaron las espadas Colada e Tizón,
pusiéronlas en mano del rey so señor.
Saca las espadas e relumbra toda la cort,
las maçanas e los arriazes todos d’oro son,
maravíllanse d’ellas todos los omnes buenos de la cort.
3180
Recibió el Cid las espadas, las manos le besó,
tornós’ al escaño don se levantó,
en las manos las tiene e amas las cató,
no·s’ le pueden camear, ca el Cid bien las coñosce,
alegrós’le todo el cuerpo, sonrisós de coraçón;
3185
alçava la mano, a la barba se tomó:
– Par aquesta barba que nadi non messó,
[64r]
assí s’irán vengando don Elvira e doña Sol. –
A so sobrino Pero Vermúez por nombre·l’ llamó,
3177 Relumbran ms. 3180 el Cid] nicht in ms.; s. Komm.
3188 Pero Vermúez] nicht in ms.; s. Komm.
316
Cantar tercero, 137
schnell besprachen sie es und fassten einen Beschluss:
»Große Liebe erweist uns noch der Cid Campeador,
da er uns heute wegen der Schändung seiner Töchter nicht
3165
anklagt;
wohl werden wir einig werden mit dem König Herrn
Alfonso.
Geben wir ihm seine Schwerter, da so seine Klage endet,
und wenn er sie hat, wird sich der Hoftag auf lösen,
und der Cid Campeador wird keine weitere Rechenschaft
von uns erhalten.«
Mit diesen Worten kehrten sie an den Hoftag zurück: 3170
»Gnade, ach König Herr Alfonso, Ihr seid unser Herr!
Wir können es nicht leugnen, denn zwei Schwerter gab
er uns;
da er sie zurückfordert und nach ihnen verlangt,
wollen wir sie ihm in Eurer Anwesenheit geben.«
3175
Sie nahmen die Schwerter hervor, Colada und Tizón,
sie gaben sie in die Hände des Königs, ihres Herrn.
Der zieht die Schwerter und der ganze Hof leuchtet,
die Knäufe und die Bügel sind ganz aus Gold,
3179
es staunen über sie all die guten Männer am Hoftag.
Der Cid empfing die Schwerter, die Hände küsste er ihm,
er kehrte zur Bank zurück, von der er aufgestanden war,
er hält sie in den Händen und betrachtete beide,
man kann sie ihm nicht vertauschen, denn der Cid kennt
sie gut,
sein ganzer Körper erfreut sich, er lächelte von Herzen.
3185
Er erhob die Hand, an den Bart griff er sich:
»Bei diesem Bart, den niemand gerauft hat,
so werden allmählich gerächt Frau Elvira und Frau Sol.«
Seinen Neffen Pero Vermúez rief er beim Namen,
Dritter Gesang, 137
317
tendió el braço, la espada Tizón le dio:
– Prendetla, sobrino, ca mejora en señor. –
A Martín Antolínez, el burgalés de pro,
tendió el braço, el espada Colada·l’ dio:
– Martín Antolínez, mio vassallo de pro,
prended a Colada, ganéla de buen señor,
del conde Remont Verenguel, de Barcilona la mayor;
por esso vos la dó, que la bien curiedes vós.
Sé que si vos acaeciere [. . . . . . . . . . . .]
con ella ganaredes grand prez e grand valor. –
Besóle la mano, el espada tomó e recibió;
luego se levantó mio Cid el Campeador:
– ¡Grado al Criador e a vós, rey e señor,
ya pagado só de mis espadas, de Colada e de Tizón!
Otra rencura he de ifantes de Carrión,
cuando sacaron de Valencia mis fijas amas a dos,
en oro e en plata tres mill marcos les di yo;
yo faziendo esto, ellos acabaron lo so:
¡denme mis averes, cuando mios yernos non son! –
Aquí veriedes quexarse ifantes de Carrión,
dize el conde don Remond: – ¡Dezid de sí o de no! –
Essora responden ifantes de Carrión:
3190
3195
3197b
3200
3205
3195 conde] conde de ms. 3197–3197b s. Komm. 3200 e señor] señor ms.
3204 marcos] marcos de plata ms. | di yo] dio ms.
318
Cantar tercero, 137
er streckte den Arm aus, das Schwert Tizón gab er ihm:
»Nehmt es, Neffe, denn es bekommt einen besseren
3190
Herrn.«
Zu Martín Antolínez, dem rechtschaffenen Burgalesen,
streckt er den Arm aus, das Schwert Colada gab er ihm:
»Martín Antolínez, mein guter Vasall,
nehmt Colada, ich gewann es einem guten Herrn ab,
dem Grafen Remont Verenguel aus Barcelona, der
3195
großen.
Deshalb gebe ich es Euch, damit Ihr gut darauf achtet.
Ich weiß, wenn Euch geschehen sollte […]
mit ihm werdet Ihr großes Ansehen gewinnen und große
3197b
Wertschätzung.«
Er küsste ihm die Hand, das Schwert ergriff er und nahm
es in Empfang.
Dann erhob sich Mio Cid der Campeador:
3200
»Dank sei dem Schöpfer und Euch, König und Herr,
ich bin nun zufrieden bezüglich meiner Schwerter, Colada
und Tizón!
Eine weitere Anklage habe ich gegen die Infanten von
Carrión:
Als sie aus Valencia meine Töchter beide gemeinsam
fortführten,
an Gold und an Silber gab ich ihnen dreitausend Mark.
3205
Während ich so handelte, führten sie ihre Tat aus.
Sie sollen mir meine Habe geben, da sie nicht meine
Schwiegersöhne sind!«
Hier hättet ihr die Infanten von Carrión sich beschweren
sehen können.
Der Graf Herr Remond spricht: »Sagt, ob ja oder nein!«
Da antworten die Infanten von Carrión:
Dritter Gesang, 137
319
– Por esso·l’ diemos sus espadas al Cid Campeador,
que ál no nos demandasse, que aquí fincó la boz. –
– Si ploguiere al rey, assí dezimos nós:
a lo que demanda el Cid, que·l recudades vós. –
Dixo el buen rey: – Assí lo otorgo yo. –
Levantado es en pie el Cid Campeador:
– D’estos averes que vos di yo,
si me los dades, o dedes d’ello raçón. –
Essora salién aparte ifantes de Carrión,
non acuerdan en consejo, ca los haveres grandes son,
espesos los han ifantes de Carrión;
tornan con el consejo e fablavan a so sabor:
– Mucho nos afinca el que Valencia gañó
cuando de nuestros averes assí·l’ prende sabor.
Pagarle hemos de heredades en tierras de Carrión. –
Dixieron los alcaldes, cuando manfestados son:
– Si esso ploguiere al Cid, non ge lo vedamos nós;
mas en nuestro juvizio assí lo mandamos nós:
que aquí lo enterguedes dentro en la cort. –
A estas palabras fabló el rey don Alfonso:
– Nós bien la sabemos aquesta razón,
que derecho demanda el Cid Campeador.
D’estos tres mill marcos los dozientos tengo yo,
3210
[64v]
3215
3216b
3220
3225
3230
3212 nós] nos Dixo el rey ms.; s. Komm. 3215 Levantado] Dixo albarfanez
leuantados ms.; s. Komm. 3216b s. Komm.
320
Cantar tercero, 137
»Deswegen gaben wir ihm seine Schwerter, dem Cid
3210
Campeador,
damit er nichts weiteres von uns verlange, denn damit
endete seine Klage.«
»Wenn es dem König gefiele, so sprechen wir:
Wessen euch der Cid beschuldigt, dass ihr ihm darauf
antwortet.«
Der gute König sagte: »So gewähre ich es.«
3215
Erhoben hat sich der Cid Campeador:
»Diese Habe, die ich euch gab,
entweder ihr gebt sie mir, oder ihr legt mir Rechenschaft
3216b
darüber ab.«
Da gingen sie beiseite, die Infanten von Carrión,
sie kommen im Rat zu keinem Entschluss, denn die Habe
ist groß;
ausgegeben haben sie sie, die Infanten von Carrión.
Mit ihrem Beschluss kehren sie zurück und sprechen nach
3220
ihrem Wunsch:
»Sehr bedrängt uns der, der Valencia gewann,
wenn ihm derart nach unserer Habe verlangt.
Wir werden ihm mit Erbgütern aus den Landen von
Carrión zahlen.«
Die Richter sagten, da sie geständig sind:
»Wenn dies dem Cid gefallen sollte, wir verweigern es ihm
3225
nicht;
doch in unserem Urteil befehlen wir es so,
dass ihr es hier übergebt, innerhalb des Hoftages.«
Bei diesen Worten sprach der König Herr Alfonso:
»Wir kennen sie gut, diese Begründung,
3230
für die der Cid Campeador Recht fordert.
Von diesen dreitausend Mark habe ich zweihundert,
Dritter Gesang, 137
321
entramos me los dieron los ifantes de Carrión.
Tornárgelos quiero, ca tan desfechos son,
enterguen a mio Cid, el que en buen ora nació.
Cuando ellos los an a pechar, non ge los quiero yo. – 3235
Fabló Ferrán Gonçález e dixo esta razón:
3236b
– Averes monedados non tenemos nós. –
Luego respondió el conde don Remond:
– El oro e la plata espendiésteslo vós.
Por juvizio lo damos ant’el rey don Alfonso:
páguenle en apreciadura e préndalo el Campeador. – 3240
Ya vieron qué es a fer los ifantes de Carrión.
[65r]
Veriedes aduzir tanto cavallo corredor,
tanta gruessa mula, tanto palafré de sazón,
tanta buena espada con toda guarnizón;
3245
recibiólo mio Cid commo apreciaron en la cort.
Sobre los dozientos marcos que tenié el rey Alfonso
pagaron los ifantes al que en buen ora nació;
enpréstanles de lo ageno, que non les cumple lo suyo.
Mal escapan jogados, sabed, d’esta razón.
3233 tan desfechos] todos fechos ms.; s. Komm. 3236 Goçalez ms. | e dixo
esta razón] nicht in ms.; s. Komm. 3247 nasco ms.
322
Cantar tercero, 137
gemeinsam gaben sie sie mir, die Infanten von Carrión.
Ich möchte sie ihnen zurückgeben, da sie so verarmt sind;
sie sollen sie Mio Cid überreichen, der zu guter Stunde
geboren wurde.
Da sie sie schuldig sind, möchte ich sie nicht von
3235
ihnen.«
Ferrán Gonçález sprach und sagte diese Erklärung:
3236b
»Gemünzte Habe besitzen wir nicht.«
Darauf hin antwortete der Graf Herr Remond:
»Das Gold und das Silber habt ihr ausgegeben.
So bestimmen wir als Urteil vor dem König Herrn
Alfonso:
Zahlen sollen sie ihm in Naturalien, und der Campeador
3240
soll es empfangen.«
Schon sahen sie, was zu tun war, die Infanten von Carrión.
Da würdet ihr so viele schnelle Rosse heranschaffen sehen,
so viele starke Maultiere, so viele zugerittene Zelter,
so viele gute Schwerter mit der ganzen Rüstung.
Das empfing Mio Cid so, wie es am Hoftag geschätzt
3245
wurde.
Zusätzlich zu den zweihundert Mark, die der König
Alfonso hatte,
zahlten die Infanten dem, der zu guter Stunde geboren
wurde;
man leiht ihnen vom Fremden, denn ihr Eigenes reicht
ihnen nicht aus.
Übel verspottet gehen sie, wisset, aus diesem Prozess
hervor.
Dritter Gesang, 137
323
138
Estas apreciaduras mio Cid presas las ha,
sos omnes las tienen e d’ellas pensarán;
mas cuando esto ovo acabado pensaron luego d’ál:
– ¡Merced, ya rey e señor, por amor de caridad!
La rencura mayor non se me puede olbidar;
oídme toda la cort e pésevos de mio mal;
los ifantes de Carrión, que·m’ desondraron tan mal,
a menos de riebtos no los puedo dexar.
3250
3255
139
Dezid, ¿qué vos merecí, ifantes de Carrión,
en juego o en vero o en alguna razón?
Aquí lo mejoraré a juvizio de la cort.
¿A qué·m’ descubriestes las telas del coraçón?
A la salida de Valencia mis fijas vos di yo
con muy grand ondra e averes a nombre.
Cuando las non queriedes, ya canes traidores,
¿por qué las sacávades de Valencia, sus honores?
¿A qué las firiestes a cinchas e a espolones?
Solas las dexastes en el robredo de Corpes,
a las bestias fieras e a las aves del mont.
3259b
3260
3265
3251 penssaran corr., penssaren ms. 3253 ya] ay ms. | e señor] señor ms.
3256 los ifantes] Delos yfantes ms. 3258–3259b Dezid que uos mereçi
yfantes en juego o en vero / O en alguna Razō aq́ lo meiorare a juuizyo
dela cort ms.; s. Komm.
324
Cantar tercero, 138–139
138
Diese Naturalien hat Mio Cid übernommen,
3250
seine Männer haben sie und werden sich um sie kümmern.
Doch als dies beendet war, begannen sie ein Neues:
»Gnade, ach König und Herr, um der Barmherzigkeit
willen!
Die größte Klage kann ich nicht vergessen.
Hört mich an, der ganze Hoftag, und mein Schaden möge
3255
euch schmerzen:
Die Infanten von Carrión, die mich so übel geschändet
haben –
ohne Herausforderungen kann ich sie nicht lassen.
139
Sagt, wie habe ich das von euch verdient, Infanten von
Carrión,
im Scherz oder im Ernst oder in irgendeiner
Angelegenheit?
Hier werde ich es gutmachen, nach dem Urteil des
3259b
Hoftages.
Warum habt ihr die Fasern meines Herzens bloßgelegt?
Beim Auszug aus Valencia gab ich euch meine Töchter 3261
mit sehr großer Ehrerbietung und Reichtümern in großer
Zahl.
Wenn ihr sie nicht wolltet, ihr verräterischen Hunde,
warum nahmt ihr sie fort aus Valencia, ihrem Erbland?
3265
Wozu schlugt ihr sie mit Riemen und mit Sporen?
Alleine überließt ihr sie im Eichenwald von Corpes
den wilden Tieren und den Vögeln des Berges.
Dritter Gesang, 138–139
325
¡Por cuanto les fiziestes, menos valedes vós!
Si non recudedes, véalo esta cort. –
[65v]
140
El conde don García en pie se levantava:
– ¡Merced, ya rey, el mejor de toda España!
Vezós’ mio Cid a llas cortes pregonadas.
Dexóla crecer e luenga trae la barba,
los unos le han miedo e los otros espanta.
Los de Carrión son de natura tal,
non ge las devién querer sus fijas por varraganas
o ¿quién ge las diera por parejas o por veladas?
Derecho fizieron porque las han dexadas,
cuanto él dize non ge lo preciamos nada. –
Essora el Campeador prísos’ a la barba:
– ¡Grado a Dios, que cielo e tierra manda!
Por esso es luenga, que a delicio fue criada.
¿Qué avedes vós, conde, por retraer la mi barba?
Ca de cuando nasco a delicio fue criada,
ca non me priso a ella fijo de mugier nada
nimbla messó fijo de moro nin de cristiana,
commo yo a vós, conde, en el castiello de Cabra,
cuando pris a Cabra e a vós por la barba.
3282 luega ms.
326
Cantar tercero, 140
3270
3275
3280
3285
Durch all das, was ihr getan habt, seid ihr geringeren
Wertes!
Wenn ihr keine Genugtuung leistet, so möge der Hoftag
darüber richten.«
140
Der Graf Herr García stand auf:
3270
»Gnade, ach König, der beste ganz Spaniens!
Gefallen fand Mio Cid an den ausgerufenen Hoftagen.
Er ließ ihn wachsen und lang trägt er den Bart,
die einen haben Angst vor ihm, und den anderen flößt er
Furcht ein.
3275
Die von Carrión sind von solchem Geschlecht –
sie hätten seine Töchter von ihm nicht einmal als Kebsen
wünschen sollen.
Und wer könnte sie ihnen als gleichwertige und legitime
Ehefrauen gegeben haben?
Recht taten sie, wenn sie sie verließen.
Alles, was er sagt, schätzen wir für nichts.«
3280
Da griff sich der Campeador an den Bart:
»Dank sei Gott, der über Himmel und Erde herrscht!
Deswegen ist er lang, weil er mit Sorgfalt großgezogen
wurde.
Was habt Ihr, Graf, meinem Bart vorzuwerfen?
Denn seit er spross, wurde er mit Sorgfalt großgezogen,
3285
denn keiner Frau Sohn hat ihn je ergriffen
noch hat ihn mir der Sohn eines Mauren oder einer
Christin gerauft,
wie ich es Euch tat, Graf, in der Burg zu Cabra,
als ich Cabra einnahm und Euch am Bart ergriff.
Dritter Gesang, 140
327
Non ý ovo rapaz que non messó su pulgada,
la que yo messé aún non es eguada. –
3290
141
Ferrán Gonçález en pie se levantó,
a altas vozes odredes qué fabló:
– ¡Dexássedes vós, Cid, de aquesta razón!
De vuestros averes de todos pagado sodes;
non creciés varaja entre nós e vós.
De natura somos de condes de Carrión,
deviemos casar con fijas de reyes o de enperadores,
ca non pertenecién fijas de ifançones;
porque las dexamos derecho fiziemos nós,
más nos preciamos, sabet, que menos no. –
3295
[66r]
3300
142
Mio Cid Ruy Díaz a Pero Vermúez cata:
– ¡Fabla, Pero mudo, varón que tanto callas!
Yo las he fijas e tú primas cormanas,
a mí lo dizen, a ti dan las orejadas.
Si yo respondier, tú non entrarás en armas. –
3291 goçalez ms.
328
3292 ondredes ms.
Cantar tercero, 141–142
3294 pagados ms.
3305
Da gab es keinen Jungen, der nicht seinen Fingerbreit
3289
gerauft hätte,
was ich raufte, ist noch nicht gleichmäßig nachgewachsen.«
141
Ferrán Gonçález stand auf;
mit lauten Rufen – ihr werdet hören, was er sprach:
»Ließet Ihr doch, Cid, diese Angelegenheit!
An Eueren Reichtümern seid Ihr vollständig
zufriedengestellt;
der Prozess zwischen uns und Euch sollte nicht größer
3295
werden.
Von Geschlecht sind wir von den Grafen von Carrión,
wir hätten Töchter von Königen oder von Kaisern heiraten
sollen,
denn uns entsprachen nicht die Töchter von Edelmännern.
3299
Indem wir sie verstießen, taten wir recht,
mehr sind wir dadurch wert, wisset, und nicht minder.«
142
Mio Cid Ruy Díaz blickt Pero Vermúez an:
»Sprich, stummer Pero, Mann der du so viel schweigst!
Ich habe sie als Töchter und du als leibliche Cousinen;
mir sagen sie es – dir gelten die Ohrfeigen.
Sollte ich antworten, wirst du nicht in den Kampf
eintreten.«
Dritter Gesang, 141–142
3305
329
143
Pero Vermúez conpeçó de fablar,
detiénes’le la lengua, non puede delibrar,
mas cuando enpieça, sabed, no·l’ da vagar:
– Dirévos, Cid, costunbres avedes tales,
siempre en las cortes Pero mudo me llamades;
bien lo sabedes, que yo non puedo más,
por lo que yo ovier a fer por mí non mancará.
¡Mientes, Ferrando, de cuanto dicho has:
por el Campeador mucho valiestes más!
Las tus mañas yo te las sabré contar.
Miémbrat’ cuando lidiamos cerca Valencia la grand:
pedist las feridas primeras al Canpeador leal,
vist un moro, fústel’ ensayar,
antes fuxiste que a él te allegasses.
Si yo non uviás, el moro te jugara mal;
passé por ti, con el moro me of de ayuntar,
de los primeros colpes ofle de arrancar.
Did’ el cavallo, tóveldo en poridad,
fasta este día no lo descubrí a nadi.
Delant mio Cid e delante todos ovístete de alabar
que mataras el moro e que fizieras barnax;
croviérontelo todos, mas non saben la verdad,
e eres fermoso, mas mal varragán,
¡Lengua sin manos, cuémo osas fablar!
3309 costubres ms.
330
3318b a él te] alte ms.; s. Komm.
Cantar tercero, 143
3310
3315
3318b
3320
[66v]
3325
143
Pero Vermúez begann zu sprechen,
es stockt ihm die Zunge, er kann nicht anheben,
aber als er beginnt, wisset, gibt er ihr keine Ruhe:
»Ich sage Euch, Cid, solche Gewohnheiten habt Ihr:
An den Hoftagen nennt Ihr mich immer stummer Pero.
3311
Ihr wisst es genau, dass ich nicht anders kann;
doch was immer ich tun muss, an mir wird es nicht fehlen.
Du lügst, Ferrando, in allem, was du gesagt hast:
Durch den Campeador wart ihr viel mehr wert!
3315
Deine Sitten – ich werde sie dir zu erzählen wissen.
Erinnere dich, als wir nahe bei Valencia, der großen,
kämpften:
Du batest den treuen Campeador um die ersten Hiebe,
du sahst einen Mauren, gingst ihn erproben,
du flohst, noch bevor du an ihn herangekommen
3318b
warst.
Hätte ich nicht geholfen – der Maure hätte dir übel
mitgespielt;
ich ritt an dir vorbei, mit dem Mauren musste ich
3320
zusammenstoßen,
mit den ersten Schlägen musste ich ihn besiegen.
Ich gab dir das Pferd, ich wahrte dir das Geheimnis;
bis zu diesem Tag habe ich es niemandem eröffnet.
Vor Mio Cid und vor allen musstest du dich rühmen,
dass du den Mauren getötet und eine Heldentat vollbracht
3325
hättest.
Alle glaubten dir, doch sie kennen die Wahrheit nicht.
Und du bist zwar schön, doch ein Feigling.
Zunge ohne Hände, wie wagst du es, zu sprechen!
Dritter Gesang, 143
331
144
Di, Ferrando, otorga esta razón:
¿non te viene en miente en Valencia lo del león,
cuando durmié mio Cid e el león se desató?
E tú, Ferrando, ¿qué fizist con el pavor?
Metístet’ tras el escaño de mio Cid el Campeador,
metístet’, Ferrando, por o menos vales oy.
Nós cercamos el escaño por curiar nuestro señor,
fasta do despertó mio Cid, el que Valencia gañó;
levantós’ del escaño e fues’ pora’l león,
el león premió la cabeça, a mio Cid esperó,
dexós’le prender al cuello e a la red le metió.
Cuando se tornó el buen Campeador,
a sos vassallos violos aderredor,
demandó por sus yernos, ninguno non falló.
¡Riébtot’ el cuerpo por malo e por traidor,
esto·t’ lidiaré aquí ant’el rey don Alfonso!
Por fijas del Cid, don Elvira e doña Sol,
por cuanto las dexastes menos valedes vós.
Ellas son mugieres e vós sodes varones,
en todas guisas más valen que vós.
Cuando fuere la lid, si ploguiere al Criador,
tú lo otorgarás a guisa de traidor;
332
Cantar tercero, 144
3330
3335
3340
3345
3350 [67r]
144
Sag an, Ferrando, und gib mir recht,
kommt dir nicht ins Gedächtnis das mit dem Löwen in
3330
Valencia,
als Mio Cid schlief und der Löwe sich losmachte?
Und du Ferrando, was machtest du mit deiner Angst?
Du krochst hinter die Bank von Mio Cid dem Campeador,
du krochst, Ferrando, an einen Ort, durch den du heute
weniger wert bist.
Wir umringten die Bank, um unseren Herrn zu
3335
schützen,
bis Mio Cid erwachte, der Valencia gewann.
Er stand von der Bank auf und ging auf den Löwen zu,
der Löwe senkte den Kopf, er wartete auf Mio Cid,
er ließ sich von ihm am Hals ergreifen, und er steckte ihn
in den Käfig.
3340
Als er zurückkehrte, der gute Campeador –
seine Vasallen sah er ringsum;
er fragte nach seinen Schwiegersöhnen, keinen von ihnen
fand er.
Ich fordere dich heraus als einen Schurken und Verräter,
das werde ich dir im Kampf beweisen, hier vor dem König
Herrn Alfonso!
Wegen der Töchter des Cid, Frau Elvira und Frau Sol – 3345
weil ihr sie verlassen habt, seid ihr weniger wert.
Sie sind Frauen und ihr seid Männer,
in jeder Hinsicht sind sie mehr wert als ihr.
Wenn der Kampf stattfindet, wenn es dem Schöpfer
gefällt –
3350
du wirst es zugeben in der Art eines Verräters:
Dritter Gesang, 144
333
de cuanto he dicho verdadero seré yo. –
D’aquestos amos aquí quedó la razón.
145
Diego Gonçález odredes lo que dixo:
– De natura somos de los condes más linpios,
estos casamientos non fuessen aparecidos,
por consagrar con mio Cid don Rodrigo.
Porque dexamos sus fijas aún no nos repentimos;
mientra que bivan pueden aver sospiros,
lo que les fiziemos serles ha retraído.
¡Esto lidiaré a tod el más ardido:
que porque las dexamos ondrados somos nós! –
3355
3359b
3360
146
Martín Antolínez en pie se va levantar:
– ¡Calla, alevoso, boca sin verdad!
Lo del león non se te deve olbidar:
saliste por la puerta, metístet’ al corral,
fústed’ meter tras la viga lagar,
más non vestist el manto nin el brial.
Yo·l’ lo lidiaré, non passará por ál:
3354 lipios ms. 3361 se va levantar] se levantava ms. 3366 vestist]
vestid ms.
334
Cantar tercero, 145–146
3365
Alles, was ich gesagt habe, werde ich als wahrhaftig
erweisen.«
Zwischen diesen beiden verblieb der Streit an diesem
Punkt.
145
Diego Gonçález – ihr werdet hören, was er sagte:
»Wir sind vom Geschlecht der Grafen von reinstem Blut;
3355
diese Ehen sollten nicht stattgefunden haben,
um keine Verwandtschaft herzustellen mit Mio Cid Herrn
Rodrigo.
Dass wir seine Töchter verstoßen haben, bereuen wir noch
immer nicht;
solange sie leben, werden sie zu seufzen haben –
was wir ihnen antaten, wird ihnen vorgeworfen werden.
Das werde ich im Kampf beweisen dem
3359b
Allertapfersten:
Dass wir, weil wir sie verstießen, an Ansehen
3360
zugenommen haben!«
146
Martín Antolínez stand auf:
»Schweig, Treuloser, Mund ohne Wahrheit!
Das mit dem Löwen darfst du nicht vergessen:
Du gingst durch die Tür hinaus, kamst in den Hof,
du gingst und verkrochst dich hinter dem Kelterbaum, 3365
nie wieder hast du das Kleid oder den Mantel angezogen.
Ich werde es dir im Kampfe beweisen, etwas anderes wird
nicht geschehen:
Dritter Gesang, 145–146
335
fijas del Cid, porque las vós dexastes,
en todas guisas, sabed que más que vós valen.
¡Al partir de la lid, por tu boca lo dirás,
que eres traidor e mintist de cuanto dicho has! –
D’estos amos la razón fincado ha.
3370
147
Asur Gonçález entrava por el palacio,
manto armiño e un brial rastrando,
vermejo viene, ca era almorzado,
en lo que fabló avié poco recabdo:
3375
[67v]
148
– ¡Ya varones! ¿quién vio nunca tal mal?
¿Quién nos darié nuevas de mio Cid el de Bivar?
Fuesse a río d’Ovirna los molinos picar
e prender maquilas, commo lo suele far.
¿Quí·l’ darié con los de Carrión a casar? –
149
Essora Muño Gustioz en pie se levantó:
– ¡Calla, alevoso, malo e traidor!
Antes almuerzas que vayas a oración,
3369 que vós valen] valen que vos ms.
336
Cantar tercero, 147–149
3372 fincado ha] fincó ms.
3380
Die Töchter des Cid – weil ihr sie verstoßen habt –
in jeder Hinsicht, wisset, sind sie mehr wert als ihr.
Am Ende des Kampfes wirst du es aus deinem Munde
3370
sagen,
dass du ein Verräter bist und dass du logst in allem, was du
gesagt hast!«
Zwischen diesen beiden endete der Streit.
147
Asur Gonçález kam in den Palast herein,
Hermelinmantel und Kleid über den Boden schleifend;
rot kommt er, weil er gegessen hatte.
In dem, was er sprach, war wenig Umsicht:
3375
148
»Ach Herren, wer sah je solches Übel?
Wer gab uns jemals Nachricht von Mio Cid, dem aus
Bivar?
Ginge er doch an den Fluss Ovirna, Mühlsteine meißeln
und die Mühlensteuer einnehmen, wie er es zu tun
3380
pflegt.
Wer veranlasste ihn je dazu, mit denen von Carrión zu
heiraten?«
149
Da stand Muño Gustioz auf:
»Schweig, Treuloser, Schurke und Verräter!
Du isst, bevor du zum Gebet gehst,
Dritter Gesang, 147–149
337
a los que das paz fártaslos aderredor.
Non dizes verdad a amigo ni a señor,
falso a todos e más al Criador,
en tu amistad non quiero aver ración.
¡Fazértelo he dezir, que tal eres cual digo yo! –
Dixo el rey Alfonso: – ¡Calle ya esta razón!
Los que an rebtado lidiarán, sí·n’ salve Dios. –
Assí commo acaban esta razón,
afé dos cavalleros entraron por la cort,
al uno dizen Oiarra e al otro Yéñego Simenoz,
el uno es del ifante de Navarra e el otro del ifante
de Aragón,
besan las manos al rey don Alfonso,
piden sus fijas a mio Cid el Campeador
por ser reinas de Navarra e de Aragón,
e que ge las diessen a ondra e a bendición.
A esto callaron e ascuchó toda la cort,
levantós’ en pie mio Cid el Campeador:
– ¡Merced, rey Alfonso, vós sodes mio señor!
Esto gradesco yo al Criador,
cuando me las demandan de Navarra e de Aragón.
Vós las casastes antes, ca yo non;
afé mis fijas en vuestras manos son,
sin vuestro mandado nada non feré yo. –
Levantós el rey, fizo callar la cort:
– Ruégovos, Cid, caboso Campeador,
3386 a amigo] amigo ms. 3389 he] nicht in ms. 3394 simenez ms.;
s. Komm. 3395 f. beide del] nicht in ms.; s. Komm.
338
Cantar tercero, 149
3385
3390
3395–96
3400
[68r]
3405
3410
die um dich herum, denen du den Friedenskuss gibst, die
3385
ekelst du alle an.
Du sagst nicht die Wahrheit, weder dem Freund noch dem
Herrn,
falsch zu allen und mehr noch zum Schöpfer,
an deiner Freundschaft möchte ich nicht teilhaben.
Ich werde dich sagen lassen, dass du so einer bist, wie ich
es sage!«
Der König Alfonso sagte: »Dieser Streit soll schweigen!
Die, die sich herausgefordert haben, werden kämpfen, so
3391
mich Gott schütze!«
Sobald sie diesen Streit beenden,
seht da, zwei Ritter kamen zum Hoftag hinein.
Den einen nennt man Oiarra, den anderen Yéñego
Simenoz,
der eine gehört zum Prinzen von Navarra, der andere zum
3395–96
Prinzen von Aragón.
Sie küssen dem König Herrn Alfonso die Hände,
sie bitten den Cid Campeador um seine Töchter,
dass sie Königinnen werden von Navarra und von Aragón
und dass man sie ihnen in Ehren und mit Segen gebe. 3400
Darauf hin schwiegen sie und der ganze Hoftag lauschte.
Mio Cid der Campeador stand auf:
»Gnade, König Alfonso, Ihr seid mein Herr!
Dafür danke ich dem Schöpfer,
dass man bei mir aus Navarra und Aragón um sie wirbt.
3406
Ihr habt sie zuvor verheiratet, nicht ich;
seht da meine Töchter, in Euren Händen sind sie,
ohne Euren Befehl werde ich nichts tun.«
Der König stand auf, er hieß den Hoftag schweigen:
3410
»Ich bitte Euch, Cid, treff licher Campeador,
Dritter Gesang, 149
339
que plega a vós, e atorgarlo he yo.
Este casamiento oy se otorgue en esta cort,
ca crécevos ý ondra e tierra e onor. –
Levantós’ mio Cid, al rey las manos le besó:
– Cuando a vós plaze, otórgolo yo, señor. –
Essora dixo el rey: – ¡Dios vos dé den buen galardón!
A vós, Oiarra, e a vós, Yéñego Ximenoz,
este casamiento otórgovosle yo
de fijas de mio Cid, don Elvira e doña Sol,
pora los ifantes de Navarra e de Aragón,
que vos las dé a ondra e a bendición. –
Levantós’ en pie Oiarra e Yéñego Ximenoz,
besáron las manos del rey don Alfonso
e después de mio Cid el Campeador.
Metieron las fes e los omenajes dados son
que, cuemo es dicho, assí sea o mejor.
A muchos plaze de tod esta cort,
mas non plaze a los ifantes de Carrión.
Minaya Álbar Fáñez en pie se levantó:
– ¡Merced vos pido, commo a rey e a señor,
e que non pese esto al Cid Campeador!
Bien vos di vagar en toda esta cort,
dezir querría yacuanto de lo mio. –
Dixo el rey: – Plazme de coraçón,
dezid, Minaya, lo que oviéredes sabor. –
– Yo vos ruego que me oyades toda la cort,
3417 ximenez ms.
340
3422 ynego ms.
Cantar tercero, 149
3429 albafanez ms.
3415
3420
3425
[68v]
3430
3435
dass es Euch gefalle, und ich werde es gewähren.
Diese Ehe – möge sie heute an diesem Hoftag gewährt
werden,
denn es wachsen Euch dadurch Ehre und Land und
Erbgüter zu.«
Mio Cid erhob sich, dem König küsste er die Hände:
3415
»Da es Euch gefällt, gewähre ich es, Herr.«
Da sagte der König: »Gott gebe Euch dafür guten Lohn!
Euch, Oiarra, und Euch, Yéñego Ximenoz,
diese Ehe gewähre ich euch
zwischen den Töchtern von Mio Cid, Frau Elvira und
Frau Sol,
3420
und den Prinzen von Navarra und von Aragón,
dass er sie euch in Ehren und mit Segen gebe.«
Oiarra stand auf und Yéñego Ximenoz,
sie küssten dem König Herrn Alfonso die Hände
und danach die von Mio Cid dem Campeador.
3425
Sie gaben sich das Wort, und die Eide sind abgelegt,
dass es so geschehe, wie vereinbart, oder besser.
Vielen gefällt es an dem ganzen Hoftag,
doch den Infanten von Carrión gefällt es nicht.
3429
Minaya Álbar Fáñez stand auf:
»Um eine Gnade bitte ich Euch, als König und als Herrn,
und dass dies den Cid Campeador nicht schmerzen
möge!
Wohl habe ich Euch in Ruhe gelassen während dieses
ganzen Hoftages,
ich würde gerne mein Teil dazu sagen.«
Der König sagte: »Das gefällt mir von Herzen.
3435
Sagt, Minaya, was Ihr nur mögt.«
»Ich bitte euch, dass ihr mir zuhört, der ganze Hoftag,
Dritter Gesang, 149
341
ca grand rencura he de ifantes de Carrión.
Yo les di mis primas por mandado del rey Alfonso,
ellos las prisieron a ondra e a bendición;
grandes averes les dio mio Cid el Campeador.
Ellos las han dexadas a pesar de nós:
¡riébtoles los cuerpos por malos e por traidores!
De natura sodes de los de Vanigómez,
onde salién condes de prez e de valor,
mas bien sabemos las mañas que ellos han oy.
Esto gradesco yo al Criador,
cuando piden mis primas don Elvira e doña Sol
los ifantes de Navarra e de Aragón.
Antes las aviedes parejas pora en braços amas a dos,
agora besaredes sus manos e llamarlas hedes señoras,
averlas hedes a servir mal que vos pese a vós.
Grado a Dios del cielo e a aquel rey don Alfonso,
así·l’ crece la ondra a mio Cid el Campeador.
En todas guisas tales sodes cuales digo yo;
si ay qui responda o dize de no,
yo só Álbar Fáñez, pora tod el mejor. –
Gómez Peláyet en pie se levantó:
– ¿Qué val, Minaya, toda essa razón?
3442 Riebtos les los ms. 3445 oy] nicht in ms.
tener ms.; s. Komm. 3452 a aquel] aquel ms.
342
Cantar tercero, 149
3449 amas a dos] las
3440
3445
3450
[69r]
3455
denn ich habe große Anklage gegen die Infanten von
Carrión.
Ich gab ihnen meine Cousinen im Auftrag von König
Alfonso,
sie nahmen sie in Ehren und mit Segen.
Große Reichtümer gab ihnen Mio Cid der Campeador. 3440
Sie haben sie verstoßen, zu unserem Leidwesen.
Ich fordere sie heraus als Schurken und als Verräter!
Vom Geschlecht her stammt ihr von den Vanigómez ab,
von wo Grafen von hohem Wert und Schätzung
kamen;
doch wohl kennen wir die Sitten, die sie heute haben. 3445
Dafür danke ich dem Schöpfer,
dass nun um meine Cousinen, Frau Elvira und Frau Sol,
anhalten
die Prinzen von Navarra und von Aragón.
Vorher hattet ihr sie beide gemeinsam als legitime
Ehefrauen,
nun werdet ihr ihre Hände küssen, und ihr werdet sie
3450
Herrinnen nennen,
ihr werdet ihnen dienen müssen, auch wenn es euch sehr
leid tut.
Ich danke Gott im Himmel und diesem König Herrn
Alfonso:
So wächst ihm Ehre zu, Mio Cid dem Campeador.
In jeder Hinsicht seid ihr so, wie ich sage;
wenn es jemanden gibt, der antworten sollte oder der
3455
nein sagt,
ich bin Álbar Fáñez, für alle der Beste.«
Gómez Peláyet stand auf:
»Was ist sie wert, Minaya, diese ganze Rede?
Dritter Gesang, 149
343
Ca en esta cort afartos ha pora vós,
3460
e qui ál quisiesse, serié su ocasión.
Si Dios quisiere que d’ésta bien salgamos nós,
después veredes qué dixiestes o qué no. –
Dixo el rey: – ¡Fine esta razón!
Non diga ninguno d’ella más una entención.
3465
Cras sea la lid, cuando saliere el sol,
d’estos tres por tres que rebtaron en la cort. –
Luego fablaron ifantes de Carrión:
– Dandos, rey, plazo, ca cras ser non puede.
Armas e cavallos tienen los del Canpeador,
3470
nós antes abremos a ir a tierras de Carrión. –
Fabló el rey contra·l’ Campeador:
– Sea esta lid o mandáredes vós. –
En essora dixo mio Cid: – No lo faré, señor.
Más quiero a Valencia que tierras de Carrión. –
3475
En essora dixo el rey: – A osadas, Campeador.
Dadme vuestros cavalleros con todas vuestras
guarnizones,
vayan comigo, yo seré el curiador,
yo vos lo sobrelievo commo a buen vassallo faze señor,
que non prendan fuerça de conde nin de ifançón.
3459 afarto ms.
3478 a buen vasallo faze señor] buen vasallo faze a
señor ms.; s. Komm.
344
Cantar tercero, 149
Denn an diesem Hoftag gibt es genug, die Euch
gleichwertig sind,
und wer etwas anderes behaupten wollte – es wäre sein
3460
Schaden.
Wenn Gott wollte, dass wir gut aus dieser Sache
hervorgehen,
so werdet Ihr nachher sehen, was Ihr gesagt habt und was
nicht.«
Der König sagte: »Schluss mit diesen Reden!
Keiner soll mehr dazu Stellung nehmen.
3465
Morgen sei der Kampf, wenn die Sonne aufgeht,
zwischen diesen drei und drei, die sich am Hoftag
herausgefordert haben.«
Sofort sprachen die Infanten von Carrión:
»Gebt uns eine Frist, König, denn morgen kann es nicht
sein.
Waffen und Pferde haben die vom Campeador,
wir werden vorher in die Lande von Carrión gehen
3470
müssen.«
Der König sprach zum Campeador:
»Es sei dieser Kampf, wo Ihr befehlt.«
Da sagte Mio Cid: »Das werde ich nicht tun, Herr.
Mehr liebe ich Valencia als die Lande von Carrión.«
3475
Da sagte der König: »Selbstverständlich, Campeador.
Gebt mir Eure Ritter mit all Eurer Ausrüstung.
Sie sollen mit mir ziehen, ich werde der Gewährsmann
sein,
ich bürge Euch für sie, wie es ein Herr einem guten
Vasallen tut,
dass ihnen keine Gewalt angetan wird von Grafen noch
von Edelleuten.
Dritter Gesang, 149
345
Aquí les pongo plazo de dentro en mi cort,
3480 [69v]
a cabo de tres semanas en begas de Carrión
que fagan esta lid delant estando yo.
Quien non viniere al plazo, pierda la razón,
desí sea vencido e escape por traidor. –
3485
Prisieron el juizio ifantes de Carrión.
Mio Cid al rey las manos le besó
3486b
e dixo: – Plazme, señor.
Estos mis tres cavalleros en vuestra mano son,
d’aquí vos los acomiendo como a rey e a señor.
Ellos son adobados pora cumplir todo lo so,
¡ondrados me los enviad a Valencia, por amor del
3490
Criador! –
Essora respuso el rey: – ¡Assí lo mande Dios! –
Allí se tollió el capiello el Cid Campeador,
la cofia de rançal, que blanca era commo el sol,
e soltava la barba e sacóla del cordón;
3495
no·s’ fartan de catarle cuantos ha en la cort.
Adeliñó al conde don Anrich e al conde don Remond,
abraçólos tan bien e ruégalos de coraçón
que prendan de sus averes cuanto ovieren sabor.
A éssos e a los otros que de buena parte son
3500
a todos los rogava assí commo han sabor;
tales ý á que prenden, tales ý á que non.
