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Publicly Available Published by K. G. Saur 2021

Rothko, Mark

  • Dossin, Catherine

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Artikel

Vita

Rothko, Mark (eigtl. Rothkowitz, Markus), russ.-US-amer. Maler, *25.9.1903 Dvinsk (heute Daugavpils, Lettland), †25.2.1970 New York. 1932-44 verh. mit Edith Sacher, ab 1945 mit Mary Alice Beistle.

Biogramm

Als jüngstes von vier Kindern wird Markus Rothkowitz in der Festungsstadt Dvinsk, einem Eisenbahnknotenpunkt und Handelszentrum in dem im russ. Kaiserreich den Juden zugewiesenen Ansiedlungsrayon, geboren. Die Lebensbedingungen der in etwa die H. der Bevölkerung ausmachenden Juden sind denkbar schlecht. R.s Vater Jakob Rothkowitz steht als Apotheker mit seiner Fam., auch wenn sie nicht wohlhabend ist, noch über seiner armen Kundschaft. Die Fam. spricht zuhause russ., ist gebildet und belesen. Jakob ist Marxist, politisch interessiert und zunächst nicht religiös. Als Reaktion auf die Pogrome von 1904, die die Lebensbedingungen der jüdischen Bevölkerung im Ansiedlungsrayon massiv verschlechtern, wendet er sich der Orthodoxie zu. Er schickt seinen jüngsten Sohn Markus im Gegensatz zu den älteren Geschwistern auf eine trad. jüdische Schule, wo er Hebräisch lernt und die hl. Schriften studiert. 1911 emigriert Jakob in die Vereinigten Staaten nach Portland/Ore., wo sein jüngerer Bruder einen erfolgreichen Textilhandel betreibt. 1913 reisen zunächst die beiden älteren Söhne Moise und Albert nach, seine Frau folgt im selben Jahr mit R. und der Tochter. Der Tod des Vaters nur wenige Monate nach der Familienvereinigung bringt die Fam. wirtschaftlich in eine schwierige Lage. Der junge R. sucht erst Trost in der Synagoge, wendet sich dann aber ganz von der Religion ab. Die Fam. lebt in Portland sehr bescheiden im jüdischen Viertel der Stadt. R. arbeitet als Zeitgungsjunge. Trotz der Sprachbarriere und der emotionalen wie finanziellen Herausforderungen ist er ein guter Schüler, ein besessener Leser mit einem bes. Interesse für das griech. Drama sowie ein begabter Musiker. Wie sein Vater ist er polit. interessiert, insbes. am Anarchismus und besucht die Vorträge der aus Litauen stammenden Anarchistin Emma Goldman. Die Fam. begrüßt zunächst die Russ. Revolution in der Hoffnung, dass sich durch sie die im 1. WK nochmals erschwerten Lebensbedingungen der russ. Juden verbessern würden. Nach dem Abschluss der High School (1921, mit Ausz.) erhält R. ein Stip. für das Stud. in Yale. Dort wird er aufgrund seiner bescheidenen Herkunft wie seines Glaubens diskriminiert. Ein antisemitisches Quotensystem, das die Eliteuniversitäten damals unter der Hand einführen, führt dazu, dass R. und and. jüdische Studenten am E. des ersten Jahres ihr Stip. verlieren. In der von ihm zus. mit zwei jüdischen Freunden während seines zweiten Studienjahrs begründeten Untergrundzeitung "The Yale Saturday Evening Pest" kritisiert er vehement die Institution. Desillusioniert von Yale, ist es ihm unmöglich einen Platz in der sozialen Elite der "Prep School Patricians", den Kommilitonen aus der privilegierten Oberschicht, zu