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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Düsseldorf: Betriebshof Wersten

Stillgelegt: 2004
Status: Gebäude sind teilweise erhalten geblieben, Gleisrelikte noch vorhanden (Stand: Oktober 2022)

[01] Einfahrt zum Betriebshof Wersten an der Siegburger Straße
Juli 2005  © Tramtracks

Unter den imposanten Rundbögen befand sich fast acht Jahrzehnte lang die Heimat für einen Teil der Düsseldorfer Tramflotte: Im Jahr 1916 wurde der Betriebshof an der Siegburger Straße eröffnet, als die Rheinbahn die Strecke von Oberbilk nach Benrath von den Bergischen Kleinbahnen übernahm und von Meter- auf Normalspur brachte. Im täglichen Betrieb wurde das Depot bis zum 10. April 1992 genutzt. Mit dem 1. Januar 1994 übernahm die Stadt Düsseldorf die Liegenschaft. Zuletzt waren hier die Oldtimer-Fahrzeuge des Vereins "Linie D – Arbeitsgemeinschaft Historischer Nahverkehr Düsseldorf" stationiert. Zum Jahresende 2004 musste der Betriebshof schließlich geräumt werden. Die historischen Fahrzeuge wurden daraufhin in den Betriebshöfen Am Steinberg, Heerdt und Lierenfeld untergebracht.

Ein halbes Jahr nach der Schließung lagen auf dem Hof nach wie vor die Gleise. Zumindest auf dem von der Straße aus einsehbaren Teil des Geländes hing die Fahrleitung noch. Was mit dem Depot in Wersten passiert, schien zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgemachte Sache zu sein. Die denkmalgeschütze Fassade der zweischiffigen Halle samt der Deckenfelder über den Toren sollten aber auf jeden Fall erhalten bleiben. Im Sommer 2005 stand auch noch das inzwischen verwaiste Pförtnerhäuschen an der Ausfahrt zur Siegburger Straße, auf der sich südlich der Stadtbahn-Haltestelle "Kaiserslauterner Straße" ein Wendegleis befand. Dort parkte zum Zeitpunkt der Aufnahme des Fotos unten der Rheinbahn-Triebwagen 4207 (einer der älteren B-Wagen, Baujahr 1985).

 

[02] Einfahrt zum Betriebshof Wersten an der Siegburger Straße
Juli 2005  © Tramtracks

Verzögert durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde das Depot am 1. Juli 1916 eröffnet, damals der achte Betriebshof der städtischen Straßenbahnen. Der architektonische Entwurf war seinerzeit nicht unumstritten. Die Bauaufsicht bestand auf Nachbesserungen bei den eisernen Portalbögen. Die nördliche Hälfte der zweischiffigen Wagenhalle war etwas kürzer als die südliche. Großzügige Lichtkuppeln in der Mitte der Hallendächer sorgten für Helligkeit im Innenraum. Insgesamt 14 Gleise führten in das Bauwerk hinein, zwölf davon waren fast komplett aufgeständert, so dass die Gruben durchgängig begehbar waren. Neben der Wagenhalle schloss sich ein Werkstatt- und Bürotrakt an, außerdem eine zusätzliche kleine Wagenhalle mit zwei Gleisen für Arbeitsfahrzeuge. Im südlichen Bereich des Areals waren ein Bauhof, ein Gemüsegarten und ein Wohnhaus für den Gleisbaumeister zu finden.

Aufgegeben wurde der Standort, weil die Rheinbahn ihre Depot- und Werkstattkapazitäten in Lierenfeld zentralisieren wollte. Nach dem Umzug 1992 war noch im Gespräch, Wersten als Depot für die Stadtbahnwagen vom Typ B zu nutzen. Dies hätte allerdings nicht nur einige bauliche Maßnahmen mit sich gebracht, wie etwa die Verstärkung der Gleisfundamente und neue Tore. Auch die benachbarte Kleingartenanlage hätte einiges an Fläche abgeben müssen. Der Plan wurde fallen gelassen. Weil aber Gleise und Werkstattanlagen noch intakt waren, wurden in Wersten 1993/94 die GT8S-Triebwagen für das IBIS-Leitsystem umgerüstet und ausgemusterte Fahrzeuge abgestellt. Danach bezog eine Keramikfirma einen Teil der Halle, ebenso wie die Linie D. Vom Gleisnetz wurde der Betriebshof 1998 abgeschnitten, als man die Strecke nach Holthausen auf der Siegburger Straße für die Stadtbahn ertüchtigte.

[03] Ehemaliger Betriebshof Wersten
Oktober 2006  © Thomas Wormuth
[04] Außengleise südlich der Wagenhalle
Oktober 2006  © Thomas Wormuth

Mehr als ein Jahr später war die Oberleitung abgenommen. Die Bauarbeiten auf dem Innenhof hatten begonnen. Unter dem Titel "Wohnen im Denkmal Wilde 13" stellte das Stadtplanungsamt das Projekt vor: Auf dem Depotgelände sollten 32 Reihenhäuser mit kleinen Gärten entstehen. Die Hallendecke wurde geöffnet, die Stützen blieben stehen. In den vom Architektenbüro BM+P Beucker Hesse Haselhoff entwickelten Simulationen blieb die Gleisharfe vor der Halle als gestalterisches Element von Anfang an erhalten. Als Projektentwickler trat die Kölner Firma Vivacon auf.

Im Freigelände des fast 20.000 Quadratmeter umfassenden Grundstücks machte sich im Herbst 2006 ein Bagger zu schaffen. Die Außengleise des Betriebshofs sollten nicht mehr lange liegen. In diesem Bereich würden weitere 22 Häuser mit etwas größeren Parzellen entstehen. Die Wohnflächen sind mit 156 bis 209 Quadratmeter pro Objekt großzügig dimensioniert und bieten neben einem Garten auch eine Dachterrasse. Die Kaufpreise setzten bei 308.500 Euro an.

