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Wie geht Gendern beim Sprechen?

„Bürgerinnen und Bürger …“ einfach dahingenuschelt, das kennen Sie aus Fernsehinterviews. Es hat Wirkung: Frauen und Männer sind damit angesprochen. Gut so!

Mit „Gendern“ ist jedoch meistens etwas anderes gemeint: „Dieses –innen!“ Das ist das genderinklusive Sprechen. Manche ärgern sich, wenn sie Bürger*innen hören. Es klingt noch immer fremd, obwohl schon viele das Gendern in ihre Alltagssprache aufgenommen haben.

Das Gendern nervt?!

Sie selbst müssen nicht so sprechen. Nur weghören geht nicht. Akzeptieren Sie dies einfach als den persönlichen Ausdruck einer Person. Sie will uns etwas sagen. Wir hören doch auch Menschen zu, die mit Dialekt sprechen oder einen Akzent haben.

Was bedeutet es, wenn jemand gendert?

Das genderinklusive Sprechen ist dazu da, einen Hinweis auf die geschlechtliche Vielfalt zu geben: Männer, Frauen, trans-, intergeschlechtliche, nichtbinäre Menschen. Alle in einem Wort, eine gute Sache. Wir sind alle gemeint.

Gendern Sie beim Sprechen?
Und wenn ja, wie?

Sagen Sie: Mitarbeiter*innen? Oder lieber: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Oder reden Sie immer von Mitarbeitern, benutzen also das generische Maskulinum? Das sind drei Methoden, über eine Berufsgruppe zu reden. Alles drei ist im Grunde Gendern, denn damit markieren Sie das Geschlecht der Person.

Eine weitere Möglichkeit ist, Mitarbeitende zu sagen. Das ist geschlechtsneutral: Sie benutzen ein substantiviertes Partizip im Plural. Auch dies gehört zum Thema „Gendern“. Schauen wir uns alles mal genauer an:

So können Sie Wörter mit Genderstern aussprechen

Mitarbeiter*in im Singular oder Mitarbeiter*innen im Plural – wenn Sie das sprechen wollen, machen Sie an der Stelle mit dem Genderstern einen minikurzen Stopp. Das ist der Glottisschlag.

Das Synonym für den Glottisschlag ist „Sprechen mit Lücke“. Wir kennen die Minilücke aus vielen deutschen Wörtern und sprechen sie mühelos. Mal sitzt die Pause zwischen Vokalen: be-einträchtigen, Be-amte, The-ater. Mal braucht es die Pause, sonst ergibt das Wort einen anderen Sinn: Spiegel-ei oder Spiegelei.

Woher kommt das Wort Glottisschlag?

Der Begriff stammt aus der Phonetik. Der Glottisschlag wird auch „stimmloser glottaler Plosiv“ genannt. Manche sagen „Knacklaut“ dazu, obwohl kein Knacken zu hören ist. Für diese Sprechpause werden die Stimmritzen im Kehlkopf für den Bruchteil einer Sekunde geschlossen.

Lieber mal üben: Gendern mit dem Glottisschlag

Bei den ersten Versuchen, Wörter mit einem Genderzeichen zu sprechen, wird das Anhängsel –innen oft zu stark betont. Das passiert, wenn Sie sich auf die ungewohnte Aussprache konzentrieren. Mit etwas Übung denken Sie nicht mehr darüber nach, sondern machen ganz elegant den Glottisschlag. So wie alle anderen auch, die schon länger so gendern.

Audiobeispiel:
Wie klingt Gendern?

Das Gendern hören

Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter*innen: Diesen feinen Unterschied nehmen wir beim Hören sehr genau wahr. Wer über Frauen als Mitarbeiterinnen spricht, zieht den Konsonanten –r aus der maskulinen Personenbeschreibung Mitarbeiter direkt vor das Anhängsel –innen. Also so: Mitarbeite–rinnen. Will jemand dagegen die geschlechtliche Vielfalt verdeutlichen und sagt Mitarbeiter*innen, ist der Glottisschlag zu hören: Mitarbeiter – Pause – innen.

