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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Düsseldorf: Altstadt

Stillgelegt: 2016
Status: Gleisrelikte noch vorhanden (Stand: August 2022)

[01] Ehemalige Haltestelle Heinrich-Heine-Allee (Altstadt) in der Hunsrückenstraße
März 2016  © Tramtracks

Mitten im Geschehen: Bis zum 20. Februar 2016 fuhr die Straßenbahn durch die Altstadt, in der tagsüber und abends deutlich mehr Publikum unterwegs ist als am frühen Samstagmorgen, als diese Fotoreihe entstand. Die Nähe zum Stadtkern mit ihren zahlreichen Altbier-Kneipen war für die Tram Vor- und Nachteil zugleich: Die Fahrgäste hatten kurze Wege. Allerdings konnte sich die Bahn nur in gemächlichem Tempo durch die enge Hunsrückenstraße bewegen. Fünf Linien sorgten hier für einen dichten Takt.

Natürlich war eine derart hochfrequentierte Strecke nicht eingleisig. Aufgrund der schmalen Straßen in der Altstadt war das nordwärts führende Gleis in der parallel verlaufenden Heinrich-Heine-Allee verlegt. Durch die Hunsrücken- und in die anschließende Kasernenstraße ging es nach Süden zum Graf-Adolf-Platz und weiter nach Bilk.

Das Carsch-Haus an der Ecke Hunsrückenstraße/Flinger Straße ist ein traditionsreiches Luxuskaufhaus, das nicht so alt ist wie es aussieht. Für den U-Bahn-Bau wurde das 1911 erbaute Gebäude 1979-84 abgerissen und ein Stück nach Westen versetzt neu aufgebaut. Die alte Fassade aus 4.800 Steinen wurde am Neubau befestigt.

[02] Hunsrückenstraße/Ecke Flinger Straße
März 2016  © Tramtracks
[03] Bolkerstraße/Ecke Hunsrückenstraße
März 2016  © Tramtracks

Auch die Straßenbahn durch die Altstadt musste der U-Bahn weichen, genauer gesagt: Sie wurde unter die Erde verlegt. Der in gut acht Jahren gebaute Tunnel reicht von der S-Bahn-Station "Düsseldorf-Bilk" bis zum Wehrhahn und ist 3,4 Kilometer lang. Mit der Inbetriebnahme ging die Neuordnung des Liniennetzes einher. Die U71, U72, U73 und U83 durchfahren den Tunnel auf der gesamten Länge. Von den diversen Abzweigen und Abbiegemöglichkeiten, die die oberirdische Streckenführung bot, sind fast alle entfallen.

Die Düsseldorfer Altstadt ist zu einem großen Teil Fußgängerzone und bietet außer einer Shoppingmeile vor allem viel Gastroszene. Alleine auf der Bolkerstraße findet man rund 50 Gaststätten, von den hinlänglich bekannten Systemfilialen "mit Mallorca-Feeling" bis hin zur Hausbrauerei, in der man lieber nicht nach einem Kölsch fragen sollte. Bis in die Sechziger hinein war die Bolkerstraße aber vor allem vom Einzelhandel geprägt. Erst dann übernahm die Gastronomie die Vorherrschaft und prägte diesen Teil des Viertels.

[04] Bolkerstraße/Ecke Hunsrückenstraße
März 2016  © Tramtracks
[05] Bolkerstraße mit Blick Richtung Heinrich-Heine-Allee
März 2016  © Tramtracks

Das östliche Ende der Bolkerstraße hin zur Heinrich-Heine-Allee ist viel jünger als die übrige, bis in das 14. Jahrhundert zurück zu datierende Gasse: Der breitere Durchlass entstand in den 1930er-Jahren, als die dort stehenden Häuser abgerissen wurden. Zu dieser Zeit erschloss die Straßenbahn die Altstadt in einer Schleife von der Heinrich-Heine-Allee über Mühlenstraße, Burgplatz und Flinger Straße. 1951 änderte sich die Streckenführung, als der große Bogen um die Altstadt aufgegeben wurde.