Los dozientos marcos al rey los soltó,
de lo ál tanto priso cuant ovo sabor.
– ¡Merced vos pido, rey, por amor del Criador!
3496 al conde … e al conde] a el el conde … e el conde ms.; s. Komm.
346
Cantar tercero, 149
Hier setze ich ihnen die Frist, an meinem Hoftag:
3480
Nach Ablauf von drei Wochen in den Auen von Carrión –
dass sie diesen Kampf austragen in meiner Anwesenheit.
Wer nicht zu Frist kommen sollte, soll den Rechtsstreit
verlieren,
gelte folglich als besiegt und gehe als Verräter hervor.«
3485
Das Urteil nahmen sie an, die Infanten von Carrión.
Mio Cid – dem König küsste er die Hände
3486b
und sagte: »Es gefällt mir, Herr.
Diese meine drei Ritter sind in Eurer Hand,
von hier an empfehle ich sie Euch als König und als Herrn.
Sie sind gerüstet, um ihren Teil zu erfüllen.
Schickt sie mir mit Ehren nach Valencia, um des Schöpfers
3490
Liebe willen!«
Da antwortete der König: »So befehle es Gott!«
Da nahm er den Hut ab, der Cid Campeador,
die Haube aus Linnen, die weiß war wie die Sonne,
und löste den Bart und nahm ihn aus dem Band.
Alle, die am Hoftag sind, werden nicht müde, ihn
3495
anzuschauen.
Er ging zum Grafen Herrn Anrich und zum Grafen Herrn
Remond,
er umarmte sie fest und bittet sie von Herzen,
dass sie von seiner Habe nähmen, so viel sie wollten.
Diese und die anderen, die zu guter Partei gehören,
3500
sie alle bat er – so viel sie wollten.
Es gibt solche, die nehmen, es gibt solche, die es nicht tun.
Die zweihundert Mark erließ er dem König,
von dem anderen nahm dieser, so viel ihm gefiel.
»Um Gnade bitte ich Euch, König, um des Schöpfers Liebe
willen!
Dritter Gesang, 149
347
Cuando todas estas nuevas assí puestas son,
beso vuestras manos con vuestra gracia, señor,
e irme quiero pora Valencia, con afán la gané yo. –
[. . . . . . . . . . . .]
3505
150
El rey alçó la mano, la cara se santigó:
[70r]
– ¡Yo lo juro par Sant Esidro el de León
que en todas nuestras tierras non ha tan buen varón! – 3510
Mio Cid en el cavallo adelant se llegó,
fue besar la mano a so señor Alfonso:
– Mandástesme mover a Bavieca el corredor,
en moros nin en cristianos otro tal non ha oy.
3515
Yo vos le dó en don, mandédesle tomar, señor. –
Essora dixo el rey: – D’esto non he sabor.
Si a vós le tolliés, el cavallo non havrié tan buen señor,
mas atal cavallo cum ést pora tal commo vós,
pora arrancar moros del canpo e ser segudador;
3520
quien vos lo toller quisiere, no·l’ vala el Criador,
ca por vós e por el cavallo ondrados somos nós. –
Essora se espidieron e luego·s’ partió la cort.
3507 s. Komm. 3515 Yo] Hy ms. | mandedesle corr., mandedele ms.
3517 bue ms. 3521 somos nós] somo nos ms.
348
Cantar tercero, 150
Da alle diese Angelegenheiten so abgeschlossen sind,
ich küsse Eure Hände mit Eurer Erlaubnis, Herr,
und möchte nach Valencia gehen, mit Mühe gewann
ich es.«
[…]
3505
150
Der König hob die Hand, das Gesicht bekreuzigte
er sich:
»Ich schwöre beim Heiligen Esidro, dem von León,
dass es in allen unseren Landen keinen so wackeren Mann
3510
gibt!«
Mio Cid kam auf dem Pferd bis vor ihn hin,
er ging seinem Herrn Alfonso die Hände küssen:
»Ihr befahlt mir, Bavieca das Ross laufen zu lassen.
Weder bei Mauren noch bei Christen gibt es heute
seinesgleichen.
3515
Ich gebe es Euch als Geschenk; nehmt es an, Herr.«
Da sagte der König: »Das möchte ich nicht.
Wenn ich es Euch wegnähme – das Pferd hätte keinen so
guten Herrn.
Aber so ein Pferd wie dieses ist für einen wie Euch,
um Mauren auf dem Feld zu besiegen und ihr Verfolger
zu sein.
Wer es Euch wegnehmen wollte – der Schöpfer möge ihn
3520
nicht beschützen,
denn durch Euch und durch das Ross wird uns Ehre
zuteil.«
Da verabschiedeten sie sich, und dann löste sich der
Hoftag auf.
Dritter Gesang, 150
349
El Campeador a los que han lidiar tan bien los castigó:
– Ya Martín Antolínez, el burgalés de pro,
3525
e vós, Pero Vermúez, e Muño Gustioz,
firmes sed en campo a guisa de varones.
3525b
Buenos mandados me vayan a Valencia de vós. –
Dixo Martín Antolínez: – ¿Por qué lo dezides, señor?
Preso avemos el debdo e a passar es por nós;
podedes oír de muertos, ca de vencidos no. –
3530
Alegre fue d’aquesto el que en buen ora nació,
espidiós’ de todos los que sos amigos son,
mio Cid pora Valencia e el rey pora Carrión.
[70v]
Las tres semanas de plazo todas complidas son.
Felos al plazo los del Campeador,
3535
cunplir quieren el debdo que les mandó so señor;
ellos son en poder del rey don Alfonso el de León,
dos días atendieron a ifantes de Carrión.
Mucho vienen bien adobados de cavallos e de
guarnizones,
e todos sus parientes con ellos son,
3540
que si los pudiessen apartar a los del Campeador,
que los matassen en campo por desondra de so señor.
El cometer fue malo, que lo ál no s’enpeçó,
ca grand miedo ovieron a Alfonso el de León.
De noche belaron las armas e rogaron al Criador.
3524–3525b Hya martin antolinez e vos pero vermuez / E muno gustioz
firmes sed en campo aguisa de varones ms.; s. Komm. 3533 Las] Mas ms.
3536 pder ms.
350
Cantar tercero, 150
Der Campeador – die, die kämpfen werden, hat er sehr gut
unterwiesen:
»Ach, Martín Antolínez, der rechtschaffene Burgalese,
3525
und ihr, Pero Vermúez, und Muño Gustioz,
seid standhaft auf dem Kampfplatz in der Art von
3525b
Männern.
Mögen gute Nachrichten von euch zu mir nach Valencia
kommen.«
Martín Antolínez sagte: »Warum sagt ihr das, Herr?
Wir haben die Verpflichtung übernommen und werden sie
erfüllen.
Ihr mögt von Toten hören, doch nicht von Besiegten.«
Froh war darüber der zu guter Stunde geboren wurde, 3530
er verabschiedete sich von allen, die seine Freunde sind.
Mio Cid zog nach Valencia und der König nach Carrión.
Die drei Wochen der Frist sind gänzlich abgelaufen.
Seht sie hier, fristgerecht, die vom Campeador.
Sie wollen die Verpflichtung erfüllen, die ihnen ihr Herr
3535
auftrug;
sie sind in der Obhut des Königs, Herrn Alfonso von León.
Zwei Tage warteten sie auf die Infanten von Carrión.
Die kommen sehr gut ausgestattet, mit Pferden und mit
Rüstungen,
und alle ihre Verwandten sind mit ihnen,
so dass sie, wenn sie sie abseits drängen könnten, die vom
3540
Campeador,
sie sie auf dem Feld töten würden, zur Schande ihres Herrn.
Die Absicht war böse, aber mehr wurde nicht angegangen,
denn sie hatten große Angst vor Alfonso, dem von León.
In der Nacht hüteten sie die Waffen und beteten zum
Schöpfer.
Dritter Gesang, 150
351
Trocida es la noche, ya quiebran los albores.
3545
Muchos se juntaron de buenos ricos omnes
por ver esta lid, ca avién ende sabor.
Demás sobre todos ý es el rey don Alfonso,
por querer el derecho e non consentir el tuerto.
3550
Ya·s’ metién en armas los del buen Campeador,
todos tres se acuerdan, ca son de un señor.
En otro logar se arman los ifantes de Carrión,
sediélos castigando el conde Garcí Ordóñez.
Andidieron en pleito, dixiéronlo al rey Alfonso,
3555
que non fuessen en la batalla Colada e Tizón,
que non lidiassen con ellas los del Canpeador.
Mucho eran repentidos los ifantes por cuanto dadas son.
Dixiérongelo al rey, mas non ge lo conloyó:
– Non sacastes ninguna cuando oviemos la cort;
3560 [71r]
si buenas las tenedes, pro avrán a vós,
otrosí farán a los del Canpeador.
Levad y salid al campo, ifantes de Carrión,
huebos vos es que lidiedes a guisa de varones,
que nada non mancará por los del Campeador.
3565
Si del campo bien salides, grand ondra avredes vós,
e si fuéredes vencidos, non rebtedes a nós,
ca todos lo saben que lo buscastes vós. –
Ya se van repintiendo ifantes de Carrión,
3555 f. Que non fuessen en la batalla las espadas taiadores / Colada e
tizon que non lidiassen con ellas los del canpeador ms.; s. Komm.
3566 fueres ms.
352
Cantar tercero, 150
Die Nacht ist vorbei, schon bricht die Morgenröte an. 3545
Viele gute hohe Adelige sind zusammengekommen,
um diesen Kampf zu sehen, weil sie daran Interesse hatten.
Zudem, über allen, ist dort der König Herr Alfonso,
um das Recht zu suchen und das Unrecht nicht zu dulden.
Schon ziehen sie die Waffen über, die vom guten
3550
Campeador,
alle drei stimmen sich ab, denn sie gehören zu einem
Herrn.
An einem anderen Ort bewaffnen sich die Infanten von
Carrión,
es saß und unterwies sie der Graf Garcí Ordóñez.
Sie erhoben eine Streitfrage, sie sagten es dem König
Alfonso,
dass in dem Kampf Colada und Tizón nicht dabeisein
3555
sollten,
dass sie nicht mit ihnen kämpften, die vom Campeador.
Die Infanten hatten es sehr bereut, dass sie übergeben
worden waren.
Sie sagten es dem König, doch der gewährte es ihnen nicht:
»Ihr habt keines ausgenommen, als wir den Hoftag hielten.
Wenn ihr gute habt, so werden sie euch von Vorteil sein,
3561
ebenso werden diese es denen des Campeador sein.
Steht auf und geht hinaus aufs Feld, Infanten von Carrión,
es ist notwendig, dass ihr kämpft in der Art von Männern,
denn die des Campeador werden es an nichts fehlen lassen.
Wenn ihr gut aus dem Kampfplatz hervorgeht, werdet ihr
3565
große Ehre haben,
und wenn ihr besiegt werden solltet, beschuldigt nicht uns,
denn alle wissen es, dass ihr es gesucht habt.«
Mehr und mehr bereuen es die Infanten von Carrión –
Dritter Gesang, 150
353
de lo que avién fecho mucho repisos son,
no lo querrién aver fecho por cuanto ha en Carrión.
Todos tres son armados los del Campeador;
ívalos ver el rey don Alfonso,
dixieron los del Campeador:
– Besámosvos las manos commo a rey e a señor
que fiel seades oy d’ellos e de nós;
a derecho nos valed, a ningún tuerto no.
Aquí tienen su vando los ifantes de Carrión,
non sabemos qué·s’ comidrán ellos, o qué non.
En vuestra mano nos metió nuestro señor,
¡tenendos a derecho, por amor del Criador! –
Essora dixo el rey: – ¡D’alma e de coraçón! –
Adúzenles los cavallos, buenos e corredores;
santiguaron las siellas e cavalgan a vigor,
los escudos a los cuellos que bien blocados son,
en mano prenden las astas de los fierros tajadores,
estas tres lanças tienen seños pendones;
e derredor d’ellos muchos buenos varones.
Ya salieron al campo do eran los mojones.
Todos tres son acordados los del Campeador
que cada uno d’ellos bien fos ferir el so.
Fevos de la otra part los ifantes de Carrión,
muy bien aconpañados, ca muchos parientes son.
El rey dioles fieles por dezir el derecho e ál non,
que non varagen con ellos de sí o de non.
3585 en mano] Emano ms.
354
Cantar tercero, 150
3570
3575
3580
[71v]
3586
3590
was sie getan haben, bereuen sie sehr.
Sie wünschten um alles, was es in Carrión gibt, es nicht
3570
getan zu haben.
Alle drei sind sie bewaffnet, die des Campeador,
der König Herr Alfonso ging, sie zu sehen.
Die des Campeador sagten:
»Wir küssen Euch die Hände als König und als Herrn,
dass Ihr heute Kampfrichter seid zwischen ihnen und uns.
3576
Verhelft uns zu Recht und nicht zu einem Unrecht.
Hier haben sie ihre Partei, die Infanten von Carrión,
wir wissen nicht, was sie aushecken werden und was nicht.
In Eure Hand gab uns unser Herr,
bewahrt uns das Recht, um des Schöpfers Liebe willen!«
3581
Da sagte der König: »Von Seele und von Herzen!«
Man bringt ihnen die Rosse, die guten und schnellen.
Sie bekreuzigten die Sättel und reiten kräftig,
die Schilde an den Hälsen, die mit guten Buckeln versehen
sind.
In die Hand nehmen sie die Schäfte mit den schneidenden
3585
Eisen –
diese drei Lanzen führen jeweils ein Wimpel –
und um sie herum viele gute Männer.
Schon kamen sie auf den Kampfplatz heraus, wo die Pfähle
waren.
3589
Alle drei haben sich geeinigt, die des Campeador,
dass jeder von ihnen gut auf den Seinen einschlagen solle.
Seht dort auf der anderen Seite die Infanten von Carrión,
sehr gut begleitet, denn es sind viele Verwandte.
Der König gab ihnen Kampfrichter, um Recht zu sprechen
und nichts anderes,
auf dass sie nicht mit ihnen stritten über Ja oder Nein.
Dritter Gesang, 150
355
Do sedién en el campo fabló el rey don Alfonso:
3595
– Oíd qué vos digo, ifantes de Carrión:
esta lid en Toledo la fiziérades, mas non quisiestes vós.
Estos tres cavalleros de mio Cid el Campeador
yo los adux a salvo a tierras de Carrión.
3600
Aved vuestro derecho, tuerto non querades vós,
ca qui tuerto quisiere fazer, mal ge lo vedaré yo,
en todo mio reino non avrá buena sabor. –
Ya les va pesando a los ifantes de Carrión.
Los fieles e el rey enseñaron los mojones,
3605
librávanse del campo todos aderredor,
bien ge lo demostraron a todos seis commo son,
que por ý serié vencido qui saliesse del mojón.
Todas las gentes esconbraron aderredor,
más de seis astas de lanças que non llegassen al mojón.
3610
Sorteávanles el campo, ya les partién el sol,
salién los fieles de medio, ellos cara por cara son.
[72r]
Desí vinién los de mio Cid a los ifantes de Carrión,
e llos ifantes de Carrión a los del Campeador;
cada uno d’ellos mientes tiene al so.
3615
Abraçan los escudos delant los coraçones,
abaxan las lanças abueltas con los pendones,
3602 En corr., E ms.
356
Cantar tercero, 150
Als sie sich auf dem Kampfplatz befanden, sprach der
3595
König Herr Alfonso:
»Hört, was ich euch sage, Infanten von Carrión:
Diesen Kampf hättet ihr in Toledo austragen können, doch
ihr wolltet nicht.
Diese drei Ritter von Mio Cid dem Campeador –
ich führte sie unter meiner Obhut in die Lande von Carrión.
Nehmt euer Recht wahr, Unrecht sollt ihr nicht suchen,
denn wer Unrecht verüben wollte – übel werde ich es ihm
3601
verwehren:
In meinem ganzen Reich wird er keine Genugtuung
finden.«
Mehr und mehr schmerzt es die Infanten von Carrión.
Die Kampfrichter und der König zeigten die Pfähle
3605
– es räumten den Kampfplatz alle rundherum –,
sie erklärten es ihnen genau, allen sechs, die da sind,
dass, wer außerhalb der Pfähle treten sollte, dadurch
besiegt sein würde.
Alle Leute machten Platz ringsum,
unter sechs Lanzenschäfte sollten sie nicht an die Pfähle
herankommen.
Man loste den Kampfplatz aus, schon richtete man sie im
3610
Verhältnis zur Sonne aus,
die Kampfrichter gingen aus dem Weg, jene stehen sich
nun gegenüber.
Sofort kamen die von Mio Cid auf die Infanten von
Carrión zu
und die Infanten von Carrión auf die des Campeador;
jeder von ihnen achtet auf den Seinen.
3615
Im Arm halten sie die Schilde vor den Herzen,
sie senken die Lanzen mitsamt den Bannern,
Dritter Gesang, 150
357
enclinavan las caras sobre los arçones,
batién los cavallos con los espolones.
Tembrar querié la tierra dond eran movedores.
3620
Cada uno d’ellos mientes tiene al so,
todos tres por tres ya juntados son;
cuédanse que essora cadrán muertos los que están
aderredor.
Pero Vermúez, el que antes rebtó,
con Ferrán Gonçález de cara se juntó,
3625
firiénse en los escudos sin todo pavor.
Ferrán Gonçález a Pero Vermúez el escudo·l’ passó,
prísol’ en vazío, en carne no·l’ tomó,
bien en dos logares el astil le quebró.
Firme estido Pero Vermúez, por esso no s’encamó,
3630
un colpe recibiera, mas otro firió,
quebrantó la bloca del escudo, apart ge la echó,
passógelo todo, que nada no·l’ valió,
metiól’ la lança por los pechos, que nada no·l’ valió.
Tres dobles de loriga tenié Fernando, aquésto·l’ prestó,
3635
las dos le desmanchan e la tercera fincó.
El belmez con la camisa e con la guarnizón
de dentro en la carne una mano ge la metió,
por la boca afuera la sangre·l’ salió.
[72v]
Quebráronle las cinchas, ninguna no l’ovo pro;
por la copla del cavallo en tierra lo echó,
3640
assí lo tenién las yentes que mal ferido es de muert.
Él dexó la lança e mano al espada metió;
cuando lo vio Ferrán Gonçález, conuvo a Tizón,
3619 dond] dod ms. 3624 ferra ms. 3626 goçalez ms. 3631 boca ms.
3642 mano al espada metió] mano metio al espada ms. 3643 goçalez ms.
358
Cantar tercero, 150
sie neigen die Gesichter über die Sattelbögen
und schlugen die Pferde mit den Sporen.
Erbeben wollte die Erde wo sie entlangritten.
3620
Jeder von ihnen achtet auf den Seinen,
alle drei und drei sind bereits aneinander herangekommen,
es glauben die, die rundherum stehen, dass sie jetzt tot
umfallen werden.
Pero Vermúez, der als erster herausforderte –
mit Ferrán Gonçález traf er frontal zusammen.
3625
Sie stießen sich gegen die Schilde, ohne jede Furcht.
Ferrán Gonçález – dem Pero Vermúez durchbohrte er den
Schild,
er stieß ins Leere, das Fleisch traf er nicht,
wohl an zwei Stellen zerbrach ihm der Lanzenschaft.
Standhaft blieb Pero Vermúez, deswegen wankte er nicht,
einen Hieb erhielt er, doch einen anderen versetzte er, 3630
er zerbrach die Buckel des Schildes, er warf sie ihm
beiseite,
er durchbohrte ihn ganz, zu nichts nützte er ihm,
er stieß ihm die Lanze durch die Brust, nichts nützte
ihm da.
Ein dreilagiges Kettenhemd trug Ferrando, das half ihm,
die ersten beiden zerrissen ihm und die dritte hielt stand;
3636
das Wams mit dem Hemd und der Rüstung
stieß er ihm eine Handbreit ins Fleisch,
aus dem Mund heraus drang ihm das Blut.
Die Riemen zerrissen ihm, keiner hielt ihm stand,
3640
über die Kruppe des Pferdes warf er ihn zu Boden;
die Leute meinten, dass er übel verwundet ist, auf den Tod.
Er ließ die Lanze und legte Hand ans Schwert.
Als das Ferrán Gonçález sah, erkannte er Tizón;
Dritter Gesang, 150
359
antes qu’el colpe esperasse dixo: – ¡Vençudo só! –
Atorgárongelo los fieles, Pero Vermúez le dexó.
3645
151
Martín Antolínez e Dia Gonçález firiéronse de las lanças,
tales fueron los colpes que les quebraron amas.
Martín Antolínez mano metió al espada
(relumbra tod el campo, tanto es linpia e clara),
3650
diol’ un colpe, de traviesso·l’ tomava,
el casco de somo apart ge lo echava,
las moncluras del yelmo todas ge las cortava,
allá llevó el almófar, fata la cofia llegava,
la cofia e el almófar todo ge lo levava,
3655
ráxol’ los pelos de la cabeça, bien a la carne llegava,
lo uno cayó en el campo e lo ál suso fincava.
Cuando este colpe á ferido Colada la preciada,
vio Diego Gonçález que no escaparié con el alma.
Bolvió la rienda al cavallo por tornarse de cara;
3660
essora Martín Antolínez recibiól’ con el espada,
un colpe·l’ dio de llano, con lo agudo no·l’ tomava.
Dia Gonçález espada tiene en mano, mas no la
3662–63
ensayava,
3646 Dia] diego ms.; s. Komm.
360
Cantar tercero, 151
3662 f. s. Komm.
ohne den Streich abzuwarten, sagte er: »Ich bin besiegt!«
Das gewährten ihm die Kampfrichter, Pero Vermúez ließ
3645
von ihm ab.
151
Martín Antolínez und Dia Gonçález stachen mit den
Lanzen aufeinander ein;
derart waren die Stöße, dass beide ihnen zerbrachen.
Martín Antolínez – Hand legt er ans Schwert,
es erstrahlt der ganze Kampfplatz, so rein und blank ist es.
3650
Er gab ihm einen Stoß, von der Seite erfasste er ihn:
Das Helmdach schlug er ihm beiseite,
die Helmriemen durchschnitt er ihm alle,
hin riss er die Ringhaube, bis zur Lederkappe drang er
durch,
die Lederkappe und die Ringhaube – alles riss er ihm ab,
er schnitt ihm die Haare vom Kopf, wohl bis zum Fleisch
3655
drang er durch,
das eine fiel auf den Kampfplatz, und das andere blieb
oben.
Als Colada, das geschätzte, diesen Streich geführt hat,
sah Diego Gonçález, dass er nicht mit der Seele
davonkommen würde.
Er wandte dem Pferd die Zügel, um sich
entgegenzustellen,
3660
da empfing ihn Martín Antolínez mit dem Schwert:
Einen Hieb versetzte er ihm mit der flachen Seite, mit der
Schneide erfasste er ihn nicht.
Dia Gonçález hat ein Schwert in der Hand, aber er setzt es
3662–63
nicht ein,
Dritter Gesang, 151
361
esora el ifante tan grandes vozes dava:
[73r]
– ¡Valme, Dios, glorioso señor, e cúriam’ d’este espada! –
3666
El cavallo asorrienda e, mesurándol’ del espada,
sacól’ del mojón [. . . . . . . . . . .]
3667b
Martín Antolínez en el campo fincava.
Essora dixo el rey: – Venid vós a mi compaña.
Por cuanto avedes fecho, vencida avedes la batalla. –
3670
Otórgangelo los fieles, que dize verdadera palabra.
152
Los dos han arrancado, dirévos de Muño Gustioz
con Assur Gonçález cómmo se adobó.
Fiérense en los escudos unos tan grandes colpes.
Assur Gonçález, furçudo e de valor,
firió en el escudo a don Muño Gustioz,
tras el escudo falsóle la guarnizón,
en vazío fue la lança, ca en carne no·l’ tomó.
Este colpe fecho, otro dio Muño Gustioz,
tras el escudo, falsóle la guarnizón:
por medio de la bloca el escudo·l’ quebrantó,
no·l’ pudo guarir, falsóle la guarnizón,
a part le priso, que non cab’el coraçón,
3675
3680
3676 falsóle la] falsso gela ms. 3679 falsóle la] falsso gela ms.
3680 el escudo·l] del escudol corr., del escudo ms. 3681 falsóle la] falsso
gela ms.
362
Cantar tercero, 152
da gab der Infant laute Rufe von sich:
»Hilf mir, Gott, glorreicher Herr, und schütze mich vor
3665
diesem Schwert!«
Das Pferd zügelt er und, es aus der Reichweite des
Schwertes haltend,
trieb er es außerhalb der Pfähle […]
3667b
Martín Antolínez blieb auf dem Kampfplatz.
Da sagte der König: »Kommt Ihr zu meiner Schar.
Durch alles, was Ihr getan habt, habt Ihr diesen Kampf
gewonnen.«
Die Kampfrichter gewährten es ihm, dass er wahre Worte
3670
spricht.
152
Die zwei haben gesiegt, erzählen werde ich euch von Muño
Gustioz
mit Assur Gonçález, wie er sich schlug.
Sie versetzten sich auf die Schilde ganz kräftige Hiebe.
Assur Gonçález, kräftig und von Mut,
3675
hieb auf den Schild des Muño Gustioz ein,
hinter dem Schild zerriss er ihm die Rüstung,
ins Leere ging die Lanze, denn am Fleisch erfasste sie ihn
nicht.
Als dieser Schlag getan war, gab Muño Gustioz einen
anderen:
Hinter dem Schild zerriss er ihm die Rüstung,
3680
mitten durch die Buckel zerbrach er ihm den Schild,
der konnte ihn nicht schützen, er zerriss ihm die
Rüstung,
an der Seite erfasste er ihn, nicht in der Nähe des Herzens,
Dritter Gesang, 152
363
metio·l’ por la carne adentro la lança con el pendón,
de la otra part una braça ge la echó,
con él dio una tuerta, de la siella lo encamó,
al tirar de la lança en tierra lo echó,
vermejo salió el astil e la lança e el pendón:
todos se cuedan que ferido es de muert.
La lança recombró e sobr’él se paró;
dixo Gonçalo Assúrez: – ¡No·l’ firgades, por Dios!
¡Vençudo es el campo cuando esto se acabó! –
Dixieron los fieles: – Esto oímos nós. –
Mandó librar el canpo el buen rey don Alfonso,
las armas que ý rastaron él se las tomó.
Por ondrados se parten los del buen Campeador,
vencieron esta lid grado al Criador;
grandes son los pesares por tierras de Carrión.
El rey a los de mio Cid de noche los enbió,
que no les diessen salto nin oviessen pavor.
A guisa de menbrados, andan días e noches,
felos en Valencia con mio Cid el Campeador,
por malos los dexaron a los ifantes de Carrión,
conplido han el debdo que les mandó so señor;
alegre fue d’aquesto mio Cid el Campeador.
Grant es la biltança de ifantes de Carrión:
364
Cantar tercero, 152
3685
[73v]
3691
3695
3700
3705
in das Fleisch hinein bohrte er ihm die Lanze mit dem
Wimpel,
auf der anderen Seite trieb er sie ihm eine Armlänge hinaus.
Er machte mit ihm eine Drehung, seitwärts zog er ihn aus
3685
dem Sattel.
Als er die Lanze zurückzog, warf er ihn zu Boden;
rot kamen der Schaft und die Lanze und der Wimpel
hervor:
Alle glauben, dass er zu Tode verwundet ist.
Die Lanze gewann er wieder und blieb neben und über ihm
stehen.
Gonçalo Assúrez sagte: »Stecht nicht auf ihn ein, bei Gott!
Den Gerichtskampf hat er gewonnen, denn dies ist zu
3691
Ende!«
Die Kampfrichter sagten: »Das haben wir gehört.«
Der gute König Herr Alfonso befahl, den Kampfplatz zu
räumen;
die Waffen, die dort zurückblieben, nahm er an sich.
3695
In Ehren scheiden die des guten Campeador,
sie gewannen diesen Gerichtskampf dank dem Schöpfer.
Groß ist der Schmerz in den Landen zu Carrión.
Der König entsandte die von Mio Cid des Nachts,
damit man sie nicht überfiele und sie keine Furcht hätten.
Wie Besonnene es tun, ritten sie bei Tag und bei Nacht,
3701
seht sie in Valencia mit Mio Cid dem Campeador.
Als weniger wert ließen sie sie zurück, die Infanten von
Carrión.
Sie haben die Aufgabe erfüllt, die ihnen ihr Herr gestellt
hatte;
froh war darüber Mio Cid der Campeador.
3705
Groß ist die Erniedrigung der Infanten von Carrión:
Dritter Gesang, 152
365
qui buena dueña escarnece e la dexa después
atal le contesca o siquier peor.
Dexémonos de pleitos de ifantes de Carrión,
de lo que an preso mucho an mal sabor;
3710
fablemos nós d’aqueste que en buen ora nació:
grandes son los gozos en Valencia la mayor
porque tan ondrados fueron los del Canpeador.
Prísos’ a la barba Ruy Díaz, so señor:
[74r]
– ¡Grado al rey del cielo, mis fijas vengadas son,
agora las ayan quitas heredades de Carrión!
3715
¡Sin vergüença las casaré, o a qui pese o a qui non! –
Andidieron en pleitos los de Navarra e de Aragón,
ovieron su ajunta con Alfonso el de León,
fizieron sus casamientos con don Elvira e con doña Sol.
Los primeros fueron grandes, mas aquestos son mijores,
3721
a mayor ondra las casa que lo que primero fue.
¡Ved cuál ondra crece al que en buen ora nació
cuando señoras son sus fijas de Navarra e de Aragón!
Oy los reyes d’España sos parientes son,
3725
a todos alcança ondra por el que en buen ora nació.
Passado es d’este sieglo mio Cid el Campeador
3725 a] A ms.', nicht in ms. 3726 f. Passado es deste sieglo el dia de
cinquaesma / De christus haya perdon ms.; s. Komm.
366
Cantar tercero, 152
Wer eine gute Dame schändet und sie danach verstößt,
dem soll Gleiches zustoßen oder womöglich Schlimmeres.
Lassen wir die Angelegenheiten von den Infanten von
Carrión,
was ihnen geschehen ist, missfällt ihnen sehr.
Sprechen wir von diesem, der zu guter Stunde geboren
3710
wurde.
Übermäßig sind die Freuden in Valencia, der großen,
weil die vom Campeador solche Anerkennung erhielten.
Er griff sich an den Bart, Ruy Díaz, ihr Herr:
»Dank sei dem König des Himmels, meine Töchter sind
gerächt,
nun sollen sie bedingungslos Niesnutz haben von den
3715
Erbschaften in Carrión!
Ohne Scham werde ich sie verheiraten, wem es auch
gefalle oder nicht!«
Sie traten in Verhandlungen ein, die von Navarra und von
Aragón,
sie hatten ein Treffen mit Alfonso, dem von León,
sie veranstalteten ihre Hochzeit mit Frau Elvira und
Frau Sol.
3720
Die erste war groß, doch diese war besser;
zu größerer Ehre verheiratet er sie als beim ersten Mal.
Seht, wie dem das Ansehen wächst, der zu guter Stunde
geboren wurde,
da seine Töchter Herrinnen sind von Navarra und von
Aragón!
Heute sind die Könige von Spanien seine Verwandten,
allen wird Ansehen zuteil wegen dem, der zu guter Stunde
3725
geboren wurde.
Geschieden ist er aus dieser Welt, Mio Cid der Campeador,
Dritter Gesang, 152
367
el día de cincuaesma, ¡de Christus aya perdón!
Assí fagamos nós todos, justos e pecadores.
Éstas son las nuevas de mio Cid el Canpeador,
en este logar se acaba esta razón.
3730
Quien escrivió este libro dél’ Dios paraíso, ¡amén!
Per Abbat le escrivió en el mes de mayo
en era de mill e dozientos cuaraenta e cinco años.
E el romanz es leído,
datnos del vino;
si non tenedes dineros,
echad allá unos peños,
que bien nos lo darán sobr’ellos.
3734b
3734c
3735
3735b
3731–3735b Quien escriuió este libro del dios parayso amen / Per abbat
le escriuio enel mes de mayo / En era de mill e .C.C xL.v. annos e el
Romanz / Es leydo dat nos del vino si non tenedes dineros echad / Ala
vnos pennos que bien vos lo dararan sobrelos ms.
368
Cantar tercero, 152
am Pfingsttag. Möge er von Christus Vergebung erlangen!
So geschehe uns allen, Gerechten und Sündern.
Dies sind die Neuigkeiten von Mio Cid dem Campeador,
3730
an dieser Stelle endet dieser Bericht.
Wer dieses Buch schrieb – gebe ihm Gott das Paradies.
Amen.
Per Abbat schrieb es im Monat Mai
nach der Ära tausend und zweihundert und
fünfundvierzig Jahre.
Und das Gedicht ist vorgetragen,
gebt uns Wein;
wenn ihr kein Geld habt,
so legt ein paar Pfänder hin,
denn für sie wird man ihn uns wohl geben.
Dritter Gesang, 152
3734b
3734c
3735
3735b
369
Anhang
Madrid, Biblioteca Nacional, MS Vitr. 7–17, fol. 1r
© Biblioteca Nacional de España
Die Handschrift. Die Edition.
Die Übersetzung
Die Handschrift
Madrid, Biblioteca Nacional, MS Vitr. 7–17 (s. Abb. fol. 1r, S. 372)
Inhalt Die Handschrift enthält allein das Lied von Mio Cid.
Gestalt Pergament, 74 Blätter, 198 × 150 mm. 11 Lagen, meist Quaternionen. Blattverlust vor fol. 1 (1. Blatt der 1. Lage), nach fol. 47
(vorletztes Blatt der 7. Lage), nach fol. 69 (letztes Blatt der 10. Lage)
und nach fol. 74 (kein Textverlust). Ursprünglich Reklamanten am
Ende jeder Lage, die aber fast alle durch späteren Randbeschnitt
verlorengegangen sind. Moderne Foliierung.
Schrift Schriftraum: ca. 174 × 118 mm, einspaltig, mit unparallelen
Randmarkierungen, 22–29 Zeilen (im Durchschnitt 25 Zeilen).
Verse abgesetzt. Schrift: Textualis currens. Eine Hand und eine
Tinte (ursprünglich wohl schwarz, heute bräunlich). Korrekturen
des Schreibers. Dieselbe Hand hat zweimal mit feinerem Federstrich und jeweils anderer Tinte weitere Korrekturen hinzugefügt.
Korrekturen weiterer Hände, davon die des Humanisten Juan Ruiz
de Ulibarri, der 1596 eine hs. Kopie der Hs. anfertigte (Madrid, Biblioteca Nacional, Ms. 6328). Einige 2- bis 4zeilige Initialen ohne
erkennbare Strukturierungsfunktion. Mit Schreiber-Explicit (Kopie aus der Vorlage) und später hinzugefügtem Spielmanns-Bettelvers (s. Edition), sowie Federproben auf dem letzten Blatt.
Einband 16. Jh., Holzdeckel mit schwarz lackiertem Leder, Reste
von golden gemalten Verzierungen in Blinddruck. Vorsatz-Doppelblätter, von denen je eine Seite an den jeweiligen Deckel geklebt
ist. Dieser Einband ersetzte nicht den Originaleinband, sondern
eine bereits sekundäre Bindung.
Entstehung 2. Jahrzehnt des 14. Jh.s, möglicherweise im oder für das
Kloster San Pedro de Cardeña. Wahrscheinlich bereits Ende des
15. Jh.s, spätestens 1596 im Besitz der Schreibstube der Stadt Vivar
(bei Burgos), wo sie vor 1779 ins Klarissenkloster vor Ort gelangte.
Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung
373
Von dort entnahm sie Eugenio de Llaguno y Amírola, Mitglied der
historischen Akademie, damit Tomás Antonio Sánchez, Bibliothekar der königlichen Bibliothek, die erste Ausgabe 1792 anfertigen
konnte. Llaguno brachte die Hs. aber nicht zurück. Seine Erben verkauften sie an den Büchersammler und Gelehrten Pascual de Gayangos, der sie 1851 an den Marquis Pedro José Pidal verkaufte. Sie
blieb im Besitz dieser Familie bis 1960, als sie die Stiftung Juan
March kaufte, die sie an den Staat abtrat, so dass sie in die Madrider
Biblioteca Nacional gelangte.
Literatur Faksimileausgabe: Poema de Mio Cid 1982; Digitalfaksimile: Lourdes sanz 1998, Matthew bailey 2002. Einführende
Darstellungen: Alberto montaner frutos 2011, S. 463–512, José
Manuel ruiz asencio 2001.
Die Prinzipien und Regeln der Edition.
Der kritische Apparat und der Kommentar
Unsere Edition des Cantar de Mio Cid hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Benutzer einen lesbaren Text zur Verfügung zu stellen,
der sich ohne eine spezielle Einarbeitung in die Schreibart der Handschrift oder in die graphematische Umsetzung altspanischer Phonologie verstehen lässt. Bei allem Bemühen um Treue zur handschriftlichen Überlieferung ist die Ausgabe also zugleich pragmatisch an Lesbarkeit und Benutzbarkeit orientiert. Dies zeigt sich primär darin,
dass das orthographische System auf der Basis phonologischer Kriterien behutsam regularisiert wurde. Diese Kriterien werden ausführlich in der spanischen Textedition (Alberto montaner frutos
2011) erklärt und brauchen hier nicht vollständig wiederholt zu werden, betreffen sie doch in der Hauptsache den Spezialisten, der sie
dort nachschlagen kann. Was folgt, ist somit nur eine Zusammenfassung weitreichender Analysen und Untersuchungen.
Die Regularisierung der Graphie betrifft vornehmlich die vereinheitlichende Schreibung der Laute, die in der Handschrift durch unterschiedliche Zeichen dargestellt werden, ohne dadurch ihren Lautwert zu verändern. Dabei orientiert sich die Schreibung an den Gra374
Anhang
phien, die sich im Neuspanischen durchgesetzt haben. So werden
z. B. die Grapheme 〈i〉, 〈j〉 und 〈y〉, wenn sie das Phonem /i/ bezeichnen, einheitlich als 〈i〉 oder 〈y〉 geschrieben, je nachdem wie es im
modernen Spanisch üblich ist (cuydado > cuidado, adurmyo > adurmió, sjn > sin, aiudaremos > ayudaremos, iazer > yazer). Die drei Grapheme stehen aber in der Handschrift auch für den stimmhaften Reibelaut /ʒ/; in diesem Fall wird 〈j〉 geschrieben (oios > ojos, iura > jura). Auch die Graphien 〈u〉 und 〈v〉 alternieren, wie in allen
mittelalterlichen Handschriften, und können sowohl den Vokal /u/
wie den stimmhaften, fast okklusiven Konsonanten /β/ bezeichnen
(avn > aun, vrgullosos > urgullosos, entraua > entrava, uianda > vianda, huuyar > huviar, vujas > uviás). Auf ähnliche Weise wird die
Schreibung von 〈g〉 und 〈j〉 vereinheitlicht: das Phonem /ɣ/ (okklusiv
oder stimmhaft reibend) wird geschrieben als 〈g〉 vor 〈a〉, 〈o〉, 〈u〉, als
〈gu〉 vor 〈e〉, 〈i〉 (gerra > guerra, plogiere > ploguiere); das Phonem /ʒ/
wird hingegen als 〈j〉 vor 〈a〉, 〈o〉, 〈u〉 geschrieben, als 〈g〉 vor 〈e〉, 〈i〉
(consego > consejo, Guadalfagara > Guadalfajara, guego > juego). Das
Phonem /k/ wird als 〈c〉 geschrieben (vor 〈a〉, 〈o〉, 〈u〉); das 〈ch〉 der
Handschrift, das manchmal an seiner Stelle steht, wird für den
Laut /ʧ/ aufgehoben (incamos > inchamos, archas > arcas, marchos >
marcos). Vor 〈e〉, 〈i〉 wird 〈c〉 geschrieben, wenn die stimmlose Affrikate /ʦ/ gemeint ist, vor 〈a〉, 〈o〉, 〈u〉 wird dieser Laut als 〈ç〉 geschrieben (fuerca > fuerça, cerçado > cercado, Çid > Cid, çerrada > cerrada).
Auch die Schreibungen von 〈l〉 und 〈ll〉 und 〈r〉/〈rr〉 sind nach dem
graphematischen System des modernen Spanisch regularisiert (ciello
> cielo, Tolledo > Toledo, lorando > llorando, vassalo > vassallo, rritad >
ritad, coredor > corredor, sonrrisos > sonrisós). Nur bei 〈s〉/〈ss〉 orientiert sich die Graphie nicht am modernen Spanisch, sondern vereinfacht lediglich Digraphen, wenn sie nicht zwischenkonsonantisch
sind (ssea > sea, sseñor > señor, falsso > falso). In manchen Namensformen werden diese Regeln nicht befolgt, wenn der Lautwert nicht
sicher ist.
Die handschriftlichen Kürzel wurden stillschweigend aufgelöst.
Zahlenangaben werden immer ausgeschrieben, auch wenn sie zuweilen in der Handschrift als römische Ziffern dargestellt werden.
Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung
375
Zusammen- und Getrenntschreibung folgt modernen Regeln. Tonlose Pronomina in enklitischer Position werden stets an das Verb angehängt (exien lo uer > exíenlo ver), bei Apokopierung des Vokals
wird ein Apostroph eingefügt (tornos > tornós’, paros > parós’). In
proklitischer Position werden diese apokopierten Pronomina durch
gehobenen Punkt mit dem Wort verbunden, auf dessen Vokal sie
sich stützen (nol diessen > no·l diessen, una feridal daua > una ferida·l
dava). Die Akzentsetzung folgt modernen Regeln, die aber an die altspanische Phonetik angepasst sind. Majuskeln, die in der Handschrift
außer am Versbeginn fast gänzlich fehlen, werden nach modernen
Kriterien eingesetzt. Auch die Zeichensetzung folgt mit Vorsicht
zeitgenössischem Gebrauch, berücksichtigt jedoch die Eigenheiten
mittelalterlicher Satzkonstruktion im allgemeinen und dieser Dichtung im besonderen, da hier oft Verse aneinandergereiht werden, die
zwar als selbständige syntaktische Einheiten verstanden werden
können (Stichomythie), aber doch wieder in einem f ließenden, mit
modernen syntaktischen Regeln nicht immer genau bestimmbaren
Zusammenhang zu den vorangehenden und zu den nachfolgenden
Versen stehen.