finden, so dass er das Stud. im Herbst 1923 abbricht. Nach ersten Überlegungen Schauspieler zu werden nimmt er zwar Unterricht, entschließt sich dann aber nach einem eher zufälligen Besuch einer Aktzeichnenklasse, Maler zu werden. A. 1925 besucht er Kurse an der New School of Design, u.a. bei Arshile Gorky, im Okt. schreibt er sich an der Art Students Legue ein. Er besucht sechs Monate lang die Stilleben-Klasse bei Max Weber und lernt anschl. zwei Monate Aktzeichnen bei George Brandt Bridgman. Weber, wie R. auch russ. Jude und Musikliebhaber, bietet im das Vorbild eines erfolgreichen Avantgarde-Künstlers. 1927 beauftragt ihn Rabbi Lewis Brown, seine Graphic Bible mit Karten zu illustrieren. Nach Publ. des Buchs verklagt R. den Autor und den Verleger, weil sie ihn nicht angemessen gewürdigt und bezahlt haben. Die Klage wird abgewiesen, da R. keinen Vertrag vorlegen kann. R.s tiefes Misstrauen gegenüber dem US-amer. Rechtssystem, dem jüdischen Establishment und Rechtsanwälten resultiert aus dieser bitteren Erfahrung. Die von Bernard Karfiol, einem der Lehrer an der Art Students Legue, im selben Jahr zusammengestellte Gruppenausstellung in der Opportunity Gall. ist die erste öff. Präsentation seiner Werke. An ihr ist auch Milton Avery beteiligt, den er 1927 kennengelernt hat und dessen Freundschaft in diesen frühen Jahren für R. von großer Bedeutung ist. Während Averys Gem., bes. seine Farbharmonien, R. nur allmählich beeinflussten, ist es v.a. der feste ges. Zirkel des 18 Jahre älteren, bereits verheiteten Künstlers, der für R. von Bedeutung ist. Durch Avery findet R. Anschluss an eine Gruppe junger Künstler, darunter Adolph Gottlieb, John Graham und Barnett Newman, die für ihn ein inspirierendes und förderndes Umfeld sind. Der von ihm seit 1929 an der Center Acad. am Brooklyn Jewish Center erteilte Kunstunterricht wird in der Erinnerung ehemaliger Schüler und Kollegen gerühmt, da er nicht so sehr an der Vermittlung von Maltechniken und -prinzipien interessiert gewesen sei als daran, die Kreativität der Kinder zu fördern. Noch 1938 wird er anlässlich eines von Franz Čižeks Theorien zur Kunsterziehung beeinflussten Vortrags am Center behaupten, dass alle Kinder kreativ und darin primitiven Völkern vergleichbar seien. Auf einem Campingausflug in die Nähe des Lake George im Sommer 1932 lernt er seine zukünftige Ehefrau, die Künstlerin Edith Sachar kennen. And. als R. ist sie in den USA geb., entstammt aber ebenfalls einer sich mühsam durchschlagenden russ.-jüdischen Fam. und ist wie er auch mehr an Politik als an Religion interessiert. Er stellt sie in Sculptress (Untitled, 1934-35, Washington/D.C., NG of Art) bei der Arbeit dar, einem für diese Zeit typischen Werk mit seinen dunklen Farben, den die massive weibliche Figur grob umreißenden schwarzen Linien und dem schweren pastosen Farbauftrag. In seiner ersten Einzelausstellung (1933, Portland, AM) zeigt er an John Marin erinnernde Lsch. in Aqu., seinem bevorzugten Medium in dieser Zeit, sowie Arbeiten seiner Studenten von der Center Academy. Im Herbst darauf stellt er in New York an der Contemp. AG einige seiner Lsch. in Aqu., außerdem auch Öl-Gem. (z.B. Man Smoking, 1933; Woman Talking, um 1929/32, beide Washington D.C., NG of Art) aus. Mit acht Freunden, darunter Gottlieb, Ben-Zion und Ilya Bolotowsky, die wie er jüdische Einwanderer sind, gründet er gegen den vom Whitney Mus. propagierten "Amer. Regionalism" die Gruppe "The Ten Who are Nine" (bek. als "The Ten"), um füreinander Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen (z.B. Gruppen-Ausst. 