Testen Sie den feinen Unterschied

Aussprache Femininum
Bürge-rinnen | Kö-chinnen | Lieferan-tinnen

Aussprache mit Glottisschlag
Bürger-innen | Köch-innen | Lieferant-innen

So können Sie sprechen

… mit Doppelpunkt

Wir können nicht hören, welches Genderzeichen gerade gesprochen werden soll. Denn egal, ob geschrieben ein Genderstern mitten im Wort steht, ein Gender-Doppelpunkt, ein Gender-Unterstrich oder irgendein anderes Symbol: Jedes Genderzeichen wird beim Sprechen durch die Minisprechpause Glottisschlag verdeutlicht.

… mit Binnen-I

Sogar das Binnen-I wird mit dem Glottisschlag gesprochen. Die Linguistin Luise F. Pusch rühmt sich, schon 1985/86 auf die Frage nach der Aussprache gesagt zu haben: „Mit der Minipause!“

Das Binnen-I ist allerdings aufs Abstellgleis geraten, weil es nur Frauen und Männer sprachlich in ein Wort packt: Es ist binär. Beim Gendern geht es dagegen darum, das ganze Spektrum der Geschlechtsidentitäten sprachlich sichtbar zu machen und ein Zeichen für die Vielfalt zu setzen.

Was wurde aus dem Binnen-I?

Ute Scheub, langjährige taz-Autorin, über den Wegbereiter des Gendersterns

Luise F. Pusch und der Genderstern

Die Mitbegründerin der feministischen Linguistik im Interview

Mit der Paarform sprechen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – oder in umgekehrter Reihenfolge – Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Das ist die Paarform. Es gibt sie auch im Singular: Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Weil das meistens keine Paare im Sinne von Ehepaar oder Liebespaar sind, passen die Begriffe „Beidnennung“ oder „Doppelform“ besser.

Die Doppelform gilt oft nicht als „Gendern“, obwohl auch sie das Geschlecht der Beteiligten sichtbar macht. Sie wird immer dann verwendet, wenn es um weibliche und männliche Personen geht, bei mindestens zwei Menschen, die sich eindeutig als Frau und Mann identifizieren, oder bei einer solchen Gruppe. Die geschlechtliche Vielfalt soll dann gerade nicht betont werden. Die Doppelform wird auch benutzt, wenn Genderzeichen nicht üblich oder sogar unerwünscht sind.

Die Doppelform macht Frauen sichtbar. Das ist ihr Vorteil. Nachteil ist, dass es als mühsam empfunden wird, mehrmals hintereinander die weibliche und die männliche Bezeichnung zu wiederholen. Beim Sprechen neigen wir dazu, möglichst ökonomisch zu reden. Wir verkürzen, wo es nur geht. Manchmal wird dann einfachheitshalber gesagt: Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter. Das verbindende und oder das oder wird dabei weggelassen.

Mit dem generischen Maskulinum sprechen

Nichts leichter als das. Für die heute Erwachsenen ist das Sprechen mit maskulinen Personenbezeichnungen die eingeübte Sprechweise. Sie hat sich tief in die deutsche Sprache eingegraben. Seit der großen Genderdebatte in den Jahren 2020/21 wird das generische Maskulinum jedoch nicht mehr von allen gern verwendet.

Was bedeutet generisches Maskulinum?

Bei einer maskulinen Personenbezeichnung sollen sich Frauen – und alle weiteren Geschlechtsidentitäten – mitgemeint fühlen. Das Maskulinum soll „generisch“ wirken, das bedeutet: allgemeingültig.

Was wir hören ist ein maskulines Wort. Vor dem geistigen Auge der Zuhörenden entsteht zunächst das Bild eines Mannes, das haben Studien ergeben. Wer außerdem noch gemeint sein soll, müssen Sie sich selbst hinzudenken: Spricht die Person auch über Frauen oder über Menschen mit einer anderen Geschlechtsidentität? Stellen Sie anderen mal die Testfrage: „Nenne zehn Musiker“. Kommt jemand auf Beyoncé oder Lady Gaga?