Die Zäsuren der Verse, die in der Handschrift nicht angegeben
werden, sind im Text durch Spatien markiert. Die Einteilung in Laissen, also Versgruppen unterschiedlicher Länge mit gleicher Assonanz, die im überlieferten Codex ebenfalls fehlt, entspricht der, die
Ramón Menéndez Pidal vornahm und die allgemein akzeptiert worden ist; Abweichungen davon werden besonders verzeichnet. Die
Initialen der Handschrift werden durch Fettdruck des entsprechenden Buchstabens gekennzeichnet. Die Numerierung der Verse folgt,
wie in allen Cid-Ausgaben, strikt den Zeilen der Handschrift. Enthält
eine Zeile zwei Verse, so werden diese auch in zwei Zeilen abgedruckt, wobei die zweite die gleiche Nummer hat, gefolgt von einem
kursiv gesetzten b (z. B. 228b). Solange dies nicht problematisch ist,
bleibt es unkommentiert. Am rechten Rand des Textes werden außerdem die Blattnummern angegeben, so dass man erkennen kann,
wo in der Handschrift eine neue Seite beginnt.
Eingriffe in den Text wurden nur dort vorgenommen, wo offen376
Anhang
sichtliche Fehler vorlagen. Gestörte Schreibungen, widersprüchlicher Satzbau oder sinnentstellende Konstruktionen sind mit der
größten möglichen Umsicht emendiert worden; im Vordergrund
stand dabei die Suche nach einer plausiblen Erklärung des Fehlers sowie nach Parallelen im Text oder im grammatischen System desselben, welche einen Korrekturvorschlag bieten konnten. Eine konjekturale Rekonstruktion des Originals wird nicht angestrebt. Alle Eingriffe erscheinen im Text kursiviert und werden im kritischen
Apparat erklärt (dazu s. unten); kursiv erscheinen nur die Buchstaben bzw. die Worte, die verändert wurden. Bei Auslassungen von
Worten werden der letzte Buchstabe des vorangehenden und der erste des folgenden Wortes kursiviert; bei Tilgungen am Versanfang
oder -ende jedoch nur der erste bzw. letzte Buchstabe. Wenn zwei
Worte oder Wortgruppen umgestellt wurden, erscheint nur eines
der beiden Elemente markiert (meist das erste), in komplexeren Fällen der ganze Satz. Korrekturen, die der Schreiber der Handschrift
selbst vorgenommen hat, werden im Text nicht gekennzeichnet, im
Apparat aber dennoch angegeben; dasselbe geschieht bei Verbesserungen von späterer Hand, die nicht in den Text übernommen
wurden.
Im Apparat steht also die handschriftliche Lesung für alle Eingriffe
im Text sowie für alle Besonderheiten, die im Text nicht sichtbar
sind. Wenn der Eingriff nur ein Wort betrifft und wenn klar erkennbar ist, um welches es sich handelt, steht im Apparat hinter der Verszahl nur die Lesung der Handschrift oder des Korrektors mit der entsprechenden Sigle (vgl. das Abkürzungsverzeichnis). Das bedeutet:
Anstelle des im Text edierten Wortes (z. B. V. 104 fablar) steht in der
Handschrift das im Apparat verzeichnete (flablar). Das gilt auch
dann, wenn der Eingriff mehrere Wörter betrifft, wobei dann aus
Gründen der Lesbarkeit meist eine geschlossene Wortgruppe oder
ein Halbvers oder gar ein ganzer Vers verzeichnet wird, so dass deutlich bleibt, was genau in der Überlieferung gleich ist wie in der Edition und was abweicht. Wo immer Zweifel möglich waren, in welches Wort eingegriffen wurde, wird im Apparat das im Text edierte
Wort wiederholt, gefolgt von einer Lemmaklammer (]) und der LeDie Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung
377
sung der Handschrift. Steht im Apparat also unter V. 69 »mio Cid]
myo çid el campeador ms.« so bedeutet das: Anstelle von Mio Cid
steht in der Handschrift (= ms.) myo çid el campeador. Oft wird der
Eingriff im Kommentar erklärt und gerechtfertigt; darauf verweisen
wir explizit mit dem Hinweis »s. Komm.«. Im Apparat wird die
Schreibung in der Handschrift nicht normalisiert; lediglich die Kürzel sind (außer in besonderen Fällen) aufgelöst.
Manche Eingriffe in den überlieferten Text versuchen, sofern dies
möglich ist, eine gestörte Metrik oder einen gestörten Reim wiederherzustellen. Das geschieht nicht, um den überlieferten Text an theoretisch-klassizistische Vorstellungen von Reim und Metrik anzupassen, sondern aus der wissenschaftlichen Beobachtung heraus, dass
das Lied von Mio Cid sowohl ein metrisches wie auch ein reimtechnisches System besitzt, dem es in fast allen Fällen folgt. Die Verse, die
einen Eingriff aus diesen Gründen erfordern, stellen also einen äußerst kleinen Prozentsatz dar und weisen meist auch andere Störungen auf, welche den Fehler erklären und plausibel machen lassen. Sie
werden im Kommentar dargelegt und durch den Hinweis auf die Parallelstellen, aufgrund derer die Wiederherstellung versucht wurde,
gerechtfertigt.
Der Stellenkommentar dient jedoch nicht nur der Erklärung von
Problemen der Textherstellung. Er gibt zudem Aufschluss über sonderbare Wortformen oder syntaktische Konstruktionen, wo sie nicht
unmittelbar durch die Übersetzung einsichtig sind, er diskutiert
schwierige Deutungen einzelner Wörter oder bestimmter Stellen,
erklärt historische oder kulturelle Realien, die dem modernen, nichtspezialisierten Leser fremd sind, gibt Hinweise auf parallele Formulierungen aus der mittelalterlichen Literatur, besonders aus den altfranzösischen chansons de geste, verweist auf textinterne Bezüge, literarische Konstruktion und Motivik und bespricht sonst alles, was
wissenswert oder einer Bemerkung würdig erschien.
378
Anhang
Die Prinzipien der Übersetzung
Mittelalterliche Texte, besonders poetische Werke, haben eine Syntax, einen Stil und einen rhythmischen Duktus, die in vielfacher
Weise heutigen Gewohnheiten und grammatischen Normen widersprechen. Im Zeitalter mittelalterlicher Handschriftenkultur gab es
zwar graphische Gepf logenheiten, aber keineswegs eine Vorstellung
von dem, was wir seit den Sprachakademien und seit Konrad Duden
»Orthographie« nennen. Schreibern war ein Zeichensetzungssystem, wie wir es heute benutzen, unbekannt – offenbar haben sie es
auch nicht benötigt. Den Sätzen mittelalterlicher Schriftsprache liegt
ein Ordnungssystem zugrunde, das dem der mündlichen Sprache
nahesteht: es ist wesentlich f lexibler als unsere heutige Syntax, weil
sich Satzglieder relativ frei aneinanderreihen lassen, weil Sätze durch
Erweiterungen, die wiederum Satzcharakter haben, gestreckt werden können und weil kreative Schöpfungen denkbar sind wie die
Möglichkeit, dass sich ein Objekt gleichzeitig auf zwei verschiedene
Subjekte bezieht, ohne dass wir heute sagen könnten, wo für damalige Sprecher und Schreiber die Satzgrenze lag und ob das überhaupt
immer wichtig war. Insbesondere bei gereimter Erzählliteratur steuerten Zäsur und Versgrenze den Satzbau stärker als abstrakte grammatische Überlegungen, ohne notwendigerweise einem stichomythischen Duktus zu verfallen.
Da eine Nachbildung der Originalsprache im Falle von fremdsprachlichen Texten in der Praxis unmöglich ist, kann es nicht Sinn
einer neuzeitlichen Übersetzung sein, es dennoch zu versuchen. Auf
der anderen Seite jedoch würde eine bedenkenlose Umsetzung in
neuhochdeutsche Prosa nicht nur den bekannten Verlust sprachlicher
und stilistischer Eigenschaften mit sich führen, die in wesentlichem
Maße die Attraktivität einer Dichtung ausmachen, sondern auch ein
trügerisches Vertrauen in die unmittelbare Verständlichkeit des Textes wecken. Denn mittelalterliche Werke haben, gerade auch wegen
ihrer sprachlichen Form und sogar für den Fachmann, einen fremdartigen Charakter, in dem viel mehr von ihrer Eigenart verborgen
liegt, als eine Prosa-Übersetzung zeigen kann.
Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung
379
Diesem Umstand stellt sich die Übersetzung in diesem Band, indem sie entschlossen den Versuch unternimmt, den Text nicht durch
grammatisch vorbildhafte neuhochdeutsche Satzkonstruktionen zu
glätten, wo es nicht unbedingt erforderlich ist, sondern allen anakoluthischen Brüchen und gedanklichen Sprüngen des Originals zu folgen, sofern das Ergebnis gleich beim ersten Lesen klar und unmissverständlich bleibt. Harmlos sind noch die häufigen Tempuswechsel
von Präsens zu Präteritum oder umgekehrt im gleichen Satz, weil sie
oft kaum auffallen (»Er kauft es nicht, denn er hatte es bei sich«,
V. 67). Problematischer ist bereits die nicht selten fehlende Konkordanz im Numerus von Substantiv und Verb (»Zufrieden war Mio Cid
und all die anderen«, V. 69); was hier dem modernen Leser beim ersten Lesen als Fehler ins Auge springen mag, erweist sich bald als eine
Variante formelhaften Redens oder auch, wie im Beispiel, eine Hervorhebung des Protagonisten: Durch seinen Singular bezieht sich das
Verb zunächst auf Mio Cid, den Helden, und erst sekundär, weil sie ja
auch nebensächlich sind, auf alle anderen. Auch gewisse Formen anakoluthischen Redens haben wir in der Übersetzung beizubehalten
versucht und sie mit Satzzeichen markiert, welche die Brüche kennzeichnen sollen. So z. B. in V. 178 f.: »Einen rötlichen Fellrock, maurisch und geschätzt, / Cid, ich küsse Eure Hand – möge ich ihn als
Geschenk bekommen!« Die Art, wie hier der Hauptsatz, in dem die
Bitte steht, durch Beschreibung und Ehrerweisung so weit verzögert
wird, dass er für moderne Verhältnisse nicht mehr an die untergeordneten Satzglieder gebunden erscheint, ist typisch für mittelalterliche
Dichtung – wie übrigens auch für gesprochene Sprache. Natürlich
wird diese Redeweise auch durch den Vers bestimmt: Jeder Satzteil
ist ein Halbvers. Gleichzeitig aber markieren die Pause und der
Sprung in den Hauptsatz im zweiten Vers die Nervosität des Bittenden, die seine Sprachfähigkeit hemmt. Besonderheiten wie diese
durch eine f ließende moderne Syntax auszubügeln (etwa so: »Cid,
ich küsse Eure Hand, möge ich einen rötlichen, maurischen und geschätzten Fellrock als Geschenk bekommen«) ist sicherlich immer die
leichtere Option; zu groß aber ist der Verlust an Nuancen und an Lebendigkeit der Sprache, der dadurch entstehen würde. Es ging uns
380
Anhang
daher darum, die durch die Verssprache veränderte Syntax, die besonderen Satzkonstruktionen oder Gedankensprünge nicht alle wegzuglätten, sondern sie, wo immer es möglich schien, beizubehalten.
Ähnliches geschieht bei der Übertragung des Rhythmus, wo er semantischen Wert zu haben scheint: An vielen Stellen bedeutet die
Zäsur im Versinneren eine Diktionspause, die in etwa die Funktion
eines Satzzeichens haben könnte. Da die Übersetzung weder den
Reim noch das Metrum nachbildet, würde diese Pause im f ließenden
neuhochdeutschen Text verlorengehen; wir haben sie an den Stellen
durch ein Komma ersetzt, an denen wir eine Nuancierung zu erkennen meinten. So schreiben wir V. 7: »Mio Cid sprach, gut und wohlbemessen« anstelle des einfacheren »Mio Cid sprach gut und wohlbemessen«. Die Adverbien, die sich als solche primär auf das Verb beziehen, erhalten durch ihre abgesetzte Position nach der Zäsur und
durch den formelhaften Charakter beider Satzglieder zusätzlich den
Wert einer Apposition zu »Mio Cid«, und genau diesen doppelten
Verweischarakter erreicht der Originaltext durch die Zäsur: »gut und
wohlbemessen« sind sowohl das Sprechen als auch der Cid selbst.
Lässt man also in der Übersetzung das Komma weg, verarmt der
Text.
Es darf nicht verwundern, wenn die Satzzeichen im edierten Originaltext nicht immer denen der Übersetzung entsprechen. Die Abweichung rührt daher, dass es sich um zwei verschiedene Arbeitsprozesse gehandelt hat, die beide ihre Rechtfertigung haben. Alberto
Montaner hat sich beim Gestalten der Ausgabe für eine freiere, unbestimmte Interpunktion entschieden, die zeigt, wie die Verse trotz
ihrer zum Teil stichomythischen Geschlossenheit f ließend ineinandergreifen, so dass an vielen Stellen ein Komma dem Duktus des
Textes eher entspricht als ein Punkt. In der Übersetzung waren diese
langen Sätze oft stilistisch nicht mehr haltbar und sind daher durch
Punkte ersetzt worden. Umgekehrt arbeitet an manchen Stellen die
Übersetzung apo-koinú-Konstruktionen heraus, welche die Zeichensetzung der Edition zu brechen sucht. Solche Gegensätze sollen
nicht als Widerspruch, sondern als Anregung zur Arbeit am Text verstanden werden.
Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung
381
Der formelhafte Einsatz von gleichen oder leicht abgewandelten
Satzteilen im Halbvers oder im ganzen Vers, der die Sprache des CidEpos wie die vieler anderer mittelalterlicher Heldenepen prägt, soll
durch das Prinzip gleicher Übersetzung von Gleichem wiedergegeben werden. Das gilt selbstverständlich nicht ohne Einschränkung,
denn gerade bestimmte sehr häufige Wörter haben einen so allgemeinen Charakter, dass sie sich kaum immer gleich übersetzen lassen. Ein typischer Fall hierfür ist das spanische Verb ir, das so viel bedeutet wie ›sich irgendwo hinbewegen‹; die gewöhnliche deutsche
Übersetzung mit »gehen« ist dafür nicht immer ausreichend, daher
haben wir es oft auch mit »reiten«, »ziehen« und in zwei Fällen sogar
mit »eilen« übersetzt. Das sind konkretisierende Übertragungen, sie
sind aber im Original implizit vorhanden.
Namen haben wir unverändert in den neuhochdeutschen Text
übernommen, mit allen ihren Abweichungen sowie mit Akzenten
und Tilden. Die Bedeutung von bestimmten Namen (wie vor allem
»Mio Cid« und »Campeador«) wird im Kommentar erklärt. Dort findet man auch Information zum möglichen oder sicheren historischen
Vorbild der entsprechenden Figur oder Ortschaft. Die Anredeformen
don oder doña wurden indes als »Herr« oder »Frau« übersetzt. Der
Grund für die Wahrung der Namen lässt sich am Beispiel der Ortsnamen veranschaulichen. Das Epos gibt zahlreiche sehr detaillierte geographische Angaben über Reiserouten oder über Heereszüge, die in
weiten Teilen genau identifizierbar sind und die man heute sogar
nachwandern kann. Die Forschung hat sich wiederholt mit dieser
ungewöhnlichen Präzision in den Lokalangaben beschäftigt und hat
versucht, zum einen auch jene Orte in der Geographie zu entdecken,
die sich nicht mit einem neuzeitlich registrierten Namen identifizieren lassen, zum anderen die manchmal doch etwas zu langen oder
nicht ganz linearen Marschrouten zu erklären. Fest steht, dass sich
das Epos diese Realitätsnähe zwar zum Prinzip macht, diesem jedoch
nicht überall rigoros folgt oder aber Namen erwähnt, von denen wir
nicht wissen, worauf sie sich beziehen. Wären wir bei der Übersetzung dem verbreiteten Grundsatz gefolgt, identifizierbare Ortsnamen in ihrer modernen Schreibung zu übernehmen, so hätte man
382
Anhang
zum einen eine Mischung von mittelalterlichen und neuzeitlichen
Bezeichnungen erhalten. Problematisch wären dabei besonders jene
Fälle gewesen, in denen sich für ein Toponym im Text zwei oder
mehr heute existierende Orte anbieten. Zum anderen hätte dieses
Vorgehen bei der Übersetzung den alten Glauben an den ›Realismus‹
des Epos geschürt. Dagegen versucht unsere deutsche Fassung, die
innerliterarische Topographie beizubehalten und die Aufmerksamkeit von der möglichen oder tatsächlichen Übereinstimmung mit
historischen Fakten abzuleiten. Um Widersprüche zu vermeiden, ist
diese Wahrung der Originalnamen überall beibehalten worden, somit wird auch das altspanische Castiella nicht zum deutschen Kastilien, sondern es bleibt als »Castiella« in der Übersetzung. Nur bei den
ohnehin seltenen Ableitungen von Ortsnamen greifen wir auf das
deutsche Wort zurück: Alfonso el castellano ist also »Alfonso der Kastilier« (V. 495), die mesnadas galizianas »die galizischen Scharen«
(V. 1982).
Frühere Übersetzungen sollen durch diese Überlegungen keineswegs abgewertet werden. Die sehr genauen deutschen Fassungen
von Johannes Adam und Hans-Jörg Neuschäfer haben wir mit unserem Text verglichen. An manchen Stellen stimmt unser Wortlaut mit
ihrem überein, in Einzelfällen wurden sogar besonders gelungene
Formulierungen übernommen. Abweichungen erklären sich in der
Regel durch unser Prinzip größerer Wörtlichkeit, manchmal (besonders an jenen Stellen, an denen frühere Cid-Editionen eifrig rekonstruierten oder umstellten) hingegen auch durch die Tatsache, dass
ihr Ausgangstext schlicht ein anderer war.
Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung
383
Kommentar
Vortext
1 Der Handschrift fehlt das erste Blatt, auf dem höchstens 50 Verse
gestanden haben könnten. Dazu vgl. das Nachwort. Zur Möglichkeit einer Rekonstruktion eines Teils der Anfangsverse vgl. die
letzten Absätze daselbst. Die Crónica de Castilla, eine der aus dem
großen chronikalischen Projekt König Alfons’ X. hervorgegangenen Chronik Spaniens, hat, wie auch andere Geschichtswerke in
diesem Kontext, in ihrem Prosatext unmittelbar vor dem Einsetzen wörtlicher Übereinstimmungen mit dem Epos Reste von Assonanz-Reimen erhalten. Das ermöglicht es, bei allen Vorbehalten, die allgemein anerkannte These aufzustellen, dass die Verse
unmittelbar vor dem heutigen Ansetzen des Textes ähnlich gelautet haben könnten wie hier dargestellt. Bewusst wird eine Darstellung in Versen vermieden. Die Assonanzen werden durch Spatien
hervorgehoben.
2 Cid ist eine respektvolle Anredeform, die aus dem arabischen sayyid (›Herr‹), konkret aus der dialektal synkopierten Form síd
stammt, die in Al-Andalus und in Nordafrika üblich war. Es ist der
häufigste Terminus im Epos, um den Helden zu bezeichnen. Die
Formel mio Cid, die meist gewählt wird, ist hybrid: sie übernimmt
das arabische sídi (›mein Herr‹) und kombiniert es mit dem spanischen Possessivum mío. Die eigentliche Bedeutung bleibt ›mein
Herr‹, und ihr Gebrauch für christliche Herren auf der Halbinsel ist
gut belegt. Die weite Verbreitung dieser Anrede spricht dafür, dass
Rodrigo Díaz zu Lebzeiten zumindest von den verschiedenen arabischsprachigen Söldnern und zweisprachigen Christen, die in seinem Dienst standen, so genannt wurde; belegt ist es in seinem Fall
allerdings nicht. Im Epos nennt ihn auch der Erzähler immer wieder mio Cid. Dadurch verwandelt er die Anredeform in einen Figurennamen. Deswegen behält die Übersetzung den Terminus Cid
bei und verzichtet auch auf die Übertragung des Possessivums, so
dass statt ›mein Cid‹ immer nur ›Mio Cid‹ erscheint, mit Majuskel,
Kommentar
385
Grenzen im Jahr 1099
Der Weg des Cid in die Verbannung
Der Weg des Cid nach Corpes
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um zu unterstreichen, dass es sich um eine feststehende Form handelt. – Zur Biographie Rodrigo Díaz’ vgl. Nachwort.
3 Der König, der im Epos als Figur auftritt, ist Alfons VI., König von
Galicien, León und Kastilien. – Zur Wahrung der Orts- und Personennamen in der Übersetzung vgl. das Kapitel »Die Prinzipien der
Übersetzung«.
4 Der Zorn des Königs oder ira regis konnte durch Abneigung des
Herrn zu seinem Vasallen entstehen, durch ein Fehlverhalten oder
durch Verrat. Er implizierte den Bruch der feudalen Bündnisse sowie eine Strafe; der König bestimmte beides ohne vorheriges Gericht. Die Form, in der die Verbannung hier und an späteren Stellen
angedeutet wird, stimmt nicht mit den historischen Verbannungen überein, die Rodrigo Díaz erlitt, sondern eher mit der späteren, im letzten Viertel des 12. Jh.s entstandenen Rechtspraxis. Die
Frist entspricht ebenfalls nicht den üblichen Verfügungen. Die
Rechtssammlungen aus dem Ende des 12. Jh.s sahen einen Zeitraum von 30 Tagen vor, der einmal um 9 und ein weiteres Mal um
3 Tage erweitert werden konnte. Die Frist scheint also vornehmlich
literarischer Natur und unterstreicht die strenge Behandlung des
Protagonisten.
5 vuestro pagado: wörtlich: ›so, dass ihr zufrieden mit mir seid und
ich zufrieden mit euch‹; fincáredes: 2. Pers. Pl. Fut. von fincar
(›bleiben‹); ayades: 2. Pers. Pl. Konj. Präs. von aver (›haben‹).
6 Álvar Fáñez oder Álvaro Háñez ist ein historisch gut bezeugter Verwandter von Rodrigo Díaz, der stets im Dienste Alfons VI. und
später seiner Nachfolgerin Urraca I. stand. Er ist erstmals in den
70er Jahren des 11. Jh.s bezeugt, erscheint ab 1093 regelmäßig in den
Urkunden des Königshofes und starb im April 1114. Er vollzog bereits in den 80er Jahren eine glänzende militärische Lauf bahn, die
ihn unter anderem auch nach Valencia führte. Seine Verdienste
brachten ihm ca. 1097–99 das strategisch wichtige östliche Grenzland zwischen Toledo und Cuenca ein, das er bis zu seinem Tod regierte. Dieses Gebiet, in dem sich zum großen Teil die Handlung
des Cantar abspielt, war noch Mitte des 12. Jh.s als terram que fuit
de Alvaro Fannici (›das Land, das Álvar Fáñez gehört hatte‹) be388
A ang
kannt. Die Rolle des Álvar Fáñez ist im Epos gänzlich fiktiv, dürfte
aber durch die Bedeutung des historischen Vorbilds im zeitgenössischen geographischen Kontext und durch seine Verwandtschaft
mit dem Cid angeregt worden sein.
7 palascios müssen keine Paläste sein, sondern sind hier im wörtlichen Sinne als ›Herrenhäuser‹ zu verstehen, also als Zentrum der
Herrschaft über ein Gebiet; deseredados: wörtlich: ›enterbt‹.
Erster Gesang
1–14 Das Verlassen des Herrenhauses als Szenenbeginn mit Funktion
einer captatio benevolentiae für den Helden findet Parallelen in
den afrz. Epen La Chevalerie d’Ogier (V. 10160–168) und Garin le
Loherain (V. 8877–86).
1 Der Ausdruck de los ollos llorar ›aus den Augen weinen‹ ist keine
Redundanz. Er bedeutet im Altsp., dass man ohne sichtbare Klagegesten, also still und für sich, weint. Hervorgehoben wird damit
die Zurückhaltung des Trauernden, was hier konkret die Mäßigung des Cid betont. Vgl. Le Charroi de Nîmes, V. 575: Molt tendrement plorai des eulz del chief, sowie Aliscans, V. 817: Li bers Guillemes vet tendrement plorant, wo das Adj. bers ›tapfer‹ belegt, dass
das Weinen nicht fehlende Tapferkeit bedeutet.
3–5 Die Verse heben hervor, dass der Cid seine Grundgüter, auf die er
in V. 2 zurückblickt und die durch den königlichen Bann enteignet
worden sind, leer zurücklässt und das meiste seiner beweglichen
Habe mitnimmt.
4 alcándaras bezeichnet Ständer, wobei unklar ist, ob sie für Kleidung oder für Beizvögel bestimmt waren; beides wird im folgenden erwähnt. – pielles waren Überkleidungen aus Fell, die auf beiden Seiten mit Stoff, vornehmlich Seide, bedeckt waren und nach
außen sich weitende Ärmel hatten. Darüber legte man den Umhang, der auf den Schultern lag und um den Hals befestigt wurde.
Beides konnten sowohl männliche wie weibliche Kleidungsstücke
sein.
10 piensan de aguijar: die Form pensar de + Inf. ist inchoativ, zeigt also
Kommentar
389
den Beginn einer Handlung an; aguijar ›dem Pferd die Sporen
geben‹.
11–14 Es handelt sich offenbar um zwei widersprüchliche ornithomantische Vorzeichen: das erste ist wahrscheinlich schlecht, das
zweite gut. Das schlechte Vorzeichen dürfte sich auf den Empfang
in Burgos beziehen, der im Text folgt, das gute möglicherweise auf
den wohlwollenden Empfang im Kloster zu Cardeña. Das Achselzucken und Kopfschütteln sind Handlungen, die das schlechte
Vorzeichen beschwören sollen, während sein Ausruf die Annahme des guten Vorzeichens signalisiert. Die scheinbar widersprüchliche Formulierung des Ausrufs greift die entgegengesetzten Vorzeichen auf und weist darauf hin, dass die Verbannung im Grunde
eine gute Nachricht ist, da sie neue Möglichkeiten eröffnet, wie das
Epos im weiteren Verlauf ausführen wird. – Bivar ist das heutige
Vivar del Cid, ca. 10 km nördlich von Burgos.
15 f. V. 15 endet in der Hs. mit dem Wort entrava, das nicht mit der
o – e-Assonanz dieser Laisse übereinstimmt. Dazu passend hat der
Schreiber bei einer späteren Korrektur in V. 16 hinter pendones das
Wort levava nachgetragen. Das so entstehende Reimpaar scheint
jedoch nicht ursprünglich zu sein. Daher übernehmen wir die
Konjektur von entrava zu entró. Menéndez Pidal schrieb – reimmäßig völlig korrekt – entróve, doch das zusätzliche Endungs-e
in der 3. Pers. Ind. Prät. erscheint kein einziges Mal in der Hs.
und wäre im übrigen wahrscheinlich eher in der Form entróde erschienen.
15 Ruy ist eine Abkürzung des Vornamens Rodrigo, die im Epos nur
in Begleitung des Nachnamens verwendet wurde. Dieser wiederum bestand aus zwei Teilen, dem Patronymikum (in diesem Fall
Díaz, also ›Sohn des Diego‹, denn Día ist die gekürzte Form des
Personennamens Diego) und dem Herkunftsnamen (hier: de Bivar).
16 Diese Wimpel waren dreieckige längliche Fähnlein, die unterhalb
der Metallspitze ritterlicher Stoßlanzen angebracht wurden. Sechzig Fahnen bedeuten demnach ebenso viele Ritter. Dies war der übliche Größenumfang eines mittelalterlichen Geschwaders, wobei
390
Anhang
zu bedenken ist, dass jeder Ritter gewöhnlich von einem Knappen zu Pferde, Helfern zu Fuß und weiteren Reittieren begleitet
wurde.
20 Der Ausruf weist darauf hin, dass der Cid z. Z. keinen Lehnsherren hat, da er ja verbannt wurde und demnach keine feudale Zugehörigkeit zum König mehr besitzt. Man hat auch versucht, das si
nicht als Konditionalpartikel, sondern als Einleitung eines Optativsatzes zu deuten: ›Hätte er doch einen guten Herrn!‹ Dann
könnte der Satz auch eine negative Wertung der Figur des Königs
implizieren. Die Forschung favorisiert jedoch erstere Deutung.
Ausschlaggebend dafür sind u. a. die literarischen Parallelen, die
sich in der altfranzösischen Chanson de Roland finden, besonders
V. 3164: Deus! quel baron, s’oüst chrestïentét! Dabei darf der französische Text nicht als Quelle für den spanischen verstanden werden.
Doch die phraseologische Ähnlichkeit und die generellen Beziehungen des iberischen Textes zur altfranzösischen Heldenepik
sind nicht zu leugnen.
21 Die Form conbidarle ien ist eine analytische Form des Konditionals, die das Morphem -ien vom Inf. (conbidar) trennt und das Personalpronomen dazwischenfügt. Es gibt weitere ähnliche Konstruktionen im Text.
24 Es ist unklar, ob recabdo die Art und Weise meint, wie der Brief
überbracht wird, oder wie er versiegelt war oder ob es sich gar auf
seinen Inhalt bezieht.
31 Campeador ist ein Beiname, den Rodrigo Díaz bereits zu Lebzeiten
trug; im Epos wird er allein oder in Kombination mit mio Cid verwendet. Es handelt sich um ein Nomen agens auf -dor, abgeleitet
vom Inf. campear, das ›Feldschlacht‹ oder ›Krieg führen‹ bedeutet.
Campeador bezeichnet also den, der zahlreiche Schlachten ausführt und darin erfahren ist.
41 Der Verweis auf die astrologisch gute Stunde der Geburt oder der
Schwertleite ist so häufig, dass er zum festen Epitheton des Helden wird.
52 Mit Santa María ist der Dom zu Burgos gemeint, der der Gottesmutter geweiht ist.
Kommentar
391
53 fincó los inojos: wörtlich: ›stützte die Knie auf‹, ›setzte die Knie auf
den Boden‹.
55 Der Wortlaut der Hs. würde bedeuten, dass sich der Cid in der
Ortschaft Arlanzón, 18 km östlich von Burgos, niederließ, denn
die Formulierung en Arlançón im Sinne von ›am Arlanzón‹ entspricht nicht der Syntax des Epos. Indes passt dies nicht zum regen
Hin und Her zwischen der Stadt und dem Lager in derselben
Nacht, von dem in den folgenden Versen erzählt wird. Darauf, dass
der Cid in unmittelbarer Nähe der Stadt lagert, weist auch V. 150
hin. Daher ist es wahrscheinlicher anzunehmen, hier sei gemeint,
dass er am anderen Ufer des Flusses Arlanzón, der unmittelbar an
Burgos’ Stadtmauer entlangf ließt, sein Lager aufschlägt. Dann allerdings muss man das hs. posava in Anlehnung an V. 201 in passava emendieren und annehmen, das nachträglich über der Zeile eingefügte en sei Konsequenz des ersten Schreiberfehlers.
56 f. Solche Hysteron-Proteron-Formulierungen, in denen der Held
erst das Lager aufschlägt und dann vom Ross steigt, sind in mittelalterlicher Dichtung nicht unüblich. Die Vorstellung, dass andere
für ihn das Lager auf bauen und er so lange im Sattel sitzen bleibt,
ist nicht zwingend, in diesem Fall sogar unpassend.
64 dinarada ist das, was man mit einem dinero, einer Münze geringen Werts (0,8 g Silber), kaufen kann. Es entsprach gewöhnlich
der Tagesration für eine Person.
65–75 Hier wird gezeigt, dass der Cid sogar für die Versorgung seiner
Schar auf die Hilfe seiner eigenen Leute angewiesen ist. Damit wird
seine Mittellosigkeit hervorgehoben, die mit der Anklage kontrastiert, Tributzahlungen an den König veruntreut zu haben.
65 Martín Antolínez ist keine historisch bezeugte Person, doch im
Epos ist er ein sehr bedeutender Ritter des Cid, dem er seine ganzen diplomatischen und kriegerischen Fähigkeiten zu Diensten
stellt.
72 yagamos ist 1. Pers. Pl. Konj. Präs. von yacer.
76–212 Die Episode von der Täuschung der Händler Rachel und Vidas, die dem Cid für zwei vermeintlich mit Gold gefüllte (in Wirklichkeit aber nur Sand enthaltende) Truhen genügend Geld für sei392
Anhang
nen Auszug leihen, dient zum einen dazu, noch einmal die Mittellosigkeit des Helden zu unterstreichen. Das Motiv war verbreitet,
denn es erscheint bereits in einem Exempel der Disciplina clericalis
des Spaniers Petrus Alfonsi, hat zahlreiche antike Vorbilder und
wird auch in Texten des 13. Jh.s erwähnt. Möglicherweise schwingt
in der Episode eine antijüdische Satire mit; dass sie Juden sind,
wird nicht explizit gesagt, jedoch implizit wahrscheinlich gemacht
durch ihre Namen, ihren Beruf und ihr Wohnviertel. Sie werden
aber nicht wegen ihrer Religion oder Sitten negativ dargestellt,
sondern lediglich, weil sie, die Situation des Cid ausnutzend, Geld
auf eine Weise gewinnen wollen, die für die Kriegerkaste unwürdig ist. Wichtig ist zum anderen an dieser Szene auch die Tatsache, dass mit der Geldsumme, die der Held bekommt, die im
weiteren Verlauf des Epos immer häufigere Praxis einsetzt, bei
Kriegsbeute, Geschenken oder sonstigem Besitz immer den genauen Geldwert zu nennen. Damit weicht der Mio Cid deutlich
vom Rest der europäischen und besonders der romanischen Heldenepik ab.
76 Der Schreiber hat ursprünglich die kontrahierte Form geschrieben, wollte sie dann offenbar durch me ha ersetzen und hat ha über
die Zeile geschrieben, das ma jedoch nicht in me korrigiert.
95 Es stellt sich hier das Dilemma, wie die Einstellung des Cid zu seiner Handlung ist. Altsp. amidos bedeutet wörtlich ›ungerne, widerwillig‹. Demnach hat man diese Stelle – wie auch V. 84 – als eine
Rechtfertigung des Cid gedeutet, also dass es ihm leid tut, die Wucherer zu täuschen oder überhaupt auf eine Geldanleihe zurückzugreifen. Es ist jedoch nicht gesichert, dass es sich hier um eine
Rechtfertigung handelt. Vielmehr scheint der Cid seinen Missmut
darüber zu äußern, dass ihm niemand mehr freiwillig und im Guten Hilfe leistet (vgl. V. 84), so dass er diese nun ›im Bösen‹, also
zum Schaden und gegen den Willen der beiden Wucherer, erreichen muss.
98 castiello wurde bislang immer als die Burg oder als der ummauerte
Teil der Stadt verstanden. Neue Untersuchungen weisen jedoch
darauf hin, dass abgegrenzte oder gar ummauerte Judenviertel
Kommentar
393
ebenfalls als castiello bezeichnet wurden; es liegt nahe, dass hier
diese Bedeutung gemeint ist.
109 entrado bedeutet ›hineingegangen‹ und bezieht sich auf jene maurischen Königreiche, welche den christlichen tributpf lichtig waren.
Diese Tribute wurden parias genannt und bis 1090 eingezogen. Die
Formulierung por parias entrado bedeutet also, dass der Cid in das
maurische Gebiet eindrang, um die Tributzahlungen einzuholen.
122 seyénse ist 3. Pers. Pl. des alten Prät. von ser, das hier als Hilfsverb
fungiert.
124 In diesem und im folgenden Vers bricht der überlieferte Text
durch die Endung auf -ó mit der Assonanz a–o. Der Eingriff erscheint in beiden Fällen wenig problematisch. Im folgenden werden fehlende Assonanzen, die lediglich durch Wortumstellungen
wiederhergestellt wurden (z. B. V. 174, 184 etc.), nicht weiter kommentiert, obschon sie im Apparat festgehalten sind.
126 aver monedado ist geprägtes Geld. Dass hier vermeintlich Geld
gegen Geld gepfändet wird, erklärt sich dadurch, dass Rachel und
Vidas glauben, der Cid könne kein gestohlenes Geld mitnehmen
(er wäre leicht zu verfolgen) und von daher eine schätzungsweise
sehr große Summe gegen eine deutlich kleinere eintausche. Der
vermeintlich hohe Wert des Inhalts ist für sie eine Garantie, dass
der Cid versuchen wird, sie zurückzuholen; sie rechnen natürlich
mit einem hohen Zins, der auf dem tatsächlichen Wert des Inhalts
berechnet wird.
127 f. Die Lesung der Hs. ist, was die beiden Versenden betrifft, keineswegs falsch, doch stehen die beiden Reimworte im Femininum
und beziehen sich damit auf die Truhen. Die Verse lauten also der
Hs. zufolge: ›Diese Truhen, nehmen wir sie beide, / bringen wir
sie an einen Platz, wo sie nicht aufgespürt werden können.‹ Nur
brechen die Reimworte die Assonanz a–o. Da sich durch ihre Umwandlung ins Maskulinum keine wichtigen semantischen Veränderungen ergeben, wird die Form mit dem korrekteren Reim vorgezogen.
135 Die Mark (marco) ist eine Maßeinheit. In Kastilien entsprach sie
seit Alfons VI. 230 g Silber. Die Summe (138 kg Silber) ist also be394
Anhang
trächtlich, aber nicht übertrieben, wenn man sie mit anderen Preisangaben im Epos vergleicht.
136 Der Text verwendet öfters für Rachel und Vidas Singularformen:
dixo (V. 136, 139, 146) oder don (V. 155, 159, 189). Sie werden in der
Übersetzung beibehalten.
142 tred ist der Imperativ Pl. von traer, das im Altsp. manchmal im
Sinne von ›kommen‹ verwendet wurde.
147 aduchas ist die etymologische Form (aus lat. adductus) des Part.
Prät. von aduzir (vgl. V. 144).
150 puente war im Sp. bis ins 17. Jh. feminin.
151 omne nado bedeutet wörtlich ›geborener Mann‹, also ›Person‹,
und in verneinten Sätzen ›niemand‹. Durch diese kollektive Bedeutung erklärt sich die Pluralform des Verbs.
156 exco ist 1. Pers. Sing. Präs. Ind. des ref lexiven Verbums exirse
(›fortgehen, hinausgehen‹).
165 Ein dinero malo oder dinero de vellón war die Münze geringsten
Wertes, eine Legierung von Silber (0,333 g) und Kupfer.
170 Die Formulierung ›dort könntet ihr sehen‹ (im Konj. Präs.) ist
verwandt mit dem afrz. là veïssez der chansons de geste (vgl. Chanson de Roland, V. 349, 1655, 1680, 3387). Sie trägt dazu bei, epischen
Texten ihre charakteristische Visualität zu vermitteln.
182 almoçalla bedeutet gewöhnlich ›Bettüberzug‹, kommt jedoch aus
dem andalusischen Arab. almus·álla (›Betteppich‹) und hat diese
zweite Bedeutung ebenfalls beibehalten. Das hs. almofalla bedeutet im Epos immer nur ›maurisches Feldlager‹ oder ›Ort im Feldlager, auf dem das Zelt des Anführers steht‹.
185 Martín Antolínez prüft den Betrag mit einem Blick und verzichtet
darauf, ihn zu wiegen. Das ist ein Zeichen des Vertrauens, denn da
der eigentliche Wert mittelalterlicher Münzen nicht der der Prägung war, sondern der des Metallgewichts, geschah es häufig, dass
Münzen gefeilt oder angeschnitten wurden, um sie für den Prägungswert zu vergeben und mit dem zurückbehaltenen Metall einen zusätzlichen Gewinn zu erlangen. Um zu prüfen, ob ein Betrag exakt ausgeliefert wurde, war es also nötig, die Münzen zu
wiegen. Aus diesem Grund gibt das Epos Geldwerte immer im
Kommentar
395
Gewichtsmaß an (der Mark) und nicht mit dem Münznamen (dinero oder maravedí).
190 calças waren enganliegende Herrenbeinkleider, die mit Bändern
an die Taille gebunden wurden. Das Kleidungsstück oder sein
Geldwert waren häufig ein Geschenk im Sinne einer Provision für
diejenigen, die einen Handel vermittelt hatten.
200 Die Verbalperiphrase gradar + Inf. ist inchoativ und bedeutet
›sich anschicken, etwas zu tun‹.
209 Die Benediktinerabtei San Pedro de Cardeña, 8 km südöstlich
von Burgos, war eines der bedeutendsten Klöster Kastiliens (Gründung 899). Rodrigo Díaz vertrat 1073 die Interessen der Abtei als
Bevollmächtigter, doch sonst scheint er keine besondere Beziehung zu diesem Ort gepf legt zu haben. Seit 1102 befindet sich darin sein Grab, doch dieser Umstand ist nicht auf einen persönlichen
Wunsch zurückzuführen, sondern auf die Tatsache, dass man bei
der Evakuierung Valencias in demselben Jahr auch die Gebeine des
Cid mitnahm und in Cardeña wieder beisetzte. Ab diesem Zeitpunkt war Cardeña Ausgangspunkt verschiedener Traditionen
über den Cid. Die Abtei war daran sicher interessiert, da sie auf diese Weise (durch Pilgerungen und Almosen) ihren wirtschaftlichen
Niedergang abwenden konnte, wenn auch gerade die frühesten
Urkundenfälschungen nicht aus dem Kloster stammen. Die unterschiedlichen Erzählungen über den Cid wurden hier offenbar im
13. Jh. zu einer ausführlichen Erzählung über das Alter des Helden
zusammengefügt, eine nicht überlieferte Leyenda de Cardeña, die
starke hagiographische Züge gehabt zu haben scheint und die später zusammen mit Materialien arabischer Herkunft und einer Prosafassung der zweiten Hälfte des Epos Eingang in den spanischen
Chronik-Komplex fand, der unter Alfons X. und seinen Nachfolgern entstand; vgl. dazu das Nachwort.