Stattdessen erhielt die Bahn die über Jahrzehnte praktizierte, nach Richtungen gesplittete Führung über Kasernen-/Elisabethstraße bzw. Breite Straße/Friedrichstraße. Allerdings bog die Tram vom Heinrich-Heine-Platz über die Flinger Straße auf die nach Süden führende Strecke ein. Daran änderten auch die großen Umbauten am nahen Jan-Wellem-Platz 1961/62 nichts. Erst am 25. August 1979 schuf man die eingleisige Strecke, die über Bolkerstraße die Hunsrückenstraße erreichte – eine Folge des einsetzenden U-Bahn-Baus auf der Heinrich-Heine-Allee, für den man dort Platz benötigte.

[06] Bolkerstraße mit der U-Bahn-Station "Heinrich-Heine-Allee"
März 2016  © Tramtracks
[07] Bolkerstraße/Ecke Heinrich-Heine-Allee
März 2016  © Tramtracks

Die Kreuzung mit der Heinrich-Heine-Allee in ihrem Endzustand: Wegen der Ausfahrt aus dem Autotunnel unter dem Jan-Wellem-Platz wurden die Schienen an den Straßenrand gelegt. Hinter der Rampe vereinigten sich also die nach Norden bzw. Süden führenden Gleise.

Ein Jahr nach der Aufgabe der Altstadt-Trasse war zwar das meiste Streckeninventar entfernt, aber bis in Höhe Carsch-Haus lag noch das Gleis. Auf der Bolkerstraße und Hunsrückenstraße wurden die Schienen allerdings schon im Mai 2016 mit einer bitumenartigen Masse ausgegossen worden, damit Radfahrer nicht in die Spurrillen einfädeln und womöglich stürzen.

[08] Hunsrückenstraße/Ecke Bolkerstraße
Oktober 2017  © Tramtracks
[09] Hunsrückenstraße/Ecke Flinger Straße
Oktober 2017  © Tramtracks

Wie sich die Herausnahme der Straßenbahn aus der Altstadt ausgewirkt hat? Zahlen dazu sind keine verfügbar, und die Bilanz dürfte wohl auch punktuell verschieden ausfallen. Wie immer, wenn sich Verkehrsströme verlagern, gibt es Gewinner und Verlierer. Nachteilig mag sich der Wegfall des Halts in der Hunsrückenstraße auf die Geschäfte in unmittelbarer Nachbarschaft ausgewirkt haben, denn eine Haltestelle sorgt immer für potenzielle Kunden, die während der Wartezeit die Schaufenster wahrnehmen und vielleicht spontan etwas kaufen. Die Anziehungskraft der Düsseldorfer Altstadt ist freilich groß genug, dass teilweise etwas weitere Wege kaum jemanden von einem Besuch abhalten sollten. Vorteile hat die unterirdische Streckenführung, wenn zum Beispiel wegen Großereignissen wie dem Düsseldorf-Marathon die halbe Innenstadt gesperrt ist und die U-Bahnen trotzdem fahren können.

Die Spuren der Straßenbahn in der Altstadt sollen wohl erst nach 2020 getilgt sein, wenn die Bolker- und Hunsrückenstraße eine neue Pflasterung bekommen.

Auf dem Stadtplan markiert ist die nun aufgegebene Haltestelle "Heinrich-Heine-Allee (Altstadt)" in der Hunsrückenstraße. Der Zugang zur nächstgelegenen U-Bahn-Station "Heinrich-Heine-Allee" (Linien U74, U75, U76, U77, U78 und U79) befindet sich ca. 100 Meter weiter östlich in der Bolker Straße.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Richard Jacobi / Dieter Zeh: Die Geschichte der Düsseldorfer Straßenbahn. Freiburg 1986 (S. 155-157, 224)
  • Axel Schild / Dieter Waltking: Die Rheinbahn. Düsseldorf 1985 (S. 149-150)