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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Düsseldorf: Kasernenstraße

Stillgelegt: 2016
Status: Gleisrelikte noch vorhanden (Stand: Januar 2021)

[01] Kasernenstraße/Ecke Grabenstraße
März 2016  © Tramtracks

Die Wehrhahn-Linie kommt? Nein, sie ist schon da – und der Grund dafür, wieso die Gleise auf der Kasernenstraße jetzt nicht mehr befahren werden. Die Straßenbahn verkehrt seit dem 21. Februar 2016 unterirdisch durch einen Tunnel, der westlich der S-Bahnstation "Düsseldorf-Wehrhahn" beginnt und über Heinrich-Heine-Allee nach Bilk führt.

Auch wenn es so aussehen mochte: Die Strecke in der Kasernenstraße war nicht zweigleisig. Für den Tunnelbau wurde das ursprünglich genutzte Gleis auf der Westseite durch ein zweites auf der anderen Straßenseite ersetzt. Vermutlich ist dies 2014 geschehen.

Obwohl in der Nachkriegszeit der Verkehr bei weitem nicht so dicht war wie heutzutage, hatten sich die Planer frühzeitig Gedanken gemacht, wie Autos staufrei auf der zentralen Nord-Süd-Achse zur Altstadt gelangen könnten. Ergebnis der Überlegungen war eine Einbahnstraßenregelung: Nach Norden ging es über die Breite Straße bzw. Heinrich-Heine-Allee, nach Süden durch die Kasernen- und Elisabethstraße. Die Straßenbahn musste sich dieser Regelung anpassen, die seit dem 23. Oktober 1951 galt. Dadurch konnten die Haltestellen für die beiden Fahrtrichtungen schon mal 150 Meter auseinander liegen.

 

[02] Kasernenstraße zwischen Grabenstraße und Benrather Straße
März 2016  © Tramtracks

Der östliche Teil der Kasernenstraße war auch noch einen Monat nach Eröffnung des Wehrhahn-Tunnels eine Großbaustelle, um einen Zugang zur U-Bahn-Station "Benrather Straße" anzulegen. Für die Straßenbahn bestand hier zuvor ein Nadelöhr, das auch als Argument diente, um den Tunnelbau als bessere Alternative zur Oberflächenstrecke erscheinen zu lassen. Tatsächlich wurde ein stabilerer und von äußeren Einflüssen ungestörter Betrieb mit teilweise weiteren Wegen für Fahrgäste und dem Wegfall diverser Verbindungen bzw. Umleitungsmöglichkeiten erkauft.

Wer gräbt, stößt auch immer wieder auf Überraschungen: Die Schachtarbeiten förderten unter anderem ein Skelett zu Tage. An dieser Stelle gab es im 18. Jahrhundert einen jüdischen Friedhof.

[03] Kasernenstraße/Ecke Benrather Straße
März 2016  © Tramtracks
[04] Kasernenstraße zwischen Benrather Straße und Bastionstraße
März 2016  © Tramtracks

An der Dependance der Commerzbank mit ihrer gläsernen Brücke zum Hochhaus auf der anderen Seite der Kasernenstraße verlief das Gleis wieder am östlichen Fahrbahnrand. Auf der Kreuzung mit der Benrather Straße war bereits ein kurzes Schienenstück entfernt worden. Die Oberleitung wurde auch schon sehr zügig fast auf der gesamten Länge der stillgelegten Strecke demontiert. Viel Platz war auf der Kasernenstraße nicht – weder für den Autoverkehr noch für die Straßenbahn noch für die beiden Aufzüge, die jetzt hinunter zur U-Bahn-Station "Benrather Straße" führen.

Nicht nur in Straßennamen wie Kasernen- oder Bastionstraße spiegelt sich die frühere Bedeutung des Ortstteils Carlstadt. Bei den Grabungen für den Tunnel wurden Reste eines Festungsgrabens aus dem 17. Jahrhundert entdeckt. Der klar gegliederte Grundriss des Quartiers mit schnurgeraden Straßen und streng rechteckigen Häuserblocks war im späten 18. Jahrhundert der moderne Gegenentwurf zur historisch gewachsenen Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen.