210 fijodalgo oder später hidalgo (aus lat. filius de aliquod) ist ein Terminus, den Angehörige des niederen Adels ab dem späten 12. Jh.
benutzten, um die adeligen Ritter von jenen zu unterscheiden, die
es nicht waren, die aber, weil sie ein Ross besaßen und Waffen, um
zu kämpfen, einige adelige Privilegien erhielten. Der Begriff ent396
Anhang
steht in den Grenzgebieten und ersetzt bald den (jedenfalls im
Epos) semantisch gleichwertigen älteren Terminus infanzón.
228–228b In der Hs. steht 228b als Abvers von 228. Als solcher ist er
jedoch deutlich überlang, denn er füllt metrisch selbst einen Vers.
Daher muss bei 228 eine Lücke angenommen werden, die wir mit
dem für Martín Antolínez üblichen Epitheton füllen.
229 Martín Antolínez will der Familie und dem Personal Anweisung
geben, wie sie in seiner Abwesenheit handeln (far) sollen, jetzt wo
er dem Cid geholfen hat.
230 lo (›es‹) bezieht sich offenbar auf seine Güter; m’incal ist 3. Pers.
Sing. Präs. Ind. von incaler ›kümmern‹.
232–234 Die Stelle ist textkritisch komplex. Die Lesung der Hs. ist
grammatisch und semantisch nicht falsch, indes bricht sie mit der
Reimstruktur, weil zum einen der Anvers von V. 232 hypermetrisch ist, zum anderen V. 234 den Reim der folgenden Laisse hat,
wobei Strophenenjambements sonst fast nicht vorkommen; zudem enthält der Abvers von V. 233 eine überf lüssige Präposition.
Man hat versucht, die Infinitive im Reim der Verse 232 f. in Präterita umzuwandeln (aguijó und espoleó), um so beide Zeilen in die
folgende Laisse zu überführen. Alternativ hat man die Infinitive
beibehalten, jedoch V. 234 um zwei Zeilen nach unten verschoben.
Diese Lösung wird hier bevorzugt.
235 Die Szene, die hier beginnt, kontrastiert lebhaft mit der bedrückenden Stimmung in Burgos. Der betont wohlwollende Empfang
im Kloster, mit einem nur für hohe Persönlichkeiten reservierten
Entgegenkommen des Abtes, die Versicherung einer würdigen
Bleibe für die Familie und der Anschluss weiterer Vasallen markieren einen Stimmungswechsel, der mit dem starken Ausdruck religiöser Gefühle den Eindruck von Hoffnung im Augenblick des
Abzugs ins Exil weckt. – Die Formulierung quebrar albores (vgl.
V. 456 und 3545), die in keinem weiteren altsp. Text bezeugt ist, erscheint in der afrz. Literatur häufiger.
237 Ein Abt namens Sancho ist im Kloster von San Pedro de Cardeña
nicht belegt. Während der ersten Verbannung des Cid hieß der
Prior Sisebuto.
Kommentar
397
238 matines, sp. maitines, dt. ›Vigil‹, ›Matutin‹ oder ›Mette‹ war das
erste der sieben Stundengebete, das in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden gebetet wurde. – abuelta: ›zur gleichen Zeit‹.
239 Jimena Díaz gehörte einer adeligen Familie Asturiens an, die verwandtschaftliche Verbindungen mit dem König besaß. Sie heiratete Rodrigo Díaz zwischen 1074 und 1076. Ihr Verweilen während
des bewegten Lebens des Cid ist ungewiss. Ende 1094 oder später
zog sie mit ihrem Ehemann nach Valencia, das sie nach seinem Tod
1099 drei Jahre lang regierte. Als der Druck der Almoraviden zu
groß wurde, verließ sie die Stadt bei ihrer Evakuierung 1102 und
ließ sich möglicherweise in oder nahe Burgos nieder, wahrscheinlich jedoch nicht im Kloster zu Cardeña, wo sie allerdings ihren
Ehemann und später auch sich selbst begraben ließ. Sie starb wohl
nach 1113.
255 prendetlas en los braços ist wohl vor allem bildlich zu verstehen:
nehmt sie in eure Obhut.
268 Der Bart ist ein charakteristisches Attribut des Cid im Text und
dient als episches Epitheton (vgl. V. 274, 930, 1226, 2410 etc.). Die
Länge des Bartes ist wahrscheinlich von literarischen und ikonographischen Traditionen beeinf lusst, wo sie Reife und Weisheit
bedeutet, denn Männer trugen im 11./12. Jh. offenbar kürzere Bärte. Der Bart drückt zudem die Männlichkeit und die Ehre des Trägers aus. Daher fasst sich der Cid an den Bart, wenn er eine feierliche Erklärung abgibt (V. 2476, 2829), wenn ihn etwas kümmert
(V. 1663, 3280, 3713), wenn er bei ihm schwört (V. 2832) oder wenn
er ihn mit einem Band schützt (V. 3097, 3214), damit man ihm nicht
den Bart raufen kann. Vgl. Komm. zu V. 3288 ff.
274 Die (vom Schreiber korrigierte) hs. Lesung könnte zu verstehen
geben, dass der Cid die Hände auf den Bart legt. Doch er neigt sie,
um seine Töchter in die Arme nehmen zu können. – Zu den Töchtern des Cid vgl. Komm. zu V. 2075.
275–277 Eine mögliche Parallele zu diesen Versen findet sich im afrz.
Raoul de Cambrai, als Gueris seinen dreijährigen Neffen in den
Arm nimmt, um sich zu verabschieden: Gueris le prent en ses bras
maintenant, / Parfondement del cuer va soupirant (V. 348 f.).
398
Anhang
279 vos quería: Die Verwendung des Imperfekts ergibt sich offenbar,
um die Assonanz zu wahren. In späteren Texten, besonders in Balladen und Liedern des 15. und 16. Jh.s, ist diese präsentische Funktion des Imperfekts hingegen üblich.
281 fincaredes remanida ist redundant, da beide Verben ›zurückbleiben‹ bedeuten.
298–298b Der zweite Vers steht in der Hs. als Abvers des ersten, ist
aber metrisch überlang. Daher kann eine Lücke angenommen werden, die in Anlehnung an V. 1517 und 2016 gefüllt wird.
303 Es ist erklärtes Ziel aller Mitstreiter, ihren Einsatz in Gewinn umzuwandeln. In der Anerkennung von Heerschaften und Kriegszügen als Wirtschaftsfaktor und Reichtumsquelle stimmen alle zeitgenössischen Quellen überein.
304 yantar ist hier nicht wörtlich als ›das Essen‹ zu verstehen. Gemeint ist, dass die Anzahl derer anwächst, die es zu ernähren gilt.
310 Im Fall, dass der Cid die Frist nicht einhält und festgenommen
werden kann, ist eine Befreiung durch Lösegeld ausgeschlossen.
Das bedeutet die Todesstrafe.
319 Die Dreifaltigkeitsmesse war besonders unter dem Heeresvolk
sehr beliebt und wurde oft der Tagesmesse vorgezogen.
324 gallos bezieht sich wohl nicht konkret auf das Krähen des Hahnes, sondern auf das lat. gallicinum, welches die Zeit zwischen
Mitternacht und Tagesanbruch (zweite Stunde) definierte. Dementsprechend bezeichneten gallos primos Mitternacht und gallos
del amanecer den Tagesanbruch, also Beginn und Ende dieses Zeitabschnitts; mediados gallos bedeutet daher die Mitte des gallicinums, also ca. eine Stunde vor Tagesanbruch. – Das hs. cavalgar ist
zwar nicht falsch, widerspricht jedoch V. 317 und würde bedeuten,
dass die Schar bereits loszieht, bevor der Cid die Messe besucht.
330 Das ausführliche Gebet Ximenas steht in guter heldenepischer
Tradition; vgl. Chanson de Roland (V. 2385–89), Couronnement
Louis (V. 976–1029), Fierabras (V. 946–949, 1178, 1207–10), Paris la
duchesse (V. 813–816, 1384–87) oder Raoul de Cambrai (V. 1138 ff.).
Der spanische Text überarbeitet jedoch die französischen Vorbilder und bereichert sie mit zahlreichen Details, in denen genaue
Kommentar
399
Kenntnis lateinischer Quellen wie auch Latinismen (laudare,
V. 335) zum Vorschein kommen.
335 Die Konstruktion ovo a (oder auch ovo de) + Inf. ist eine Verbalperiphrase mit dem Wert eines Imperfekts.
342 criminal ist hier als Substantiv zu verstehen.
347–348 Der Kalvarienberg ist eine andere Bezeichnung für den
Berg Golgatha. Die Identifizierung findet sich schon bei Mt. 27,33;
Mk. 15,22; Lk. 23,33; Joh. 19,17. Textkritisch ist die Stelle jedoch
nicht unproblematisch, denn wenn man, wie hier im Text, hinter
prender ein Semikolon oder einen Punkt setzt, ergibt sich eine
syntaktisch etwas forcierte, sich in den zwei Abversen wiederholende Bezeichnung des Kreuzigungsortes. Setzt man hingegen den
Punkt hinter Calvarie, so wären zwei verschiedene Orte gemeint:
der eine, an dem Jesus gefangengenommen wurde (der Kalvarienberg anstatt des Gartens Getsemani), der andere, an dem er gekreuzigt wurde.
354 Die Wiederholung von la sangre (das schon am Ende von V. 353
steht) macht den Anvers metrisch überlang, was für eine Tilgung
spricht.
357 crovo ist 3. Pers. Sing. des starken Imperfekts von creer.
372 Die Einfügung von e a la mugier in der Hs. ist grammatisch nicht
falsch, doch sie bricht die sprachliche Formel und macht den Vers
metrisch überlang. Da auch die Formel a las fijas e a la mugier häufig ist, kann man von einer Verwechslung ausgehen.
373 Die Formulierung Dios sabe el ayuntar ist eine hochstilisierte Zusammenraffung des Gedankens ›Gott allein weiß, wann wir uns
wiedersehen werden‹.
381 Altsp. duelo bedeutete ›Schmerz‹ (aus mlat. dolus) und wird erst
neuzeitlich zu ›Trauer‹.
393–402 Spinaz de Can, Alilón und Figueruela sind unbekannte Orte. Die übrigen hingegen zeugen von einer sehr genauen Kenntnis
der Route. So werden die identifizierbaren Ortschaften in der genauen Reihenfolge genannt, und in unmittelbarer Nähe von Navalpalos befindet sich auch eine Furt zur Überquerung des Duero.
Bei den nicht bestimmbaren Orten könnte es sich um Herbergen
400
Anhang
oder sonstige, sehr kleine Niederlassungen handeln. Gewisse Ungenauigkeiten (wie z. B. dass San Estevan links des Weges erscheint, wo es doch am Fluss liegt, den man hier ostwärts am rechten Ufer hinaufreitet) scheinen aber eine Herkunft des Autors aus
dieser Gegend auszuschließen; oder sie sind auf literarische Stilisierung zurückzuführen wie die Tatsache, dass sich das unbekannte Alilón, am anderen Flussufer, in sarazenischen Händen befindet, was weder für 1081 (das Datum von Rodrigo Díaz’ Exil) zutrifft noch innerliterarisch kohärent ist (die Grenze Kastiliens ist
noch weit), aber den feindlichen Charakter der Umgebung hervorhebt. Die Bestimmung der Grenze Kastiliens ist unscharf, denn
hier wird sie bei Alcobiella situiert, doch in V. 422 f. wird sie in die
Berge von Miedes, 35 km südöstlich, verlegt. Der Hinweis auf eine
römische Straße zwischen Alcobiella und Navas de Palos ist geographisch richtig, doch ihr Name ist falsch, denn calçada de Quinea
wurde nur die Straße von Mérida nach Astorga genannt, 250 km
weiter westlich.
394 Die Anordnung der Verse in der Hs. wird von den Herausgebern
als verkehrt angesehen, weil die Syntax sonst äußerst sonderbar erscheint. Denkbar ist indes auch, dass es sich hier um eine Hysteron-Proteron-Konstruktion handelt, bei der die zahlreichen Ritter,
die sich dem Helden anschließen, direkt vor dem Vers stehen würden, in dem er das Land verlässt.
415 In der sierra de Miedes (heute Sierra de Pela), der natürlichen
Grenze der heutigen Provinzen Guadalajara und Soria, lag 1081 tatsächlich die Grenze zu den sarazenischen Ländern; doch sie wanderte schon 1085, durch die Eroberung Toledos, weit südlich und
östlich dieser Berge. Der Autor scheint sich dessen bewusst zu
sein, weil er beide Treffen des Cid mit dem König jeweils an den
Tajo und nach Toledo verlegt, also an die neue Grenze; vgl. dazu
das Nachwort.
418 Da im Cantar lediglich zwischen Rittern und Knappen unterschieden wird, ist anzunehmen, dass das e hier eine Apposition
einleitet (vgl. z. B. V. 372).
419 Welchen Rang genau ein Lanzenträger mit Wimpel hatte, ist unKommentar
401
gewiss. Doch wenn präzisiert wird, jede Lanze trage ihr Fähnlein,
so weist das darauf hin, dass ihr Träger als militärische Einheit verstanden wurde. Rechnet man die gewöhnlichen Begleiter eines
Lanzenträgers (vgl. Komm. zu V. 16), ist die Truppe auf ca. 1500
Mann angewachsen.
421 f. Offenbar marschiert der Zug nicht als geschlossene Gruppe; so
ist zu verstehen, dass die einen zum Essen zurückbleiben können
und dann die anderen, die vorangegangen sind, einholen. Das Vorgehen könnte für die Überquerung eines Gebirges strategisch interessant sein. Allerdings gibt es in der Gegend Höhenunterschiede
von maximal 300 m und die Anhöhen, die hier die Wasserscheide
zwischen Duero und Tajo bilden, sind alles andere als steil. Die
Darstellung bergiger Landschaften als steil und gefährlich ist allerdings ein literarisches Motiv, das z. B. auch in der Chanson de Roland (V. 814 f. und 1830 f.) vorkommt.
427 f. Diese Verse sind wohl eine Wiederholung dessen, was in 420–
426 erzählt worden ist. Nach der Technik der laisses parallèles (vgl.
Komm. zu V. 2121 ff.) wird die Überquerung der Grenze zweimal
berichtet.
437 Eine Assonanz lässt sich in diesem Vers nur herstellen, wenn
man An- und Abvers umstellt. Ob sich in diesen wiederholten Fällen fehlender Assonanz durch Umstellung von Worten oder Satzteilen eine Tendenz zur Prosasprache manifestiert, bleibe dahingestellt. Vgl. z. B. V. 800, 968, 1106, 1508 f. etc.
438 Minaya ist im Epos ein häufiger Beiname für Álvar Fáñez. Es
handelt sich wohl um eine Zusammensetzung des spanischen Possessivums mi (›mein‹) und des baskischen Substantivs anai (›Bruder‹).
440–444 Zwischen V. 440 und 442 fehlt eindeutig Information. Die
Rede Minayas ist unbeendet, und der Gedanke, Castejón mit einem Drittel der Truppe einzunehmen und als Standort zu halten,
während der Rest der Schar auf Beutezug geht, ist erst der Antwort
des Cid zu entnehmen (V. 442 ff.), wo er allerdings schon als bekannt vorausgesetzt wird. Offenbar fehlten die entsprechenden
Verse schon in der Vorlage, denn in der Hs. gibt es an dieser Stelle
402
Anhang
keine Lücke; der Schreiber hat zudem den gedanklichen Sprung
bemerkt und ihn durch Korrektur in V. 442 (s. Apparat) zu beheben versucht. Die Unsicherheit der ganzen Partie drückt sich auch
darin aus, dass die Versenden von V. 442 bis 444 falsch liegen: hinter falbarez und hinter Árdida. – Álbar Álbarez und Álbar Salvadorez sind historisch bezeugte Verwandte des Cid; letzterer erscheint
in den Urkunden am kastilischen Hof zur gleichen Zeit wie Rodrigo Díaz: zwischen 1060 und 1080. Er begleitete aber diesen nicht
ins Exil. Auch Galín García war eine historische Persönlichkeit,
doch ist im Gegensatz zu den beiden vorher genannten unklar, aus
welchem Grund er als episches Personal einbezogen wurde.
447 ganancias bezeichnet generell die Beute, die man durch militärische Aktionen erlangt. Dies ist aus der Perspektive der Kriegergesellschaft die legitime Weise, Gewinn zu erzielen. Ein anderes
Wort für Beute scheint es im 12. und 13. Jh. nicht gegeben zu haben.
Despojos, die Übersetzung des lat. spolia (daher meist Pl.), ist erst
ab den alfonsinischen Prosachroniken (letztes Viertel des 13. Jh.s)
belegt, während botín lediglich ab dem Ende des 15. Jh.s vereinzelt
dokumentiert ist. Ganancias erscheint sowohl im Pl. wie im Sing.
Die Sing.-Form kann in manchen Fällen auch konkret ›die Zinsen‹
meinen (V. 130, 165 und 1434) oder allgemeiner ›wirtschaftlicher
Gewinn‹ (V. 520, 898, 1977, 2316 und 2320 [hier konkret im Gegensatz zu Verlust]). Interessant ist für das Epos, dass in der Szene von
Rachel und Vidas (V. 130 und 165) das Wort auch für die vermeintlich illegitime Art des Geldgewinns verwendet wird, die Zinserhebung. Dennoch übersetzen wir, weil es zur Entstehungszeit keinen
anderen Terminus für beide Aktionen gab und daher die Gleichheit
des Wortlauts weniger relevant erscheint, die beiden Bedeutungen
mit unterschiedlichen Worten.
457 Die Schönheit des Sonnenaufgangs rechtfertigt den Auszug vieler Einwohner auf die Felder. In seiner symbolischen Bedeutung
signalisiert er aber auch den Beginn von Rodrigos kriegerischen
Aktivitäten und von seinem Aufstieg.
476 Kaum ist Castejón besetzt, wechselt der Erzähler zum zeitlich parallel laufenden Beutezug. Die 203 sind die 200 Reiter und deren
Kommentar
403
drei Anführer (Minaya, der im folgenden Vers erwähnt wird, wohl
ausgeschlossen); vgl. V. 443 f.
491 Die Beute aus Castejón soll mit jener zusammengelegt werden,
die der Raubzug erbracht hat. Von all dem soll Minaya ein Fünftel
erhalten; das ist der Anteil, der normalerweise dem König oder
dem Herrscher vorbehalten ist.
496 soltar und quitar sind Synonyme; avello ist der Imperativ aved
mit enklitischem Pronomen lo und Assimilation von d und l.
501 Das über den Unterarm des Kriegers laufende Blut der Verwundeten ist ein topisches Motiv der Heldendichtung. Als besonders
nahe Parallelen wurden aufgezeigt: Chanson de Roland, V. 1056,
sowie besonders V. 1767 der Fassung Venice IV desselben Epos.
507 Der Eingriff in die astrologische Formel zur Herstellung einer
Assonanz ist nicht ganz unbedenklich, lässt sich aber damit rechtfertigen, dass man im Bereich formelhafter und austauschbarer
Epitheta bleibt; vgl. V. 559, 899, 1603. – el que en buen ora nasco ist
die häufigste Formel dieser Art, ja im Anvers sogar die alleinige;
das könnte eine Verwechslung erklären.
508 Die Lesung der Hs., al rey, würde bedeuten: ›Mio Cid bedachte,
dass seine Scharen bis zu König Alfonso gelangen würden und dass
er ihm Schaden suchen würde mit all seinen Gefolgen.‹ Das passt
schlecht zum Verb comedirse ›sich bedenken, bemerken‹, zum Gebrauch des Konjunktivs sowie zur Formulierung ›all seinen Gefolgen‹, die eher ein königliches Heer als die Schar des Cid bezeichnen
dürften. Es ist logischer anzunehmen, der Cid bedenke, dass König
Alfonso wahrscheinlich sein Protektorat (zu dem die geplünderten
Gebiete gehörten) verteidigen und daher mit Heerscharen gegen
den Cid ziehen würde, sobald er die Nachricht von diesen Übergriffen erhielte. So versteht sich im übrigen die ganze Passage: Der
Held befürchtet einen Angriff, befiehlt das sofortige Verteilen der
Beute und den Verkauf seines Anteils und rüstet zum Auf bruch.
510 Der Eingriff in den überlieferten Text zur Herstellung einer Assonanz beruht auf der Feststellung, dass der Dichter eindeutig und
systematisch einem Reimsystem folgt. Emendiert wird nur dort,
wo sich Parallelen im Epos finden; vgl. auch V. 720 f., 784, 967, 973
404
Anhang
etc. Hier bricht aver mit der Assonanz und ist auch ein allgemeineres Wort, während ganancia konkret Beute bezeichnet, worum es
an dieser Stelle geht, und die Assonanz erfüllt.
511 Das Verteilen der Beute im Epos folgt historisch belegten und juristisch fixierten Gepf logenheiten: Die Beute wird zusammengelegt, und die Anführer der einzelnen Trupps verteilen sie und halten die Aufteilung schriftlich fest. Vom Ganzen erhielt der König
ein Fünftel (dieses geht hier an den Cid), ein zweites Fünftel die
herausragenden Teilnehmer am Beutezug (dieses wird hier übergangen). Die Ritter erhalten doppelt so viel wie das Fußvolk.
516 Das hs. pueden (Pl.) ist zwar nicht unmöglich, doch das Subjekt
des Satzes ist der Cid.
518 Der Umgang des Cid mit den Mauren hat natürlich zunächst
praktische Gründe, ist aber doch auch auffallend gütig im ganzen
Werk, was ihm ihren Dank einträgt (V. 541, 851–856). Diese pragmatische und politisch wie wirtschaftlich bedachte Vorsicht im
Umgang, die der historischen Wirklichkeit nicht fern ist, kontrastiert mit den Massakern und Zwangstaufen der französischen Heldenepik.
527 Das Epos stellt die Gegend von Alcalá bis Castejón als ein Protektorat des Königs dar und nicht als erobertes Eigentumsland. Dennoch werden die Sarazenen präsentiert als mudéjares, also als eine
Population, die mittels eines Vertrags (die unterzeichnete Urkunde von V. 527) unter dem Schutz des christlichen Herrschers lebt
und als moros de paz bezeichnet wird, weil sie in den Geltungsbereich der Kapitulationen fällt und von den feindlichen Mauren unterschieden wird.
538 Einerseits gibt der Cid hier seine Bindung an König Alfonso (mio
señor) kund. Andererseits aber erwähnen die frühen Gesetzestexte
(z. B. der Fuero Viejo I, IV,2) ausdrücklich das Verbot, als Verbannter gegen seinen früheren Herrn anzutreten. Und im übrigen wäre
der Cid eindeutig in der Unterzahl und würde eine Niederlage riskieren. Alle drei Elemente kommen in diesem Satz zum Ausdruck.
542 ff. Wie immer im Epos bedeutet die bestechende geographische
Genauigkeit der Wegbeschreibung nicht, dass sie auch historisch
Kommentar
405
wahr ist. Historische Belege für einen Plünderungszug, wie er hier
beschrieben wird, gibt es nicht. Der dargestellte Weg, den Henares
(Fenares) aufwärts und dann den Jalón (Salón) abwärts, entspricht
ziemlich exakt der Römerstraße von Titulcia nach Caesaraugusta,
die dem Jalón auf der Südseite folgte und ihn zwischen Ateca und
Terrer nach Norden kreuzte. Die Anhöhe (V. 554) könnte sich auf
Torrecid, bei Ateca, beziehen, wo Reste einer christlichen Befestigungsanlage aus dem späten 11. oder frühen 12. Jh. gefunden wurden. Ein Ort namens Alcocer (V. 553) ist in dieser Gegend unbekannt; allerdings hat die neueste Forschung 4 km östlich von Ateca
auf der nördlichen Flussseite Reste einer kleinen muslimischen
Anlage aus dem Ende des 11. Jh.s ausmachen können. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Herberge mit geringfügiger Befestigung an der Furt des Jalón. Das Interesse an einer Eroberung Alcocers lag demnach wohl in der Kontrolle der Furt. Das Epos hat die
Ortschaft jedoch zu einer größeren Burg hochstilisiert. In der Folge einer nur andeutungsweise erwähnten Phase weiterer Beutezüge, die den Cid in Richtung Nordosten bringen, folgt dann nach
dem ästhetischen Prinzip der Steigerung die Eroberung einer zweiten, größeren Stadt.
559–562 Die Verteidigung des Lagers entspricht den Empfehlungen
zeitgenössischer Traktate.
571 Die Hs. hat immer Teruel, doch die Detailgenauigkeit der geographischen Angaben in dieser Partie macht unwahrscheinlich, dass
tatsächlich Teruel gemeint sein sollte, das weit weg von dieser Gegend liegt. Außerdem entstünde, wollte man Teruel beibehalten,
ein Widerspruch mit der V. 868 genannten Ortschaft. V. 585 und
860 hat der Schreiber tatsächlich zunächst Terer geschrieben, dann
aber in Teruel korrigiert. Das stärkt die Vermutung, dass die geographisch nähere kleine Ortschaft Terrer im Original stand und die
Verwechslung mit Teruel in der Überlieferungskette zustande kam.
572 Calatayud ist die größte Ortschaft am mittleren Jalón. Sie besaß
eine große Festung, von der aus die Region kontrolliert wurde,
einschließlich des Eingangs zum Jiloca-Tal, dem der Weg nach
Südosten (Daroca, Teruel und Valencia) folgte.
406
Anhang
573 f. Es scheint zunächst unlogisch, dass der Cid von Alcocer eine
Übergabe der Burg erwartet, wenn er vorher Tribute empfangen
hat. Allerdings erklären die Tributzahlungen die spätere Gier der
Statthalter, die den Cid auf seiner fingierten Flucht ausrauben wollen und dadurch in die Falle geraten. Vgl. auch Komm. zu V. 610.
591 grandes und chicos ist gesellschaftlich zu verstehen: die Höheren
und die Niedrigen.
606–609 Die Krieger, die die Sarazenen in die Falle gelockt haben,
begleiten den Kampf mit großem Geschrei. Die Vorhut lässt vom
Kampf ab und nimmt das Tor ein. Danach kommen auch die übrigen Ritter, als die Gegner besiegt sind.
610 Im Epos regiert nicht eine höfisch-literarische Moral des sauberen, listenlosen Kampfes. Vielmehr werden die ausgefeilte Technik
und die taktischen Täuschungen als militärische Qualitäten des
Helden herausgearbeitet. Der Trick, eine Flucht vorzutäuschen,
um den Gegner zu ungeordneter Verfolgung anzuregen und ihn
dann umso leichter zu schlagen, wird in arabischen wie in romanischen Quellen beschrieben. Vor allem aber brechen hier die Einwohner durch ihren Angriff auf den vermeintlich abziehenden Cid
das Abkommen, das von den Tributzahlungen vorausgesetzt wird,
und rechtfertigen damit durch ihr Verhalten den Kampf und die
Eroberung der Stadt durch die Christen. Der Held hat ihnen damit
nicht nur eine strategische, sondern vor allem auch eine juristische
Falle gestellt.
611 Verschiedene historische Personen dieses Namens waren Zeitgenossen des Cid, besonders ein leonesischer Ritter, der etwa von
1090 bis 1095 verbannt war. Eine Beziehung zwischen ihm (oder
den anderen) und dem historischen Cid ist unbekannt. Im Epos ist
Pero Vermúez Neffe des Cid und sein Fähnrich.
621 Die pragmatische (und damit wenig heroische) Einstellung des
Cid, die Besiegten, sofern sie sich unterwerfen, leben zu lassen,
entspricht eher historischen als literarischen Vorbildern, in denen
Zwangstaufen und Massaker häufig sind.
635 Der Jiloca (Siloca) mündet bei Calatayud in den Jalón.
636 Die Figuren der meisten Muslime im Epos sind erfunden oder
Kommentar
407
unhistorisch, ihre Personennamen sind dagegen, anders als in der
afrz. Heldendichtung, echt (vgl. Komm. zu V. 654). In Valencia ist
jedoch kein muslimischer König namens Tamín belegt. Möglicherweise wurde der Name eines späteren andalusischen Heerführers
genommen, der 1108 den christlichen Truppen bei Uclés eine empfindliche Niederlage zufügte.
640 ›Die von der Grenze‹ dürfte konkret die Grenztruppen meinen.
643 Dreitausend Mann würden ein beträchtliches Heer darstellen.
Doch die Größe der Kontingente wird im Epos durch poetische
Kriterien festgelegt, welche die Anzahl der Gegner und deren Gefallenen immer vergrößert. In diesem Fall ist die Proportion von
3000 Mauren gegenüber 300 Christen entscheidend.
644/646 Segorbe und Cella sind zwei kleine Städte auf dem Weg von
Valencia nach Calatayud. Der Kanal (V. 649) bezieht sich wohl auf
eine in den Berg gehauene römische Bewässerungsanlage, die
Wasser aus dem 20 km entfernten Albarracín nach Cella führte.
Die beschriebenen Etappen sind allerdings zu lang für ein mittelalterliches Heer. Auch hier kombiniert sich also eine große Genauigkeit mit einer poetisch freien Behandlung der Daten.
654 Fáriz (aus arab. Fāris) und Galve (aus arab. Gālib) sind bekannte
arabische Namen. Im Unterschied zur französischen Epik erhalten
hier die fiktiven Personen also keine erfundenen Namen.
657 virtos ist ein seltener Latinismus. Da das lateinische Wort virtus
nur in biblischen Texten die Bedeutung von ›Heer‹ hat, während
die mittelalterlichen juristischen Texte es im Sinne von vis (›Kraft‹)
verwenden, kann dieses Beispiel, wie auch weitere ähnliche Fälle,
die Kenntnis biblischer und liturgischer Texte durch den Autor bezeugen.
691 mandar ist kein Infinitiv, sondern die apokopierte Form der
1. Pers. Sing. Fut. II mandare.
696 Die Pauken (span. atabales, arab. at‚-t‚abál) waren charakteristisch für muslimische Heere und wurden sogar als Insignien betrachtet. Sie wurden auf Mauleseln getragen und dienten sowohl
der Marschregulierung wie auch der Kommunikation. Natürlich
sollten sie auch die Feinde in Schrecken versetzen.
408
Anhang
699 pendones ist eine lectio difficilior, die vom Text der Chroniken
bestätigt wird, welche das Epos in Prosa umsetzen. Sie passt auch
besser zu V. 698 und der Erwähnung zweier Hauptbanner, und sie
spiegelt die große militärische und religiöse Bedeutung der Fähnlein in muslimischen Truppen sowie die Bedeutung der Reitereinheiten, welche die Fahnen tragen.
703 derranchar kommt aus dem afrz. desrangier ›die Formationsreihe
verlassen‹, wechselt aber rasch von der etymologischen Bedeutung
zur generellen ›einen Angriff starten‹.
707 Dies ist eine der wenigen Gelegenheiten, in denen das Epos von
der Einzeltat eines Kriegers erzählt. Signifikanterweise geschieht
das in einer Mischung aus Bewunderung und Argwohn. Wird hier
etwa die extreme Vorsicht des Helden, der soeben seine Männer
gebeten hat, auf keinen Fall anzugreifen, bevor er es anordne, in
Frage gestellt? Vgl. Komm. zu V. 2367.
725 tornada: Beim ersten Sturm ziehen die Reiter durch die feindlichen Linien, dann kehren sie um und führen einen zweiten Angriff
in entgegengesetzter Richtung aus.
727 Die adarga ist ein kleinerer runder Schild, den maurische Truppen gewöhnlich benutzten. Im Mhd. ist der Begriff tartsche aus
dem afrz. targe entlehnt, das seinerseits wohl aus mlat. targa entstand.
731 Santi Yagüe ist Santiago oder der heilige Jakobus. Die Gewohnheit, ihn im Kampf gegen Sarazenen anzurufen, entsteht im letzten Drittel des 11. oder ersten Viertel des 12. Jh.s. Der Legende nach
geht diese Anrufung oder gar der Schlachtruf auf eine mutmaßliche Schlacht bei Clavijo im 9. Jh. zurück, in der der Heilige den beinahe besiegten Christen erschienen sein und ihnen zum Sieg verholfen haben soll. Die Legende ist der Ursprung der Ikonographie
des Jakobus als Maurentöter (matamoros), welche sich neben die
Ikonographie des Apostels als Pilger stellt.
735–741 Die Aufzählung der wichtigsten Helden sowie die besonderen (goldenen) Teile der Rüstung sind klassische Motive der Heldendichtung. – Ein Muño Gustioz war Schwager von Rodrigo Díaz’
Ehefrau Jimena. Ein Martín Muñoz regierte über Montemayor im
Kommentar
409
fünften Jahrzehnt des 12. Jh.s, also lange nach dem Tod des Cid. Félez Muñoz ist historisch nicht belegt; möglicherweise meint seine
Bezeichnung als sobrino, dass er ein entfernter Verwandter war
oder zum engeren Personenkreis um den Cid gehörte.
749 alguacil stammt aus dem andalusischen Arab. (al-wazír, dt. Wesir). In den christlichen Reichen bezeichnete es den Gouverneur
einer Stadt oder eines Kreises.
753 Die Bezeichnung Álvar Fáñez’ als rechten Arm des Cid erinnert
an eine ähnliche Definition Rolands in der Chanson de Roland: le
destre braz del cors (V. 597, 1195).
769 Ähnlich wie bei Rachel und Vidas (V. 136, 155) werden die beiden
maurischen Könige grammatisch wie eine Person behandelt.
780 Die Adjektive auf -or sind im Altsp. unveränderbar.
781 Minaya erfüllt hier, was er V. 501 versprochen hat.
789 Die cofia war eine enganliegende Kapuze aus Leder, die den Kopf
vor der Reibung der Ringrüstung schützen sollte. Der Cid hat den
Helm und die Ringhaube des Kettenhemdes ausgezogen, die Kappe darunter zeigt die Spuren der Anstrengung des Kampfes.
790 Der almófar war eine Haube mit Halskragen aus ineinandergeschweißten Ringen wie ein Kettenhemd. Der Cid hat sie geöffnet
und abgezogen, so dass sowohl die Lederkappe über den Haaren
und dem Nacken wie auch sein Bart sichtbar werden.
801 f. Offenbar bezieht sich der Satz auf die Mauren von Alcocer, die
dem Cid gedient hatten, aber vor der Schlacht aus der Stadt vertrieben wurden, damit sie nichts von seinem Ausbruch erführen und
verrieten.
821 Eine huesa war ein hoher Stiefel für Reisen oder zum Jagen. In
den Stiefeln hat man öfters kleinere Gegenstände getragen (vgl.
Chanson de Roland, V. 641: Il les ad prises [zwei Halsketten], en sa
hoese les butet). Hier dient dagegen der ganze Stiefel als Beutel.
826b Der Vers steht in derselben Zeile wie der vorige. Das Reimwort
contados wurde beim Beschneiden durch einen Binder abgeschnitten, von diesem aber über der Zeile nachgetragen. Das letzte s fiel
jedoch einer weiteren Beschneidung bei einer späteren Bindung
zum Opfer.
410
Anhang
835 bivir wurde von späterer Hand über ein fast vollständig verlorenes Wort nachgetragen. Was ursprünglich dort stand, ließ sich bislang nicht ermitteln.
837 Die Lesung der Hs. würde bedeuten, dass auch der Cid fortzieht,
was nicht richtig ist. Daher ist die Einfügung von fincó ý, die durch
den Text der Chroniken gestützt ist, notwendig.
845 Dieser Preis ist der gleiche, den der Cid auch für Castejón erhalten hat (V. 521 ff.); dort war übrigens die Reaktion der Stadtbevölkerung ebenfalls die gleiche (V. 541).
859 Offenbar verlässt der Cid auf der Höhe von Calatayud das JalónTal, um das Jiloca-Tal aufwärts zu reiten, das ihn bis Monreal bringen wird.
860 Die hier (wie V. 585) richtige Angabe Terrer statt Teruel hat der
erste Korrektor verbessern wollen, indem er die Endung -er gestrichen und durch -uel über der Zeile ersetzt hat.
862–869 Monreal del Campo liegt im oberen Jiloca-Tal, 59 km nördlich von Teruel. Der Hügel ist wohl der heutige Cerro de San Esteban, der an der Ortschaft El Poyo del Cid liegt, etwa 11 km nördlich
von Monreal. Daroca war eine wichtige Festung auf dem Weg von
Calatayud nach Valencia; Molina ist das ca. 50 km westlich, in einem anderen Tal liegende Molina de Aragón (daher das de la otra
part ›auf der anderen Seite‹). Zu Celfa (= Cella) vgl. Komm. zu
V. 646.
864 Die Beschreibung des Hügels erinnert an Formeln, die aus der
afrz. Heldenepik bekannt sind: halt sunt li pui sowie merveillose e
grant (z. B. Chanson de Roland, V. 814 und 1620).
874 quí·n ist eine Kontraktion von quí me.
876 aquesta bezieht sich auf die Schlacht gegen die maurischen Könige Fariz und Galve.
879 Das Küssen von Händen und Füßen bedeutet eine große Ehrerbietung und symbolisiert gleichzeitig die Erneuerung des Lehnspaktes.
883 Die Angabe tres semanas ist nicht wörtlich zu nehmen (es sind
seit der Verbannung mindestens fünf Monate vergangen), sondern
steht metonymisch für ›kurze Zeit‹.
Kommentar
411
887 honores sind eigentlich Ländereien, deren Nießnutz einem vom
König gewährt wird und die nicht zum Erbbesitz gehören. Es handelt sich nicht um ein Synonym für Lehen, doch in der Kombination mit tierras meint es wohl ›jegliche Art unbeweglicher Güter‹.
892 huyar ist eine weiterentwickelte Form von altsp. huviar > sp.
ayudar.
893 Der König erlaubt jenen, die sich Mio Cid anschließen wollen,
über Leib und Leben frei zu verfügen, ohne dadurch Erbland oder
Lehen zu verlieren. Schon diese erste Botschaft erreicht somit eine
Annäherung zwischen dem König und seinem früheren Vasallen.
895 Der señor natural ist die Übersetzung des lat. dominus naturalis
und bezeichnet den Herrn über diejenigen, die in einem bestimmten Land geboren wurden oder darin leben, ohne dass sie ein
Lehnsabkommen geschlossen hätten. Auf diese Weise kann ein
Verbannter weiterhin an seinen König gebunden bleiben, auch
wenn das Vasallenverhältnis aufgelöst wurde. Diese juristische
Vorstellung, die wohl auf eine augustinische ›natürliche Ordnung
der Dinge‹ zurückzuführen ist, hat sich gegen Ende des 12. Jh.s
herausgebildet und findet in den Urkunden und Rechtsbüchern
der ersten Hälfte des 13. Jh.s deutlichen Niederschlag. Der ›natürliche Herr‹ steht demnach über dem ›Lehnsherr‹, was durchaus zu
Treuekonf likten führen kann. Diese Vorstellung von einem ›natürlichen Herrn‹ liegt dem gesamten Handeln des literarischen Cid
im Exil zugrunde und ist der des historischen Vorbilds diametral
entgegengesetzt. Das Handeln der epischen Figur basiert auf der
Idee der Unwandelbarkeit dieser ›natürlichen‹ Beziehung (gegenüber den durchaus wandelbaren Lehnsverhältnissen) sowie auf
dem daraus sich entwickelnden Bedürfnis, die natürliche und die
vasallitische Abhängigkeit, die von den ›üblen Feinden‹ (V. 9) geschieden worden war, wieder zu vereinen.
899 Möglicherweise hat der Schreiber zuerst die Formel mit dem
häufigeren nasco beenden wollen, dann das Reimproblem bemerkt, die reimmäßig richtige Variante cinxo espada hinzugefügt
und sie dann erst mit der Konjunktion e verbunden, was zu einem
hypermetrischen Vers geführt hat.
412
Anhang
902 Es ist denkbar, dass sich der Autor auf den einzigen Text bezieht,
der diesen Ortsnamen überliefert: das Rechtsbuch von Molina de
Aragón (Fuero de Molina de Aragón).
904 Río de Martín ist die (in Urkunden gut belegte) mittelalterliche
Bezeichnung für den heutigen Río Martín, der ca. 40 km östlich
von Poyo del Cid entspringt, nach Norden f ließt und östlich von
Zaragoza in den Ebro mündet.
912 Der Ortsname Tévar ist heute verlorengegangen, doch eine Urkunde von 1209 erlaubt es, ihn südwestlich des heutigen Monroyo
oder Montroig, an einem im Mittelalter strategisch wichtigen Bergpass, zu situieren. Da diese Gegend etwa 120 km östlich von El
Poyo liegt, scheint ein Nachtritt (V. 909) übertrieben zu sein. Auch
der Weg über das von Poyo aus 65 km südsüdöstlich liegende
Teruel (V. 911) erscheint problematisch.
926 fonsado, aus lat. fossatum ›Graben‹, meint ursprünglich ein Lager,
steht aber auch metonymisch für Heer.
936 Alcañiz ist eine bedeutende Ortschaft 92 km südöstlich von Zaragoza und etwa 30 km nordnordöstlich von Tévar, wohin der Cid
nach dem Brandschatzen zurückkehrt.
