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US-Präsident im WahlkampfBiden gibt der Parteilinken ein Zückerchen

Mit seinem Vorgänger Barack Obama sammelte US-Präsident Joe Biden am Wochenende in Los Angeles Spenden. Jetzt verfügt er neue Erleichterungen für eine Gruppe von illegal Eingewanderten, die er mit Obamas Integrationspolitik vergleicht.
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Nun rücken die Schicksale für einen Moment wieder in den Vordergrund, die sonst in der US-amerikanischen Politik im Hintergrund bleiben. Etwa jenes von Alejandro Paz Medrano und Erin Messinger aus Pennsylvania, ein Paar seit 20 Jahren, verheiratet seit 8 Jahren. «Jeden Tag küssen wir uns zum Abschied und wissen nicht, ob es das letzte Mal war», sagte Medrano zum Radiosender NPR.

Er ist vor vielen Jahren illegal aus Mexiko in die Vereinigten Staaten eingewandert, und obwohl seine Frau US-Bürgerin ist, gibt ihm die Heirat kein Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung. Dafür müsste er die USA verlassen, erst nach einer Wartezeit von 10 Jahren könnte er einen Antrag auf eine Greencard stellen. Medrano lebt darum ohne Papiere in Pennsylvania, aus Angst vor einer Abschiebung hat das Paar auf Kinder verzichtet, mehrmals musste er den Job wechseln, weil er keinen Aufenthaltstitel vorweisen konnte.

Biden sucht Obamas Glanz

Für Menschen mit solchen Schicksalen will US-Präsident Joe Biden nun einen legalen Ausweg schaffen. Das Weisse Haus hat am Dienstag entsprechende Regeln angekündigt, es sind seit 12 Jahren die umfangreichsten Erleichterungen für illegal im Land lebende Menschen. Damals war Biden als Vizepräsident beteiligt, als Barack Obama die Bedingungen für die sogenannten Dreamers lockerte, Menschen ohne Aufenthaltspapiere, die bereits im Kindesalter eingewandert waren. Den Jahrestag der damaligen Reform wählte Biden nun, um seinen neuen Plan zu kommunizieren und dabei ein bisschen von Obamas Glanz auf sich abfärben zu lassen.

Von den Neuerungen dürften etwas mehr als 500’000 Menschen profitieren, die sich seit mindestens 10 Jahren illegal in den USA aufhalten und mit US-Bürgern verheiratet sind. Sie sollen eine Arbeitsbewilligung erhalten und vor der Abschiebung geschützt werden. Zusätzlich will ihnen Biden die Möglichkeit eröffnen, sich einbürgern zu lassen.

Kann Spuren von Wahlkampf enthalten

Natürlich betreibt der US-Präsident mit der Ankündigung auch Wahlkampf. Erst zwei Wochen ist es her, dass er die Regeln für die Einwanderung an der Südgrenze markant verschärft hat. Es war eine politische Kehrtwende für den Demokraten, der im Wahlkampf 2020 vor allem menschlichere Gesetze versprochen und seinen Rivalen und Vorgänger Donald Trump für dessen harte Migrationspolitik scharf kritisiert hatte. Einmal im Amt, geriet Biden allerdings selbst unter Druck, weil nach dem Ende der Covid-Pandemie Migranten die Südgrenze in Rekordzahlen überquerten.

Breite Wählergruppen, auch Demokraten, betrachten die Einwanderung als eines der drängendsten Themen für die Präsidentschaftswahl in diesem Jahr – sehr zur Freude des Republikaners Trump, der seine Kampagne darauf aufgebaut hat. Aus wahltaktischen Gründen liess er eine überparteiliche Reform der Einwanderungsgesetze im Kongress blockieren, worauf Biden auf seine Vollmachten als Präsident zurückgriff, um neue Asylanträge an der Grenze zu Mexiko weitgehend zu verunmöglichen. Biden übernahm damit ausgerechnet eine der Regelungen, für die er Trump einst getadelt hatte, und verärgerte den progressiven Flügel seiner Partei. Der Parteilinken kommt er nun entgegen mit den am Dienstag angekündigten, politisch fein austarierten Reformen.

Die Berater des Präsidenten hätten monatelang darüber diskutiert, welches Zückerchen die bittere Pille der strengen Südgrenzen-Beschlüsse ausgleichen könnte, berichtete die Zeitung «Wall Street Journal». Die Wahl sei auf die Erleichterung für Ehepartner von US-Bürgern gefallen, weil eine Mehrheit der Amerikaner laut Umfragen damit einverstanden sei. Zudem existiere seit einem Jahrzehnt eine ähnliche Regelung für Angehörige von US-Militärs.

Biden umwirbt die wichtige Wählergruppe der Latinos

Nicht zuletzt will sich Biden bei der wichtigen Wählergruppe der Latinos besserstellen. Bei ihnen hat der US-Präsident im Vergleich zu 2020 an Rückhalt eingebüsst. Während Weisse laut Umfragen in stabilen Anteilen Biden oder Trump wählen wollen, droht Biden viele Stimmen von Latinos und Afroamerikanern an Trump zu verlieren. Bei beiden holt der Demokrat eine Mehrheit, doch ist sein Vorsprung etwa auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Den Latinos kommt bei der knappen Wahl überragende Bedeutung zu, zumal sie in Swingstates wie Arizona, Nevada und Georgia zwischen 10 und über 30 Prozent der Bevölkerung stellen.

Die Reaktionen auf Bidens Pläne fielen so aus, wie sie in einem Wahljahr zu erwarten sind. Sylvia Garcia, Abgeordnete der Demokraten aus Texas, lobte, das Weisse Haus bekräftige sein Engagement für Migranten. Der Republikaner John Cornyn, Senator, ebenfalls aus Texas, kritisierte Biden, einen Anreiz für illegale Einwanderung zu schaffen. Cornyn prophezeit zudem jahrelange Gerichtsverfahren, womit er recht haben dürfte: Es ist wie bei so vielen Einwanderungsreformen zu erwarten, dass von Republikanern geführte Staaten gegen die Beschlüsse aus Washington klagen werden.