[05] Kasernenstraße/Ecke Bastionstraße
März 2016  © Tramtracks

In die Bastionstraße zweigte ein Gleis ab, das die Strecke in einer Schleife mit der Breiten Straße verband. Hier konnten also die Bahnen vorzeitig wenden. Zuletzt waren auf der Kasernenstraße fünf Linien unterwegs (701, 703, 707, 712 und 713). Man kann sich also leicht vorstellen, wie dicht auch der Tramverkehr auf diesem Abschnitt war. Ursprünglich gab es hier auch ein Vorsortiergleis zu der 1981 in Betrieb gegangenen Schleife Bastionstraße, worauf die beiden Schwenks im Schienenverlauf vor und hinter der Kreuzung hindeuten. Interessanterweise hing dort gut einen Monat nach der Stilllegung noch ein Stück Fahrdraht.

[06] Kasernenstraße zwischen Bastionstraße und Graf-Adolf-Platz
März 2016  © Tramtracks

Kurz vor dem Graf-Adolf-Platz befand sich nicht nur eine schmale Haltestelleninsel, sondern auch ein architektonisch interessantes Gebäude: Das von der AOK genutzte Haus Kasernenstraße 61 steht beispielhaft für das Neue Bauen. 1928-30 erbaut, hält es die Balance zwischen Sachlichkeit und gestalterischer Vielfalt, mit klaren Formen und viel Fensterfläche. Weitaus nüchterner fällt da das gegenüberliegende Walzstahlhaus aus, während das Gebäude des Verwaltungsgerichts (Stahlhof, vorne links im Bild oben) mit seinen historisierenden Elementen wiederum aus einer anderen Epoche stammt.

[07] Kasernenstraße/Graf-Adolf-Platz
März 2016  © Tramtracks

In diesem Abschnitt war die Oberleitung noch unter Strom, denn die Schleife am Graf-Adolf-Platz ist weiterhin in Betrieb und somit das letzte Stück der Altstadtstrecke, das erhalten geblieben ist. Dass der Platz viele Jahrzehnte als "Fernbahnhof" Endpunkt der städteverbindenden Linien nach Krefeld, Moers und Duisburg war, wissen nur noch historisch Interessierte. Von 1962 an endeten die Fernlinien am Jan-Wellem-Platz. Die K-Linie aus Krefeld wurde wegen Bauarbeiten auf der Heinrich-Heine-Allee 1979 nochmal auf eine Umleitung über Kasernenstraße und Graf-Adolf-Platz zum Hauptbahnhof geschickt. In der Langen Nacht der Museen am 9. April 2016 haben historische Straßenbahnen wieder diese Schleife durch die Carl-Theodor-Straße befahren. Normalerweise gibt es im Kehrgleis keinen Linienbetrieb.

[08] Kasernenstraße/Ecke Benrather Straße
Januar 2017  © Tramtracks
[09] Kasernenstraße/Ecke Benrather Straße
Oktober 2017  © Tramtracks

Fast ein Jahr nach der Stilllegung war das Gleis zwischen Wallstraße und Benrather Straße demontiert. Der Autoverkehr quälte sich aber weiterhin an der Baustelle auf der Kasernenstraße vorbei. Ansonsten sollte der Bau des Carlsquartiers auf der Westseite der Kasernenstraße zwischen Benrather Straße und Bastionstraße die Szenerie in den nächsten Jahren erheblich verändern.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Kreuzung Kasernenstraße/Benrather Straße, in deren Nähe sich die U-Bahn-Station "Benrather Straße" befindet (Linien U71, U72, U73 und U83).

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Richard Jacobi / Dieter Zeh: Die Geschichte der Düsseldorfer Straßenbahn. Freiburg 1986 (S. 154-157, 224)
  • Axel Schild / Dieter Waltking: Die Rheinbahn. Düsseldorf 1985 (2. Auflage) (S. 108, 149-150)
  • Dieter Höltge / Michael Kochems: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 9: Niederrhein. Freiburg 2004 (S. 46, 55-57)