940 Monzón liegt 130 km nördlich von Tévar; Huesca 150 km nordnordwestlich.
951 f. Alucant ist eine nicht sicher identifizierte Ortschaft. Die von
der Forschung vorgeschlagenen Identifizierungsmöglichkeiten
dieses Toponyms, Gallocanta und Olocau del Rey, bieten beide
Schwierigkeiten, obwohl letztere Möglichkeit favorisiert wird.
Huesa und Montalbán sind hingegen klar erkennbare Orte in der
Region.
963 Die Historia Roderici erwähnt einen Aufenthalt des Cid in Barcelona, doch von einer Beleidigung ist nirgends die Rede. Den Sohn
des Grafen an seinem eigenen Hof zu schlagen, ist ein schweres
Vergehen, aber nach mittelalterlichen Vorstellungen ist der Entehrte nicht der Beleidiger, sondern der Beleidigte, der keine Wiedergutmachung verlangt oder durchsetzen kann.
965 Die Lesung der Hs. ni·l torné enemistad ›noch habe ich ihm mit
Feindschaft geantwortet‹ ist nicht falsch, aber im Kontext unsinKommentar
413
nig; zudem ist sie sonst nicht bezeugt und verkehrt die normale
Struktur der gut belegten juristischen Formel tornar el amistad a
alguien, die bedeutet, dass man jemandem die Freundschaft kündigt. Da die Texte der Chroniken auch hier letztere Formel zitieren,
scheint ein Eingriff gerechtfertigt.
974 dice ist 1. Pers. Sing. Präs. von decir (descendere, ›hinabgehen‹)
und ist zu unterscheiden von dize, 1. Pers. Sing. Präs. von dezir (›sagen‹).
975 Der Graf von Barcelona wird im Epos Remont Verenguel (= Ramón Berenguer) genannt. Der Graf, gegen den der historische
Rodrigo Díaz zweimal kämpfte (1082 in Almenar und 1084 bei Morella), war jedoch nicht Ramón Berenguer II. (dt. Raimund Berengar), sondern sein Bruder Berenguer Ramón II., mit dem er von
1072 bis zum Tod des ersteren 1082 gemeinsam regierte. Der Sohn
von Ramón Berenguer II., Ramón Berenguer III., heiratete später
María, eine der beiden Töchter des Cid.
992–994 Erst Ende des 12. Jh.s kamen die aus Ringketten gefertigten
Beinkleider auf; einziger Beinschutz waren davor knielange, rockartig endende Kettenhemden und, wie hier vom Cid erwähnt, lange lederne Stiefel oder Gamaschen. Die Truppen des Grafen sind
offenbar leichter gerüstet und feiner gekleidet, tragen keinen
Schutz an den Unterbeinen und leichtere Sättel, die weniger geeignet waren für den Zusammenprall beim Angriff mit der Lanze;
hinzu kommen die für den Marsch gelockerten Sattelgurte. So erklärt sich, dass der Cid behaupten kann, mit einem Stoß könnten
drei Mann aus dem Sattel geworfen werden.
1002 Trotz ihrer faktischen Unabhängigkeit seit dem 9. Jh. bezeichnen spanische mittelalterliche Quellen die Katalanen bis ins 13. Jh.
hinein weiterhin als ›Franken‹.
1009 Die Lesung der Hs. ist durchaus sinnvoll, würde jedoch einen
Subjektwechsel implizieren und die Gefangenschaft des Grafen
nicht dem Helden zuschreiben, sondern seinem Heer.
1010 Historische Belege für ein Schwert dieses Namens gibt es nicht;
später allerdings sind mehrere Schwerter als die des Cid postuliert
worden. Interessant ist hier, wie die Bedeutung der Waffe durch
414
Anhang
ihren Silberwert angegeben wird; sowohl in den französischen
chansons de geste wie in Heldendichtungen der germanischen Literaturen wird dagegen die Einzigartigkeit eines Schwertes entweder durch seinen Glanz oder durch seinen heroischen Werdegang
definiert.
1025–28 Zu beachten ist ein leicht parodistischer Hinweis auf die Eucharistie: ›wenn ihr nicht von dem Wein und dem Brot esst, werdet ihr nicht in die Gemeinde der Christen zurückkehren‹.
1028 Die hs. Lesung dixo el conde don Remont ist korrekt und präzisierend, macht den Vers aber metrisch überlang; die Tilgung des
Namens stützt sich auf die Chroniken. – folgar wurde beschnitten;
darauf hin wurde wohl -gar über der Zeile nachgetragen, dessen r
jedoch wiederum beschnitten wurde.
1028 ff. Die Laissen 59–61 werden neuerdings als variierende Wiederholung gedeutet. Demzufolge würde der Cid nur einmal das Angebot der Freiheit machen; unterbrochen wird die logische Sequenz
durch die Laisse 60, die noch einmal zurückgreift auf die Nahrungsverweigerung des Grafen.
1043 Der Vers wird von den meisten Herausgebern gestrichen, weil
er zum einen keinen Reim bildet und zum anderen nur eine ungenaue Wiederholung der Anverse von V. 1041 und 1044 ist.
1053 sobr’él sedié könnte auch bedeuten ›er beugte sich über ihn‹.
1064 Ein Zelter ist ein Pferd mit sanftem Passgang für Reisen oder für
Damen.
1068 franco ist hier ein Wortspiel mit den beiden Bedeutungen des
Wortes in diesem Kontext: einerseits ›freier Mann‹, andererseits
›Katalane‹ (vgl. Komm. zu V. 1002). Demgegenüber steht als Reimwort im vorangehenden Vers castellano.
1072 f. Die syntaktische und semantische Inkohärenz von e si non
mandedes buscar, die verdächtige Ähnlichkeit mit dem Anvers von
1071 sowie das Zeugnis der Chroniken sprechen dafür, diese Worte
zu streichen.
Kommentar
415
Zweiter Gesang
1085 f. Die Formulierung aquí·s’ conpieça la gesta weist eindeutig darauf hin, dass hier etwas Neues beginnt, genauer gesagt die Erzählung von den Taten oder (weil gesta im Singular steht) von der großen Tat des Protagonisten. Das Wort gesta besaß nicht die Bedeutung von ›Heldengedicht‹, die heute im Terminus chanson de geste
enthalten ist. Für einen solchen Usus, mitten in der Erzählung,
beim Einsatz einer neuen Episode die ›Taten‹ anzukündigen, gibt
es ausreichende Parallelen, sowohl im lateinischen wie im altfranzösischen Schrifttum. Aufgrund dieses Verses und von V. 2276
(›die Strophen dieses Gesangs enden hier‹) hat man das Epos in
drei Gesänge eingeteilt. Die Annahme eines Neuansatzes an dieser
Stelle hat einige Kritik hervorgerufen, weil die folgenden Verse
die gleiche Assonanz haben und daher möglicherweise nicht einmal ein Laissenende anzusetzen ist, aber auch weil ihre strukturelle Bedeutung angezweifelt wurde. Auch wenn der erzählerische
Einschnitt nicht von gleicher Bedeutung ist wie der nach V. 2277,
ist dennoch anzuerkennen, dass jetzt die Eroberung Valencias
beginnt, die den zentralen Teil des Werks einnimmt. – Ein weiteres Problem stellt die Versfolge dar: V. 1086 gehört eindeutig
zu den Versen 1083 f., in denen die Reichtümer verteilt werden; er
hat mit dem in V. 1085 angekündigten Beginn von Taten nichts
zu tun, auch wenn man keinen strukturellen Einschnitt vornimmt.
1087–93 Mit dem Toponym Alucant dürfte wieder Olocau del Rey
gemeint sein, obwohl auch das viel weiter südlich gelegene Olocau
gemeint sein könnte. Hier beginnt eine Reihe von Eroberungen,
bei denen der Cid in seinem Vorstoß von Norden nach Süden sowohl Stellungen an der Küste wie im Inland einnimmt, schließlich
sogar über Valencia hinaus, das damit eingeschlossen wird.
1095 Murviedro war bis 1877 Name der heutigen Stadt Sagunto; letzterer Name nimmt die Bezeichnung einer antiken Ortschaft auf.
1105 Dieser Vers zeigt, dass im Epos die Kämpfe des Cid weder unter
dem Zeichen eines Kreuzzugs stehen noch unter dem der Recon416
Anhang
quista. Die Andalusier werden vielmehr ganz pragmatisch als potentielle Reichtumsquelle gesehen und nicht als Feinde des Glaubens oder als unrechtmäßige Besetzer des Landes.
1107 Es wird nicht klar, ob der Cid Sarazenen in sein Heer aufnimmt,
also Bewohner der genannten Städte, oder ob er die Truppen herbeiruft, die er dort stationiert hat. Da es sich um besetzte Ortschaften handelt, nicht um tributpf lichtige, ist die zweite Möglichkeit
wahrscheinlicher.
1112 Der Cid erhofft sich eine siegreiche Schlacht und damit erneut
Gewinn.
1124 Vgl. die afrz. La prise de Cordres et de Sebille, V. 2122 f.: Demain
soiez apresté et garni / S’irons veoir a Cordres la fort cit.
1139 Das hs. e de grado wird getilgt, weil der Vers überlang ist und
weil es sich außerdem wahrscheinlich um eine unbedachte Kombination der Formeln d’amor e de voluntad und d’amor e de grado
handelt.
1141 f. Vgl. ähnliche Schlachten zwischen den Zelten in den afrz. Epen
Garin le Loherain (V. 340–342, 1861–63, 3154) und La Chevalerie
d’Ogier (V. 6773 f. und 7338).
1142 Da der Vers metrisch überlang ist, wird in Anlehnung an V. 2401
das hs. a todas partes getilgt.
1150 Cebolla ist anscheinend eine volksetymologische Abwandlung
des arab. Ǧubayla (›Hügel‹), heute El Puig, 18 km nördlich von
Valencia.
1151 Dieser Vers setzt entweder das Fehlen eines anderen, ihm vorangehenden voraus, oder aber er ist deplaziert. Gegenüber allen anderen Editionen, die an dieser Stelle massiv in die Versfolge eingreifen, bedeutet die hier präsentierte Umstellung allein dieses
Verses eine deutliche Annäherung an den überlieferten Text.
1160–69 Cullera, ca. 36 km südsüdöstlich von Valencia; Játiva, ca.
55 km südsüdwestlich von derselben; Peña Cadiella war eine Burg
an einer strategischen Position in den Bergen von Benicadell, welche die Straße von Valencia nach Alicante beherrschte. Der historische Rodrigo Díaz ließ sie 1092 wiederauf bauen. Die Aus- und Zugänge können sich auf die Burg beziehen, wahrscheinlicher aber
Kommentar
417
meinen sie die Wege von Süden in die Ebene von Valencia. Daher
die Sorge in den zuerst nur geplünderten Ortschaften, die in den
drei folgenden Jahren nach und nach erobert werden, bis Valencia
völlig abgeschnitten ist.
1182 f. Mit dem ›König von Marruecos‹ ist sicherlich der Almoravidenkaiser gemeint; zur Zeit Rodrigo Díaz’ war es Yūsuf ibn
Tāšuf ı̄n (1061–1106), den Valencia tatsächlich um Hilfe bat, als der
Campeador es belagerte. Die Montes Claros (die ›Lichten‹ oder
›Hellen‹ oder ›Weißen Berge‹) meinen offensichtlich den Atlas, der
besonders ab 1130 Schauplatz des Krieges zwischen den Almoraviden und den Almohaden war; in diesem Jahr ernannten die Almohaden einen Kalifen. Der Krieg dauerte bis 1156, obschon es nach
dem Fall Marrakeshs 1147 keinen ›König von Marokko‹ in Opposition zu einem von den ›Lichten Bergen‹ mehr gab.
1191 Ab hier wird auf die Stadt Valencia oft mit einem Pronomen im
Femininum verwiesen. Dies geschieht zum einen, weil der Ortsname auf -a endet, zum anderen, weil die altsp. Wörter für ›Stadt‹,
›Veste‹ u. a. Feminina sind. – Die Erwähnung eines religiösen Unterschieds als Motiv für die Eroberung Valencias muss nicht bedeuten, dass hier Kreuzzugsideologie umgesetzt wird. Selbstverständlich herrscht das Bewusstsein der religiösen Differenz, doch
sind die Eroberungen des Cid in den muslimischen Regionen stets
ökonomisch motiviert und damit aus christlicher Sicht juristisch
abgesichert. Die religiöse Motivation darf also allenfalls als Zusatz
zur ökonomischen verstanden werden.
1197 Altsp. pregón kann sowohl die Person bezeichnen, die den Aufruf überall verkündet, wie auch den vorgetragenen Aufruf selbst;
hier ist erstere Bedeutung anzusetzen.
1204 Der Cid verwendet keine List, um die Stadt zu gewinnen, sondern belagert sie nur bis zur Kapitulation.
1208 Die Frist war in Belagerungsfällen eine häufige Gewohnheit. Es
ging für beide Seiten darum zu prüfen, ob die Belagerten militärische Hilfe erhalten würden. Rodrigo Díaz setzte bei seiner Eroberung Valencias 1093/94 der Stadt zweimal eine Frist.
1213 Wer die Bewaffnung eines Ritters besaß und auch finanziell ent418
Anhang
sprechend ausgestattet war, konnte, auch ohne dem Adel anzugehören, dem Ritterstand zugerechnet werden und erhielt Steuererlass, einen größeren Anteil an der Beute sowie diverse Privilegien.
Dieser Status war jedoch nicht erblich und wurde auch jährlich geprüft.
1217 Die Summe ist hyperbolisch. Auffällig ist die im Epos wiederholte Quantifizierung der Beute als Geldwert, obwohl die Beute
meist nur zu einem geringeren Teil aus Münzgeld bestand. Dies
entspricht wohl besonderen Entwicklungen der zweiten Hälfte
des 12. Jh.s.
1222 Einen König von Sevilla gab es zur Zeit Rodrigo Díaz’ nicht
mehr. Da rey im Epos auch für geringere muslimische Herrscher
verwendet wird, könnte ein Almoravidenfürst gemeint sein. Die
Passage ist unhistorisch und dient eher dem literarischen Abschluss der Eroberung Valencias, die ja kampf los abläuft.
1229 aruenço ist ein hapax legomenon von unklarer Bedeutung; bei
der Übersetzung schließen wir uns denjenigen an, die es in die Nähe des altokzitanischen se ronser ›sich zurückziehen, sich sammeln
von Truppen‹ stellen. Vgl. zu dieser Stelle Chanson de Roland,
V. 2465–74, sowie Poema de Fernán González, Str. 355.
1239–42 Der Passus ist wohl so zu verstehen, dass der Cid schon viel
früher, also bei seiner Verbannung, den Schwur getan hat, seinen
Bart nicht zu stutzen. Den Bart lang wachsen zu lassen war Symbol
für Trauer oder für Verärgerung, ist also zunächst ein Zeichen dafür, dass der König ihm unverdient seinen Zorn auferlegt hat. Später allerdings wird der Bart zum Zeichen seiner Ehre, so dass der
Cid ihn auch dann nicht mehr stutzt, als er sich mit dem König versöhnt hat.
1246 f. Die Lesung der Hs., Atodos les dio en valençia casas e heredades / De que son pagados el amor de myo çid ya lo yuan prouando, ist sowohl in der Metrik wie in der Assonanz unregelmäßig.
Die Möglichkeit, die Versgrenze hinter pagados und die Zäsur hinter casas zu verlegen, ist unwahrscheinlich, weil Aufzählungspaare nur dann im Epos durch Zäsur getrennt werden, wenn jedes Element einen ganzen Halbvers zugewiesen bekommt. Daher der
Kommentar
419
Vorschlag einer Füllung anhand des üblichen epischen Epithetons
el que en buen ora nasco hinter valençia.
1249 ff. Der Cid hat, nachdem die Beute verteilt wurde, zunächst
Grundbesitz vergeben. Nun unternimmt er eine strenge Kontrolle
der Vasallen, damit sie nicht oder nicht unkontrolliert wieder fort
oder zurück in ihre Heimat ziehen. Dabei geht es um die Sicherung
der eroberten Stadt, die nur garantiert werden kann, wenn die Eroberer vor Ort bleiben. Solche abschreckenden Strafandrohungen
finden sich auch in den Rechtsurkunden der Zeit.
1265 Mio Cid hat jetzt genau sechzigmal so viele Ritter bei sich wie bei
seinem Auszug aus Bivar (vgl. V. 16). Dennoch fällt auf, dass den
zahllosen Scharen der Heiden auf christlicher Seite immer nur eine
recht realistische Anzahl von Reitern (das Fußvolk wird nicht gezählt) gegenüberstehen. Obwohl auch hier immer wieder von großen Mengen neuer Anhänger die Rede ist, wird im ganzen Verlauf
des Auszugs und der Beutezüge des Helden (sowie auch durch
Maßnahmen, wie sie in den vorigen Versen beschrieben worden
sind) deutlich, dass zwar ein kleiner Reitertrupp Ortschaften einnehmen kann, dass aber für die Sicherung von erobertem Land
große Menschenmengen vonnöten sind, die im Epos auf christlicher Seite nicht zur Verfügung stehen.
1271 Die Vasallen des Cid haben vom König in der Tat bereits ihre
Länder zurückerhalten; der Cid allerdings nicht, obwohl er hier im
Plural redet.
1274 f. Das zweite Geschenk des Cid an den König ist dreimal so groß
wie das erste; später wird erwähnt, dass auch diese Pferde komplett ausgerüstet sind. – Der Handkuss ist zwar hier primär eine
Höf lichkeitsform, bedeutet implizit aber auch die Erneuerung des
Vasallenverhältnisses; vgl. Komm. zu V. 879.
1276 f. Die Hs. setzt die Versgrenze hinter merced (V. 1277) und enthält
nicht las ifantes. Dadurch fehlt in V. 1276 die Assonanz und V. 1277
wird zu kurz, ja zäsurlos. Die Einfügung der Apposition zu fijas
(vgl. V. 1279) gibt V. 1276 die richtige Assonanz und verschiebt si
fuere su merced nach V. 1277, der damit metrisch vollständig wird.
1288–95 Jérôme de Périgord war ein französischer Kleriker, der im
420
Anhang
Gefolge von Bernard de Sédirac, dem ersten Erzbischof Toledos,
nach Spanien kam. Papst Urban II. weihte ihn 1094 zum Bischof
von Valencia. Als die Stadt 1102 von den Almoraviden eingenommen wurde, übernahm er das Bistum von Salamanca und Zamora,
das er bis zu seinem Tod 1120 behielt. Aus diesem Grund finden
sich im bischöf lichen Archiv in Salamanca authentische Urkunden, die Rodrigo Díaz aufstellen ließ, darunter eine autograph unterzeichnete. – Die literarische Figur Jerónimos steht stärker in der
epischen Tradition als in der historischen. Eindeutiges Vorbild ist
der Erzbischof Turpin der afrz. Chanson de Roland. Beide werden
mit dem Topos der Vereinigung von fortitudo und sapientia eingeführt, sie erscheinen hauptsächlich in ihrer kriegerischen Rolle,
weniger in der klerikalen, sie vergeben einen allgemeinen Sündenerlass vor der Schlacht (Cid, V. 1704; Roland, V. 1132–38) und haben
die Ehre, die Schlacht zu beginnen (Cid, V. 1706–10 und 2370–82;
Roland, V. 1487). Jerónimo wird bald zu einer bedeutenden Figur,
die bei der Versöhnung mit dem König die Messe feiert, die Töchter des Cid vermählt und als Vertrauter des Cid immer wieder an
herausragender Position erscheint. Er vertritt als einzige Figur das
Kreuzzugsideal.
1295 sieglo (lat. saeculum) meint hier wohl weniger allgemein das
Diesseits, sondern konkret das Leben des Bischofs auf Erden. Der
Vers bedeutet also, dass nach dem Ableben des Bischofs niemand
um ihn trauern wird, weil er dank seiner vielen Kämpfe das himmlische Paradies erreichen kann.
1303 Wenn der Cid in Valencia einen Bischof einsetzt, bedeutet dies
zum einen, dass er vorhat, dort zu bleiben, und dass er diesen Posten zur Regelung des täglichen Lebens besetzen muss. Zum anderen aber zeigt es seine beinahe königgleiche Position, denn nur Könige und Päpste konnten Bischöfe ernennen.
1312 San Fagunt ist das heutige Sahagún, südöstlich von León.
1316 Seit Menéndez Pidal haben alle Herausgeber V. 1316–20 einer
Laisse mit Assonanz auf ó–o zugeordnet und V. 1321–84 einer Laisse mit Assonanz auf ó–e. Doch es gibt genügend Beispiele, die belegen, dass diese beiden Assonanzen im Epos nicht voneinander unKommentar
421
terschieden wurden. Daher werden sie hier zu einer Laisse gruppiert.
1320 In dieser Laisse finden sich wiederholt Bemerkungen über die
›Schönheit‹ der Rede, welche sich sowohl auf eine formale Korrektheit der Worte wie auch auf die inhaltliche Angemessenheit
des Gesagten beziehen.
1329 Castejón ist Castellón de la Plana, das früher als Castellón de
Burriana bekannt war und das wohl als im Kontext der Eroberung
von Borriana (V. 1093) eingenommen gedacht werden muss.
1342 Dem heiligen Isidor von Sevilla ist die königliche Basilika in
León, der damaligen Hauptstadt des Reichs, geweiht.
1345 Garcí Ordóñez war, mit Rodrigo Díaz, eine der berühmtesten
Persönlichkeiten am Hof Alfons VI. und eine der ihm am nächsten
stehenden (er wurde zum Erzieher des Königssohnes Sancho ernannt). Er gehörte einer wichtigen Adelsfamilie an, und sein Leben
ist gut dokumentiert: zuerst bezeugt 1062, gestorben 1108. War das
Verhältnis der beiden offenbar in frühen Jahren noch gut, so ist es
ab ca. 1079 von Feindschaft geprägt. Im übrigen ist die Darstellung
der Figur im Epos selbstverständlich von poetischen Kriterien geprägt.
1360 escuelas bezieht sich auf die schola regis, auch optimates curiae
genannt. Damit ist die Gruppe der ranghöchsten weltlichen und
geistlichen Mitglieder des Hofes gemeint, die den königlichen Rat
bilden.
1372 infante wird im 13. Jh. nur noch der Prinz genannt, im 11. und
12. Jh. konnte es im allgemeinen Kinder bezeichnen, besonders
aber die von adeligen Familien. Die Infanten von Carrión besitzen
keine konkreten historischen Vorbilder. Obwohl es zwei Personen
ihres Namens gab (Diego und Fernando González, V. 2286–88),
vermischt das Epos familiäre Zugehörigkeit und andere Daten. Sie
sind die überzogen gezeichneten Antagonisten des Cid und handeln, schon von diesem ersten Auftritt an, immer zusammen und
in auffälligem Parallelismus zu den jüdischen Pfandleihern Rachel
und Vidas.
1380 Die porteros waren nicht nur Torhüter, sondern erfüllten eine
422
Anhang
ganze Reihe von Funktionen: Sie entschieden, welche Personen
dem König vorgeführt wurden, sie konnten Botschaften übernehmen, den König vertreten und hatten zudem eine Reihe von Aufgaben im juristischen Bereich zu erfüllen wie die Vorstellung der
Parteien, ihre Vorladung oder die Veranlassung der Erfüllung von
Gerichtsbeschlüssen. Hier handeln sie besonders als Boten des Königs und als Aufseher der Erfüllung seiner Befehle.
1382 f. Medina ist das heutige Medinaceli, südlich von Soria. Als Grenze Kastiliens (was es zu Zeiten Rodrigo Díaz’ nicht war) erscheint
die Ortschaft zwölf Mal im Epos. Zudem sind die geographischen
Kenntnisse des Autors von der Gegend um Medinaceli herum besonders gut, was zu Spekulationen über seine Herkunft geführt
hat.
1388–90 Die Worte der Infanten sind eine reine Höf lichkeitsformel,
die entsprechend neutral von Minaya aufgenommen wird.
1397 Die Lesung der Hs. folgt nicht der Assonanz. Die Herstellung
derselben durch das Einfügen von las ifantes anstelle von amas
stützt sich auf V. 1279 (vgl. auch 269b und 2083).
1423 ff. Minaya möchte, dass die Aufmachung der Damen ihrer sozialen Position entspricht und mit der Misere der Anfangsszene kontrastiert. Ob die 500 Mark schon von Beginn an dafür gedacht waren oder Minaya sie aus eigener Entscheidung für die Ausstattung
der Damen ausgibt, anstatt sie dem Abt zu überreichen, bleibt unklar.
1431 Auch der erneute Auftritt von Rachel und Vidas dient der Kontrastbildung, denn nun sind sie es, die den Cid um Geld bitten. Da
über drei Jahre vergangen sind, haben sie wohl inzwischen die
Truhen geöffnet und die Täuschung entdeckt; jetzt wollen sie eine
Entschädigung. Die vieldiskutierte Frage, ob der Cid das Geld erstattet hat, ist müßig: Minaya sichert ihnen eine Genugtuung zu
(V. 1436); das dürfte genügen.
1463 f. Gemeint ist das heutige Molina de Aragón (vgl. Komm. zu
V. 862–869), ca. 60 km südöstlich von Medinaceli, mit dem es im
Epos den Grenzstreifen Kastiliens markiert (vgl. Komm. zu
V. 1382 f.). – Eine historische Person namens Avengalvón (arab. Ibn
Kommentar
423
Galbūn, andal. Aban Galbún) ist bezeugt, es gibt aber zum einen
keine soliden Hinweise darauf, dass sie Burgherr von Molina war,
und zum anderen ist es eher unwahrscheinlich, dass sie zu Lebzeiten des Cid bereits Mannesalter erreicht hatte. Entscheidend ist,
dass im Epos die Figur die Möglichkeit des Zusammenlebens von
Christen und unterworfenen andalusischen Muslimen darstellt,
vor allem gegenüber der radikalen Gefahr nordafrikanischer Eroberer.
1472 Die Bezeichnung Valencias als Erbland des Cid entspricht einer
Situation, die erst ab dem Ende des 12. Jh.s möglich war, als akzeptiert wurde, dass Länder, die durch Eigeninitiative den muslimischen Gebieten abgewonnen wurden, nicht an den König fielen,
sondern dem Eroberer als Eigentum zugesprochen wurden. Das
heißt, dass diese Länder keine königlichen Lehen mehr waren,
nicht einmal Erblehen, was noch nicht eine politische Unabhängigkeit vom König bedeutete. Valencia als Eigentum des Cid ersetzt hier, in gesteigerter Form, was er zu Beginn in Vivar zurückließ.
1475 Die Lesung der Hs. ist offensichtlich fehlerhaft. Dass es sich um
den Ortsnamen Fronchales handeln könnte, wird durch den Text
der Chroniken gestützt. Fronchales ist das heutige Bronchales,
knapp 60 km südöstlich von Molina de Aragón, 25 km nordwestlich von Albarracín und auf der hier verfolgten Route.
1479 Im Unterschied zum señor natural (vgl. Komm. zu V. 895)
scheint der amigo natural an dieser Stelle keinen juristischen Wert
zu haben, sondern lediglich die Intensität der Freundschaft zu bezeichnen.
1492 Mata de Toranz ist das heutige Campo Taranz, ein kleines Plateau nordwestlich von Molina de Aragón.
1495 Der Name Álvar Fáñez’ hinter Minaya macht diesen Vers (wie
auch V. 1516) metrisch überlang und wird daher gestrichen. Vgl.
Komm. zu V. 510.
1502 alcáyaz stammt aus dem arab. qā ’id und konnte unterschiedliche öffentliche Ämter bezeichnen. Im Altsp. bezeichnen alcáyaz
und alcaide jedoch nur einen Burgherren oder Landvogt.
424
Anhang
1508 f. Die Schellen und die seidenen Satteldecken, die von den Hälsen hängenden Schilde (die also nicht in der Hand geführt werden)
sowie die Fahnen zeigen, dass diese Ritter zwar bewaffnet sind,
aber in festlicher Absicht ziehen und keine Bedrohung darstellen.
1519 Der Kuss auf die Schultern ist als Begrüßungsform der andalusischen Muslime belegt. Er scheint hier keinesfalls unterwürfig, sondern vereint Respekt und Freundschaft.
1548 Es ist anzunehmen, dass der Bischof wie gewöhnlich für die
Reise einen Zelter verwendet, ein kleineres, auf sanften Passgang
dressiertes Pferd. Neben sich allerdings führt er sein Streitross,
das, wie hier gesagt wird, ›vor den Waffen schreitet‹. Das kann nur
bedeuten, dass die schweren Waffen von einem weiteren Reittier,
z. B. einem Maulesel, getragen wurden.
1553 Die Übernahme der Kosten für das Ersetzen verlorener oder
defekter Hufeisen galt als Zeichen großzügiger Gastfreundschaft.
1573 Das berühmte Ross des Cid ist Kriegsbeute, wenn auch nur hier
vage angedeutet wird, dass er es in der Schlacht gegen den König
von Sevilla gewonnen hat. Es ist das einzige Pferd im Epos, dem
ein Name gegeben wird. Die Herkunft dieses Namens ist unbekannt. Man hat an das Ross Bauçan Wilhelms von Orange aus der
afrz. Chanson de Guillaume gedacht und argumentiert, der spanische Dichter könne diesen Pferdenamen gekannt haben; er hätte
ihn spanisch gedeutet als ›dumm‹ (altsp. bausán) und parallel dazu
einen zweiten Namen erfunden, der aus einem ähnlich pejorativen
Adjektiv entstanden wäre (altsp. bavieca ›Dummkopf‹). Neuerdings ist jedoch auch darauf hingewiesen worden, dass in aragonesischen und katalanischen Dialekten babieca, babiaca, fabiaca in
der Bedeutung ›Eule‹ belegt ist. Zwar ist die metaphorische Beziehung zwischen einem Ross und einem Jagdvogel nicht geklärt,
doch die Übernahme eines Vogelnamens für ein Pferd, bei dem die
Geschwindigkeit hervorgehoben wird, ist nicht unwahrscheinlich.
1581 Der etwas unklare Vers ist wohl so zu deuten, dass Jerónimo die
Geistlichen versammelt und mit ihnen vereinbart (acordar), welches der angebrachten Stundengebete gesungen werden soll.
1584–90 Die originale Reihenfolge der Verse in der Hs. könnte trotz
Kommentar
425
zahlreicher gedanklicher Sprünge akzeptiert werden, wenn sie
nicht auch gegen die Syntax verstieße. Diese scheint uns in der von
uns vorgeschlagenen Anordnung nicht gestört.
1585 Die Kuvertüre (aus afrz. coverture > mhd. covertiure oder kovertiure) ist die farbige, manchmal sogar verzierte Decke, die bei festlichen Angelegenheiten über die Rosse gelegt wurde.
1592 Zur ritterlichen Vorführung des Cid vgl. die Parallele in der afrz.
Chanson de Roland, V. 2287–88 und 2993–97. Bemerkenswert ist,
dass der Held hier zur Begrüßung der Damen sein ritterliches Können zeigt.
1596 Ximena bezieht sich wohl auf die Erniedrigung der Verbannung,
die auch sie stigmatisiert und in eine juristisch unsichere Situation
gebracht hat.
1602 Ein tablado war ein Ritterspiel, bei dem an einem hohen Pfahl
ein Brett angebracht wurde, manchmal mit den Umrissen einer
Burg. Die Reiter mussten Anlauf nehmen und mit stumpfen
Wurfspeeren das Brett treffen. Erforderliche Qualitäten waren also ein sicherer Ritt sowie Kraft und Zielgenauigkeit beim Werfen,
denn das Ziel war oft in großer Höhe angebracht. Es gewann derjenige, der das Brett nicht nur traf, sondern zerbrach. Die Aktion des
Reitens und Speerwerfens wurde altsp. bofordar oder bohordar
genannt, hat aber offensichtlich wenig zu tun mit afrz. bohorder,
mhd. bûhurdieren, das einen Ritterkampf zwischen zwei Gegnergruppen bezeichnet.
1612–15 Zu diesem schönen Passus, in dem die Damen die eroberte
Stadt betrachten, vgl. auch das afrz. Epos Berte aus grans piés,
V. 1959–70. – Als »Huerta« ist noch heute die landwirtschaftlich
fruchtbare Umgebung Valencias bekannt.
1621 Yúcef ist wohl abgeleitet von Yūsuf ibn Tāšufı̄n, dem ersten Kaiser der Almoraviden (1061–1106) und Garanten für die Größe seines Reichs, der 1094 beschloss, Valencia zurückzuerobern, obwohl
er nicht persönlich am Heereszug beteiligt war.
1631 Allein in dieser Episode kommt der religiösen Auseinandersetzung zwischen teuf lischen und himmlischen Kräften eine Bedeutung zu, wie in den afrz. chansons de geste. Doch die territorialen
426
Anhang
Interessen bleiben weiterhin Hauptmotiv für die kriegerische
Handlung.
1666–66b Der Vers ist metrisch überlang (3 × 8 Silben), daher hat man
ihn immer in zwei Verse geteilt, von denen dem ersten der Anvers
fehlen würde. Eine Rekonstruktionsmöglichkeit zeichnet sich hier
jedoch, im Unterschied zu anderen, ähnlichen Fällen, nicht ab.
1668 f. Rodrigo Díaz ließ offenbar die alte Moschee von Valencia 1098
zur Muttergotteskirche weihen. Neueste Untersuchungen weisen
allerdings darauf hin, dass es möglicherweise bereits auch eine
kleine Kirche gab, die er hätte umweihen lassen können. Auf diese
Kirchweihe bezieht sich jedenfalls der Terminus vocación V. 1669.
1682 Die Bezeichnung der Vasallen als die, die vom Brot des Lehnsherrn essen, ist im Altsp. geläufig, sowohl in epischen wie in rechtlichen Texten; sie bezieht sich auf die Pf licht des Herren, seine Untertanen zu ernähren, und hält sich bis in die Balladen des 16. Jh.s.
1688 f. Syntax und Sinn erfordern die Umstellung dieser beiden Verse. Wenn man sie in der Reihenfolge beließe, in der sie in der Hs.
stehen, und eine Hysteron-Proteron-Konstruktion annähme,
würde das Subjekt des ersten Satzes fehlen.
1690–90b Diese Zeile der Hs. ergibt einen metrisch überlangen Vers.
Man kann den Abvers von 1690 als fehlend erklären und eine Lücke
eintragen oder aber, wie hier geschehen, ihn in Anlehnung an
V. 676 ergänzen.
1703 Der generelle Sündenerlass vor dem Kampf gegen Heiden ist typisch für französich geprägte Kreuzzugsideologie. Vgl. die Szene
in der Chanson de Roland, V. 1132–35.
1719 f. So, wie die Verse in der Hs. stehen, ist der erste überlang und
reimlos und der zweite zu kurz. Eine Hand aus dem 14. Jh. strich
bereits das e Álvar Salvadórez, wohl weil dieser kurz zuvor als Gefangener erwähnt wurde. Zudem bilden Álvar Álvarez und Álvar
Fáñez mehrfach ein halbversfüllendes Paar (V. 443, 739, 3067). Das
spricht dafür, Álvar Salvadórez zu streichen und beide Verse zu einem zu verschmelzen. Aus metrischen Gründen wird auch Minaya getilgt, obwohl es im übrigen völlig korrekt ist.
1726 Nicht immer tötet der Cid seine Gegner; hier entkommt ihm eiKommentar
427
ner praktisch unter dem zuschlagenden Schwert, bei anderen Gelegenheiten tragen seine Männer zum Sieg bei, oder er nimmt Gefangene (die er dann wieder freilassen kann). Die Abwechslung ist
das poetische Prinzip und impliziert den Verzicht auf die Zeichnung einer hyperbolischen Figur.
1727 castillo palaciego kann eine ›palastartige Burg‹ bedeuten oder
einfach eine ›prächtige Burg‹. – Gujera ist das heutige Cullera.
1744 Der Cid hat offenbar den Helm abgenommen und die Ringhaube des Kettenhemdes abgezogen; der Druck der Ringe auf Schläfen
und Wangen hat wohl ein ›runzliges‹ Gesicht hinterlassen. Es sind
die Spuren heftigen Kämpfens.
1765 Der Cid hat seine Vasallen mit Grundeigentum beschenkt, die
Damen hingegen belohnt er, entsprechend den auch juristisch festgehaltenen Gewohnheiten der Zeit, mit Ehen, die ihrem Rang entsprechen. Außerdem schenkt er ihnen die Aussteuer.
1766 Die Präzisierung de plata ist zwar korrekt, aber redundant, weil
Mark generell ein Silbergewicht meint (s. Komm. zu V. 185); zudem
bricht sie die Assonanz und wird daher getilgt.
1775 Die mangelnde Genus-Konkordanz der hs. Lesung weist darauf
hin, dass hier ein Fehler vorliegt; die richtige Assonanz auf a–o
zeigt hingegen, dass sobejano richtig ist. Die Parallelen in V. 1796,
1852 und 2272 legen die Korrektur zu mucho sobejano nahe.
1778 f. arriados ist zweideutig: es kann arreados meinen und würde
dann ›ausgerüstet, ausgestattet‹ bedeuten, also Pferde, die noch
mit kompletter militärischer Ausrüstung versehen sind; es könnte
sich aber auch um einen Fehler handeln und erradíos ›umherirrend‹ gemeint sein, ohne eine Aussage darüber zu machen, ob die
Pferde gesattelt waren. Der folgende Vers, der darauf hinweist,
dass viele der vor der Stadt lebenden Mauren die Pferde einfingen
und dadurch großen Gewinn machten, deutet eher auf die erste
Bedeutung.
1787 f. Diese beiden Verse sind in der Hs. falsch aufgeteilt, und es findet sich keine Assonanz für den ersten. Eine Rekonstruktion in
Anlehnung an V. 759, 1237, 1910, 2056 und 2263 liegt nahe. Vgl. auch
Komm. zu V. 1246 f.
428
Anhang
1789 f. Von diesem Geschenk ist später nicht mehr die Rede. Ob es
sich um ein Versehen handelt oder um einen weiteren Fall von Ankündigungen, die, sobald sie ausgesprochen sind, als geschehen
gelten, obwohl sie nicht mehr erwähnt werden, lässt sich nicht
entscheiden.
1798 Der Cid gibt dem Bischof nicht nur seinen Anteil an der Beute,
sondern auch den Zehnten seines eigenen Gewinns. Die Einführung des Zehnten als Kirchensteuer ist auf der Iberischen Halbinsel
erst seit dem zweiten Viertel des 12. Jh.s belegt.
1823 f. Wieder enthält die Hs. zwei Verse, von denen der eine reimlos,
der andere zu kurz ist. Die Ergänzung der Formel que vagar no se
dan stützt sich auf V. 434, 650 und 2921. – Es ist nicht klar, um welche Bergkette es sich handelt, doch offenbar sind Berge gemeint,
die Kastilien von den übrigen Gebieten trennen.
1825 Die Boten müssen nach dem Aufenthaltsort des Königs fragen,
weil der Hof zu dieser Zeit noch keinen festen Sitz hatte.
1839 Es ist unklar, warum der König und seine Leute hier glauben,
dass es sich um ein feindliches Heer handeln könnte, oder genauer, warum gesagt wird, dass die Gesandten des Cid ohne mandado kämen, wo doch gerade die Nachricht von der Ankunft der
Botschafter dafür gesorgt hat, dass der Hof aus der Stadt herausreitet.
1852 Die Assonanz wird nicht eingehalten. Da es sich um einen Ausdruck mit formelhaftem Charakter handelt, haben wir, gestützt auf
V. 1166, den Abvers durch eine sinnidentische Formel ersetzt.
1860 ff. Erstmals nimmt die Gruppe der Feinde des Cid, auf die mehrfach hingewiesen wurde, eine fassbare Gestalt an. Dadurch wird
noch vor der Ankündigung der Versöhnung gezeigt, dass ein wichtiger Kern von Adeligen sich weiterhin durch die Anerkennung der
Leistungen des Cid bedroht fühlt.
1862 Der Graf versucht, den militärischen Siegen des Cid ihre Bedeutung zu nehmen, indem er sie als ›schändlich‹ bezeichnet.
1863 f. Der Satz wäre auch als apo koinú zu deuten: commo si los fallasse muertos kann sich sowohl auf die Könige beziehen wie auf
die Pferde, die so leicht einzufangen sind, wie wenn ihre Reiter tot
Kommentar
429
wären. Jedenfalls handelt es sich um einen Versuch, die Siege abzuwerten.
1889 Der Ausdruck ›lange nachdenken und abwägen‹ kommt im
Epos mehrfach vor (vgl. V. 1932, 2828 und 2953) und zeigt immer
an, dass die erhaltene Nachricht nicht wirklich gut ist.
1899 vistas meint nicht eine Unterredung im kleinen Kreis, sondern
wird im Epos verwendet als Bezeichnung eines förmlichen Hoftags. Dieser allerdings hat nicht den höchsten Grad der Förmlichkeit (curia extraordinaria), die als cort bezeichnet wird.
1905 onor bezeichnet normalerweise ein Lehen, wurde aber auch im
Sinne von ›territorialer Familienbesitz‹ verwendet, was es hier zu
bedeuten scheint.
1909 Minaya macht deutlich, dass er lediglich die Botschaft überbringen und sich nicht für den Ehevorschlag einsetzen wird. Ähnlich
distanziert hatte sich Minaya bereits bei seiner ersten Unterredung
mit den Infanten gezeigt (V. 1390). Im Zweifel des Königs (V. 1892)
wird ebenfalls implizit deutlich, dass die Absicht zwar gut ist, das
Ergebnis aber nicht wie erwünscht sein könnte.
1910 Der Eingriff bei nasco stellt wieder eine korrekte Assonanz in
der Formel her.
1911 Die Lesung der Hs. ist lediglich eine Umstellung der Wörter, denn
im Assonanzsystem des Epos reimt sich eine zweisilbige Endung
ue–e (fuere) durchaus auf die einsilbige Endung -ó (sabor, mojón).