1936 Paris, Gal. Bonaparte). Im Nov. 1938 organisiert die Gruppe in der Mercury Gall. eine Gegenausstellung zur Whitney Bienn. mit dem Titel "The Ten: Whitney Dissenters". Ein anschl. Angebot der Gal., sie exklusiv zu vertreten, lehnt die Gruppe ab und löst sich 1939 auf. Da die Teilzeitstelle am Jewish Center für den Lebensunterhalt R.s kleiner Fam. während der Weltwirtschaftskrise nicht reicht, bewirbt sich R. beim Treasury Relief Art Project (TRAP), ein Förderprogramm des New Deal von Präs. Franklin D. Roosevelt. Die eig. Bedürftigkeit dem Sozialarbeiter nachzuweisen, um für das Programm angenommen zu werden, erweist sich als schwierig und noch dazu erniedrigend. Letztendlich angenommen, wird er im Mai 1937 an die Easel Division der Work Progress Administration (WPA) überstellt, die ihn bis Aug. 1939 beruflich unterstützt. Dank TRAP und WPA ist R. wie viele and. Künstler seiner Generation in der Lage, ohne Rücksicht auf die Nachfrage arbeiten zu können und seine künstlerische Sprache zu entwickeln. Zahlr. Werke der späten 1930er Jahre zeigen gleichförmige Großstadtmenschen in der Ubahn, die auf verdreckten Bahnsteigen warten, kommen und gehen. Die elongierten Figuren sind auf der monochromen Fläche zw. den in horizontalen und vertikalen Linien abgekürzten Archit., Fenster oder Türen geradezu eingeängt und reflektieren Einsamkeit und Monotonie des geschäftigen Großstadtlebens (z.B. Underground Fantasy [Subway], Öl/Lw., um 1940, Washington/D.C., NG of Art). Ebenfalls in diesem Jahrzehnt verfasst R. einen, allerdings nur durch die Kommentare von Freunden bek., Malereitraktat sowie das aus fragm. Aufzeichnungen bestehende Scribble Book. Dieses Ideen-Skizzenbuch gewährt Einblicke in R.s Ideen und Entwicklung, mit all ihren Widersprüchen und Schwierigkeiten. Er nimmt Bezug auf Plato, Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche, dessen "Geburt der Tragödie" entscheidend für sein Denken ist, insbes. für sein Interesse an Mythologie. Daneben spielen auch Søren Kierkegaards "Furcht und Zittern" und Siegmund Freuds "Traumdeutung" eine wichtige Rolle für R. Vor dem Hintergrund des aufkommenden Faschismus, der zunehmend angespannten polit. Lage in Europa sowie des überall und auch in den USA zunehmenden Antisemitismus' beantragt R. die Einbürgerung und wird im Febr. 1938 US-Bürger. Ab etwa 1940 verkürzt er seine Name auf Marc Rothko (offizielle Namensänderung 1958). And. als seine Brüder, die sich "Roth"nannten, wählte R. das weniger jüdisch klingende "Rothko". Im Zuge der Unzeichnung des dt.