Das generische Maskulinum funktioniert nicht mehr gut, seitdem es so oft und vor allem zu recht kritisiert worden ist. Irritiert fragen wir bei maskulinen Personenbeschreibungen: Sind vielleicht wirklich nur Männer gemeint?

Damit in einem Wort alle geschlechtlichen Identitäen sprachlich erkennbar sind, wurde in den 2010er Jahren das Gendern mit Genderzeichen und Glottisschlag entwickelt. Seit 2015 kennen wir den Genderstern.

Linguistische Studien übers Gendern

finden Sie auf der Seite Quellen

Pro & Contra in der Genderdebatte

Unsere Sammlung Gesprächsstoff

Keine Lust auf Gendern?

Es gibt nach wie vor sehr viele Menschen, die lieber von Mitarbeitern statt von Mitarbeiter*innen sprechen. Laut Umfragen wollen 60 % der Deutschen nicht gendern. Wer die herkömmliche Sprechweise benutzt, sollte dafür nicht kritisiert werden. Gendern ist eine freiwillige Sache.

Gendern? Wer kann das denn aussprechen?

Die Mitarbeiter*innen – das geht einfach, jedenfalls mit ein wenig Übung für die unauffällige Betonung. Im Plural lassen sich gegenderte Personenbezeichnungen perfekt in alle Sätze einbauen und fließend aussprechen. Das liegt am quasi neutralen Artikel die. Vergleichen Sie:

die Mitarbeiter, die Mitarbeiterinnen, die Mitarbeiter*innen
Es ist immer derselbe Artikel.

Bei Wörtern mit Genderzeichen im Singular wird es dagegen sehr, sehr schwierig. Eine Personenbeschreibung mit Artikel, Adjektiv und den dazugehörigen Sternchen lässt sich kaum ausprechen, wie in diesem Beispiel:

Jobangebot: Wir suchen eine*n erfahrene*n Buchhalter*in.

Besser so: Wir suchen eine erfahrene Buchhalterin oder einen Buchhalter, Geschlecht ist uns egal.

Genderleicht-Tipp

Um das Problem zu lösen, können Sie beim Sprechen die Formulierung auflösen. Nutzen Sie die Doppelform und geben Sie den Hinweis, dass alle Geschlechter willkommen sind.

Schwierig zu sprechen sind Sätze, wenn das Pronomen jeder einen Genderstern bekommt: jede*r. Ganz schön holprig!

Jede*r Mitarbeiter*in, der oder die das liest.

Besser so: Alle Mitarbeitenden, die das lesen.

Genderleicht-Tipp

Ersetzen Sie jede*r durch alle. Damit sind Sie wieder im Plural.

Die Alternative

Mit dem Glottisschlag oder mit vielen Doppelformen zu reden, kann mühsam sein, wenn Sie das in jedem Satz machen. Weil solche Genderformen noch immer ungewohnt sind, wird diese Redeweise als anstrengend empfunden – vor allem von denen, die das hören. Formulieren Sie Ihre Gedanken besser so, dass Sie das Geschlecht, so oft es geht, nicht erwähnen.

Geschlechtsneutral

… können Sie von Menschen, Personen und Leuten sprechen. Ebenso gut sind Partizipien wie Mitarbeitende oder Teilnehmende. Achtung: Substantivierte Partizipien oder Adjektive wirken nur im Plural geschlechtsneutral!

Fazit: Probieren Sie das Gendern

Beim spontanen Sprechen, bei Unterhaltungen oder Diskussionen nutzen wir unsere Alltagssprache.

Manche reden wie gedruckt, andere suchen erst nach Worten. Jugendliche sprechen gern mit Anglizismen, Intellektuelle bauen Fremdwörter in ihre Sätze ein, Fachleute benutzen Fachwörter. Mit kleinen Kindern reden wir anders als unter Erwachsenen.

Individuell sind wir uns selbst aber treu: Wir nutzen dieselben Phrasen immer wieder. Das macht die Umstellung auf neue Sprach- und Sprechgewohnheiten schwer. Üben hilft. Probieren Sie es doch wenigstens einmal aus.

Gleichberechtigung und Freiheit von Diskriminierung stehen als fundamentale Prinzipien im Grundgesetz.