1912 Ein mojón ist ein Pfahl oder Stein zur Markierung einer Grenze,
eines Territoriums oder, wie hier, eines Treffpunkts, um den herum dann ein für beide Seiten befriedetes Gebiet festgelegt wurde.
Der König erweist dem Cid eine große Ehre, indem er ihm die Entscheidung über den Ort des Hoftages überlässt. Vgl. Komm. zu
V. 3604.
1936 Die Substitution von gracia durch amor dient der Herstellung
der Assonanz und stützt sich auf V. 1325, 1924 u. a.
1938 Der Cid stellt seine eigene Lage (V. 1934 f.) derjenigen der Infanten gegenüber: Ausgehend von seiner völligen Besitzlosigkeit hat
er sich alles selbst erkämpft, während die jungen Aristokraten ihre
Ehren und Besitztümer allein ihrer Abstammung verdanken.
430
Anhang
1952 Der Eingriff dient der Herstellung der Assonanz und stützt sich
auf die parallelen Formeln in V. 2121, 3146, 3430, 3488 und 3574.
1955 f. Der Schreiber und der Versiegler sind nicht dieselbe Person,
was dem höfischen Schriftgebrauch der Zeit entspricht. Siegel wurden im 12. Jh. fast nur von Königen und hohen Adeligen verwendet.
1971 Andria dürfte sich auf die griechische Insel Andros beziehen, die
für ihre Seiden- und Zendel-Stoffe berühmt war. In der afrz. Heldenepik ist der Hinweis auf cendal d’Andre häufiger als in der spanischen.
1976 f. Im 12. Jh. und besonders zwischen 1130 und 1180 vollzieht sich
in Kastilien ein Prozess territorialer Konzentration, der weite Gebiete in den Händen der Großgrundbesitzer des Kernlands lässt,
während kleinere Landeigentümer und freie Landwirte ohne
Grundbesitz in die wesentlich lukrativeren Grenzgebiete im Süden und Südosten zogen, wo sie dank der Plünderungszüge in
muslimische Gebiete, die juristisch genau geregelt waren, schnell
zu Reichtum gelangten. Im Kernland hingegen kam es zu einem
starken Verlust an Arbeitskräften und folglich an Renten, den auch
die Einführung neuer Steuermodalitäten nicht zu beheben vermochte. Der hohe Adel verfügte also über sehr großen Landbesitz
und entsprechenden politischen Einf luss, es fehlte ihm jedoch oft
an Liquidität. Diese Opposition zwischen zwei radikal entgegengesetzten sozialen und wirtschaftlichen Realitäten prägt eindeutig
die beiden antagonistischen Gruppen im Epos.
1982 f. Der König wird begleitet von Heerscharen der drei Regierungsbereiche des Königreichs: Galicien, León und Kastilien. Sie
entsprechen den drei Reichen, in die Fernando I. (gest. 1065) das
Reich für die Zeit nach seinem Tod geteilt hatte.
1990 Die farbigen Kleider sind nicht nur festlich, sondern weisen
auch auf Reichtum hin. Man beachte die ähnliche Aufmachung bei
beiden Parteien.
1999 Diese beiden Ritter wurden soeben unter denen genannt, die
mit dem Cid auf brechen sollten, hier hingegen sollen sie in Valencia bleiben. Ob es ein Versehen des Dichters oder ein Meinungswechsel des Helden ist, bleibt unklar.
Kommentar
431
2002–02b Die Hs. schreibt beide Zeilen als einen Vers, der dann aber
metrisch zu lang ist. Im Unterschied zu anderen Fällen finden sich
hier keine Parallelstellen, die eine Rekonstruktion des ersten Halbverses stützen könnten; daher ist es vorzuziehen, hier die Lücke
offen zu lassen. – Der Cid lässt nur die Tore der Festung schließen,
um die Frauen vor etwaigen Angriffen der besetzten Bevölkerung
zu schützen.
2009 Der Eingriff am Versende stützt sich auf V. 2693 und 2775.
2011 Vgl. V. 1976 die Schulden, welche die Infanten eingehen müssen.
2021 ff. Auf Hände und Knie gestützt, erweist der Cid dem König seine Unterwerfung. Die Position entspricht orientalischen Gewohnheiten; die Praxis, dabei Gräser in den Mund zu nehmen, ist bei
zahlreichen Völkern belegt. Der König hingegen möchte nicht,
dass sich der Held zu sehr erniedrigt, und bittet ihn aufzustehen.
Der Cid hebt darauf hin die Hände vom Boden, bleibt aber noch auf
den Knien. Dies ist ein schönes Beispiel für mittelalterliche Gestik
im öffentlichen Raum.
2035 dóvos parte heißt hier ›ich lasse Euch wieder ein Teil des Reiches
sein‹, d. h. der Cid wird wieder als Vasall aufgenommen.
2036–36b Der Vers ist metrisch überlang und wird daher gewöhnlich
in zwei geteilt; zur Vervollständigung des Abverses von 2036 wird,
gestützt auf V. 2043, esta razón eingefügt.
2040 Im Unterschied zum Handkuss, der die feudale Abhängigkeit
bedeutet, zeigt der Mundkuss Frieden und Treue. Damit beendet
der Cid seine Gesten der Hingabe und Ehrfurcht gegenüber dem
König.
2058 f. War der ungeschorene Bart zuerst nur ein Gelübde, das eher
Gram ausdrücken wollte (vgl. Komm. zu V. 1239–42), so hat er sich
hier in ein sichtbares Symbol für die Anerkennung des Cid verwandelt; der erstaunliche Wuchs, der hier bewundert wird, entspricht dem ebenso schnellen Anstieg der Ehre.
2075 Der historische Rodrigo Díaz hatte tatsächlich zwei Töchter sowie anscheinend einen Sohn. Die eine Tochter hieß Cristina, die
andere María. Der Grund für den Namenswechsel dieser Figuren
432
Anhang
in Elvira und Sol konnte bisher nicht geklärt werden. Vgl. Komm.
zu V. 3723.
2077 f. Der König übernimmt die Verantwortung für diese Doppelehe, da er dem Cid befiehlt, sie anzunehmen; damit wird er in gewisser Weise auch zum Garanten für dessen Erfolg.
2082 ff. Der Cid deutet an, nicht an dieser Ehe interessiert zu sein,
denn eine Verehelichung der Töchter hat er bereits V. 1650 und 1768
in Aussicht gestellt. Daher verweist er auf die Erziehung durch den
König (wohl vor der Verbannung) und gibt sie ausdrücklich in dessen Hand.
2093 Der Tausch der Schwerter ist eine symbolische Geste der Allianz, die nicht spezifisch für Ehen ist. Auf der Iberischen Halbinsel
gibt es keine weiteren Zeugnisse; vgl. aber die Chanson de Roland,
V. 620–626.
2095 Der Vers ist zwar metrisch noch im Rahmen des Möglichen,
doch die Formulierung commo tan bueno nach Cid passt nicht gut
in den Satz und scheint eine Wiederholung von V. 2094; daher
wird sie hier getilgt.
2098 Die Übergabe der Töchter an die Ehemänner erfolgt in einem
rein symbolischen und juristischen Akt, bei dem die Frauen gar
nicht anwesend zu sein brauchen. Damit entsteht auch eine feudale Abhängigkeit der Infanten vom Cid.
2103 Es ist unklar, wozu der König den Infanten diese Summe gibt, da
auch nicht weiter auf sie hingewiesen wird. Vgl. Komm. zu V. 3231.
2110 Der Held weist ausdrücklich darauf hin, dass der König die Verantwortung für die Ehe trägt, was kompositionstechnisch später
von Bedeutung sein wird.
2115 f. Diese Verse werden in den Ausgaben gewöhnlich umgestellt,
um eine glattere Syntax herzustellen und den Sinn zu verdeutlichen. Es gibt zudem zahlreiche Parallelen, in denen die Aufzählungen zusammengestellt erscheinen (z. B. V. 1965–2012). Zu bedenken wäre allenfalls, dass in mittelalterlicher Dichtung solche Konstruktionen, in denen vorher Gesagtes wieder aufgenommen wird
(leixa-pren), nicht ungeläufig sind.
2121 ff. Diese Passage folgt einem komplexen Muster von WiederKommentar
433
holungen. Die Eheschließung und der darauf folgende Abschied
mit Einladung zur Hochzeit werden in V. 2094–2110 bzw. 2111–20
erzählt. Mit diesem V. 2121 beginnt nun eine erste Wiederholung
des Ganzen: Die Eheschließung V. 2121–26 und der Abschied
V. 2127–30. Danach folgt eine zweite Wiederholung: Eheschließung V. 2131–40, Abschied 2141–63. Bei jedem Durchgang wird Information präzisiert oder erweitert. Die Technik erinnert entfernt
an die laisses parallèles und die laisses similaires der afrz. chansons
de geste, wird aber hier durch die Beibehaltung der Assonanz stärker als Kontinuum dargestellt. Vgl. Komm. zu V. 427 f.
2129 Der Vers ist zwar grammatisch und metrisch völlig korrekt, doch
nimmt das conmigo dem folgenden Vers seine Bedeutung, und es
ist auch keine intendierte Redundanz zu erkennen. Daher wird das
Wort gewöhnlich gestrichen.
2133 Wieder einmal distanziert sich der Cid von dieser Ehe, indem er
sich weigert, die Töchter mit seinen eigenen Händen (wie er
V. 282b gewünscht hatte) den Infanten zu überreichen, und um einen Bevollmächtigten des Königs bittet, der diese Aufgabe übernehmen soll.
2144 Die Emendation der hs. Lesung .xx. in treinta (anstatt veinte), die
von den Herausgebern seit Menéndez Pidal akzeptiert wird, beruht auf der Annahme, dass dieser Absatz (V. 2141–55) eine Wiederholung, nicht eine Folge dessen ist, was bereits vorher (V. 2113–
18) erzählt wurde (vgl. Komm. zu V. 2121 ff.). Demnach wären hier
die sechzig Pferde gemeint, die bereits in V. 2118 erwähnt wurden.
Diese Annahme ließe sich eventuell durch die Crónica de Veinte
Reyes bestätigen, die bei der Prosaumsetzung dieses Abschnitts
ebenfalls von dreißig Zeltern spricht.
2155 Der Eingriff zur Herstellung einer Assonanz stützt sich auf
V. 1255 und 2141.
2172 f. Asur Gonçález ist wahrscheinlich eine fiktive Figur, die eine
kurze, aber wichtige Rolle beim Gerichtstag in Toledo spielen
wird. Im Vorgriff darauf wird sie hier bereits als wenig zurückhaltend und angeberisch charakterisiert. Obwohl es nirgends explizit
gesagt wird, scheint die Namensform (Asur Gonçález ist Sohn von
434
Anhang
Gonçalo Asúrez) diese Figur als den älteren Bruder der Infanten zu
präsentieren, weil hier nach zeitgenössischer Gewohnheit der
Erstgeborene den Namen des Großvaters übernahm und den des
Vaters als Patronymikon erhielt.
2191 Der Eingriff zur Herstellung einer Assonanz stützt sich auf
V. 1551 und 1556.
2206 Teppiche wurden nicht nur über den Boden gelegt, sondern
man behing mit ihnen auch die Wände. Sie sind selbstverständlich
als wertvolle Dekoration zu denken, die den Reichtum des Hauses
symbolisiert.
2213 Es ist unklar, ob diese Langsamkeit positiv oder negativ zu werten ist. Zum einen erscheint sie im gleichen Vers mit a sabor, das
auf Gefallen bei den Umstehenden hinweist. Zum anderen steht
sie eindeutig im Kontrast zur Eile des Cid (V. 2220) und zum Tempo der Erzählung; vielleicht meint quedos (< lat. quietus) also auch
eine Schüchternheit oder eine höfische Affektiertheit.
2225 f. Die adelige Zeremonie der traditio in manu oder Übergabe der
Braut ist hier noch getrennt vom kirchlichen Segen und geht diesem voraus.
2228 Die Frauen stehen auf, Minaya nimmt sie bei den Händen und
gibt sie in die Hände der Infanten. Man beachte, dass an keiner
Stelle erklärt wird, welche der beiden Frauen welchen der beiden
Männer heiratet; auch über ihr relatives und absolutes Alter erfährt
man nichts.
2245 Die Meinung des Cid über seine Schwiegersöhne verändert sich,
als er ihren Umgang mit Waffen und Rossen sieht. Zwar weiß er
und erkennt bald, dass sie keine Helden sind, aber die positive Einstellung wird für die Handlung des dritten Gesangs von Bedeutung sein.
2249 Vgl. Komm. zu V. 1602. Sieben tablados noch vor dem Essen zu
zerbrechen, dürfte als große Leistung anerkannt worden sein, angesichts der Schwierigkeit der Übung.
2255 Der Eingriff in den Text beruht darauf, dass der Cid das Subjekt
des Satzes ist (V. 2253) und keine Passivkonstruktion vorliegt.
2276 coplas sind primär gereimte Verse, erst in der Frühen Neuzeit
Kommentar
435
dann eine bestimmte Strophenform. Hier allerdings kann sich das
Wort auch auf die Laissen beziehen. Inwiefern cantar einen ›Gesang‹, also ein Kapitel einer Heldendichtung meint oder sich generell auf die Dichtung bezieht, ist unklar. Die Formel mit dem Segen
scheint eher den Abschluss eines Werkes zu bezeichnen; vgl. den
Schlussvers des lat. Waltharius: Haec est Waltharii poesis. vos salvet Iesus (V. 1456). Doch das passt kaum zur unmittelbaren Fortsetzung, die den längsten der drei Teile des Epos ausmacht.
Dritter Gesang
2278 Das Versende sus vasallos der Hs. folgt noch der Assonanz der
vorigen Laisse; der Eingriff stützt sich auf V. 1915, 3022 und 3105.
2280 Die Bank ist als großes Sitzmöbel mit Rücken- und möglicherweise auch Armlehnen zu denken, mit Kissen und Decken geschmückt, auf dem man sitzen, aber auch schlafen konnte. Da sie
auf massiven Beinen stand, die gesamte Lücke unter der Sitzf läche
aber wahrscheinlich mit einem schmückenden Stoff bedeckt wurde, bot sie ein gutes Versteck.
2282 Einige mittelalterliche Herrscher hielten an ihren Höfen wilde
Tiere in Käfigen. Diese waren nicht in den Wohnräumen situiert,
sondern außerhalb. Der Löwe entkommt also aus seinem Käfig
und geht in den Hofsaal.
2284 ff. Beim Erscheinen des Löwen im Saal werden drei unterschiedliche Reaktionen gezeigt, die die jeweils handelnden Figuren werten: Die Infanten verstecken sich; die Vasallen des Cid bereiten sich zur Verteidigung vor und schützen den Herrn; der Held
selbst bleibt ganz ruhig. Die Männer sind unbewaffnet und nehmen ihre Umhänge auf den Arm, um damit den Löwen abzuschrecken oder ihn abzuwehren. Der Cid lässt hingegen den Mantel an
seinem Halse hängen, geht also völlig ungeschützt auf das Tier zu.
Die Infanten kommen später blass und verschmutzt aus ihren Verstecken hervor.
2286–86b Beide Verse stehen in der Hs. in einer Zeile und bilden dadurch einen metrisch überlangen Vers. Es muss angenommen wer436
Anhang
den, dass hinter Ferran Gonçález eine Lücke vorliegt, in der möglicherweise eine erste Reaktion dieser Figur beschrieben wurde; vgl.
parallel dazu V. 2288 f. Ansätze für einen Rekonstruktionsversuch
finden sich aber keine.
2309 f. Die Infanten fühlen sich beleidigt, aber auch in juristischem
Sinne gekränkt, und zwar nicht wegen ihrer Angstreaktion, sondern wegen des Spottes, der darüber am Hof verbreitet wird. Das
erklärt sowohl ihre spätere Rache wie auch das Verbot des Cid,
weiteren Schimpf mit ihnen zu treiben (V. 2308).
2314 Bucar ist eine nordafrikanische Form des arabischen Namens
Abū Bakr. Die Figur übernimmt den Namen des Almoravidenprinzen Abū Bakr ibn Ibrāhı̄m al-Lamtūni, dessen Truppen im Herbst
1093 nach Valencia kamen, als der Cid die Stadt belagerte, sich aber
kampf los zurückzogen.
2320 ff. Das Gespräch der Infanten ist eine Serie fatalistischer Ausrufe. Sieht der Cid im Kampf stets die Möglichkeit, sich zu bereichern
(V. 2316), wovon die Infanten ja durch ihre Ehe zu profitieren suchten, so sind sie hingegen nicht bereit, sich an dem damit verbundenen Risiko zu beteiligen. Zu beachten ist auch, dass sie sich in unangenehmen Situationen (vgl. V. 2289) stets nach Carrión zurücksehnen.
2333 Der Ausdruck tener mujer pora en braços heißt nicht nur ›eine
Frau in den Armen halten‹, sondern meint auch den Ehevollzug und im allgemeinen auch die Ehe als solche (vgl. Komm. zu
V. 3449). Einige Rechtsbücher der Zeit erlaubten den Männern,
sich während des ersten Ehejahres von Kämpfen und anderen gemeinschaftlichen Diensten fernzuhalten. Das scheint der Cid hier
den Infanten als Argument anzubieten, sich aus dem Kampfe heraushalten zu dürfen.
2337 Nach diesem Vers, dem letzten von fol. 47v, fehlen ca. 48–50
Verse, weil das vorletzte Blatt der siebten Lage herausgeschnitten
wurde. Die Crónica de Veinte Reyes berichtet gleich nach dem Angebot des Cid an seine Schwiegersöhne (das hier in V. 2337 endet)
von der Ankunft eines Boten König Bucars, welcher den Helden
auffordert, Valencia aufzugeben. Der Cid macht am folgenden Tag
Kommentar
437
einen Ausfall. Dabei bitten die Infanten, an vorderster Stelle reiten
zu dürfen; Fernando reitet voran und will einen maurischen Krieger angreifen, doch als dieser sich ihm stellt und auf ihn zureitet,
macht der Kastilier kehrt und f lieht. Pero Vermúez tötet den Mauren, bringt dem Infanten das Ross des Feindes und sagt ihm, er solle es als Beweis dafür zeigen, dass er den Mann getötet habe; er selber (also Pero Vermúez) würde das bestätigen. Fernando dankt ihm
sehr dafür. Hier scheint der nächste erhaltene Vers des Epos anzuschließen. Der Bericht der Chronik wird durch die Zusammenfassung des Geschehens bestätigt, die Pero Vermúez später beim Hoftag von Toledo gibt, als er den Infanten Fernando herausfordert
(V. 3316–26). Gewiss lassen sich aus dem Text der Chronik nicht die
Verse des Epos zurückgewinnen, doch man erhält eine deutliche
Idee dessen, was geschehen ist, und versteht die Situation, mit der
V. 2338 fortfährt. Im übrigen ist gezeigt worden, dass der Auf bau
der Botenszene in der Chronik deutliche Parallelen mit dem Auftritt des Boten des Grafen von Barcelona im Epos aufweist, was die
Nutzung der ursprünglich noch vollständigen Eposhandschrift
durch die Chronik oder ihre Vorlage sehr wahrscheinlich macht.
2355 Pero Vermúez bittet den Cid um eine seinen kriegerischen Fähigkeiten besser entsprechende Aufgabe als die, die Infanten zu
hüten. Er schlägt eine Zweiteilung des Heeres in Vor- und Nachhut
vor, wobei er die Vorhut anführen möchte.
2367 Die Zurückhaltung des Helden scheint hier auf die Spitze getrieben und ironisiert. Alle Männer drängen in den Kampf, unterbreiten strategische Planungen, fordern den Helden auf, das Signal
zum Angriff zu geben (erste Zusammenstöße hat es ja bereits gegeben) – nur will der Cid noch nicht und zögert – in einem Augenblick, in dem eigentlich nicht gezögert werden darf. Die Situation
ist ähnlich wie in der Schlacht gegen Tamín und Gálvez (V. 700–
714, vgl. Komm. zu V. 707). Dem Bischof allerdings, der ebenfalls in
die Schlacht drängt, kann er einen Angriff nicht verweigern.
2373 Unter orden ist wohl nicht ein Mönchsorden zu verstehen, von
dem nirgends die Rede ist, sondern nach mittelalterlichem Sprachgebrauch der Priestorden im allgemeinen.
438
Anhang
2375 señal bezeichnet ein heraldisches Emblem, ganz gleich, ob auf
Fahne, Schild oder innerhalb eines Schildrahmens. Solche Wappenzeichen entstehen und verbreiten sich im Verlauf des 12. Jh.s.
Dienen sie zuerst dem Erkennen eines Individuums, so werden sie
bald erblich und damit institutionalisiert. Mit armas sind hier
wohl nicht Waffen gemeint, auf die sich kein sichtbares Zeichen
malen ließ, sondern der Waffenrock. Der Bischof hebt also hervor,
dass er auf dem Wimpel wie auf dem Waffenrock die gleichen Zeichen trägt. Heraldisch sind Ricke und Hirschkuh ebenso wie
Hirsch und Reh identisch und eines der häufigsten und frühesten
Tiere, die auf Wappen bezeugt sind. Der Bischof ist der einzige im
Epos, der ein Wappenzeichen trägt, was darauf hinweisen könnte,
dass sich diese Gewohnheit zur Zeit der Abfassung des Epos auf
der Halbinsel noch nicht verbreitet hatte und als Mode französischen Ursprungs identifiziert wurde.
2382 abbat konnte auch einen Priester bezeichnen, nicht unbedingt
nur den Prior eines Klosters.
2396–99 Das Prinzip des Epos scheint zu sein, die immer größer werdenden Schlachten immer kürzer zu beschreiben. Hier genügt es,
dass der Held angreift, sieben Gegner vom Pferd stößt, vier tötet
und schon ist das riesige Heer besiegt. – Da der Angriff in der Nähe
des Lagers stattgefunden hat, beginnt die Verfolgung mit der
Durchquerung und Verwüstung desselben.
2401 huebras (aus lat. opera) sind handwerkliche Verzierungen an
den Zeltstangen.
2404 ff. Die Beschreibung der Intensität der Schlacht durch das Abtrennen von Gliedern und Häuptern ist seit der antiken Epik verbreitet und findet auch in den französischen chansons de geste
zahlreiche Parallelen.
2411 Wortspiel mit den beiden Bedeutungen von tajar, dem selteneren ›vereinbaren‹ und dem gewöhnlichen ›schneiden, spalten‹. Die
Ironie in den Worten des Cid und die Angst des Maurenkönigs
kontrastieren mit der Flucht des Infanten Fernando vor dem ersten
Mauren.
2413 Die Kürzung der Artikel gegenüber dem hs. Text erklärt sich aus
Kommentar
439
der Überlänge des Verses und stützt sich auf die parallele Formulierung in V. 3662.
2426 Wie auch im Fall von Colada gibt es kein Zeugnis dafür, dass der
historische Rodrigo Díaz ein Schwert mit diesem Namen besessen
habe. Wohl aber ist ein Schwert namens Tisó im Besitz von Jaume
I. von Aragón (gest. 1275) belegt, das im Besitz der Grafen von
Barcelona blieb. Auch von Tizón gibt es Fälschungen aus dem
15./16. Jh. Interessant ist, dass die Waffe, die dem König von Marokko abgewonnen wird, keinen arabischen oder arabisierenden
Namen trägt: tizón bedeutet, wie schon das Wörterbuch von Sebastián de Covarrubias (1611) belegt, ›brennender Holzscheit‹. Der
Schwertname bezeichnet damit wohl die ›leuchtende‹ oder ›strahlende‹ Klinge.
2436 f. Vgl. Komm. zu V. 789 und 1744.
2444 Sowohl der Cid wie auch Minaya (V. 2460 f.) erwähnen, dass die
Infanten gut gekämpft haben; später (V. 2532 ff.) werden die sarkastischen Bemerkungen der Ritter am Hof dies in Frage stellen. Es ist
unklar, ob es sich um narrative Inkohärenz handelt, um einen falschen Eindruck des Cid und Minayas oder schlicht darum, dass sie
zwar gekämpft haben, aber nicht an den gefährlichsten Stellen.
2455 Dieser Vers schiebt sich, in der Position, die er in der Hs. einnimmt, zwischen die Beschreibung des ankommenden Minaya
und seine Worte. Damit stellt sich bei der hs. Lesung die Frage, wer
die folgenden Sätze spricht, ob Minaya, was wahrscheinlicher ist,
oder einer der übrigen ankommenden Ritter. Das hat die Forschung
dazu bewogen, ihn als falsch positioniert zu betrachten und über
seine mögliche richtige Position zu debattieren. Ihn hinter V. 2448
zu situieren hat den Vorteil, dass er nicht nur seiner tatsächlichen
Stellung in der Hs. am nächsten ist, sondern sich vor allem auch
zwischen die Rede über die Infanten und die über die übrigen Vasallen stellt, wozu er vom Wortlaut her sehr geeignet erscheint. Indes ist die Versreihenfolge der Hs. zwar etwas forciert, entbehrt
aber nicht der Logik: Zuerst kommt Minaya, der beschrieben wird,
dann kommen die anderen, die nicht mehr beschrieben werden,
und schließlich spricht Minaya im Namen aller.
440
Anhang
2464 Die Empfindlichkeit der Infanten ist hier überraschend. Eine
psychologisierende Deutung würde davon ausgehen, dass sie sich
bewusst sind, nicht so gut gekämpft zu haben, und die Worte des
Cid daher als Ironie verstehen. Es kann sich aber auch lediglich um
eine Vorausdeutung handeln, die zusammen mit dem späteren
Spott zu denken ist.
2481 Der Cid glaubt immer noch, dass die Infanten seinen Kriegern
hilfreich zur Seite stehen werden.
2499–2504 Nach der Niederlage des Königs von Marokko kann angenommen werden, dass die Einwohner dort einen Angriff auf ihr
Land befürchten, doch der Cid bleibt realistisch und zieht Tributzahlungen (V. 2503) vor.
2506 Vgl. Komm. zu 2278.
2522 f. Der Reim dieser beiden Verse weist darauf hin, dass sie nicht
in die Laisse 123 gehören, in der sie in der Hs. stehen, sondern in die
Laisse 124, wo sie auch, besonders an dieser Stelle, viel sinnvoller
sind. Alternativ zur Umstellung sind Eingriffe in den Reim vorgeschlagen worden, die aber allesamt eine noch größere Veränderung
des überlieferten Wortlauts bedeuten würden.
2527 Die Emendation des hs. überlieferten Reimes stützt sich auf
V. 2352, 2440 und 2725.
2530 Im Epos wird deutlich zwischen zwei juristisch belegten Formen des Ehrverlustes unterschieden, de iure und de facto. Der Cid
wird durch seine Verbannung de iure entehrt, aber nicht de facto,
weil seine Anerkennung weiterhin sehr hoch ist. Die Infanten hingegen, die theoretisch durch ihre Ehen an Anerkennung gewinnen,
erfahren durch ihre Diskreditierung eine Entehrung de facto, die
durch den Spott der Höf linge auch zu einer Entehrung de iure wird.
2538 salir apart, also das Abseitstreten für geheime Besprechungen,
hat im Epos oft negative Konnotationen.
2548 retraer ist nicht nur ›vorwerfen‹, sondern meint generell ›öffentlich berichten‹ und hier wohl ganz speziell ›öffentlich anklagen‹. Es geht somit den Infanten nicht nur darum, einen Vorwurf
zu vermeiden, sondern eine öffentliche Bestätigung ihrer Schande,
die den Rechtsbüchern zufolge zu einer Verringerung ihrer Rechte
Kommentar
441
als Adelige führen konnte. Der Versuch, dem durch einen Schadensersatz nach dem Prinzip der Talionsformel entgegenzutreten,
schlägt fehl.
2552 ricos omnes enthält wohl ein Wortspiel mit den beiden Bedeutungen des Begriffs: ›reicher Mann‹ und ›Edelmann‹, wobei hier
konkret gemeint sein könnte, dass der Reichtum den Infanten erlauben wird, weiter im Stil der Edelleute zu leben.
2557 ff. consejo bezeichnet im juristischen Sinne meist den Vorsatz
bei der Übeltat. Das wird in diesem ganzen Abschnitt dadurch
deutlich, dass die Infanten einerseits die Worte verwenden, welche die Rechtmäßigkeit der Ehe öffentlich bestätigen (V. 2562: die
gesegnete Ehe; V. 2567: das Erbrecht der Kinder), andererseits jedoch bereits die schändliche Verstoßung der Ehefrauen beschlossen haben und an künftige Ehen denken (V. 2552).
2565–67 Man erfährt hier, dass die Infanten einen Teil ihres Grundbesitzes den Ehefrauen als Morgengabe übergeben haben. Es wird
nicht gesagt, um welche Güter es sich genau handelt, doch die Infanten argumentieren, dass die Frauen ihren Besitz nun übernehmen sollen. Frauen erhielten nach geltendem Recht einen Teil der
Besitztümer des Mannes (etwa ein Drittel oder gar die Hälfte) und
konnten über diese frei verfügen, mussten sie aber für die gemeinsam gezeugten Kinder erhalten, die Recht auf einen Anteil an dieser Erbschaft hatten.
2568 f. So, wie diese Verse in der Hs. stehen, sind sie reimlos; zudem
ist der erste metrisch überlang und der zweite unterbricht die soeben angefangene Rede des Cid. Aus diesem Grund wurden sie
umgestellt, und beim (jetzt an zweiter Stelle stehenden) ersten
(V. 2568) hat man wiederum An- und Abvers ausgewechselt. Zudem wurden, um V. 2569 metrisch zu kürzen und V. 2568 wieder
einen assonanten Reim zu geben, die Epitheta Campeador und Cid
gegenseitig ausgetauscht.
2570 Der Eingriff in den überlieferten Text geschieht einerseits aus
metrischen Gründen, aber vor allem auch, weil hier offensichtlich
das en tierras de des Abverses antizipiert worden ist.
2571 Die Korrektur des hs. Wortlauts ist prinzipiell durch die fehlen442
Anhang
de Assonanz bedingt. Wir deuten den Fehler als lectio facilior: Offenbar ist hier die seltenere Form der Goldmark durch die häufigere der Silbermark ersetzt worden.
2574 In der Hs. steht vor dem de ein schwer lesbares tironisches Zeichen (τ = e ›und‹), das allerdings von späterer Hand zu sein scheint.
Es ergibt hier keinen Sinn, denn paños ist eine neutrale Bezeichnung für ›Stoff‹ und es dürften kaum Kleider aus ›Stoff‹ solchen aus
ciclatones gegenübergestellt worden sein, weil ja letzteres (entspricht mhd. ziklât) auch ein Stoff ist, und zwar ein mit Gold
durchwobenes, feines und kostbares Tuch.
2590 Der Eingriff in den überlieferten Text erfolgt aus metrischen
Gründen, der Anvers ist sonst überlang.
2613–17 Die Freude mischt sich hier wieder deutlich konstrastiv mit
dem Argwohn und dem Verdacht, die schon immer über dieser
Ehe geschwebt haben. Gleichzeitig ist Freude seit Textbeginn die
charakteristische Reaktion des Helden vor widrigen Situationen,
weil er sie stets als Chance zur Verbesserung sieht.
2621 Es geht nicht um die Überwachung der beiden Damen (dazu
hätte der Cid erfahrenere Männer geschickt), sondern lediglich um
die Inspektion der Morgengabe zur Vermeidung von Betrug.
2635 Die Lesung der Hs. ergibt einen Binnenreim, jedoch keine Assonanz am Versende. Durch die Umstellung von una noch ans Ende
gewinnt man einen korrekten Reim.
2649 Sowohl die Etymologie des Wortes alvorozes (> andalusischarab. al-burúz ›Parade‹) wie auch die spanischen Belege der Zeit
machen eine Hinzufügung des in der Hs. fehlenden l notwendig.
Vgl. einen ähnlichen Fall in V. 2669.
2656 f. Die Umstellung dieser Verse beruht auf dem Argument, dass
es sich bei den Gaben um Abschiedsgeschenke handelt, die erst bei
der Trennung gegeben werden und dabei eine Prachtentfaltung
mit sich bringen, welche die folgende Gier der Infanten weckt.
Diese Reihenfolge der Ereignisse wird bestätigt durch die Crónica
de Veinte Reyes.
2667 Ein moro latinado ist einer, der die lateinische oder in diesem
Fall konkreter die spanische Sprache kann.
Kommentar
443
2669 Vgl. Komm. zu V. 2649.
2691 ff. Atienza liegt etwa 36 km westlich von Medinaceli. Zur sierra
de Miedes vgl. Komm. zu V. 415. Einen Bergnamen Montes Claros
gibt es in dieser Gegend nicht; nur etwa 50 km südwestlich gibt es
eine kleine Berggegend, die früher diesen Namen trug, doch ein
solcher Umweg entbehrt jeder Logik, daher ist eine Verwechslung
oder Unkenntnis der Region die wahrscheinlichste Erklärung. –
Griza ist ein völlig unbekannter Ortsname; noch weniger wissen
wir über einen Neubesiedler namens Álamos und eine offenbar
weibliche Figur namens Elpha (= Elfe?). Offenbar handelt es sich
um eine lokale Erzähltradition, die nicht erhalten ist. Denkbar ist,
dass diese Sage Erzählelemente enthielt, welche die Schändung der
Töchter des Cid ankündigten.
2697 f. Der heutige Ort Robledo de Corpes liegt 17 km südlich von
Miedes de Atienza, also weit außerhalb der Route, die der Text beschreibt, der den Eichenwald unweit von San Esteban de Gormaz
situiert, welches etwa 50 km nordwestlich von Miedes liegt. Daher
ortet man den Eichenwald seit Menéndez Pidal in der Nähe von
Castillejo de Robledo (24 km westlich von San Esteban de Gormaz), wo eine Urkunde aus dem 10. Jh. ein Toponym Corpes belegt
und der Ortsname (de Robledo) die frühere Existenz von Eichenwäldern garantiert. – V. 2698 erinnert an Chanson de Roland,
V. 2271: Halt sunt li pui e mult halt les arbres.
2700 Der locus amoenus im Inneren des locus horroris ist eine topische Beschreibungsform, die vor dem Unheil, das in der Wildnis
geschehen wird, noch einen Moment des Friedens schafft. Allerdings ist das erotische Vergnügen der Infanten am Vorabend der
Schändung der Frauen eine Verstärkung ihrer Perfidie.
2705 Die Hinzufügung aus Reimgründen stützt sich auf V. 3262.
2720 f. Das Ausziehen einer ehrbaren Frau galt als schwere Beleidigung. Die Damen behalten allerdings noch Unterkleidung an (a
cuerpo meint die Kleidungsteile, die in direktem Kontakt mit der
Haut sind), das Hemd (das unterste vollständige Kleidungsstück)
und das Kleid aus gewobener Seide.
2722 f. Die Verletzung mit Riemen und Sporen galt als besonders
444
Anhang
schändlich; Riemen wurden zur Bestrafung von Verurteilten verwendet.
2725 Die Lesung der Hs. hat keine Assonanz, dafür einen Binnenreim. Der Eingriff stellt die beiden Halbverse um und ordnet den
dadurch entstehenden Abvers anders, so dass ohne Veränderung
im Wortlaut die Assonanz wiederhergestellt ist.
2736 Die Bedeutung von corredizas ist unklar, da sie sich gewöhnlich
auf Schlingenknoten bezieht. Möglicherweise ist gemeint, dass die
Riemen Schnallen hatten und dass ihr Einsatz dadurch größeren
Schmerz und tiefere Wunden verursachte.
2743 Gewöhnlich wird sin cosimente gedeutet als ›bewusstlos‹, doch
eine solche Bedeutung ist für dieses Wort nicht belegt, denn cosiment heißt gewöhnlich ›Gnade‹; sie würde auch nicht zu V. 2747
passen.
2754 f. In der hs. Form bildet die erste Zeile ein Distichon mit dem
vorigen Vers (2753), während die zweite Zeile nur einen Halbvers
enthält, der allerdings die richtige Assonanz trägt. Daher setzt man
gewöhnlich die Lücke im ersten Vers an. Man hat vorgeschlagen,
diese durch die Namen der Infanten Diego e Ferrando zu füllen,
doch das wäre das einzige Mal im Epos, in dem diese Figuren sowohl kollektiv infantes als auch einzeln beim Namen genannt werden. Daher unterlassen wir einen Rekonstruktionsversuch.
2758–61 Die Infanten behaupten nun in ihrem Stolz, die Ehe mit den
Töchtern des Cid sei eine Schande für sie gewesen. Durch ihre Bemerkung, sie hätten die Damen nicht einmal als Nebenfrauen nehmen sollen (eine Praxis, die sogar juristisch geregelt war), vermeinen sie die Töchter des Cid auf ein niedriges gesellschaftliches Niveau zu stellen, das ihre Misshandlung (welche sie auf eine Ebene
mit Prostituierten stellt) rechtfertigen und ihre Verstoßung ohne
weitere Formalitäten ermöglichen soll.
2759 f. In der Hs. stehen An- und Abvers in je einer Zeile, als ob sie
volle Verse wären. Doch der erste folgt nicht der Assonanz der
Laisse und der zweite hat keine Zäsur. Die Verbindung von beiden
zu einem Vers ergibt allerdings eine metrisch überlange Zeile.
2783 Félez Muñoz dreht die offenbar auf dem Bauch liegenden DaKommentar
445
men um, um zu sehen, ob sie noch leben, und um ihre Wiederbelebung zu ermöglichen.
2812 Torre de doña Urraca ist wahrscheinlich der heutige Hügel La
Torre, neben dem Llano de Urraca, 2 km südlich des Duero und etwa 7 km westlich von San Esteban de Gormaz. Da es sich um einen
strategischen Punkt handelt, gab es dort vermutlich einen Posten.
Offenbar will Félez Muñoz die Damen zum einen in Sicherheit
bringen, zum anderen aber dafür sorgen, dass sie in einem ansehnlicheren Zustand in San Esteban einreiten.
2831 f. ›Ehre‹ ist hier selbstverständlich ironisch gemeint, doch der
Dank für die widrige Situation, in der sich der Held beweisen
muss, entspricht V. 8 f. – Der nicht geraufte Bart symbolisiert die
Ehre des Cid; vgl. Komm. zu V. 268 und 2058 f.
2834 Der Cid betrachtet die Ehen seiner Töchter als aufgelöst, weil sie
von den Ehemännern verstoßen wurden. Hieran lässt sich wieder
das Verständnis der Ehe als Vertrag erkennen; die kanonische Vorstellung von der Unauf löslichkeit der Ehe ist dem Epos fremd. Der
Text gehört jedenfalls in eine Zeit, in der sich diese noch nicht
durchgesetzt hat.
2835–35b Beide Verse stehen in der Hs. in der gleichen Zeile.
2843 Die Truppe, die der Cid geschickt hat, kommt nach Gormaz, eine der wichtigsten Festungen auf der Verteidigungslinie entlang
des Duero. Von dort aus wird die Nachricht von ihrer Ankunft
nach San Estevan de Gormaz geschickt (V. 2845). Dies erklärt den
Eingriff in den hs. überlieferten Text.
2849 enfurción war zu jener Zeit ein Tribut in Naturalien, normalerweise Lebensmittel. Hier kann es sich aber kaum um einen Tribut
handeln, da alle Einwohner von San Esteban die Nahrungsmittel
bringen und nicht nur der V. 2814 genannte Vasall Álbar Fáñez’. Daher muss hier an ein Willkommensmahl gedacht werden.
2862–62b Die deutliche Überlänge des zweiten Halbverses lässt vermuten, dass hier zwei Verse durch Verlust eines Hemistichions
verschmolzen wurden. Möglicherweise stand in der als Lücke markierten Stelle eine Orts- oder Zeitangabe.
2864 Die Lesung der Handschrift ergibt wenig Sinn. Bislang hat man
446
Anhang
angenommen, otro tanto sei eine Verlesung (lectio facilior) von conortado, doch im Epos regiert bei Partizipien die Konkordanz mit
dem Objekt, nicht mit dem Subjekt; es müsste also conortadas heißen, was eine Verlesung unwahrscheinlicher macht. Demgegenüber wird hier eine Verlesung aus conortando vorgeschlagen, was
den Eingriff minimalisiert.
2875 Fast alle Herausgeber kürzen die Lesung der Hs., weil sie metrisch überlang und geographisch unrichtig ist.
2875–77 Alcoceva ist keine Ortschaft, sondern eine Schlucht, die
15 km östlich von San Esteban de Gormaz in das Duero-Tal mündet. 10 km südöstlich davon befindet sich die heute verlassene Ortschaft Vadorey, die an einer Furt lag, durch die das Gefolge den
Fluss überquert. Berlanga liegt wiederum 8 km südöstlich.
2911 Der Cid versucht klarzumachen, dass die Schande der Verstoßung der Frauen allein auf den König fällt, der ja die Ehe angeregt
und durchgeführt hat. Die Misshandlung der Frauen allerdings
betrifft juristisch auch den Cid, und dafür verlangt er Rechenschaft.
2914 Der Cid überlässt dem König die Art der Hofversammlung, bei
der der Gerichtsfall verhandelt werden soll. Vgl. Komm. zu V. 1899
und 2962 f.
2923 ff. Die Aufzählung der dem König unterstellten Gebiete dient
wohl der Erhebung seiner Figur in dem Moment, in dem er als Garant für das Recht in seinem Reich angerufen wird. – las Asturias
umfasst sowohl das heutige Asturias wie auch das moderne Cantabria. San Çalvador meint den Dom von Oviedo, der dem Heiland
geweiht ist. Santi Yaguo ist Santiago de Compostela.
2934 Die Lesung der Hs. enthält eine vorgezogene Wiederholung des
folgenden Verses, die gestrichen wird.
2950 f. Muño Gustioz weist darauf hin, dass die Schande des Königs
größer ist als die des Cid. Der Hinweis im folgenden Vers bedeutet,
dass der König als oberster Richter die juristische Lage und die Art,
wie sie ihn betrifft, sehr genau einschätzen kann.