-sowjetischen Nichtangriffspakts im Aug. 1939 opponiert R., der negative Konsequenzen für die russ. Juden fürchtet, gegen den kommunistischen Amer. Artists' Congress (AAC), der die Position der Sowjetunion verteidigt. Er ist er im Herbst 1939 auch Teil der liberalen Gruppe, die sich vom AAC abspaltet, da dieser die sowjetische Invasion Finnlands nicht verurteilt und so implizit auch Hitlers Politik billigt. Die Dissidenten sind 1940 an der Gründung der "Federation of Mod. Painters and Sculptors" beteiligt, deren Ziel die Förderung der in Amerika tätigen freien und fortschrittlichen Künstler ist. Die Vereinigung bietet ihm vergleichbare Ausstellungsmöglichkeiten wie die inzwischen aufgelösten "Ten" in den vergangenen Jahren. Soziale und städt. Themen werden in R.s Schaffen in diesen Jahren vermehrt durch eine symbolische, mythologische Bildsprache ersetzt. Seine Mythenbilder spiegeln sein Interesse an Nietzsche, Freud und C.G. Jung, ebenso wie an dem Surrealismus, den er 1936 in der MoMA-Ausst. kennenlernt, und nun durch die europ. Flüchtlinge in New York zunehmend präsent ist. Der schwere, pastose Farbauftrag, der breite Pinselstrich und die dunklen Farben der Frühzeit werden in diesen Bildern durch hellere, mit variantenreichem Pinselstrich aufgetragene Farbharmonien, die unterschiedliche Texturen andeuten, ersetzt. R.s Syrian Bull (Öl und Graphit/Lw., 1943, Oberlin, Allen Memorial AM) und Gottliebs "Rape of Persephone", die auf der dritten Jahresausstellung der Vereinigung 1943 zu sehen sind, werden von dem Rezensenten der New York Times wegen ihrer hybriden Figuren, abstrakten Formen und des undefiniert bühnenartigen Raums verrissen. Barnett Newman hilft ihm anonym bei der Abfassung einer Replik, in der sie erklären, dass man komplexe Gedanken einfach ausdrücken müsse, gute Gem. über nichts nicht existierten und sie eine geistige Verwandtschaft mit archaischer und primitiver Kunst hätten. Im Frühjahr 1944 zeigt R. erstmals Werke in Peggy Guggenheims Gal. "Art of this Century", 1945 hat er dort eine erste Einzelausstellung, auf der zwar nur drei Bilder, darunter eines an Guggenheim selbst (Slow Swirl at the Edge of the Sea, 1944, New York, MoMA) verkauft werden, die aber sonst sehr gut aufgenommen wird und ihm einen Platz in der kleinen Elite der amer. Avantgarde sichert. 1946 folgt eine Einzelausstellung am MoA San Francisco. Trotz des beruflichen Erfolgs sind diese Jahre priv. für ihn schwierig. Das grauenhafte Schicksal der europ. und russ. Juden, auch in seiner Heimatstadt, wo die jüdische Bevölkerung vollst. vernichtet wird, trifft ihn tief. Gleichzeitig zerbricht seine Ehe, 1944 kommt es zur Scheidung. Im Frühjahr 1944 lernt er die 22-jährige Werbegrafikerin Mary Alice (Mell) Beistle kennen, die er am 31. März 1945 heiratet. Um 1946 nimmt sein Schaffen eine neue Wende. An die Stelle mythologischer Anspielungen, Symbole und Lsch. treten leuchtende, diffuse Formen. In diesen vielgestaltigen Gem., den sog. Multiforms, zeigt R. eine wachsende Beherrschung von Lasiertechniken, sowie eine stetig zunehmende Freiheit gegenüber trad. Malpraktiken. Anstelle einer Grundierung betupft er die Lw. mit einer Mischung aus Bindemittel und pulverisierten Pigmenten, auf die er mit trockenem Pinselstrich synthetische oder Ölfarben aufträgt. Zur Abstraktion kommt R. durch die Freundschaft