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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Düsseldorf: Am Wehrhahn

Stillgelegt: 2016
Status: Gleisrelikte noch vorhanden (Stand: September 2023)

[01] Am Wehrhahn/Ecke Jacobistraße/Tonhallenstraße
März 2016  © Tramtracks

An dieser Haltestelleninsel stoppt keine Straßenbahn mehr: Am westlichen Ende der Straße Am Wehrhahn sind die Gleise samt Abzweig in die Jacobi- bzw. Tonhallenstraße seit dem 21. Februar 2016 stillgelegt. Vier unterirdisch verlaufende Linien ersetzen diese Traditionsstrecke, die zu den ältesten des 1899 aufgenommenen elektrischen Trambetriebs zählte. Sie verband die Altstadt mit den östlich der Eisenbahntrasse gelegenen Stadtteilen, darunter Düsseltal, Grafenberg und Gerresheim.

Die Straße Am Wehrhahn, die in die Schadowstraße übergeht, ist zwar auch noch Einkaufsstraße, doch je weiter man sich von der Altstadt entfernt, desto kleinteiliger wird der Einzelhandel mit Tabakgeschäfte, Nagelstudios und Imbissläden.

Gut einen Monat nach Aufgabe des oberirdischen Betriebs wurden auf dem Abschnitt zwischen Jacobistraße und Pempelforter Straße die ersten Schienen sozusagen unter Tage gebracht. Auch vom Abzweig zur Betriebsstrecke in der Oststraße war nichts mehr zu sehen. Wohl um Zeit zu sparen, hat der Bautrupp die Gleise lediglich mit Asphalt bedeckt und die Straße nicht komplett neu gebaut. Rechts und links befinden sich die Zugänge zur neuen U-Bahn-Station "Pempelforter Straße".

 

[02] Am Wehrhahn zwischen Jacobistraße und Pempelforter Straße
März 2016  © Tramtracks
[03] Am Wehrhahn/Ecke Pempelforter Straße/Kölner Straße
März 2016  © Tramtracks
[04] Ehemalige Haltestelle "Pempelforter Straße"
März 2016  © Tramtracks

Bis zur Kreuzung mit der Pempelforter Straße waren die Gleise im Frühjahr 2016 schon überzogen. Östlich davon lagen zu diesem Zeitpunkt noch die Schienenkreuzung sowie der Abzweig aus der Kölner Straße zum Wehrhahn. Die Oberleitung hing schon nicht mehr, dafür war die Lichtsignalanlage noch in der Lage, abbiegenden Wagen freie Fahrt zu gewähren.

Zwischen Pempelforter Straße und Adlerstraße brachten die Bauprovisorien zuletzt eine kurvenreiche Fahrt mit sich: Richtung Osten bewegten sich die Bahnen quasi in Falschfahrt vorwärts und hatten an dem begrünten Mittelstreifen eine temporäre Haltestelle, die immerhin mit dynamischer Fahrgastinformation ausgestattet war. Direkt dahinter machte die Strecke dann wieder einen Schlenker auf die andere Straßenseite, ...

[05] Am Wehrhahn zwischen Pempelforter Straße und Adlerstraße
März 2016  © Tramtracks
[06] Am Wehrhahn zwischen Pempelforter Straße und Adlerstraße
März 2016  © Tramtracks

... um die Tunnelrampe zu umfahren. Die Inhaber der vielen kleineren Läden entlang der Straße Am Wehrhahn waren mit den Bauarbeiten überhaupt nicht glücklich. Lärm, Erschütterungen, verdeckte Sicht durch Bauzäune sowie fehlende Parkplätze setzten den Geschäften stark zu. Immerhin zahlte die Stadt Düsseldorf auf Antrag Kompensationen für Umsatz, der aufgrund des U-Bahn-Baus ausgefallen war. 1,3 Millionen Euro wurden an Einzelhändler und Vermieter geleistet, die Gewinneinbußen geltend machen konnten.

Über den Wert, den der Wehrhahn-Tunnel tatsächlich bringt, wurde viele Jahre lang heftig gestritten. Dem Geschwindigkeitsplus auf dem unterirdischen Abschnitt stehen längere Wege für Fahrgäste hinunter zu den Bahnsteigen gegenüber. Die Zusammenlegung der Tram-Haltestellen "Jacobistraße" und "Pempelforter Straße" zu einer U-Bahn-Station macht den Umstieg zur weiterhin oberirdisch verlaufenden Linie 704 nicht unbedingt komfortabler. Während der Tunnelbetrieb von äußeren Einflüssen unabhängig und damit stabiler sein kann (keine Staus, Autounfälle oder Sperrungen), bringt die Fahrt durchs Dunkel kein Stadterlebnis mit sich.