2962 f. Dieses Distichon mitten im Monolog des Königs ist oft als fehlerhaft gedeutet und emendiert worden. Es hat jedoch durchaus
Kommentar
447
seine Gültigkeit, wird hier aber als gesonderte Laisse dargestellt.
Als Ehrerbietung gegenüber seinem guten Vasallen, aber möglicherweise auch, weil er selbst betroffen ist, beruft der König die
höchste Form der Gerichtsverhandlung ein, die cortes oder curia
extraordinaria.
2967 Laissenenjambement ist äußerst selten im Epos und daher besonders auffällig.
2982 Die Anwesenheit beim Hoftag war Pf licht. Der König droht
diejenigen, die nicht kommen, mit der ira regis zu belegen, was
den Bruch der Vasallen-Beziehung und die Verbannung bedeutete,
wie dem Cid zu Beginn des Epos geschehen war.
2988 Die Verwandten sind die wichtigsten Rechtsbeihilfen im mittelalterlichen Rechtswesen. Ihnen gesellt sich V. 2997 ff. noch ein
Erzfeind des Cid hinzu.
3002 Anrich meint Heinrich von Burgund (gest. 1114), Neffe der zweiten Ehefrau von Alfons VI., Constanze, und Graf von Portugal (damals nur die Gegend um Porto) und Coimbra; Remond war dessen
Cousin und politischer Rivale Raimund von Burgund (gest. 1107),
ebenfalls Neffe der Königin, Graf von Galizien und Ehemann von
Urraca, der Tochter und Erbin Alfons’ VI.
3003 Alfons VII., König von Kastilien und León, führte zumindest ab
1135 den Titel totius Hispaniae Imperator (›Kaiser über ganz Hispanien‹), eine Bezeichnung, die die Überlegenheit über die anderen
Königreiche der Halbinsel (Aragón, Navarra und Portugal) ausdrücken wollte, was in gewisser Weise richtig war. Dieser historische
Hinweis im Epos ist sehr genau, denn Graf Remond war tatsächlich der Vater Alfons’ VII.
3004 Fruela oder Froila Díaz war Graf von León, Astorga und Aguilar
und Hofmeister von Raimund von Burgund; Beltrán könnte
Beltrán de Risnel meinen, einen einf lussreichen Mann am Hofe
von Königin Urraca I. Da aber Beltrán nicht in die Assonanz passt,
bleibt es ungewiss, ob der Name richtig ist. Denkbar ist auch eine
Umkehr der Halbverse in el conde don Beltrán e el conde don Fruela,
da eine ue–a-Endung im Reimsystem des Epos durchaus eine Assonanz mit -ó bildet.
448
Anhang
3005 Die sabidores waren die Rechtskundigen, besonders was das
seit Ende des 12. Jh.s neu auftretende Rechtswesen betraf, das unter
dem Einf luss des römischen Rechts stand. Die größere Komplexität der Rechtsordnung führte dazu, dass juristische Prozesse zunehmend in die Hände dieser Experten gegeben wurden und dass
sie als beratende Mitglieder der königlichen curia auftraten.
3009 Der Vers ergibt nur Sinn, wenn er unmittelbar hinter V. 3007
steht.
3014 Die verzögerte Ankunft des Cid dient einer gewissen Spannung, die den späteren Auftritt umso bedeutender macht.
3047 San Serván ist die Klosterveste San Servando, am linken TajoUfer und außerhalb der Stadtmauer. Die Übernachtung an diesem
Ort hat nicht nur religiöse Gründe, sondern geschieht auch aus kalkulierter Umsicht: Es sind hinterlistige Absichten der Infanten
und ihrer Partei zu befürchten, und der Großteil der Truppe ist
noch nicht angekommen.
3053 In der Lesung der Hs. bilden dieser und der folgende Vers ein Distichon, das mit der Assonanz der Laisse bricht. Im folgenden Vers
lässt sich die Assonanz durch Umstellung leicht wiederherstellen.
In diesem Vers kann es entrado als lectio facilior von entrado ha gedeutet werden.
3057 Der Cid führt dieses Gespräch nicht mit Gott, sondern mit seinen Männern, weil es neben der Andacht auch um die strategische
Planung des Auftritts am folgenden Tag geht.
3060 Der Eingriff alba > albores zur Herstellung der Assonanz stützt
sich auf V. 235, 238 und 3545.
3075 Unter den Ringrüstungen hat man ein Wams aus Leder angelegt, um den Körper besser vor Schlägen und Reibung zu schützen
und um das Gewicht zu verteilen.
3076 Die Mannen des Cid tragen Kleider über den Rüstungen, die
diese verdecken. Offenbar befürchtet man einen Übergriff, will
aber nicht provozierend in Waffen beim Hoftag erscheinen. Diese
waren zwar erlaubt, doch dürfte das Erscheinen eines Höf lings in
Ringrüstung eine Ausnahme gewesen sein. Wenn der Cid die Bewaffnung verdeckt, so geht es ihm darum, Schutzlosigkeit vorzuKommentar
449
täuschen; er hat nicht die Absicht, Gewalt auszuüben, sondern
trifft lediglich Vorsichtsmaßnahmen.
3077 Schwerter hatten einen Kern aus weicherem, karbonarmem
Stahl, der sie resistent machte, während die Schneide gehärtet
wurde, um einen besseren Schliff zu erlangen und Kerben zu vermeiden.
3080 desobra ist ein hapax legomenon von unsicherer Bedeutung. Es
meint offenbar eine ›üble Handlung‹, lässt sich jedoch nicht weiter
präzisieren. Es wurden auch Verlesungen von desondra ›Ehrlosigkeit‹ oder von desabor ›Missfallen‹ vorgeschlagen.
3094 ff. Der Cid bedeckt seine Haare mit einer Haube und bindet sich
den Bart mit einem Band zusammen, um beides vor möglichen
unerlaubten Griffen seitens seiner Feinde zu schützen, was für ihn
eine Schande darstellen würde.
3112 Gemeint ist Garcí Ordóñez, der eine Zeitlang Gouverneur der
Ortschaft Grañón war und zu jener Zeit diesen Beinamen erhielt.
In mittelalterlicher Ikonographie stehen krause Haare gewöhnlich
für Wildheit, Verrücktheit oder Hochmut.
3116 Es handelt sich bei dieser Formulierung des Königs um eine Höflichkeitsformel, die nicht wörtlich verstanden werden darf, die
aber auch nicht unbedeutend ist.
3118 f. Der Cid weist höf lich das Angebot des Königs zurück, sich auf
den Ehrenplatz zu setzen, wodurch er einerseits nicht zu stark hervortritt oder gar die protokollarische Ordnung stört, andererseits
in der sicheren Umgebung seines Gefolges bleibt.
3125 aguisamentos sind eigentlich Kleider, Schmucksachen oder sonstiges Zubehör, meint hier aber allgemeiner alle Maßnahmen, die
der Cid getroffen hat, um Bart und Haare zu schützen.
3134 Es geht bei diesem Gerichtsverfahren nicht darum, die Tatsachen zu belegen, denn alle Teilnehmer kennen sie und akzeptieren
sie als wahr. Auch die Infanten versuchen nicht, sie zu leugnen,
sondern lediglich, sich zu rechtfertigen.
3135 alcaldes < andalusisch-arab. al-qád·i (dt. »Kadi«); Richter konnten
nur hohe Adelige sein.
3135–35b Die Zeile ist so, wie sie in der Hs. steht, metrisch überlang.
450
Anhang
Daher machen die Herausgeber gewöhnlich zwei Verse daraus. Die
Lücke im ersten Vers (denn der zweite ist als geschlossene Formel
öfters belegt) ist verschiedentlich gefüllt worden, doch scheint es
das Beste, sie als solche hinzunehmen.
3147 amor ist in diesem politischen und juristischen Kontext das Gegenteil von ira, bezeichnet also sowohl eine affektive wie eine politische Form der Verbundenheit.
3167 Die Partei der Infanten glaubt, dass mit der Rückforderung der
Schwerter die Anklage des Cid beendet sei, weil er nichts Weiteres
gesagt hat (fincó la boz) und weil gewöhnlich die Forderungen alle
zusammen gestellt wurden. Daher werden sie gleich darauf, als der
Cid seine 3000 Mark zurückverlangt, argumentieren, die Klage sei
bereits abgeschlossen gewesen.
3180 Die Ellipse des Subjekts in der Hs. macht fraglich, wer der Empfänger der Schwerter ist. Die letzte Nennung des Helden liegt zu
weit zurück, als dass ein Bezug klar wäre. Die Einfügung el Cid im
Anvers versucht, dies klarzustellen.
3188 Im überlieferten Text wird hier nicht präzisiert, welchem seiner
Neffen der Cid dieses Schwert gibt, während V. 3191 sehr wohl der
Empfänger des anderen genannt wird. Da zudem der Anvers sehr
kurz ist, wird angenommen, dass der Name fehlt, der in der Crónica de Veinte Reyes an dieser Stelle sehr wohl genannt und von dort
in unseren Text übernommen wird.
3197–97b Beide Verse stehen in der Hs. in einer Zeile. Da das Subjekt
zu acaeciere fehlt und zudem der Vers metrisch überlang ist, darf
hier davon ausgegangen werden, dass es sich um zwei Verse handelt und dass der Abvers des ersten fehlt.
3212 Am Ende des Verses hat der Schreiber mit anderer Tinte dixo el
rey (›sagte der König‹) hinzugefügt, was offensichtlich falsch ist,
weil aus dem Vers unmissverständlich hervorgeht, dass hier die
Richter sprechen. Die nachträgliche Hinzufügung kann also missachtet werden.
3215 Der Vers beginnt in der Hs. mit den Worten Dixo albarfanez,
was wiederum nicht stimmen kann, weil eindeutig der Erzähler
spricht. Ein Grund für diese Verschreibung ist nicht erkenntlich. –
Kommentar
451
Die Form levantados ergibt nur dann Sinn, wenn man das s als apokopiertes und enklitisch angehängtes es deutet, wie wir es hier tun.
3216–16b Beide Verse stehen in der Hs. in einer Zeile und ergeben ein
zu langes Gebilde, das zudem in der Mitte eine Assonanz trägt.
3231 Es ist unklar, warum der König eine solche Summe von den Infanten erhalten haben sollte. Man hat argumentiert, dass es sich
um eine vorausgezahlte Strafe für die Verstoßung der Ehefrauen
handeln könnte, doch dann wäre zu fragen, warum er ihnen das
Geld zurückgibt. Es geht wohl vornehmlich um die Darstellung:
Es wird gezeigt, dass die Infanten nicht einmal mit der Hilfe des
Königs den Betrag zurückzahlen können.
3233 Die Lesung der Hs. ist sinnlos. Die Emendation nimmt vorweg,
was in den folgenden Versen bis zum Ende der Laisse gezeigt wird:
dass die Infanten (wie der gesamte hohe Adel) zwar endlose Ländereien besitzen, die ihnen ihren Stand sichern, aber kein Geld haben. Dies kontrastiert stark mit der Lage des Cid, der ein zwar strategisch wichtiges, aber nicht so großes und vor allem gefährdetes
Land besitzt, dafür aber Geld in großen Mengen. Diese Gegenüberstellung der ricos omes oder Großgrundbesitzer des Kernlandes, von altem Adel, doch mit wenig beweglicher Habe, und der
infançones der Grenzgebiete, Leute von geringerem Adel und mit
wesentlich kleinerem Grundbesitz, die aber dank der Kriegsbeute
über große Mengen beweglicher Güter verfügten, ist typisch für
das Ende des 12. Jh.s. Sie hat für das Epos aber auch eine deutliche
moralische Komponente, weil der Held nicht nur adeliger Abstammung ist, sondern zusätzlich das Verdienst der eigenen Tat verkörpert, die virtus also nur im Zusammenhang mit der guten Handlung fortuna bringt.
3236–36b Beide Verse stehen in der Hs. in einer Zeile, wodurch der
Abvers überlang wird. Zudem führt fabló sonst im Epos nie im
gleichen Vers eine Rede ein. Daher wird hier eine Lücke angenommen, die in Anlehnung an V. 1866 und 2043 gefüllt wird.
3257 Die Herausforderung war eine Form, Ehrenklagen vor öffentlichen Gerichten auszutragen. Sie darf nicht verwechselt werden
mit privaten Duellen.
452
Anhang
3258–59b Durch Hinzufügung von de Carrión hinter ifantes werden
aus diesen beiden Versen, dessen erster die Assonanz nicht erfüllt,
drei reguläre assonierende Verse.
3268 Dies ist die konkrete Beschuldigung des Cid gegen die Infanten
von Carrión. Er fordert vom Hoftag, dass dieser offiziell den geringeren Wert oder die Schande der Infanten erklärt, was diese auf
unbestimmte Zeit von jeglichem Amt, vom Gefolge eines hohen
Herren oder von der Möglichkeit, Dritte zu vertreten, fernhalten
würde.
3272 ff. Die Verteidigung der Infanten durch den Grafen Garcí Ordóñez beginnt mit einem ironischen Satz über die juristische Erfahrung des Cid, bietet dann aber nur das von den Infanten selbst gegebene Argument des höheren Standes auf, was trotz seiner rhetorischen Frage V. 3277 für Leser und Anwesende falsch ist, weil
beide wissen, dass es der König selbst war, der auf Bitten der Infanten diese Ehe geschlossen hat.
3288 ff. Jemandem den Bart zu raufen war eine schwere Kränkung,
die in manchen Rechtsbüchern mit der gleichen Strafe belegt wurde wie die Kastration. Doch eine Straftat existiert im mittelalterlichen Recht nur bei Erhebung einer Klage durch die betroffene Partei. Für eine Schändung eine Rechenschaft zu fordern, war Pf licht;
andernfalls ging die Schande auf den nicht handelnden Betroffenen über. Offensichtlich ist das beim Grafen Garcí Ordóñez der
Fall, der nun mit der Veröffentlichung dieser Geschichte mit einer
Schande belegt wird, die es ihm nicht erlaubt, als Anwalt Dritter
im Rechtsverfahren zu handeln, weswegen ab V. 3291 der Infant
Fernando selbst spricht. Darüber hinaus aber zeigt der Cid wiederum gegenüber dem Argument des höheren Standes, dass der Adel
nicht nur eine Frage des dynastischen Geschlechts ist, sondern
auch des Verhaltens, ein Bereich, in dem er den anderen hohen
Grafen weit überlegen ist. Im übrigen ist darauf zu achten, dass die
Binnenassonanz zwischen Cabra und barba neben dem Orts- auch
den Tiernamen anklingen lässt, was die bösartige Ironie des Verses
steigert.
3298 Die Scheidung zwischen den hohen Grafen (condes, ricos omes)
Kommentar
453
und den infançones (vgl. Komm. zu V. 3233), die hier der Infant versucht, war nicht rechtlich, denn beide Adelsklassen besaßen gleiche Privilegien, sondern eine Frage von wirtschaftlicher Macht und
Prestige. Wenn der Infant hier versucht, sie zu einer juristisch verankerten Differenz zu erheben, so zeigt seine Niederlage beim
Hoftag, wie das Epos die grundlegende Einheit des Adelsstandes
und damit auch die Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb desselben
unterstützt. Auch die Ehe der Töchter des Helden mit den Thronfolgern von Navarra und Aragón macht dies deutlich.
3302 Das Wortspiel mit der Wortkargheit des Pero Vermúez und dem
zweiten Teil seines Nachnamens (pseudoetymologisch aus vir mutus abgeleitet?) führt den Appell an den Verwandten ein, die Herausforderung zu formulieren und zu übernehmen.
3307 Pero Vermúez stottert nicht, wie die Chroniken behaupten und
die frühe Forschung glaubte, sondern er hat, weil er ein schweigsamer Charakter ist, Schwierigkeiten anzufangen. Sobald er aber begonnen hat, erweist er sich als Redner ebenso tüchtig wie auf dem
Schlachtfeld: seine Herausforderung ist die längste von den dreien.
3318b Der Vers steht in der Hs. in der gleichen Zeile wie der vorige.
3328 Die Synekdoche zeigt bildlich den leichtfertigen (und böswilligen) Redner an, der jedoch seinen Worten nicht die entsprechende
Handlung folgen lassen kann; also das genaue Gegenstück zu Pero
Vermúez.
3344 lidiar bedeutet, eine Anklage in einem richterlichen Zweikampf
unter Beweis stellen.
3359 Diego Gonçález bezieht sich als erster explizit auf die gewaltsame Schändung der Frauen: Sollte dafür keine Rechenschaft gesucht oder erhalten werden, würde sie fortan als Entehrung auf
ihnen lasten.
3366 Die Kleider Diegos waren so verdreckt, dass sie nicht mehr gereinigt werden konnten. Der Schmutz des Verstecks steht für seine
Schande.
3373 ff. Asur Gonçález ist offenbar der ältere Bruder der Infanten (vgl.
Komm. zu V. 2172 f.). Juristisch ist seine Teilnahme an den Herausforderungen nicht gerechtfertigt; eher entspricht sie der Solidarität
454
Anhang
zwischen den Verwandten sowie vor allem der literarischen Konstruktion von drei Einzelkämpfen. Sein ungepf legtes Aussehen
brandmarkt ihn als schlechten Höf ling und setzt ihn mit seinem
Bruder Diego in Beziehung, der sich ebenfalls heillos verschmutzt
hatte.
3379 f. Der Fluss Ovirna (heute Ubierna) f ließt durch Vivar, die Heimat des Cid. Asur versucht, den Cid zu erniedrigen, indem er auf
seine unbedeutende Wirtschaft als Eintreiber von Mühlensteuern
hinweist. – picar meint das Aufrauhen der durch Abnutzung geglätteten Mühlsteine zum besseren Mahlen des Korns.
3394 Die Namensform der Hs. Siménez (hier wie auch in V. 3417 und
3422) bricht nicht nur die Assonanz, sondern weicht auch von der
Form Simenoz (mit Betonung auf dem Suffix) bzw. von seiner Variante Xemenós ab, welche für historische Personen der Zeit solide
dokumentiert sind. – Eine historische Identifizierung der beiden
Figuren im Vers ist nicht gesichert.
3395 f. Ohne die beiden del behauptet der hs. Text, die Prinzen von
Navarra und Aragón selbst hätten den Saal betreten. Das passt jedoch nicht zur folgenden Beschreibung und den Reden, die klar
machen, dass es sich um Gesandte handelt, die im Namen ihrer
Herren die Brautwerbung vortragen. Die Crónica de Veinte Reyes
bestätigt die Korrektur.
3399 f. Die hier vorgeschlagenen Ehen mit zwei Thronfolgern entschädigen Elvira und Sol für ihr Leid und bestätigen den sozialen
Aufstieg des Cid, der seine Töchter mit Königssöhnen verheiraten
kann, wie die Infanten es für sich beim Hoftag gefordert – und
nicht erreicht – haben. Die Formulierung a ondra e a bendición
meint ›als rechtmäßige Ehefrauen‹, was mit der Behauptung der
Infanten kontrastiert, sie seien es nicht einmal wert, ihnen als
Konkubinen zu dienen.
3430–66 Wegen der wichtigen Rolle, die er bei der Eheschließung gespielt hat, muss Minaya bei Gericht intervenieren. Kämpfen darf er
aber nicht, weil er ein alter ego des Helden ist und damit die Delegierung der Kämpfe an Untergebene – welche ja die Erniedrigung
der Infanten vorwegnimmt – nicht greifen würde. Daher erteilt
Kommentar
455
ihm der Erzähler erst das Wort, als der Urteilsspruch bereits gefallen ist (V. 3390) und der König seine Beteiligung an den Kämpfen
unterbinden kann.
3443 Das Patronymikum Vanigómez ist zusammengesetzt aus dem
christlichen Namen Gómez und aus der andalusisch-arab. Vorsilbe
bani ›Söhne von‹. Es bezeichnete das im 10. Jh. erstmals bezeugte
Adelsgeschlecht, von dem die Grafen von Carrión abstammten,
wenngleich am Ende des 11. Jh.s die bedeutendste Linie dieser Dynastie die der Ansúrez war, denen dem Epos zufolge die Infanten
Diego und Ferrando angehörten.
3449 Die Lesung der Hs. stört nicht nur die Assonanz, sondern sie
bricht auch die feste Redewendung aver pareja pora en braços ›eine
legitime Ehefrau haben‹ (vgl. Komm. zu V. 2333). Der Eingriff ersetzt das überf lüssige letzte Verb (aver und tener bedeuten dasselbe) durch die im Text übliche Formulierung amas a dos, die auch
die Assonanz wieder herstellt.
3457 Gómez Peláez (gest. 1118) war ein leonesischer Adeliger aus dem
Geschlecht der Vanigómez und Schwiegersohn von Garcí Ordóñez.
3470 Die Infanten haben alle ihre Waffen und Pferde hergeben müssen, um dem Cid die 3000 Mark Goldes zu erstatten. Nun müssen
sie zuerst in ihre Heimat zurück, um neue zu besorgen.
3478 In Urkunden ist die Formulierung como vasallo faze a señor
häufig belegt. Das könnte hier eine Fehlschreibung der Hs. erklären. Denn an dieser Stelle ist ja genau die Umkehrung der Situation von Bedeutung, die einen Kontrast z. B. zu V. 2948 herstellt,
wo der Cid den König um Recht bittet ›wie ein Vasall seinen
Herrn‹, und auch eine radikale Veränderung der Anfangssituation,
V. 20, als der gute Vasall keinen guten Herrn hatte.
3492 Ein capiello war eine hohe, zylinderförmige Hauptbedeckung
ohne Krempe, bestehend aus einem hölzernen Gerüst, das von
kostbaren Stoffen ummantelt wurde, die obendrein mit Stickereien, Bändern oder Juwelen ausgeschmückt werden konnten.
3496 Die hs. Lesung ist grammatisch nicht falsch, aber inhaltlich problematisch. Folgt man ihr, so gehen die Grafen auf den Cid zu.
456
Anhang
Doch das Subjekt des Folgesatzes ist, wie das des vorangehenden,
der Cid. Somit ergibt sich ein zweifacher unerklärter Subjektwechsel, der den Eingriff rechtfertigt. Zudem ergibt sich durch diesen
ein metrisch korrekterer Vers. Dessen Inhalt wird im übrigen
durch die Chroniken gestützt: Der Cid geht auch dort auf die Grafen zu.
3500 ff. Der Cid bezeugt wieder seine Freigebigkeit und erlässt dem
König die Auszahlung der 200 Mark, die dieser für die Infanten
auf bringen wollte.
3507 Auf diesen Vers folgt eine Lücke von einem Blatt (das letzte der
10. Lage, zwischen den heutigen Blättern 69 und 70), das wie im
Fall der Lücke nach V. 2337 herausgeschnitten wurde und einen
Verlust von 48–50 Versen verursachte. Die daran anschließenden
Verse machen deutlich, was in der verlorenen Textpartie geschehen ist: Der König hat beim Ausritt aus der Stadt den Helden gebeten, sein Ross Bavieca vorzuführen; dieser hat es getan, und der
König staunt. Auch in diesem Fall bestätigen die Chroniken diese
Handlung, besonders die dem Text des Epos sehr nahestehende
Crónica de Veinte Reyes. Diese erwähnt noch vor dem Ausritt aus
der Stadt, dass der Cid die Boten aus Navarra und Aragón reich beschenkt. Es ist nicht sicher, ob es im fehlenden Blatt einen Laissenwechsel gab; der folgende Text hat jedenfalls die gleiche Assonanz
wie der vorangehende.
3524–25b Die hs. Lesung ist an sich korrekt, weicht aber zum einen
von anderen Vokativ-Reihungen des Epos ab und ist zum anderen
im zweiten Vers metrisch überlang. Die Verse 1458, 2169, 2177 und
3065 belegen die häufige Verbindung von Pero Vermúez und
Muño Gustioz im gleichen Vers. Die einfachste Lösung ist daher,
hinter Martín Antolínez sein übliches Epitheton el burgalés de pro
einzufügen (vgl. V. 736, 1992b, 2837, 3066, 3191). Es ergeben sich so
drei korrekte Verse mit richtiger Assonanz.
3529 Um den Gerichtskampf zu verlieren, genügte es nicht, besiegt
oder getötet zu werden, sondern man musste sich ergeben oder
die vor Gericht aufgestellte Behauptung oder Anklage zurücknehmen.
Kommentar
457
3555 f. Der zweite Vers ist in der Lesung der Hs. deutlich überlang; zudem steht die gemeinsame Nennung von Colada und Tizón stets
im Abvers und füllt diesen aus (V. 2575, 3153, 3175, 3201). Andererseits müssen die Schwertnamen vorkommen, sonst wird nicht
klar, dass es um die ausgezeichneten Waffen des Cid geht; denn
Schwerter im allgemeinen müssen im Gerichtskampf dabei sein.
Daher erklärt sich die Streichung von las espadas tajadores. Diese
Formulierung bleibt jedoch auffällig.
3558 f. conloyó ist 3. Pers. Sing. Prät. von conlo[y]ar (> lat. cumlaudare)
und bedeutet, im juristischen Sinne, ›gewähren‹. Der König, der
die Waffen bestimmen konnte, die im Gerichtskampf zu verwenden waren, schlägt den Infanten die Bitte ab, weil sie nicht zur
rechten Zeit und am rechten Ort vorgebracht wurde.
3559–61 Die Rede ist weiterhin von den Schwertern: Wenn die Infanten gute Schwerter haben, so werden sie ihnen nützen; doch
ebenso werden den Männern des Campeador ihre guten Schwerter
nützlich sein.
3575 Der fiel ist der Kampfrichter, der darauf achtet, dass alle Regeln
erfüllt werden, und den Sieger bezeichnet; seine Entscheidungen
sind unanfechtbar (vgl. V. 3594).
3604 ff. Die mojones (vgl. auch V. 3588 sowie Komm. zu V. 1912) sind
hier die Pfähle, die den Kampfplatz abstecken. Ohne Erlaubnis außerhalb dieses Areals zu treten bedeutete die Niederlage. Die Zuschauer entfernen sich jedoch gut 20 Meter vom abgesteckten Platz
sowohl wegen der Übersichtlichkeit wie vor allem wegen der Gefahr, dass ein Reiter herausgestürmt kommt oder herausgedrängt
wird.
3610 Um den Verdacht einer Favorisierung zu vermeiden, wurde die
Seite, von der aus die Kämpfer zu starten hatten, ausgelost. Zudem
wurde die Richtung des ersten Ansturms im rechten Winkel zur
Sonne ausgerichtet, damit niemand geblendet werden konnte; dies
nannte man partir el sol, wörtlich ›sich die Sonne aufteilen‹.
3623 In diesem Moment, in dem drei Reiter gleichzeitig aufeinanderstoßen, greift der Dichter zu der (schon an anderen Stellen verwendeten) Technik der konsekutiven Erzählung von Gleichzeitig458
Anhang
keit: nicht nur die Kämpfe werden hintereinander erzählt, sondern
auch die Lanzenstöße, die im selben Moment stattfinden, nämlich
beim Aufprall der beiden gegenerischen Reiter.
3634 ff. Die Formulierung tres dobles de loriga bedeutet nicht, dass
Ferrán drei Kettenhemden übereinander trägt, was ihn beinahe bewegungsunfähig machen würde, sondern eine besonders verstärkte Rüstung, bei der in jeden Ring nicht vier weitere eingehängt
sind, sondern eine größere Anzahl, so dass ein dichteres Gewebe
entsteht. Insofern ist die Formulierung von V. 3635, dass die ›ersten
beiden‹ zerreißen, ein wenig irreführend, weil die dobles offenbar
als ›Lagen‹ verstanden werden. Gemeint ist wohl, dass das Kettenhemd nur zum Teil aufreißt, dennoch aber zusammen mit dem
Lederwams und dem Hemd von der Lanzenspitze in die Brust gerammt wird.
3644 f. Der Akt des Sich-Ergebens bedeutet eine förmliche Rücknahme dessen, was man vor Gericht behauptet hat. Die Kampfrichter
müssen dies jedoch erst annehmen, damit der Kampf für beendet
erklärt werden kann.
3646 Da der erste Halbvers in der hs. Lesung überlang ist, wird die
auch V. 3662 belegte apokopierte Namensform eingesetzt.
3652 monclura ist hapax legomenon, doch scheint ziemlich klar, dass
es sich um die Riemen handelt, die den Helm an die Ringhaube
binden. – Vgl. einen sehr ähnlichen Schwertstreich im afrz. Rolandslied: Trait ad l’espee, le punt est de cristal. / Si fiert Naimun en
l’elme principal. / L’une meitiet l’en fruissed d’une part; / Al brant
d’acer l’en trenchent. v. des laz. / Li capelers un dener ne li valt: /
Tranchet la coife entresque a la char, / Jus a la tere une piece en abat
(V. 3431–37).
3661 ff. Martín Antolínez schlägt diesmal mit der f lachen Klinge. Diego ist dennoch so erschrocken, dass er sein Schwert gar nicht gebraucht und sein Ross rückwärts treibt, bis es aus dem Kampfplatz
hinaustritt.
3662 f. ensayava steht in der Hs. allein in einer Zeile; diese wird daher
gezählt, auch wenn das Wort zum Vers der vorigen Zeile gehört.
3691 f. Nun greift Gonçalo Assúrez, der Vater der Infanten, ein, der
Kommentar
459
nicht nur die Tötung des Sohnes vermeiden möchte, sondern explizit die Niederlage erklärt. Daher der Hinweis auf die Kampfrichter, die dies zur Kenntnis nehmen.
3694 Dass der König die Waffen der Besiegten behielt, war gesetzlich
verankert.
3698 Es ist bemerkenswert, dass trotz des gewonnenen Gerichtskampfes und der Anwesenheit des Königs und seines Hofes sich
die Mannen des Cid bei Nacht davonstehlen müssen. Zum einen
mag hier auf recht realistische Weise der Mangel an Sicherheit trotz
juristischer Garantie gezeichnet sein. Andererseits aber könnte der
Autor auch die Kontinuität der Bedrohung durch die Familie der
Infanten über den konkreten Fall hinaus gezeichnet haben wollen.
Sie akzeptieren das Ergebnis nicht und bleiben Antagonisten des
Helden.
3702/3705 Die Erniedrigung der Infanten ist nicht nur moralisch,
sondern ganz konkret juristisch, da die Anklage auf menos valer
lautete, was den Ausschluss vom Hofe, aus jeglicher bedeutender
öffentlicher Aktivität und die Einschränkung des Umgangs mit anderen hohen Adeligen bedeutete.
3715 Die Erbgüter in Carrión waren den Damen als Morgengabe übergeben worden. Da der Bruch der Ehe nicht durch ihr Verschulden
zustande kam, bleibt die Morgengabe ihr Eigentum; vgl. Komm zu
V. 2565–67.
3723 In Wirklichkeit wurden die Töchter des Cid nicht Königinnen
von Navarra und Aragón (die zu Zeiten des Cid ein gemeinsames
Königreich bildeten). Cristina heiratete ca. 1094–99 den Infanten
Ramiro, ein Mitglied der königlichen Familie von Navarra, und
erst ihr Sohn García Ramírez wurde 1134 zum König über dieses
Land ernannt. María heiratete gegen 1099 den Grafen Ramón Berenguer III., damals Graf von Barcelona, Girona und Osona, später
auch von Provence und Cerdanya.
3724 Im oy, ›heute‹, f ließen die Erzählzeit und die erzählte Zeit ineinander, die so den Lebensweg des Helden krönen. Zum einen erreicht seine Familie den höchsten sozialen Status, der dem der Verbannung gegenübersteht, zum anderen wird unterstrichen, dass
460
Anhang
den späteren Königen der Halbinsel noch Ehre durch ihre Verwandtschaft mit Rodrigo Díaz zuteil wird.
3726 f. Der erste Vers bricht die Assonanz und der zweite ist zu kurz;
zudem fehlt das Subjekt. Setzt man als Abvers von 3726 die in den
Laissen mit ó-Assonanz häufigste Formel für den Helden ein (mio
Cid el Campeador), so rückt el día de cincuaesma in den Anvers der
folgenden Zeile, und man erhält zwei ausgegliche Verse. – Der
Übergang von den höchsten Ehren zum Tod des Helden ist zwar
etwas abrupt, doch nicht untypisch für mittelalterliche Erzählwerke. Rodrigo Díaz starb 1099, doch die Angaben der Quellen
schwanken zwischen Mai und Juli. Die Fixierung des Datums ›am
Pfingsttag‹ ist sehr wahrscheinlich eine literarische Erfindung zur
Hervorhebung der Bedeutung des Todestages. Sie dürfte im Umkreis des Klosters Cardeña entstanden sein, bis wohin sich die früheste gelehrte Legendenbildung zurückverfolgen lässt.
3731–33 Das Explicit der Hs. hat eine umfangreiche Forschungsdiskussion ausgelöst. Es geht dabei um drei Fragen: die genaue Bedeutung des Verbs escrivir (›dichten‹ vs. ›abschreiben‹), die Identität von Per Abbat und die Fixierung des Datums, das in der Hs. mit
einem problematischen Spatium zwischen den Hunderten und
den Zehnern erscheint: mill τ ·C·C· x·L·v·. Diese Lücke war jedoch,
wie Untersuchungen mit modernster Technik ergeben haben, nie
beschrieben. Das Datum war somit, entgegen dem, was Menéndez
Pidal behauptete, von Beginn an MCCXLV. Allerdings folgt diese
Zählung der spanischen era, die mit dem 1. Januar 38 v. Chr. beginnt; diese 38 Jahre müssen also substrahiert werden, um das Jahr
nach der Zählung anno domini zu erhalten: 1207. Damit wird deutlich, dass die vorliegende Hs., die eindeutig aus dem 14. Jh. stammt,
die Abschrift einer Kopie aus dem Anfang des 13. Jh.s ist. Diese
enthielt bereits das Schreiber-Explicit, das einem verbreiteten
Usus folgt, wie zahlreiche Belege in lateinischen und spanischen
Texten deutlich machen: Name des Schreibers, Datum und Bitte
um göttlichen Segen. Konkret lässt sich V. 3731 sogar als Übersetzung eines sehr ähnlichen lateinischen Explicit bestimmen: Qui
scripsit hunc librum, collocetur in paradisum (›Wer dieses Buch
Kommentar
461
schrieb, werde im Paradies aufgenommen‹). Per Abbat erscheint
damit als Schreiber der Kopie des Epos, welche 1207 angefertigt
wurde. Einer Datierung der Dichtung dient dieser Vers somit als
terminus ante quem, also als spätestes mögliches Entstehungsdatum.
3734–35b Das Kolophon, das die Stimme eines Rezitators oder Vortragenden übernimmt, wurde von einer anderen Hand des 14. Jh.s
hinzugefügt. Es ist topisch und erscheint in manchen Texten auch
als Zusatz vom Dichter selbst. Der Terminus romanz bezeichnet
keine konkrete literarische Gattung, sondern bedeutet im 14. Jh.
ganz allgemein ›volkssprachliche Erzählung in Versen‹ (womit die
ursprüngliche Bedeutung ›Volkssprache‹ gegenüber ›Latein‹ bereits
erweitert war). Auch leer ist im Sinne von ›vortragen‹ gut belegt.
462
Anhang
Verzeichnis der Abkürzungen
Abkürzungen im textkritischen Apparat
ms.
ms.'
corr.
illig.
al.
manuscriptus (Text und Korrekturen des Schreibers beim
Schreiben)
manuscriptus post correctionem (Korrekturen des Schreibers bei einer ersten Durchsicht, in kursiver Schrift und
mit dunklerer Tinte)
corrector (Korrekturen des Schreibers bei einer zweiten
Durchsicht, in kleinerer Schrift und orangentöniger Tinte)
illigator (durch den Binder nachgetragener Text nach dem
Beschneiden des Codex im 14. Jh.)
alia manus (eine andere Hand als die vorher erwähnten)
Sonstige Abkürzungen
Adj.
afrz.
altsp.
andalus.
arab.
Ausg.
Bd.
Bde.
ders.
dies.
dt.
eingel.
Fut.
gest.
Hrsg.
hrsg.
Hs.
hs.
Adjektiv
altfranzösisch
altspanisch
andalusisch
arabisch
Ausgabe
Band
Bände
derselbe
dieselbe
deutsch
eingeleitet
Futur
gestorben
Herausgeber
herausgegeben
Handschrift
handschriftlich
Verzeichnis der Abkürzungen 463
Ind.
Inf.
Jh.
Komm.
Konj.
lat.
mhd.
mlat.
Nachdr.
Part.
Pers.
Pl.
Präs.
Prät.
S.
s.
Sing.
sog.
sp.
u. a.
überarb.
übers.
übertr.
V.
v. Chr.
vgl.
Vorw.
vs.
z. B.
z. Z.
464
Indikativ
Infinitiv
Jahrhundert
Kommentar
Konjunktiv
lateinisch
mittelhochdeutsch
mittellateinisch
Nachdruck
Partizip
Person
Plural
Präsens
Präteritum
Seite
siehe
Singular
sogenannt
spanisch
und andere
überarbeitet
übersetzt
übertragen
Vers
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Vorwort
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zum Beispiel
zur Zeit
Anhang
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Nachwort
Was das altspanische Epos von Mio Cid so besonders
macht und es von der übrigen Heldendichtung Westeuropas, ja im Grunde sogar von der gesamten volkssprachlichen Literatur des Mittelalters unterscheidet, ist das, was
man mit dem einprägsamen, aber unglücklichen Wort
›Realismus‹ zu benennen versucht hat. Damit ist einerseits
gemeint, dass dem Lied von Mio Cid die Hyperbolik, die
Phantasie oder die Wirklichkeitsferne vergleichbarer Dichtungen seiner Zeit fremd sind, andererseits werden mit
diesem Terminus die größere Wirklichkeitsnähe und das
Vorherrschen historischer Figuren und Ereignisse im Text
bezeichnet. Die meisten Figuren im Werk, besonders die
wichtigen, lassen sich auf historische Persönlichkeiten zurückführen, die ein knappes Jahrhundert vor der Entstehung der Dichtung im Reich eine bedeutende Rolle gespielt hatten und deren Nachfolger sich noch unter den
Großen des Landes befanden. Ein Teil der Ereignisse ist
historisch gut bezeugt, und das Publikum dürfte von ihnen gewusst haben. Gewiss gibt es im europäischen Mittelalter auch andere Epen, die von historischen Ereignissen
ausgehen, doch meist ist die Anknüpfung vage oder unpräzise, jedenfalls aber weit zurückliegend. Hier aber stehen
wir vor zahlreichen ganz konkreten Hinweisen auf zeitnahe Begebenheiten. Außerdem wird der Eindruck von
Wirklichkeitsnähe unterstützt durch die Genauigkeit in
der Beschreibung vieler außerliterarischer Realien: Wege
und Heereszüge werden mit einer geographischen und
zeitlichen Präzision beschrieben, die sie noch heute nachvollziehbar macht (vgl. www.caminodelcid.org); Details
Nachwort 477
militärischer Strategie und Ausrüstung entsprechen historischer Dokumentation; Waffen, Geschenke, Rosse und
sonstige Gegenstände werden immer wieder mit großer
Genauigkeit nach ihrem Geldwert geschätzt; alle im weitesten Sinn rechtlichen Vorgänge des höfischen und militärischen Lebens finden genaue Belege in den Rechtssammlungen der Zeit.
Es darf indes nicht außer acht bleiben, dass es sich hierbei nur um ein Grundprinzip literarischer Darstellungstechnik handelt, das einen ganz bestimmten Eindruck erwecken will. Denn die historischen Figuren und Ereignisse
sind doch auch im Lied von Mio Cid nur der Rohstoff, mit
dem der Dichter seine Erzählung konstruiert hat, die –
wann immer es ihm nötig erscheint – geschichtliche Daten
verfälscht oder verändert, die Ereignisse mit fiktiven Erzählmotiven anreichert oder sie schlicht erfindet. Das Epos
modifiziert z. B. die Gründe für die Verbannung des Helden, stilisiert massiv sein Leben im Exil und erfindet frei
die gesamte Handlung ab V. 2278. Die Wirklichkeitsnähe
ist also eine Form künstlerischer Darbietung und nicht die
Folge historisierender Genauigkeit. Doch gerade als Erzählstil bleibt sie ein Unikum in der abendländischen Literatur
des Mittelalters.
Das Lied von Mio Cid erzählt von der Verbannung des
Helden, Rodrigo Díaz, durch König Alfons VI. von Kastilien, von seiner Eroberung Valencias, der Versöhnung mit
dem König, der Ehe seiner Töchter mit den Infanten von
Carrión, der Schändung der Frauen durch ihre Ehemänner
und dem Gerichtsverfahren, das der Held gegen sie einleitet. Der historische Rodrigo Díaz wurde ca. 1045–49 in Vivar geboren (dem heutigen Vivar del Cid, nördlich von
478
Anhang
Burgos) und wuchs am Hof Ferdinands I. von Kastilien und
León auf. In seiner Jugend gehörte er zur schola regis, dem
engsten Kreis um Ferdinands Sohn und Nachfolger, Sancho II., der 1065 gekrönt wurde. Doch Sancho wurde bereits 1072 ermordet, und so folgte ihm sein Bruder Alfons VI. auf dem Thron, der Rodrigo weiterhin unter seinen Vertrauten behielt und ihn 1079 als Botschafter zum
König von Sevilla sandte. Im Jahr darauf führte Rodrigo
Díaz allerdings eine unerlaubte militärische Operation im
muslimischen Königreich Toledo durch und wurde daraufhin 1081 von Alfons verbannt. Rodrigo trat in den Dienst
des maurischen Königs von Zaragoza und erreichte dort
großen Ruhm als Kämpfer. 1086 versöhnte er sich mit König Alfons VI. und kehrte nach Kastilien zurück. Alfons
schickte ihn auf Expeditionen gegen das Königreich Valencia, doch 1089 führte ein neuer Disput zu Rodrigos zweiter
und endgültiger Verbannung. Er beschloss nun, durch Beutezüge in der weiteren Umgegend von Valencia sein Leben
zu fristen und eroberte schließlich 1094 diese Stadt, in der
er sich niederließ. Er verheiratete seine Tochter María mit
Ramiro, dem Landherrn von Monzón, einem Mitglied des
Königshauses von Navarra, und seine Tochter Cristina mit
Ramón Berenguer III., Graf von Barcelona (vgl. Kommentar zu V. 3723). Nach weiteren Eroberungen starb er 1099 eines natürlichen Todes. Seine Ehefrau Jimena behielt Valencia bis 1102 unter ihrer Herrschaft; dann zwang der Vormarsch der Almoraviden (ein marokkanisches Volk, das
1093 in die Iberische Halbinsel eingedrungen war) die
Christen zur Aufgabe der Stadt. Jimena zog nach Kastilien
zurück und ließ die sterblichen Überreste Rodrigo Díaz’ im
Benediktinerkloster San Pedro de Cardeña, in der Nähe von
achwort 479
Bugs, eu beisetzen. Zu Jimena und zum Kloster vgl. die
Kommentare zu V. 239 und 209.