mit Clyfford Still, den er 1943 kennengelernt hat. Während einer Lehrverpflichtung an der Calif. School of FA in San Francisco im Sommer 1947 diskutieren sie die Idee einer gemeinsamen Kunstschule, die als "Subjects of the Artist School" 1947 in New York eröffnet wird. Still trennt sich bald wieder von dem Projekt, während R. es mit David Hare (1917), Robert Motherwell und William Baziotes weiterführt. Trotz der kurzen Zeit ihres Bestehens (1948-49) zeigt sie von Bedeutung als Ausdruck des Selbstvertrauens der Künstler in ihre Ziele und ihr eigenes Schaffen, reflektiert in dem berühmten Fotoessay des Life Mag. (Jan. 1950) über die Gruppe der "Irascibles". Seine eigene Kunstauffassung umschreibt R. in einem The Romantics were Prompted überschriebenem Artikel in der Zs. "Possibilities" (Winter 1947-48) mit den Worten: "I think of my pictures as dramas; the shapes in the pictures are the performers". 1949 reduziert er seine Multiforms auf zwei oder drei große, abgerundet rechteckige Formen, die, mit leuchtender dünn aufgetragener Farbe, auf Farbfeldern schweben und erreicht so seinen klassischen Stil, den er für den Rest seiner Laufbahn weiterentwickeln wird, auf immer größeren Lw. und mit einer sich verdüsternden Palette, immer auf der Suche nach einem höheren Grad an Expressivität durch Farbkontraste und -modulierungen. Der Tod seiner Mutter 1948 hat seine latenten Ängste wieder aufleben lassen, sein Alkoholproblem und seine latenten Depressionen verschlimmert. Eine Erholungsreise nach Europa führt das Ehepaar R. 1950 nach Frankreich, Italien und England. Unter den besuchten Mus. und Denkmälern sind es bes. die Fresken von Piero della Francesca in Arezzo und Fra Angelico in S. Marco, die ihn anziehen. Bei der Rückkehr ist Mary Alice im fünften Monat schwanger und R., der werdende Vater, seinen Freunden zufolge "ein veränderter Mann". Da seine Frau nicht mehr arbeiten kann, beginnt er im Febr. 1951 am Brooklyn College zu unterrichten, darunter auch einen Kurs zur Zeitgen. Kunst, den er mit dem von ihm sehr bewunderten Rembrandt beginnt. Er behält die Stelle bis zur Entlassung im Frühjahr 1954. Glücklicherweise stellen sich nun erste Erfolge ein, denen er selbst aber kritisch gegenübersteht, da sie seinen sozialen, um nicht zu sagen sozialistischen Überzeugungen und der tief empfundenen Ablehnung von Kunst als Ware entgegenstehen. Im Frühjahr 1952 ist er einer der "Fifteen Americans" der regelmäßigen MoMA Ausst., weigert sich aber ebenso wie Still, an der Europatour der dann folgerichtig "Twelve Amer. Painters and Sculptors" gen. Ausst. teilzunehmen. E. 1952 lehnt er eine Einladung zur Teiln. an der "Whitney Bienn.", auf der er seit 1946 ausgestellt hatte, ab, ebenso 1954 die Beteiligung an "The New Decade: 22 Europ. Painters and Sculptors"am MoMA, 1958 den Guggenheim Internat. Award und 1959 eine bes. Einladung der Organisatoren der Documenta 2. Aus Sorge, seine Werke könnten nicht seinen Wünschen entsprechend präsentiert werden, weigert er sich, an Gruppenausstellungen teilzunehmen und untersagt selbst seinem Händler, seine Gem. zu zeigen. Seinem Galeristen Sidney Janis erlaubt er in