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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Dortmund: Brinkhoffstraße

Stillgelegt: 1984
Status: Keine Gleisreste mehr vorhanden

[01] Brinkhoffstraße/Ecke Bahnhofstraße südlich der Bahnunterführung
November 2003  © Tramtracks

Immer wieder hat sich der Bereich um den Dortmunder Hauptbahnhof drastisch verändert. Nach der Aufgabe der oberirdischen Straßenbahnstrecken am 2. Juni 1984 wurden Flächen neu geordnet und bebaut. Zwischen Königswall und Bahnhofstraße entstand das im April 1994 eröffnete Harenberg City-Center, das mit seinen 70 Metern Höhe zu den innerstädtischen Landmarken gehört. Das Grundstück, auf dem das Bürohochhaus steht, war zuvor unbebaut und wurde zum Teil als Straßenbahntrasse genutzt.

Diese Streckenführung stammte aus dem Jahr 1964: Zuvor fuhr die Straßenbahn auf der Bahnhofstraße, und zwar an der Mauer zum Hauptbahnhofsgelände entlang. Das Gleis gabelte sich dann an der Einmündung in die Brinkhoffstraße (die damals noch Sedanstraße hieß) auf, so dass die Wagen sowohl in Richtung Westentor als auch zur Schützenstraße abbiegen konnten. Die Kurve Richtung Nordstadt, die die Zweiachser nehmen konnten, war für die Achtachser dann zu eng. Daher wurden die Gleise mit größerem Radius ein Stück nach Süden verlegt. Den Abzweig Richtung Westentor ersetzte eine kurze Neubaustrecke über den Königswall.

[02] Brinkhoffstraße/Ecke Bahnhofstraße südlich der Bahnunterführung
November 2003  © Tramtracks
[03] Brinkhoffstraße/Ecke Bahnhofstraße südlich der Bahnunterführung
November 2003  © Tramtracks

Als 1910 die Eisenbahntrasse auf einen Damm gelegt wurde und die Tram nicht mehr vor den lange geschlossenen Schranken hätte warten müssen, wurde die Strecke in der Sedanstraße angelegt (und dafür die nördlich zur Eisenbahn verlaufende Strecke vom Steinplatz über Rossstraße (heute: Grüne Straße) aufgegeben.

Die letzte Linie, die bis 1984 die Gleise in der Brinkhoffstraße nutzte, war die 405. Sie fuhr über Schützenstraße und in den Jahren vor der Stilllegung eine Umleitung über Lessing- und Gneisenaustraße, um dann auf der Mallinckrodtstraße weiter in Richtung Huckarde, Westerfilde und Mengede zu fahren.

Als die Straßenbahn von der Brinkhoffstraße verschwand, dominierte noch die Dortmunder Union-Brauerei mit ihrem verglasten Sudhaus die Szenerie. Zehn Jahre später, als die Bierabsätze sanken, sollte sie mit der Ritter-Brauerei zusammengehen und ihre Produktionsstätte an den Stadtrand nach Lütgendortmund verlegen. Weitere zehn Jahre lag die Brauerei im Stadtzentrum verwaist, bis die Gebäude abgerissen wurden – alle bis auf den 70 Meter hohen Gär- und Lagerkeller, der bei seinem Bau 1926/27 das erste Hochhaus in der Stadt war. Das noch einmal neun Meter hohe, vergoldete U, das 1968 aufs Dach gesetzt wurde, war Werbung und auch ein bisschen Protzerei, denn seit 1950 war es mit dem Bierkonsum der Deutschen steil bergauf gegangen. Das U gilt neben Florianturm und Westfalenhalle als das Wahrzeichen Dortmunds. Es symbolisiert nicht nur die frühere Identität als Stadt des Bieres, sondern auch den Wandel. Im komplett umgebauten U-Turm findet man nun Kunstmuseen, die Universität und Gastronomie.

[04] Brinkhoffstraße/Ecke Bahnhofstraße südlich der Bahnunterführung
November 2003  © Tramtracks
[05] Brinkhoffstraße nördlich der Bahnunterführung
November 2003  © Tramtracks

Der südliche Bereich der Brinkhoffstraße hat sich auch sonst rapide gewandelt. Zur Neugestaltung des Bereichs rund um das Dortmunder U wurde die Straße, wie der Fachmann sagt, abgekröpft und an den Königswall angebunden. Das achtgeschossige Wohnhaus Königswall 33 wurde im April 2004 abgerissen und das Grundstück in den Jahren danach mit modernen Bürohäusern neu bebaut, nachdem 2008 auch die oberirdische Ost-West-Strecke der Straßenbahn am Westentor in den Tunnel verlegt worden war.