Das Epos folgt also mehr oder weniger deutlich der Biographie des historischen Rodrigo Díaz ab der ersten Verbannung, wenn auch beide Exil-Phasen miteinander verschmolzen werden und die erste Ehe der Töchter mit ihren
Konsequenzen erfunden ist. Indes sind die Beziehungen zu
geschichtlich belegten Daten komplex. So werden wichtige
Figuren in dieser Handlung literarisch umstilisiert: Der
Held selbst wird im Epos als bedächtiger und dem König in
jeder Hinsicht treuer Mann präsentiert, während das Verhalten des historischen Vorbilds schon vor der ersten Verbannung von einer erstaunlichen Autonomie zeugt, welche
die Auseinandersetzung mit dem König erst herbeigeführt
haben dürfte und die später in der Ehepolitik ein klares
Beispiel findet. Umgekehrt werden die Antagonisten, besonders die kastilischen Höf linge, als arrogante und hinterlistige Intriganten dargestellt, was bei bezeugten Personen wie dem hohen Adeligen Garcí Ordóñez (vgl. Kommentar zu V. 1345) mit Sicherheit nicht das charakteristische
Wesensmerkmal war. Besonders deutlich ist auch der Fall
von Álvar Fáñez, dessen historische Verwandtschaft mit
Rodrigo Díaz und dessen Ruhm als Kämpfer offenbar
Gründe genug waren, um aus ihm im Epos die rechte Hand
des Helden zu machen, obwohl die Lebenswege der beiden
Männer den Urkunden zufolge kaum Berührungspunkte
aufweisen. Anders gelagert ist der Fall von Figuren wie Pero Vermúez, Galín García oder Álvar Salvadórez, die zwar
in der Zeit Rodrigo Díaz’ historisch bezeugt sind, für die
jedoch keinerlei Beziehung zu den Ereignissen, die das
Epos aufgreift, zu erkennen ist. Dabei ist die Einteilung der
480
Anhang
Loyalitäten und Rivalitäten eindeutig für den poetischen
Effekt polarisiert worden und bricht dadurch mit dem
komplexen Gewebe der Allianzen und Spannungen, das
wahre geschichtliche Verhältnisse kennzeichnet.
Dabei hat der Dichter durchaus versucht, seinen Text an
die politische Situation der Zeit der Handlung anzupassen.
Er weiß zum Beispiel, dass Portugal, León und Kastilien
zur Zeit Rodrigo Díaz’ ein Königreich bildeten, Aragón
und Barcelona hingegen noch von jeweils unterschiedlichen Herrschern regiert wurden. Er scheint ebenfalls zu
wissen, dass Toledo während der Verbannung des Cid eingenommen wurde (1085), denn während das nordwestlichere Henares-Tal V. 435–483 noch unter andalusischer
Herrschaft steht, findet die Versöhnung mit dem König
von Kastilien V. 1954 am südöstlicher liegenden Ufer des
Tajo statt und V. 2963 wird der Hoftag vollends nach Toledo
verlegt. Zudem reicht die extrema durii, also das Grenzland
südlich des Duero, in V. 422 f. nur bis zur Sierra de Miedes,
während es sich ab V. 1382 bereits nach Südosten bis Medinaceli (erobert 1104) ausbreitet. Schließlich ist dem Dichter
bewusst, dass das gesamte Gebiet Aragóns südlich von
Huesca und Monzón damals in Händen muslimischer
Fürsten stand (was spätestens ab 1118 nicht mehr der Fall
war), und er weiß ebenfalls, dass Valencia einen unabhängigen Herrscher hatte, obwohl die Stadt bereits 1102 von
den Almoraviden und später von den Almohaden erobert
wurde. Trotz einiger Ungenauigkeiten gelang es ihm also,
das Territorium zur Zeit Rodrigo Díaz’ von dem seiner eigenen Zeit zu unterscheiden, was durchaus als ein Versuch
der Historisierung zu betrachten ist.
In anderen Bereichen hat der Autor sein Werk jedoch
achwort 481
mit zahlreichen Details versehen, die frühestens ein halbes
oder ein dreiviertel Jahrhundert nach Rodrigo Díaz’ Tod
belegt sind und somit eher in der Zeit des Dichters zu situieren sind. Das bedeutendste ist zweifellos die selbstverständliche Voraussetzung, dass königliche Urkunden mit
einem Siegel versehen waren (vgl. V. 24 und 43, aber auch
V. 1956). Zwar geht das früheste Zeugnis auf 1146 zurück,
doch verbreitet erscheinen Siegel erst ab 1180. Weitere Realien, die für eine Spätdatierung sprechen, sind zum Beispiel
besondere Kleidungsstücke wie der sobregonel (›Waffenüberrock‹, V. 1587) oder Pferdeausrüstungen wie die cuberturas (›Kuvertüre‹, V. 1585), die erst ab 1186 in Spanien bezeugt sind. Auch soziale Rangbezeichnungen wie fijosdalgo (›Edelmänner‹, V. 1035) oder ricos omes (›reiche Männer,
Adelige‹, V. 3546) sind erst in der Zeit zwischen 1177 und
1194 belegt, ebenso wie die rechtliche Eigenschaft der Könige, señor natural (›natürlicher Herr‹, V. 895) zu sein, also
der Herr aller im Königreich geborenen Menschen, unabhängig von ihren feudalen Bindungen (vgl. Kommentar zu
V. 895).
Solche Übereinstimmungen mit juristischen Gegebenheiten, die in das letzte Viertel des 12. Jahrhunderts gehören, leisten wiederum einen sehr bedeutenden Beitrag zur
Wirklichkeitsnähe des Epos, wenn auch chronologisch
verschoben. Das Lied zeichnet eine für die zweite Hälfte
des 12. Jahrhunderts recht getreue gesellschaftliche Einteilung in einen hohen Adel einerseits, dessen Macht auf weitem Landbesitz im alten Kernland des Reiches gründet,
durch Erbschaft vermittelt und von zahlreichen Privilegien
begleitet wird, und andererseits einen niederen Adel, der
zum großen Teil in die sich nach Südosten ausdehnenden
482
Anhang
Grenzländer gezogen ist, sie erobert und kolonisiert hat
und durch Beutezüge und militärische Leistungen zu großem Reichtum gekommen ist (vgl. die Kommentare zu
V. 1976 f., 3233 und 3298). In diese zweite Gruppe mischen
sich auch zahlreiche Personen, die nicht dem adeligen
Stand angehören, die aber wegen ihrer Verdienste und um
ihre gefährdete Position im Grenzland zu belohnen in den
Ritterstand erhoben wurden und einige seiner Privilegien
genießen konnten. Auch der niedere Adel vermochte in
diesem Umfeld seine Position zu verbessern. So entstand
eine begrenzte gesellschaftliche Mobilität durch Verdienste
in der Landgewinnung. Ein Verdienstadel mit einem oft gefährlichen oder instabilen Leben, das aber ebenso oft großen Reichtum einbrachte, stand einem mächtigen und privilegienreichen alten Adel gegenüber, der jedoch zum Teil
keine vergleichbaren militärischen Taten vorweisen konnte
und der vor allem – auch wegen des Abzugs seiner Landbewohner in die Grenzgebiete und dem daraus folgenden
Ausbleiben von Renten – große Liquiditätsprobleme hatte.
Die Infanten von Carrión mit ihrer Gier nach dem Reichtum des Cid, ihrer kriegerischen Unerfahrenheit und ihren
Schwierigkeiten, vor Gericht die geforderten Summen aufzutreiben, spiegeln die Lage dieses alten Adels wider.
Die juristische Situation in den Grenzgebieten im Südosten und Süden von Kastilien und León, der sog. extremadura (aus lat. extrematura), wurde 1185–90 durch die fueros de Extremadura völlig neu geordnet. Unter dieser Bezeichnung versteht man eine Reihe von Urkunden mit
Rechtsordnungen für verschiedene Gebiete des Grenzlandes; Modellcharakter besaß für sie das Fuero de Cuenca. Im
epischen Text finden sich zahlreiche Spuren dieser neuen
achwort 483
Regelungen. Die deutlichste ist die Verteilung der Beute
unter den Mannen des Cid, deren Anteile genau festgelegt
sind und denen der Rechtstexte entsprechen. Aber auch die
Unterscheidung zwischen einer friedlichen muslimischen
Bevölkerung (moros de paz, ›Friedensmauren‹ oder mudéjares), welche Friedensverträgen unterlagen, und den nordafrikanischen Eroberern (den Almoraviden ab 1093 und
den Almohaden ab 1146), die bekämpft wurden, findet genaue Entsprechung in jener Rechtsordnung. Ebenso begegnet man im Text deutlichen Belegen für Praktiken, die im
Fuero Viejo de Castilla gesammelt sind, einer Zusammenfassung adliger Privilegien und Rechtspraktiken, die Anfang des 13. Jahrhunderts in ersten Fassungen bezeugt ist.
Überhaupt überrascht im Lied von Mio Cid die Bedeutung des Rechts in jedem Teil der Handlung. Der Ansatz
der Handlung ist geprägt von der ira regis, dem königlichen
Zorn, der als Rechtsakt gilt und der bedeutet, dass dem Betroffenen die Nähe zum König und sein Status als Vasall
entzogen wird, bis er die Huld des Herrschers wiedererlangt. Im Epos handelt es sich um eine besonders harte
Form der Verbannung, in der gegen die übliche Praxis (aber
literarisch effektvoll) die Frist für das Verlassen des Reichs
extrem verkürzt und der Bevölkerung jegliche Hilfe unter
Androhung harter Strafen untersagt wird (vgl. Kommentar
4 zum Vortext). Nun könnte der Cid als Held, dem sich
zahlreiche Krieger anschließen und der leicht große Beute
gewinnen kann, in seiner Situation rechtlicher Wehrlosigkeit gegen den König rebellieren; die altfranzösischen
chansons de geste wissen von zahlreichen Fällen solcher
Empörung gegen den Herrscher zu erzählen. Doch der Cid
vermeidet ganz bewusst jegliche Konfrontation, er greift
484
Anhang
nie Länder des Königs an, auch nicht die seiner Vasallen,
und er verlässt bald jene Gebiete an der Grenze, die zwar
nicht zum Reich gehören, ihm aber tributpf lichtig sind.
Mehr noch, er schickt dem König dreimal einen Anteil an
der Beute, die er erlangt. Das wird als freiwillige Fortsetzung des Dienstverhältnisses erkannt und in den genannten Rechtsordnungen der Zeit als Grund für die Wiedergewinnung der königlichen Huld festgehalten. Die Versöhnung findet unter strikten rechtlichen Vorkehrungen und
Gesten an der Landesgrenze statt. Sie greift über in die Ehe
der Töchter des Cid mit den Infanten von Carrión; die Vereinbarung, Vorbereitung und Durchführung dieser Ehe
wird von zahlreichen Rechtshandlungen begleitet. Besonders die Art und Weise, in der der Held betont, es sei der
König, der die Töchter vereheliche, nicht etwa er selbst,
setzt den Akzent auf die juristischen Feinheiten der Zeremonie. Als dann die Frauen von ihren Ehemännern brutal
misshandelt und verlassen werden, reagiert der Held nicht
mit Aggression, also mit einer Rachehandlung, wie es in einem Epos zu erwarten wäre, sondern die Gewalt wird kanalisiert in eine juristische Form der Austragung von Opposition: der Held fordert ein Gericht. Bei diesem nun geht
es beinahe ausschließlich um die rechtlichen Hintergründe
und Folgen der Untat, und der ganze Prozess passt sehr genau zu dem, was die Rechtstexte der Zeit vorschreiben:
Einberufung der Gerichtsverhandlung, Anwesenheit der
Rechtskundigen, Vortrag der Anklage, Verteidigung, richterlicher Entscheid. Sogar die Einzelkämpfe am Ende gehen
mit nur geringem Blutverguss und ohne explizit erzählten
Tod aus, was belegt, dass sie als eine Form kontrollierter
Gewaltausübung zu verstehen sind.
achwort 485
Der Dichter führt auf diese Weise nicht nur die Vorzüge
und Einzelheiten geordneter juristischer Verfahren vor,
sondern er zeichnet zugleich eine Heldenfigur, die mit den
moralischen Tugenden der sapientia und der fortitudo, der
Weisheit und der Stärke, ausgezeichnet ist. Weisheit meint
hier natürlich nicht klerikale Bildung, sondern weltliche,
pragmatische Intelligenz, Voraussicht und Mäßigkeit. Er
zeigt sie sowohl im kriegerischen Handeln wie in der Regierung seines Landes und im Umgang mit dem König und
mit seinen Feinden. Strategische Planung der militärischen
Aktionen und genaue Auswertung ihrer Erfolgsmöglichkeiten, großzügiger Umgang mit den Besiegten, genaue
Einschätzung der eigenen Schwächen, sicherer Auftritt sowohl auf dem Schlachtfeld wie am Hofe – das sind die Eigenschaften, die diese literarische Figur an den Tag legt.
Kein einziges Mal reagiert er mit Wut, nie kommt es zu
Situationen, in denen brachiale Gewalt nötig ist. Es gibt
in der abendländischen Heldendichtung keinen Helden,
der mäßiger und überlegter handelt, näher am normalen
menschlichen Vorbild. Heroen sind doch in der Literatur
diejenigen, die in bestimmten, entscheidenden Momenten
das Maß des menschlich Möglichen zu übersteigern vermögen, sei es im Kampf gegen ein Ungeheuer oder im
Krieg gegen schier unüberwindbare Feinde. Das Epos von
Mio Cid hingegen führt einen Helden vor, der völlig unheroisch ist, dessen Heldentum eigentlich eher darin besteht,
auf kämpferisches Heroentum nach Möglichkeit zu verzichten zugunsten all jener im Rechtssystem vorgesehenen
Formeln zur Reduzierung und Kanalisierung von Gewalt.
Erwartet man gewöhnlich von epischen Helden des Mittelalters entweder einen Moment maximaler Gewaltanwen486
Anhang
dung oder umgekehrt, dass sie ihren eigenen Tod in der
Gewissheit hinnehmen, er bedeute in Wirklichkeit ihren
Sieg, so findet man im Mio Cid einen Protagonisten, der so
oft es geht Gewaltausübung vermeidet und der es auch versteht, der gegen ihn gerichteten Gewalt geschickt aus dem
Weg zu gehen. Pragmatismus, Mäßigung, Diplomatie, militärische Geschicklichkeit und genaue Kenntnis und Achtung des geltenden Rechtssystems sind die Eigenschaften,
die den Cid im Epos auch gegenüber seinen Zeitgenossen
auszeichnen.
Kann man das Lied von Mio Cid dann überhaupt noch als
Heldendichtung bezeichnen? Ja, weil literarische Gattungen keine klassifikatorischen Systeme sind, sondern Reihen von Texten, auf deren Merkmale die jeweils folgenden
Werke Bezug nehmen, welche aber diese Eigenschaften
auch abwandeln oder sogar umkehren können, denn diese
Abwandlungen und Umkehrungen sind nichts anderes
als Spielformen der Bezugnahme. Nun ist vor dem Mio Cid
die Existenz schriftlicher Heldenepen auf der Iberischen
Halbinsel nicht belegt und auch nicht durch Indizien wahrscheinlich zu machen. Doch gab es zweifellos auch dort,
wie im übrigen Abendland, eine alte und verbreitete Tradition mündlicher Erzähldichtung über Stoffe, die später
auch von den Heldendichtungen des Hohen Mittelalters
bearbeitet wurden. Darüber wird weiter unten noch kurz
zu sprechen sein. Auch unter einem weiteren Aspekt steht
das Epos vom Cid in einer heroischen Gattungstradition,
einer mündlichen wie einer schriftlichen, nämlich in seiner
Versform. Die Dichtung ist in ungleich langen (sog. anisosyllabischen) Versen geschrieben, die durch eine Endpause
voneinander abgegrenzt und durch eine Zäsur intern strukachwort
487
t iert werden. Jeder Vers besteht also aus zwei Halbversen, einem An- und einem Abvers. Ihre Silbenzahl ist wie
gesagt unterschiedlich: Der längste Halbvers hat elf Silben,
der kürzeste drei; doch gewöhnlich schwanken sie zwischen sechs und acht Silben. Der Dichter tendiert dazu,
kürzere und längere Halbverse gegenseitig auszugleichen,
so dass in der Regel die Verse insgesamt zwischen vierzehn
und sechzehn Silben zählen, obwohl das Minimum bei
neun, das Maximum bei zwanzig Silben liegt. Dieser in seiner Silbenzahl sehr f lexible Erzählvers wird durch ein
rhythmisches (oder quantitatives) System kontrolliert, das
in der Regel zwei besonders betonte Silben oder Hebungen
auf jeden Halbvers legt: tornava la cabeça e estávalos catando (V. 2). Auch hierin bleibt der Vers jedoch f lexibel,
denn bei Halbversen mit weniger als fünf Silben kommt
nur ein Akzent vor, bei mehr als neun Silben hingegen drei.
Die Endungen der aufeinanderfolgenden Verse bilden
keine Reime, sondern Assonanzen. Das bedeutet, dass nur
die Vokale, nicht die Konsonanten übereinstimmen. Es gibt
einsilbige und zweisilbige Assonanzen, je nachdem, ob der
Wortakzent auf der letzten oder auf der vorletzten Silbe
liegt. So reimen llorando, cañados, mantos und alto miteinander (Laisse 1), ebenso wie son, dolor, razón, señor (Laisse
3). Auch dieses Assonanzsystem ist recht f lexibel, denn
Worte mit dem Akzent auf der letzten Silbe können mit
solchen reimen, deren Assonanzvokal auf der vorletzten
Silbe liegt, solange die letzte Silbe ein e ist. So reimen pendones und varones mit entró und son (Laisse 3), mensaje und
grandes mit pinar und grand (Laisse 56). Außerdem gelten
o, u, und ué für die Assonanz als gleichlautend; es reimen
also Campeador, señor, nombre und fuert (Laisse 81–82).
488
Anhang
Verse mit gleicher Assonanz gruppieren sich zu Serien
beliebiger Länge, die im Spanischen tiradas genannt werden, für die im Deutschen jedoch der aus den französischen
chansons de geste übernommene Terminus laisse verwendet wird. Warum es so unterschiedlich lange Laissen gibt
und was den Dichter an der jeweiligen Stelle zum Wechsel
der Assonanz motiviert hat, ist nicht immer deutlich zu erkennen. Meist ist wohl ein inhaltlicher Zusammenhang
der Serie ausschlaggebend, vergleichbar etwa mit Absätzen
in moderner Prosa: Kleinste Handlungsteile, Einführung
neuer Figuren, Kampfvorbereitungen, Schlacht, Beutezählung, wichtige Reden und ähnliche Elemente werden gerne
in gesonderten Laissen ausgeführt. Doch es finden sich oft
auch Verbindungselemente, wie zum Beispiel Ansätze zu
einem neuen Thema oder einem neuen Handlungsabschnitt am Ende einer Laisse, die dann in der folgenden ausgeführt werden. Laissenenjambements sind hingegen äußerst selten. Im übrigen setzt die Handschrift diese Serien
nicht ab, weder durch freie Zeilen noch durch Initialen oder
Lombarden. Ihre Durchnumerierung im Text ist also modern und folgt dem Wechsel der Assonanzen.
Ebenfalls von den neuzeitlichen Herausgebern stammt
die Einteilung des Epos in drei ›Gesänge‹, der in der Handschrift keinerlei Markierung entspricht. Es gibt aber Gründe für die jeweiligen Einschnitte. Besonders einsichtig sind
sie beim Übergang vom zweiten zum dritten ›Gesang‹,
denn dort schließt eine Laisse mit einem Verspaar, das eindeutig darauf hinweist, dass an dieser Stelle etwas endet:
Las coplas d’este cantar aquí·s’ van acabando, / el Criador
vos vala con todos los sos santos (V. 2276 f.: »Die Verse dieses
Gesangs gehen hier zu Ende, / der Schöpfer beschütze euch
achwort
489
mit allen seinen Heiligen!«, vgl. Kommentar zur Stelle).
Mit solchen Worten könnte auch die Dichtung enden,
doch sie fährt fort, um von der Schändung der Töchter des
Helden und das darauf folgende Gericht zu erzählen. Der
Abschnitt davor umfasst damit die gesamte Handlung von
der Verbannung des Cid und seinen Eroberungen bis zur
Versöhnung mit dem König und der Hochzeit der Töchter.
Eine weitere Stelle dient indes dazu, diesen umfangreichen
Erzählblock in zwei ungefähr gleich lange Segmente zu unterteilen: Zu Beginn der militärischen Aktionen des Cid,
die zur Eroberung Valencias führen, heißt es: Aquí·s’ conpieça la gesta de mio Cid el de Bivar (V. 1085: »Hier beginnt
die Tat von Mio Cid, dem aus Bivar«). Zwar ist die Annahme eines Einschnitts an dieser Stelle viel weniger gesichert,
denn der Satz steht nicht am Ende einer Laisse und zudem
hat gesta im Unterschied zu cantar (V. 2276) nicht die Bedeutung von ›Erzählung‹, sondern meint vielmehr die ›Tat‹
oder die ›großartige Leistung‹ (vgl. Kommentar zu V. 1085).
Dennoch hat sich die dadurch entstehende, ziemlich ausgeglichene Dreiteilung des Epos in der Forschung durchgesetzt. Im Hintergrund stand auch der Gedanke, es könnte
sich um Vortragseinheiten handeln, also um Teile von einem Umfang, den ein Sänger in einer Sitzung vortragen
konnte. Das bleibt jedoch reine Spekulation. Von einem
Sänger war soeben die Rede, weil es denkbar, ja sogar
wahrscheinlich ist, dass die epischen Verse des Mio Cid
(wie die der übrigen europäischen Heldendichtungen)
auch – aber nicht unbedingt ausschließlich – gesungen
wurden, obschon wir keine soliden Indizien dafür besitzen, wie sich ein solcher Gesang angehört haben könnte.
Man hat im Fall unseres Epos auf die gregorianische Psalm490
Anhang
odie verwiesen und argumentiert, die Heldendichtung
könnte ein ähnliches melodisches System verwendet haben, bei dem die Laissen einen Wechsel im Tonregister erlaubt hätten; dazu gibt es auch Aufführungsversuche.
Die Versform des Mio Cid ist die gleiche wie die der frühen chansons de geste, den altfranzösischen Heldenepen.
Ein Einf luss der französischen Dichtungen auf die spanische ist durchaus denkbar, doch wissen wir nicht, wie die
Metrik mündlicher Traditionen aussah und welches Gewicht sie bei der Ausformung der Versform des Epos hatte.
Mit der französischen Heldendichtung verbindet den Mio
Cid nicht nur die Form, sondern auch der Erzählduktus
und die Formelsprache. Unter Formeln versteht man in heroischer Dichtung feststehende Satzteile oder Formulierungen, die in unterschiedlichen Kontexten immer wieder
zum Ausdruck von Gleichem eingesetzt werden. Sie sind
jedoch in ihrer Formelhaftigkeit nicht starr, sondern beliebig abwandelbar, nicht nur was z. B. eine Verbform oder
den Numerus eines Substantivs betrifft, sondern auch in
der Wortfolge: So kann der Griff zum Schwert beschrieben
werden als al espada meta mano (V. 500), als metió mano al
espada (V. 2387) oder als mano metió al espada (V. 3648, »er
legte Hand ans Schwert«). Das epische Epitheton des Helden ist ebenfalls variabel in seiner Konstanz, z. B.: el que en
buen ora nasco (V. 202), en buen ora fue nado (V. 613), en
buen ora nasquiestes vós (V. 2053), en buen ora nasquiestes
de madre (V. 379); oder auch en buen ora cinxiestes espada
(V. 439), en buen ora cinxo espada (V. 559) usw. Es gibt Formeln für Beschreibungen, für die Darstellung von Handlungen, von Emotionen, Gesten, Kämpfen sowie für die
Präsentation von Figuren, für Übergänge von einem Handachwort
491
l ang zum folgenden und für vieles mehr. Die Formeln füllen im Mio Cid gewöhnlich einen Halbvers und
stellen, wenn sie im Abvers stehen, das Reimwort. Durch
Wortumstellung können sie an unterschiedliche Assonanzen angepasst werden, wie die soeben angeführten Beispiele zeigen. Im Mio Cid finden sich zahlreiche Formulierungen, die Parallelen in verschiedenen chansons de geste
haben. Inwieweit der Dichter Kenntnis der französischen
Texte besaß oder die französische Epensprache über
mündliche Tradierung auf der Iberischen Halbinsel Verbreitung fand, ist nicht zu entscheiden. Auch ist oft nicht
zu bestimmen, ob ein formelhaft aussehender Ausdruck
tatsächlich eine traditionelle epische Formel wiedergibt
oder ob er vom Dichter erfunden wurde, um die epische
Dichtungssprache nachzubilden.
Das Lied von Mio Cid schließt aber nicht nur formal an
heldenepische Gattungstraditionen an. Auch inhaltlich ist
das Epos als heroisch einzuordnen. Im Unterschied zu anderen narrativen Gattungen der Zeit wie dem Artusroman
oder dem Antikenroman erzählt das Werk von den Taten
(den gesta) einer männlichen Figur, die sich vor allem über
ihre militärische und politische Funktion und Handlung
entfaltet. Der Held ist als Campeador bekannt, also als Experte in Schlachten und kriegerischen Auseinandersetzungen, und als solcher tritt er stets auf, auch wenn in seinem
Fall, wie oben beschrieben, Konf likte nicht ausschließlich
mit Gewalt gelöst werden, sondern eben oft und in entscheidenden Momenten mit juristischen Mitteln. Es ist
möglich, dass über Rodrigo Díaz bereits im 12. Jahrhundert
mündliche Überlieferungen heroischen Charakters kursierten. Allerdings berichten die Zeugnisse, die diesen
492
Anhang
mutmaßlichen mündlichen Traditionen um den Cid am
nächsten zu stehen scheinen und die alle deutlich jünger als
unser Epos sind, von ganz anderen Ereignissen im Leben
des Helden, nämlich den Erfahrungen in seinem jungen
Mannesalter mit dem Tod König Sanchos, zu dessen engstem Gefolge er gehörte, und der Krönung von dessen Bruder Alfons. Um diese Begebenheiten herum situieren sich
sowohl die ab dem 15. Jahrhundert überlieferten Balladen
wie auch ein fragmentarisch überliefertes Heldenepos aus
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, bekannt als Mocedades de Rodrigo. In ihnen zeigt der Held durchweg einen
stürmischen, gewaltbereiten Charakter, der dem des Epos
diametral entgegengesetzt ist. Noch im 16. und 17. Jahrhundert war der Stoff von der Jugend des Cid sehr populär: 1618
verwendete ihn Guillén de Castro für sein Doppelstück Las
mocedades del Cid und Las hazañas del Cid. Auf ihn auf bauend schrieb Pierre Corneille 1637 seine tragi-comédie mit
dem Titel Le Cid. Ob es im 12. Jahrhundert mündlich überlieferte, poetische Erzählungen über die späteren Taten des
Cid im Exil gab, die in irgendeiner Form in das Epos eingef lossen sein könnten, wissen wir nicht.
Woher hatte dann der Dichter seine detailreichen Materialien? Mit Sicherheit auch aus Texten: Das Cid-Epos ist –
und auch das unterscheidet es von anderen Heldenepen der
europäischen Literatur – kein isoliertes Werk, sondern Teil
einer Gruppe von Texten, die das Leben des Rodrigo Díaz
behandeln und auf diese Weise den Cid-Stoff im späten
12. Jahrhundert herauskristallisieren. Lassen wir einmal die
arabischen Quellen beiseite, die erst viel später bekannt
werden und für das Epos keine Rolle spielen, so ist der früheste und zweifellos auch der wichtigste Text die lateini-
achwort 493
che Historia Roderici, eine biographische Chronik über
das Leben von Rodrigo Díaz, die wahrscheinlich auf mündlichen wie auf schriftlichen Quellen basiert und ca. 1185–95
in der Gegend um Burgos, Pamplona und Logroño, möglicherweise in Nájera, geschrieben wurde. Sie ist im wesentlichen eine sehr genaue und historisch wohl recht akkurate
Lebensbeschreibung, enthält aber auch einige Lücken, Widersprüche und Stilisierungen. Im Lied von Mio Cid finden
sich eine Reihe sehr genauer Übereinstimmungen mit der
Historia Roderici, besonders was die Kampf handlungen
im Osten der Halbinsel bis zur Schlacht gegen König Yucef
betrifft. Indes beschreibt das Epos, im Unterschied zur lateinischen Chronik, keine vollständige Heldenvita, und es
schweigt auch vollkommen über die Zeit, die Rodrigo Díaz
in Zaragoza im Dienst muslimischer Herrscher verbrachte
und die im lateinischen Text genauestens beschrieben
wird. Etwa im gleichen Raum und wenig später, jedenfalls
noch im 12. Jahrhundert, entstand das Carmen Campidoctoris, ein lateinisches Lobgedicht von 129 erhaltenen Versen
in sapphischen Strophen, das ebenfalls Materialien aus der
Historia Roderici verwendet. In engster Beziehung zur Historia Roderici steht drittens die Chronica Naiarensis, die
nur wenig später, ca. 1190–94, entstand und die auch mit
ihr zusammen überliefert ist. Auf bauend auf dem Bericht
der Historia behandelt die Chronica ausschließlich Rodrigos Jugend, in die sie bereits sagenhaft klingende Motive
über seine Beteiligung an bestimmten Ereignissen einbaut.
Auch diese beiden letztgenannten Texte (das Carmen und
die Chronica) verschweigen Rodrigo Díaz’ Zeit im Dienst
der Taifa von Zaragoza. Ebenfalls in den gleichen Jahren
entstand in Navarra zuletzt noch das Linage de Rodric Díaz,
494
Anhang
der erste volkssprachliche Text dieser Serie, der in wenigen
Zeilen die Genealogie des Helden aufzählt und eine Kurzbiographie nach der Historia Roderici und der Chronica
Naiarensis anhängt.
Wann und wo entstand dann das Epos und wie verhält
es sich zu diesen Texten? Das Epos schließt mit einem Explicit, das eine Person namens Per Abbat nennt und ein
konkretes Datum angibt:
Quien escrivió este libro dél’ Dios paraíso, ¡amén!
Per Abbat le escrivió en el mes de mayo
en era de mill e dozientos cuaraenta e cinco años.
(»Wer dieses Buch schrieb – gebe ihm Gott das Paradies.
Amen. / Per Abbat schrieb es im Monat Mai / nach der
Ära tausend und zweihundert und fünfundvierzig Jahre«; V. 3731–3733)
Die sog. spanische era ist ein Zeitzählungssystem, das mit
dem Jahr 38 v. Chr. beginnt, als Hispanien endgültig befriedet und in das römische Reich integriert wurde (vgl. Kommentar zu V. 3731–33). Gemeint ist also der Monat Mai des
Jahres 1207 nach Christi Geburt (anno domini). Lange Zeit
wurde diskutiert, ob Per Abbat der Autor gewesen sein
könnte, doch hat man festgestellt, dass die Formulierung
des Explicit typisch für Kopisten ist, die ihre Arbeit signieren; es ließen sich zahlreiche Beispiele aus volkssprachlichen wie aus lateinischen Texten dafür anführen. Somit
herrscht heute Einigkeit in der Forschung, dass der Schreiber der Handschrift, die etwa ein Jahrhundert später entstand, das Kolophon seiner Vorlage mit abschrieb, mithin
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diese Vorlage eine Kopie eines früheren Textes war. Damit
ergibt sich das Jahr 1207 als terminus ante quem, als spätester Zeitpunkt für die Entstehung des Werks. Wer Per Abbat
war, wird dann für die Frage der Datierung und Lokalisierung der Dichtung irrelevant, weil er lediglich eine Abschrift anfertigte. Andererseits sind bereits mehrere Hinweise genannt worden, die auf eine Komposition des Epos
um das Jahr 1200 herum schließen lassen: Der Einbau
rechtlicher Besonderheiten aus den fueros de Extremadura,
die erst im vorletzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts entstanden, besondere Bezeichnungen von Waffen und Kleidern sowie vor allem die Benutzung der Historia Roderici,
die erst in den 90er Jahren geschrieben worden sein könnte – all das weist auf eine Entstehung des Epos frühestens in
den letzten Jahren des 12., vielleicht auch in den ersten des
13. Jahrhunderts hin.
Wo die Dichtung entstanden sein könnte, ist weniger
gewiss. Die Gegend im Nordosten Kastiliens und Süden
Navarras, aus der die Historia Roderici oder das Carmen
Campidoctoris stammen, scheint für das Epos nicht in Frage zu kommen: Kein Detail im Text oder in der Überlieferung verbindet das Werk mit dieser Region. Auch das Kloster San Pedro de Cardeña, südöstlich von Burgos, das in der
Handlung mehrfach vorkommt und wo Rodrigo Díaz begraben wurde, scheint keine Beziehung zur Dichtung zu
haben. Die zahlreichen Untersuchungen, ob der Dichter in
seinen Umkreis zu situieren war, haben deutlich gemacht,
dass das Kloster erst viel später versucht hat, die Popularität des Helden für sich zu vereinnahmen. Außerdem ist die
Ortskenntnis des Dichters in dieser Gegend nicht so präzise wie weiter südöstlich, im Bereich, durch den der Cid zu
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Anhang
Beginn seines Exils zieht, von Molina und Cella über Albarracín bis Toledo, also der gesamte Landzug am südöstlichen
Rand des kastilischen Reichs. In dieser Gegend liegt Zorita
(östlich von Alcalá), über das der historische Álvar Fáñez
1097–1117 herrschte, der im Werk wie gesagt eine herausragende, aber von den historischen Ereignissen nicht gerechtfertigte Rolle spielt (vgl. Kommentar 6 zum Vortext
und V. 735). Daher ist in diesem Raum, in dem auch die fueros de Extremadura galten, die Lokalisierung des Dichters
wahrscheinlicher. Seine ausgezeichneten Rechtskenntnisse und die Tatsache, dass er (wie sich zeigen lässt) Latein
konnte, weisen auf einen gebildeten Mann hin, obwohl
nicht unbedingt auf einen hochgelehrten Kleriker. Für welches Publikum er schrieb und warum er seine Dichtung
mit dieser außergewöhnlichen Detailgenauigkeit schrieb,
wissen wir nicht.
Die Handschrift, die der unidentifizierte Schreiber namens Per Abbat anfertigte und der wir das Explicit verdanken, ist nicht überliefert. Erhalten hat sich nur eine Abschrift aus dem zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts,
von der schon früh vier Blätter verlorengingen (davon drei
mit jeweils ca. 50 Zeilen Text), denn eine handschriftliche
Kopie aus dem späten 16. Jahrhundert weist den gleichen
Textverlust auf. Es handelt sich um einen einfachen, aber
sorgfältig geschriebenen Codex, der wahrscheinlich im
oder für das Kloster San Pedro de Cardeña hergestellt wurde. Über ihn finden sich genauere Informationen im Kapitel »Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung«. Die
verlorene Handschrift des Per Abbat oder eine sehr getreue
Kopie von ihr gelangte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an die Kanzlei König Alfons’ X., des Weisen, der
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bereits um 1270 offenbar alle verfügbaren Materialien zur
Herstellung einer umfangreichen Chronik Hispaniens
sammeln ließ. Die Arbeit an dieser Chronik war ein großes
Unterfangen, an dem sicherlich zahlreiche Kleriker beteiligt waren. Wegen der Fülle an Quellen jeglicher Art und
Herkunft (mündliche und schriftliche; lateinische, arabische und volkssprachliche; historiographische und literarische), die es zu verarbeiten galt, entstanden von vielen Teilen Entwürfe und Vorfassungen, die nicht alle unverändert
in die Chronik übernommen wurden. Die Estoria de España, die erst Alfonsos Nachfolger Sancho IV. 1289 beendete,
wurde nicht nur die Grundlage für erweiternde und kürzende Fassungen, für Neubearbeitungen und Exzerpte,
sondern sie hinterließ auch einen Fundus an Materialien,
der zum Teil in den späteren Texten neu verwertet wurde
oder zur Herstellung neuer Fassungen diente. In der alfonsinischen Werkstatt wurde nun eine Biographie von Rodrigo Díaz verfasst, die auf dem Epos, auf der Historia Roderici und einer arabischen Quelle basierte (vermutlich eine
Epistel des Ibn al-Faraǧ), und sie wurde in die Kapitel über
die Könige Kastiliens eingebaut. Man vermutet, dass mehr
als eine Fassung dieser Biographie angefertigt wurde, weil
in den späteren Chroniken der Text des Epos mal mit dem
der Historia, mal mit dem der arabischen Quelle kombiniert erscheint. Für die Cid-Forschung ist an alldem besonders folgende Tatsache interessant: Die Umsetzung der
Epos-Verse in einen Prosabericht war an manchen Stellen
so wörtlich, dass der Text streckenweise fast direkt übernommen wurde und dabei zum Teil sogar Assonanzen bewahrt blieben. Zum einen bestätigt dies, dass der ChronikWerkstatt tatsächlich die Handschrift des Per Abbat oder
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eine sehr genaue Kopie davon zur Verfügung stand. Zum
anderen ermöglicht dieser Umstand, die Chroniken an
manchen Stellen zur Bestätigung von schwer lesbaren, fehlerhaften oder gar verlorenen Stellen im überlieferten Codex des 14. Jahrhunderts heranzuziehen. Diese historiographischen Texte haben also einen gewissen textkritischen
Wert, der allerdings immer sehr genau geprüft werden
muss. Sie können selbstverständlich nicht verwendet werden, um die Verse des überlieferten Epos zu korrigieren
oder umzustellen. Doch dort, wo der erhaltene Text Probleme aufweist, können unter Umständen die Chroniken
Argumente für eine Lösung in eine bestimmte Richtung
bieten.
Besonders wichtig ist dies für den Anfang des Epos. Der
erhaltenen Handschrift fehlt das erste Blatt. Darin hätten
maximal 50 Verse stehen können, sofern der Text auf der
Vorderseite des Blattes begann und er keinen Raum für Titelei oder Initialen freiließ. In diesen wenigen Versen
konnte das Epos lediglich über die Ankunft des königlichen Erlasses mit der Verbannung berichten und vielleicht
einen Hinweis auf die Gründe für den königlichen Zorn
geben. Der Blattverlust kann durch die Chroniken nicht
richtig ersetzt werden, weil der Beginn der Handlung des
Epos dort in einem weiteren Erzählzusammenhang steht.
Doch unmittelbar vor dem Einsetzen wörtlicher Übereinstimmungen mit dem überlieferten Text des Epos finden
sich in den Chroniken Assonanzen auf a–o, die auch die
erste erhaltene Laisse des Liedes prägen. Dies eröffnet die
Möglichkeit für eine behutsame (und selbstverständlich
hypothetische) Rekonstruktion zumindest des letzten Teils
des verlorenen Textes. Unter den verschiedenen Chroni-
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ken, die eine Prosafassung des Epos enthalten, ist die sog.
Crónica de Castilla (»Chronik Kastiliens«) diejenige, die
von Beginn an die meisten Assonanzreste beibehalten hat
und die daher stets für die Rekonstruktion der Anfangsverse herangezogen wird. Die Verse, die sich dort andeuten,
lassen erkennen, dass das Epos nicht mit einer weitläufigen
Erzählung begann, sondern wohl mitten in der Handlung,
mit der Ankunft der Urkunde, die die Verbannung des Helden und ihre Umstände mitteilt.
Es ist nicht unüblich, dass heroische Stoffe in mittelalterlichen Chroniken erwähnt werden, aber eine so ausführliche und teilweise wörtliche Übernahme, wie sie die gesamte altspanische Heldenepik erfuhr, allen voran das Lied
von Mio Cid, ist einmalig. Voraussetzungen dafür waren im
Fall unseres Texte die historische Genauigkeit eines Großteils der Handlung sowie vor allem die gemäßigte Haltung
des Helden und die positive Darstellung des Königs, der
bei der Verbannung des Cid als hilf loses Opfer intriganter
Höf linge dargestellt wird, im Verlauf der Handlung aber
immer deutlicher zum Helden und zu der von diesem vertretenen Vereinigung von Verdienst und Recht hält.
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Anhang
Inhalt
Vorbemerkung 5
Cantar de Mio Cid · Das Lied von Mio Cid 9
Cantar primero · Erster Gesang 12
Cantar segundo · Zweiter Gesang 120
Cantar tercero · Dritter Gesang 234
Anhang
Die Handschrift. Die Edition. Die Übersetzung 373
Kommentar 385
Verzeichnis der Abkürzungen 463
Literaturverzeichnis 465
Nachwort 477
Ialt 501