sieben Jahren nur zwei Ausst. (1955, 1958) und gibt ihm jährlich nur eine sehr begrenzte Anzahl Bilder zum Verkauf. Nach Jackson Pollocks Tod 1956 steigen die Preise für amer. Künstler so rasant an, dass R. ab 1957 in der Lage ist, von seiner Malerei zu leben. Während sich seine finanzielle Lage stabilisiert, verschlechtert sich sein Gesundheitszustand. Zusätzlich zu übermäßigem Alkoholgenuss und Essen, kommt nun ein Nachlassen des Augenlichts und die rheumatoide Arthritis. In einem Vortrag am Pratt Inst. im Okt. 1958 versuchte er sich sowohl vom Action Painting als auch vom Abstrakten Expressionismus zu distanzieren: "I have never thought that painting a picture has anything to do with self-expression. It is a communication about the world to someone else." Zu dieser Zeit arbeitet er an dem bed. Auftrag für das von Philip Johnson entworfene Seagram Building. Die für den kleinen Speisesaal eines Four Season Restaurants bestimmten Wandbilder in seinem klassischen Stil, bekannt als Seagram Murals, sind trotz der Unterstützung durch Ass. eine derartige Herausforderung, dass seine ohnehin schon angegriffene Gesundheit weiteren Schaden nimmt. Zur Erholung unternimmt er mit Frau und Tochter eine zweite Europareise. In Michelangelos Bibl. Laurenziana gewinnt er die Überzeugung, dass hier das Gleiche zum Ausdruck komme, was er in seinem eig. Werk anstrebe. Auch in den Wandmalereien in der Mysterienvilla in Pompeji erkennt er Zusammenhänge mit seinen Arbeiten. Als er mit seiner Fam. nach der Rückkehr bei einem Besuch des "Four Seasons" Pollocks "Blue Poles" an der Stelle seiner noch nicht gelieferten Gem. sieht, gibt er entrüstet den Auftrag zurück. Tatsächlich ist R. dem Projekt, das entgegen seinen Überzeugungen ist, von A. an skeptisch begegnet, und ist daher einen leicht kündbaren Vertrag eingegangen. In den 1960er Jahren schenkt er einige der Seagram Murals der Tate Gall. in London, wo sie am Morgen nach seinem Tod eintreffen. 1961 findet am MoMA eine von ihm mitkuratierte Einzelausstellung statt, die dann nach Europa wandert. In London überwacht R. persönlich die Hängung: Die Wände sollen fast weiß (mit nur einem Hauch Rot) gestrichen sein, ein weiches Licht und die niedrige Hängung der Gem. sollen eine intime Beziehung mit dem Betrachter herstellen. Diese Ausst. hätte zu einem großen Ereignis für den Künstler werden sollen, der aber unter Gicht, Erschöpfung und Depression leidet und abgestoßen ist von der Vermarktung. Der 1962 beginnende durchschlagende Erfolg der Pop Art verstört ihn, da ihm deren glitzernde, oberflächliche und daher gefällige Figuration alles in Frage zu stellen scheint, worum er sich so intensiv bemüht hat. Aus Protest gegen Sidney Janis' Aussst. "The New Realists" im Okt. 1962 verlässt R. zus. mit Gottlieb, Guston und Motherwell dessen Gal. und geht, obwohl er die rücksichtslosen Geschäftspraktiken des Inhabers Frank Lloyd nicht schätzt, zur Marlborough Gallery. Seit den 1950er Jahren experimentiert R., möglicherweise um ihre Materialität aufzuheben, mit Farben, denen er pulverisierte Pigmente und ganze Eier hinzufügt und mit Lösemitteln so sehr verdünnt, dass die Pigmente kaum noch auf der Lw. haften und extrem empfindlich auf Licht und Feuchtigkeit reagieren. So zeigen die 1962 für die Harvard Univ. geschaffenen Wandgemälde sehr bald starke Schäden. 