Svoboda | Graniru | BBC Russia | Golosameriki | Facebook
Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Dortmund: Dorstfeld Schleife

Stillgelegt: 1998
Status: Keine Relikte mehr vorhanden

[01] Einfahrt in die Schleife Dorstfeld an der Heyden-Rynsch-Straße
November 2003  © Tramtracks

Als am 19. Februar 1957 die Wendeschleife in Dorstfeld in Betrieb ging, gehörten zur Szenerie nicht nur der Doppelturm, der nach wie vor dort noch steht. Im Hintergrund ragten das Fördergerüst der Zeche Dorstfeld empor sowie weitere Gebäude, die zum Bergwerk gehörten. Zwischen Schleife und Zeche lagen auch damals Eisenbahngleise, seinerzeit für die Züge des Fernverkehrs zwischen Dortmund und Bochum, heute nur noch für die S-Bahn-Linie S4.

Die Schleife wurde notwendig, weil die Dortmunder Stadtwerke nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie neue Einrichtungswagen bestellten. 1956/57 lieferte Hansa Waggonbau 26 Vierachser, die nur einen Führerstand besaßen. Einrichter sind deswegen etwas preisgünstiger als ein Zweirichtungswagen und bieten zudem mehr Raum für Fahrgäste. Dafür sind sie etwas unflexibler, weil sie zum Wenden entweder eine Schleife oder zumindest ein Gleisdreieck benötigen. Von denen wurden in den 1950er-Jahren einige im Stadtgebiet angelegt, unter anderem in Hombruch, an der Nicolaikirche sowie in Wambel und Brackel. In Dortmund bestellte man allerdings schon ab 1959 wieder Zweirichtungs-Fahrzeuge, zumal sich an den Außenstrecken nicht immer Platz für eine Wendeschleife fand. Die Achtachser, von denen Duewag und Hansa bis 1974 insgesamt 81 Exemplare baute, kurvten in der Folgezeit auch zahlreich durch die Dorstfelder Schleife.

 

[02] Tw 150 auf Linie 404 vor der Schleife Dorstfeld an der Heyden-Rynsch-Straße
November 2003  © Tramtracks
[03] Einfahrtsgleis der Schleife Dorstfeld
November 2003  © Tramtracks
[04] Zugewachsenes Schleifengleis
November 2003  © Tramtracks
[05] Schleifengleis vor dem Bahndamm
November 2003  © Tramtracks
[06] Bereich der ehemaligen Abfahrhaltestelle und Ausfahrt auf die Heyden-Rynsch-Straße
November 2003  © Tramtracks

Ein genaues Stilllegungsdatum ist nicht bekannt. Eine Quelle datiert die Aufgabe der Schleife auf den 21. Mai 1995, womit aber möglicherweise nur das Ende des Linienbetriebs gemeint ist. Danach konnten in Dorstfeld beispielsweise noch Museumswagen für ihre monatliche Nostalgietour nach Wambel starten. Die Fachpresse meldete im Frühjahr 1998, dass die Schleife stillgelegt und die Oberleitung demontiert worden sei.

Einige Jahre wirkte das aufgegebene Bahngelände wie ein verwunschener Garten. Die Natur eroberte sich das Areal zurück, und im Sommer konnte man teilweise nur am Stand der Betonmasten den Verlauf der Schleife nachvollziehen. Die Anlage der Schleife wurde offenbar im Laufe der Zeit verändert und dabei ein Überholgleis aufgegeben. An der Ausfahrt befand sich auch eine Haltestelle mit einem einfachen Unterstand. Sie war nur für den Einstieg gedacht und wurde auch nicht sonderlich viel genutzt.

Besonders 1964/65 herrschte in der Schleife viel Betrieb, weil dann die Linie 9 (nach Unna) und die Linie 19 (nach Wickede) dort einsetzten. In Dorstfeld war traditionell der Ausgangspunkt für Fahrten auf der Ost-West-Achse, seit Ende der 1960er-Jahre in verschiedenen Konstellationen nach Brackel (ab 1969 als Linie 2, ab 1975 als Linie 9, ab 1980 als Linie 409, ab 1985 als Linie 403).

[07] Bereich der ehemaligen Abfahrhaltestelle und Ausfahrt auf die Heyden-Rynsch-Straße
Februar 2005  © Tramtracks
[08] Schleifengleis vor dem Bahndamm
Februar 2005  © Tramtracks
[09] Gleiskurve vor dem Bahndamm
Februar 2005  © Tramtracks
[10] Bereich der ehemaligen Ausfahrhaltestelle
Februar 2005  © Tramtracks
[11] Ausfahrt aus der Schleife auf die Heyden-Rynsch-Straße
Februar 2005  © Tramtracks

Anfang 2005 waren die zugewucherten Gleise wintertags freigeschnitten worden. Diese Aktion kam nicht von ungefähr: Die noch verbliebenen Schienen sollten bald demontiert werden. Allerdings landete das Altmetall nicht im Hochofen. Mitglieder des Vereins Westfälische Almetalbahn, die in Dortmund-Niedernette das Nahverkehrsmuseum Bahnhof Mooskamp aufbauten, entfernten die Gleise im März und sicherten sie sich für ihren Museumsbetrieb. Das Ganze geschah logischerweise mit dem Einverständnis der Dortmunder Stadtwerke, die ihr Gelände im April 2005 mit fachmännisch verfülltem und gelättetem ehemaligen Gleisbett abnahmen.