[07] Am Wehrhahn/Ecke Adlerstraße/Worringer Straße
März 2016  © Tramtracks
[08] Am Wehrhahn/Ecke Adlerstraße/Worringer Straße
März 2016  © Tramtracks

An der Kreuzung Adlerstraße/Worringer Straße ist die Tunnelstrecke ans Oberflächennetz angebunden. Der Wehrhahn-Tunnel war schon Teil der Planungen für ein U-Bahn-Netz Anfang der 1960er-Jahre. Nicht zuletzt aus Geldmangel und weil die Stammstrecke vom Hauptbahnhof über Heinrich-Heine-Allee zur Klever Straße mit den Erweiterungen nach Oberbilk und Lierenfeld Priorität genossen, ging es mit dem Projekt erst Mitte der 1990er-Jahre voran. Insbesondere der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin machte sich für den prestigeträchtigen Bau stark. 1999 gab der Stadtrat grünes Licht für die Vorplanungen, die den östlichen Tunnelmund erst in der Grafenberger Allee vorsahen.

Dem Land Nordrhein-Westfalen ging das buchstäblich zu weit. Es legte sich 2001 endgültig darauf fest, nur eine Tunnelstrecke zwischen Bilk und Wehrhahn finanziell zu fördern. Die Stadt Düsseldorf fügte sich, so dass der Tunnel nun westlich der S-Bahn-Station "Düsseldorf-Wehrhahn" ans Tageslicht kommt und nicht östlich davon. Die allerersten U-Bahn-Planungen vom Anfang der Sechziger hatten dies interessanterweise genau so vorgesehen. Allerdings kamen 2016 aus dem Bundesverkehrsministerium und vom Land NRW Signale, dass eine Verlängerung zur Schlüterstraße bzw. zur Universität durchaus förderfähig sei. In Düsseldorf setzt man unterdessen andere Prioritäten, etwa für den Bau der U81 zum Flughafen mit einer weiteren Rheinquerung im Norden der Stadt.

[09] Am Wehrhahn zwischen Jacobistraße und Pempelforter Straße 
Mai 2016  © Tramtracks
[10] Am Wehrhahn zwischen Jacobistraße und Pempelforter Straße 
Mai 2016  © Tramtracks
[11] Am Wehrhahn/Ecke Pempelforter Straße 
Mai 2016  © Tramtracks

Nachdem der Wehrhahn-Tunnel von 2007 bis 2016 gebaut worden war, dürften sich die Veränderungen an der Oberfläche noch eine Weile hinziehen, auch wenn die Stadt die betroffenen Straßenzüge relativ zügig neu gestalten will. Am Wehrhahn war der neue Straßenbelag drei Monate nach Stilllegung der Tram bis zur Haltestelleninsel an der Jacobistraße vorgedrungen. Ansonsten hielten sich die Änderungen noch stark in Grenzen.

Am deutlichsten war der Wandel mittlerweile an der Kreuzung Am Wehrhahn/Pempelforter Straße/Kölner Straße abzulesen: Die Gleiskreuzung und die Abzweige waren im Frühjahr 2016 entfernt worden.

[12] Am Wehrhahn/Ecke Jacobistraße/Tonhallenstraße
August 2019  © Tramtracks

Während der Jan-Wellem-Platz im Sommer 2019 praktisch gleisfrei und nicht mehr wiederzuerkennen war, dauerten die Umbaumaßnahmen entlang der aufgegebenen Strecke noch an. Östlich der Kreuzung Pempelforter Straße war man fertig, westlich davon konzentrierten sich die Aktivitäten auf die Schadowstraße in Altstadtnähe. Der Gleisbereich östlich der Tonhallen-/Jacobistraße diente als Parkplatz. Im Herbst 2022 lagen noch Gleise von der Kreuzung Tonhallenstraße bis in Höhe Am Wehrhahn 15.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Tunnelrampe auf der Straße Am Wehrhahn. Die Fundstelle ist mit der Stadtbahn (U71/U72/U73/U83) oder mit der Straßenbahn (Linie 704) erreichbar. Die Haltestelle heißt unter- wie oberirdisch "Pempelforter Straße".

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Volkmar Grobe: Stadtbahn Düsseldorf. Freiburg 2008 (S. 84-85)
  • Michael Kochems: Düsseldorf – Mehr Tunnel weniger Tram. Straßenbahnmagazin 10/2009 (S. 14ff.)