1965 beauftragen ihn John und Dominique de Menil mit Gem. für eine Kap., die sie in Houston zu bauen beabsichtigen. R. lehnt die Pläne des Architekten Johnson, die ihm die Wirkung seiner eigenen Werke zu beeinträchtigen scheinen, ab. Die nahezu monochromen Murals sind im Apr. 1967 voll., werden aber erst nach seinem Tod installiert, sodass er sie weder in situ sieht, noch spätere Änderungen machen kann. Ein Jahr nach Fertigstellung der Gem. für die Rothko Chapel wird bei R. ein Aortenaneurysma festgestellt, das ihm die Arbeit auf großen Lw. unmöglich macht. Daher beginnt er mit Acrylfarbe auf Papier zu malen, das er mit Klebeband an der Wand befestigt. Den beim Ablösen entstehenden weißen Rand überträgt er als neues Formelement auf seine danach entstehenden Gem. auf Leinwand. Untitled (1969, London, Tate Gall.), ein für diese Periode typisches Gem., zeigt ein mit vertikalen Pinselstrichen gemaltes, dunkelbraunes über einem helleren, deutlich sichtbar mit horizontalen Strichen gemalten Rechteck, die durch eine dünne transparente Linie voneinander getrennt und von einem weißen Rand unbemalten Papiers gerahmt sind. Nach seiner Erkrankung verschlechtert sich die Beziehung zu seiner Frau derart, dass er im Jan. 1969 in sein Atelier übersiedelt und eine Beziehung zu Rita Reinhardt, der Witwe des vor kurzem verstorbenen Ad Reinhardt, anfängt. Aufgrund seiner zerrütteten Ehe und angeschlagenen Gesundheit verlässt er sich immer mehr auf den Rat von Bernard Reis. Dieser steht R. anfänglich v.a. als finanzieller Berater zur Seite, nimmt nun aber auch Einfluss auf R.s Gesundheit und verweist R. an einen Psychologen, der ihn ausschl. mit Medikamenten behandelt. Die verschreibt ihm, entgegen der Empfehlung seines Arztes, Schlaftabletten. In der Folge mischt R. versch. Medikationen, dazu kommt sein Alkoholmissbrauch. Am 25. Febr. 1970 findet ihn sein Ass. in einer Blutlache auf: R. hat sich nach Einnahme von Barbituraten mit einem Rasiermesser die Adern aufgeschnitten. Seine Frau stirbt wenige Monate später, die 19-jährige Kate und der siebenjährige Christopher werden Vollwaisen. Ein Jahr nach R.s Tod verklagt Kate die Marlborough Gall. und die drei Testamentsvollstrecker Reis, Morton Levine und Theódōros Stámos. Sie werden 1975 wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht und Interessenkonflikts verurteilt, die Gal. muss 9,2 Millionen Dollar Schadensersatz zahlen, da man nachweisen kann, dass die Nachlassverwalter R.s Werke weit unter Wert an Marlborough verkauft, bevor diese sie dann mit einer extrem hohen Provision weiterverkauft haben. - R. gilt als einer der wichtigsten Künstler seiner Zeit, als einer der Hauptvertreter der New York School und des amer. abstrakten Expressionismus, auch wenn er selbst diese Bez. ebenso wie eine rein formalistische Interpretation seines Werks abgelehnt und darauf bestanden hat, dass seine abstrakten Formen und Farbkontraste allein dem Ausdruck und der Kommunikation dienen.