Der Bereich der Bahnunterführungen entlang der Brinkhoffstraße, der sich über eine Länge von 200 Metern hinzieht, galt vielen als trostloses Loch, manchen sogar als Angstraum, den man möglichst mied. Das sollte ein Kunstprojekt versuchen zu ändern: Seit 2011 belebt es den Raum als "Nord-West-Passage" mit Farbe und wies gestalterisch auf die Schnittstelle zwischen Unionviertel und Nordstadt hin, die die Unterführung ja bildet. Ob der Bereich nun, wie von den Werbetextern der Stadt behauptet, zu "einem gefragten Ort in Dortmund geworden" sei, muss jeder selbst entscheiden. Auf jeden Fall hat der kreative Ansatz diesen Teil der Brinkhoffstraße aufgewertet.

[06] Brinkhoffstraße/Ecke Bahnhofstraße südlich der Bahnunterführung
Juni 2008  © Tramtracks
[07] Brinkhoffstraße/Ecke Bahnhofstraße
Juli 2008  © Tramtracks

Mit der Umbenennung der Sedanstraße ehrte die Stadt Dortmund 1981 Fritz Brinkhoff (1848-1927), der als Braumeister der Union-Brauerei seinen Ruhm im Grunde genommen einem Versehen zu verdanken hatte. Sein unbeabsichtigt mit hellem Malz gebrauter Gerstensaft fand überraschenderweise enormen Anklang. Das führte zur Entstehung eines untergärigen, hellen und vollmundigen Biertyps, des Dortmunder Exports, und zum wirtschaftlichen Aufstieg von Union. Fritz Brinkhoff war ebenfalls cleverer Geschäftsmann, der es dank einer Umsatzbeteiligung sowie durch den überregionalen Handel mit Hefe zu Reichtum brachte. Als gutes Omen hofften seine Nachfolger als Braumeister, dass ihrer 1977 neu eingeführten Biermarke Brinkhoff's No. 1 ein ähnlicher Erfolg beschieden sei wie dem Namenspatron. Tatsächlich hat sie sich als regionales Premium-Pils etabliert, auch wenn die Dortmunder Union-Ritter Brauerei inzwischen Geschichte ist und das Brinkhoff-Bier nun von der ehemaligen Konkurrenz, der Dortmunder Actien-Brauerei, kommt.

Mitte 2008 nahm der Umbau der Brinkhoffstraße konkrete Züge an. Zunächst wurde die Fahrbahn bis zur Einmündung der Bahnhofstraße saniert. Im November desselben Jahres schließlich sperrte die Stadt die Durchfahrt unter den Brücken und ließ die dort noch liegenden Gleise beseitigen.

[08] Luftaufnahme des Bereichs zwischen Hauptbahnhof und Dortmunder U
© RVR, 1990, Datenlizenz Deutschland - Namensnennung – Version 2.0

Das rund sechs Jahre nach der Stilllegung angefertigte Luftbild zeigt die keulenförmige Grünfläche mit der Straßenbahnstrecke an ihrer Südflanke. Die Gleise auf der Brinkhoffstraße sind erkennbar, ebenso der Schleifenkreis, der um das westliche Ende der Grünanlage führte. Die Bahnhofstraße war damals noch ein großer Parkplatz, bevor der Bahnhofsvorplatz umgestaltet und eine Tiefgarage gebaut wurde.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Fundstelle, wo die Gleise aus der Brinkhoffstraße Richtung Hauptbahnhof schwenkten, dessen Haupteingang knapp 400 Meter von dort entfernt liegt.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 114, 136)
  • Bernd Zander / Fred Teppe: Die Straßenbahnen in Dortmund 1881-1992. Düsseldorf 1992 (S. 69-72)
  • Fred Teppe / Bernd Zander / Jürgen Dettlaff: Straßenbahnen in Dortmund. Mosaiksteine einer Stadtgeschichte. Bildband 1881-2006. Dortmund 2006 (S. 22)