[05] Entkernung der ehemaligen Wagenhalle
Dezember 2006  © Gregor Jäger
[06] Abriss des Pförtnerhäuschens an der Einfahrt zum Betriebshof
Juni 2007  © Tramtracks
[07] Gleisvorfeld und Wagenhalle während der Umbauphase
Juni 2007  © Tramtracks

Im Sommer 2007 musste dann das Pförtnerhäuschen dran glauben. Die enge Zufahrt wurde für die Autos der künftigen Anwohner verbreitert. Auch bei der Wagenhalle hatten die Umbauten sichtbare Fortschritte gemacht. Das Gerippe des Tragwerks stand nun ohne Dach im Freien und wurde zwischenzeitlich ganz in weiß lackiert.

Die Werbekampagne, um Käufer für die Häuser zu gewinnen, war unterdessen angelaufen: "Was entsteht, ist eine ungewöhnliche Wohnsiedlung, die mit ihrer Ästhetik und Historie auf dem Düsseldorfer Immobilienmarkt einzigartig ist", hieß es auf der Website zur "Wilden 13". Die ersten Interessenten konnten sich in einem Musterhaus von den Qualitäten der Immobilien ein eigenes Bild machen. Aus der Werbung: "Als Bodenbelag wird in den Wohnräumen Echtholzparkett verlegt, und in den Bädern werden Körperform-Badewannen eingebaut."

[08] In die ehemalige Wagenhalle gesetzte Häuserzeile
Dezember 2007  © Gregor Jäger
[09] Gleisvorfeld während der Umbauarbeiten
Dezember 2007  © Thomas Wormuth
[10] Neue Bebauung in der ehemaligen Wagenhalle
Dezember 2007  © Thomas Wormuth
[11] Gleisvorfeld und Einfahrt zum ehemaligen Betriebshof
Dezember 2007  © Thomas Wormuth

Ende 2007 waren die ersten Wohnungen bezugsfertig. Doch die neuen Eigentümer, die einziehen wollten, staunten: Die Stadt hatte es versäumt, die Zufahrt zum ehemaligen Depot mit einem Straßennamen zu versehen. Aber ohne ordentliche Adresse konnten die künftigen Bewohner keinen Stromanschluss bestellen, keine Telefonleitung beantragen und sich keine Post nachsenden lassen. Eine Woche vor Weihnachten schlug die Verwaltung schließlich der Bezirksvertretung einen Namen vor. Professor-Schwippert-Straße sollte die Zufahrt heißen, benannt nach dem Düsseldorfer Architekten Hans Schwippert, der unter anderem 1948/49 das Bundeshaus in Bonn entworfen hatte. Doch der Bezirksverwaltung, die neue Straßennamen absegnen muss, war der Vorschlag nicht recht. Da setzte sich Oberbürgermeister Joachim Erwin mit einem Dringlichkeitsbeschluss über die Einwände hinweg und beendete diese Verwaltungsposse. Für die neuen Anlieger zumindest eine dann doch schnelle Lösung.

[12] Neue Bebauung in der ehemaligen Wagenhalle
Juli 2008  © Tramtracks
[13] Neue Bebauung in und neben der ehemaligen Wagenhalle
Juli 2008  © Tramtracks
[14] Nebengebäude gegenüber der ehemaligen Wagenhalle
Juli 2008  © Tramtracks

Im Sommer 2008 war die "Wilde 13" bereits zum größten Teil bezogen. Die 79 Eigentumswohnungen mit Flächen von 48 bis 132 Quadratmetern fanden offenbar schnell Käufer. Auch die unmittelbare Nähe zum Südpark dürfte dabei kein Nachteil gewesen sein.

Die gemauerten Grundpfeiler und die in gedecktem Grün lackierten Stahlträger der Wagenhalle bilden eine Art Wahrzeichen für die neue Wohanlage. "Moderne Eigenheime integrieren sich sensibel in ein Stück Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts. So erwacht ein Stück Düsseldorfer Verkehrsgeschichte zu neuem Leben: Ein Schauplatz des jungen mobilen Zeitalters wandelt sich in Räume für Menschen von heute", hieß es im Prospekt. Der Quadratmeter kostete ca. 2.250 Euro.

Die Schienen lagen weiterhin vor der Wagenhalle. Die Rillen waren verfüllt, die Gleisharfe in ein neues Pflaster gebettet worden. Erhalten blieb auch ein Nebengebäude mit großen geöffneten Toren, in dem die Rheinbahn unter anderem ihre zur Reparatur der Oberleitung benötigten Turmwagen untergestellt hatte. Auch das ehemalige Verwaltungsgebäude (Siegburger Straße 70) steht noch und wird als Wohnhaus genutzt.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Lage des ehemaligen Betriebshofs. Die Einfahrt befand sich in Höhe Siegburger Straße 70. Das Gelände selbst wurde über die neue Professor-Schwippert-Straße erschlossen. In der Nähe befinden sich die Stadtbahn-Haltestellen "Kaiserslauterner Straße" und "Provinzialplatz" (Linien U74, U77 und U79).

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Heinz Bähr: 1016-1992 Das Straßenbahndepot Cölner Straße ("Wersten"). In: Linie D. Heft 1/2012 (S. 4-13)
  • Richard Jacobi / Dieter Zeh: Die Geschichte der Düsseldorfer Straßenbahn. Freiburg 1986 (S. 44, 48, 268)