Werke

B.Clearwater (Ed.), M.R.: Works on Paper, Wa. 1984; D.Anfam (Ed.), M.R.: The Works on Canvas: Cat. Raisonné, New Haven 1998.

Ausstellungen

E: 1933 Portland (Oregon), AM / New York: 1933 Contemp. AG; 1945 Art of This Century; 1961 (Wander-Ausst.), 1970 MoMA (beide K); 1963,'78 Guggenheim (K) / 1946 San Francisco, MoA / 1954 Chicago, Art Inst. / Houston (Texas): 1957 Contemp. AM; 2015 MFA (K) / Washington (D.C.): 1960 Phillips Gall.; 1984, '98 NG (K; Wander-Ausst.) / 1971 Zürich Kunsthaus (K; Wander-Ausst.); Yale Univ. AG / London: 1987 Tate Gall. (K); 2008 Tate Modern (K) / 1991 Iowa, Cedar Rapids MoA (K; Wander-Ausst.) / 1995 Japan, Kawamura Memorial MoA / 2007 Rom, Pal. delle Esposizioni (K; Wander-Ausst.) / 2012 South Carolina, Columbia MoA (K) / 2013 Warschau, NM of Warsaw (K) / 2014 Den Haag, Gemeente-Mus. (K). - G: New York: 1938 Mercury Gall.: The Ten: Whitney Dissenters; 1950 Sidney Janis Gall.: Young Painters in the United States and France; MoMA: 1951 Abstract Painting and Sculpture in America (K); 1952 Fifteen Americans (K); 1958-59: The New Amer. Painting (K, Wander-Ausst.); 1975 The Jewish Museum: The Jewish Experience in the Art of the 20th Century (K); 2001 Brooklyn MoA: Vital forms, Amer. Art in the Atomic Age, 1940–1960 (K, Wander-Ausst.) / 1944 Ohio, Cincinnati AM: Abstract and Surrealist Art in the United States (K, Wander-Ausst.) / Venedig 1948: Bienn., La Coll. Peggy Guggenheim (K, Wander-Ausst.); 1958 Bienn. (K) / 1951: Wien, ABK: Amer. Malerei: Werden und Gegenwart (K Wander-Ausst.); São Paulo: Bienn. (K); Amsterdam, Sted. Mus.: Surrealisme + Abstraction (K, Wander-Ausst.) / 1955 Franfurt am Main, Städel: Mod. Kunst aus USA (K, Wander-Ausst.) / 1964 Basel, KH: Bilanz internat. Malerei seit 1950 (K) / 1987 Los Angeles, LACMA: The Spiritual in Art (K, Wander-Ausst.)/ 2016 London, RAA: Abstract Expressionism (K, Wander-Ausst.).

Bibliographie

Vo4, 1958. – EAAm III, 1968; Bauer, GEM VII, 1978; Bauer, GEM VII, 1978; ContempArtists, 1983; Falk, 1985; EAPD, 1989; DA XXVII, 1996; I.F. Walther, Künstler-Lex., in: Kunst des 20. Jh., II, Köln u.a. 1998; R.Kostelanetz, A dict. of the Avant-Gardes, N.Y. 22000; Delarge, 2001; S.Baskind, Enc. of Jewish Amer. artists, Westport, Conn./Lo. 2007. – M.Butor, Les mosquées de New York ou l'art de M.R., Critique 1961; R.Rosenblum, Mod. painting and the Northern romantic Trad., N.Y. 1975; L.Seldes, The legacy of M.R., Lo. 1978; D.Ashton, About R., N.Y. 1983; A.Chave, R.: Subjects in abstraction, New Haven 1989; J.E.B. Breslin, M.R.: A biography, Chicago 1993; S.Nodelman, The R. Chapel paintings, Austin 1997; G.Phillips/T.Crow (Ed.), Seeing R., L.A. 2005; C.Rothko (Ed.), The artist's reality, New Haven 2006; E.Firestone, Word & Image 22:2006(1)39-53; B.Collins (Ed.), M.R.: The decisive decade, 1940-1950, N.Y. 2012; A.Cohen Solal, M.R., P. 2013; C.Dossin, in: M.R. (K Ausst. MN), War. 2013; A.Rosen, J. of Mod. Jewish Studies 2013; J.Stenger, Studies in Conservation 61:2015(6)331-347.. – Online: Arch. of Amer. Art, 2014.

Artikel aus Vollmer

Biogramm

Rothko, Mark, russ.-amer. Maler, *1903 Dwinsk, Rußl., ansässig in Portland, Ore. Seit 1913 in den USA. Stud. bei Max Weber an d. Art Students League in New York. Anfängl. Expressionist, später abstrakt. Sonderausst. in New York: 1945 in d. Art of this Century Gall., 1946 in d. Mortimer Brandt Gall., 1947, 49, 50, 51 in d. Parsons Gall., 1955 in d. Janis Gall. Lit.: S. Janis, Abstract a. Surrealist Art in Amer., N. York 1944. - Encycl. of Painting, New York 1955. - The Art Index (New York), 1944ff. passim. - Art Internat. (Zürich), 2(1958) Nr 1, p. 55. - Seuphor.

QuelleSource

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