Zwischen Mitte 2005 und Ende 2006 verschwand dann auch der Gleisabzweig auf der Heyden-Rynsch-Straße. Zu dieser Zeit gab es in Höhe der stillgelegten Schleife eine Haltestelle, die aber nur in Richtung Marten bedient wurde. Als die Schleife noch bestand, mussten Fahrgäste rund 250 Meter weiter östlich am Poth die Bahn räumen.

[12] Gelände der Schleife vor dem Doppelturm und dem Bahndamm
Dezember 2006  © Tramtracks
[13] Bereich der ehemaligen Ausfahrhaltestelle
Dezember 2006  © Tramtracks
[14] Oberleitungsmast vor dem Bahndamm
Dezember 2006  © Tramtracks
[15] Gelände der Gleisschleife vor dem Doppelturm
Dezember 2006  © Tramtracks
[16] Bereich der ehemaligen Haltestelle zur Ausfahrt auf die Heyden-Rynsch-Straße
Dezember 2006  © Tramtracks

Im Laufe des Jahres 2006 wurden mehrere Betonmasten abgebaut. Das Gelände lag zwar weiterhin brach, aber ein Werbeplakat verkündete die künftige Bestimmung des Areals. Vier Doppelhaushälften und 18 Reiheneigenheime hat eine Grundstücksentwicklungsfirma vorgesehen. Wer mindestens 158.000 Euro in die Hand nahm, sollte auf diesem Grundstück mit Tram-Geschichte seine eigenen vier Wände schlüsselfertig beziehen können.

Doch anscheinend stieß dieses Angebot zur damaligen Zeit auf zu wenig Interesse. Auf dem Schleifengelände, das weiterhin brach liegt, wurde zwar danach noch Erdreich bewegt, aber Bauaktivitäten ließen sich keine feststellen. Auf Luftaufnahmen ist die Schleife mittlerweile als solche auch nicht mehr zu erkennen.

[17] Schleifenareal von der Heyden-Rynsch-Straße aus gesehen
August 2009  © Tramtracks

Während das Schleifengelände wieder zusehends verwilderte, blieb der 1924 erbaute Doppelturm aus Stahlbeton eine Landmarke. Er diente aber früher nicht, wie oft vermutet wird, der Trinkwasserversorgung, sondern er gehörte zur Schachtanlage 1/4 der Zeche Dorstfeld. In den Schlammabscheider-Türmen wurde Wasser für die sogenannte Flotation eingesetzt, eine Art Waschverfahren, das die geförderte Steinkohle in ihrer Qualität verbesserte. Beide Türme hatten ein Fassungsvermögen von je 500 Tonnen und waren oben offen. Einer von ihnen ist seit einigen Jahren als Wohnraum hergerichtet.

Südlich der Eisenbahnstrecke stehen noch mehrere Zechengebäude, darunter das Maschinenhaus, die aber mittlerweile alle zu Ruinen zerfallen sind. Auf Zeche Dorstfeld war 1963 Schicht im Schacht. Nebenan liegt das Werk, in dem Orenstein & Koppel nach dem Zweiten Weltkrieg Bagger und Baumaschinen, aber auch Rangier- und Feldbahnlokomotiven produzierte. Seit Ende 2010 gehörte der Betrieb, der insbesondere durch seine großen Hydraulikbagger für den Bergbau bekannt war, zum amerikanischen Baumaschinenkonzern Caterpillar. Obwohl das Werk wohl bis zuletzt profitabel arbeitete, fällten die US-Manager schließlich die Entscheidung, die Produktion nach Indonesien zu verlagern. Am 31. Juli 2021 war offiziell die letzte Schicht in Dorstfeld.

[18] Einfahrt in die Schleife Dorstfeld an der Heyden-Rynsch-Straße
März 2023  © Tramtracks

Das ehemalige Betriebsgelände wurde schließlich nicht bebaut, sondern ist zusehends verwildert. Mit viel gutem Willen lässt sich heute noch die Einfahrt in die Schleife erahnen. Auch der frühere Haltestellenbereich wird von den Anwohnern mittlerweile als willkommener Parkplatz genutzt.

[18] Luftaufnahme des Gebiets rund um die Dorstfelder Schleife
© RVR, 2006, Datenlizenz Deutschland - Namensnennung – Version 2.0

Aus der Vogelperspektive war einige Jahre nach der Stilllegung die Schleifenform noch gut auszumachen. An beiden Flanken des Bahngeländes waren Wohnhäuser im Entstehen begriffen. Innerhalb der Gleiskreises, der einen Radius von rund 60 Metern aufwies, blieb das Gelände unbebaut. Von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre hinein standen aber anscheinend ein paar kleinere Bauten im Schleifeninneren.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Position der Gleisschleife zwischen dem Bahndamm und der Heyden-Rynsch-Straße. Die nächstgelegene Straßenbahn-Haltestelle (Linie 404) liegt am Beginn des Dorstfelder Hellwegs und heißt "Poth".

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Historischer Verein der Dortmunder Stadtwerke: Ab 1907 Straßenbahn von Dortmund auf dem westlichen Hellweg und in Castrop-Rauxel. Dortmund 2007 (S. 5, 23)
  • Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Tour Ruhr. Freiburg 2008 (S. 53)
  • Blickpunkt Straßenbahn. Heft 3/1998 (S. 70)