Svoboda | Graniru | BBC Russia | Golosameriki | Facebook
Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Duisburg: Angerbogen

Stillgelegt: Nie offiziell in Betrieb genommen
Status: Bahnhof wird ohne Halt von der Stadtbahn-Linie U79 durchfahren

[01] Bahnhof "Angerbogen" vom Edeka-Parkplatz an der Düsseldorfer Landstr. 107 aus gesehen
Juli 2007  © Tramtracks

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Strecke der U79 im Duisburger Süden ist keineswegs stillgelegt. Und streng genommen ist es das Bauwerk, um das es hier geht, auch nicht. Denn die Stadtbahnhaltestelle "Angerbogen" ging nie in Betrieb. Ein Geisterbahnhof also und ein Denkmal für allzu optimistische (oder auch: großspurige) Planungen der Siebziger. Als der Bahnhof 1974 gebaut wurde, lag er mitten auf freiem Feld. Das sollte nicht so bleiben, dachte man damals. Aber die in der Nähe geplante Trabantenstadt mit zehngeschossigen Wohntürmen für 20.000 Einwohner wurde nicht realisiert. In solch eine von Klotzarchitektur geprägte Landschaft hätte der Betonbahnhof durchaus gepasst.

Durch den nur einen Steinwurf entfernt errichteten Edeka-Einkaufskomplex und die im Jahr 2002 in der Gegend eingesetzte Neubautätigkeit könnte der Bahnhof "Angerbogen" nun doch noch Sinn bekommen. Zumindest zwei Buslinien erschließen mittlerweile diesen Ortsteil.

[02] Bahnhof "Angerbogen" über der Hermann-Spillecke-Straße
Juli 2007  © Tramtracks
[03] Zum Steinhof mit der nördlichen Bahnhofseinfahrt
Juli 2007  © Tramtracks

In seinem Betonstil und mit seiner kompletten Überdachung ähnelt Angerbogen stark dem weiter nördlich gelegenen Bahnhof "Münchener Straße" im Stadtteil Buchholz. Auf den Bahnsteig selbst kommt man sicherheitshalber nicht. Die Aufgänge sind zugemauert.

Im Sommer 2007 zeigte sich der Bahnhof eingerüstet. Doch weder Abriss noch Inbetriebnahme standen an. Laut Auskunft der Duisburger Verkehrsgesellschaft dienten die Reparaturarbeiten lediglich dazu, die Brücke weiterhin tragfähig zu halten. Einen Stopp einzurichten, sei dort im Moment nicht geplant. Der Bahnhof gehört im übrigen der Stadt und wird vom Duisburger Stadtbahnbauamt betreut.

Unter der nördlichen Rampe zum Bahnhof Angerbogen lag die für die Linie 9 bzw. 909 bestimmte Wendeschleife, die 1953 angelegt worden war, damals noch auf freiem Feld. Sie wurde bis zur Eröffnung des Innenstadttunnels am 11. Juli 1992 benutzt und dann abgebaut. Von ihr ist heute nichts mehr zu erkennen.

[04] Doppeltraktion der U79 bei der Einfahrt in den Bahnhof "Angerbogen" Richtung Düsseldorf
Juli 2007  © Tramtracks

Die Abstände zwischen den beiden nächstgelegenen Haltepunkten sind auch relativ gering. Nach Norden zum St.-Anna-Krankenhaus (Huckingen), von dessen Bahnsteig dieses Foto entstand, sind es nur knapp 300 Meter. Richtung Süden liegt die Station "Kesselsberg" auch nur gut einen halben Kilometer Luftlinie entfernt. Somit wird bis auf weiteres der für immerhin 20 Millionen D-Mark errichtete Bahnhof Angerbogen eine Bauvorleistung bleiben.

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Anlässlich einer Sonderfahrt für Tram-Enthusiasten gab es 2010 einmal die Gelegenheit, den Bahnhof nicht nur aus dem fahrenden Zug heraus zu inspizieren.

[05] Sonderfahrt mit Halt im Bahnhof "Angerbogen"
Mai 2010  © Tramtracks

Der Bahnhof "Angerbogen" war seinerzeit nicht für einen Doppelzug mit B-Wagen, die normalerweise auf der Linie U79 verkehrten, ausgelegt. Die unterschiedlichen Kantenhöhen von 30 bzw. 90 cm waren eine provisorische Konstruktion mit Blick auf den durchgängigen Einsatz hochfluriger Stadtbahnfahrzeuge. Das führte hier wie auch im Bahnhof "Münchener Straße" dazu, dass die Fahrgäste über die Treppe erst auf den hohen Bahnsteig gelangten und dann vier Stufen hinunter zum niedrigen Bahnsteig mussten, um dann den dort haltenden Wagen zu besteigen, natürlich wieder mit Stufen. Barrierefreiheit war da noch ein Fremdwort.

Trotz verschlossener Eingänge haben sich Sprayer nicht davon abhalten lassen, den Raum in Beschlag zu nehmen. Vermutlich sind sie aber nicht hochgeklettert, sondern nachts von den benachbarten Stationen über die Gleise hierher gelangt.

[06] Treppenaufgang zum Bahnhof "Angerbogen"
Mai 2010  © Tramtracks

Über diese Treppe wären Fahrgäste zum Bahnsteig Richtung Düsseldorf gelangt (rechts der Steig für die Rolltreppe). Kurios: Das Geländer des Zwischendecks war offenbar vor nicht allzulanger Zeit frisch gestrichen worden. Dem hellblauen Farbton nach zu urteilen, ist dies geschehen, als auch das Brückengeländer des Fahrwegs einen neuen Anstrich bekam.

Rund um den Geisterbahnhof ist inzwischen zwar keine Großsiedlung, aber immerhin doch eine Anzahl Einfamilienhäuser entstanden. Ein gewisses Fahrgastpotenzial gäbe es also mittlerweile.

[06] Bahnhof "Angerbogen" mit Blick Richtung Huckingen
Mai 2010  © Tramtracks

Die Bausubstanz des Bahnhofs machte insgesamt einen überraschend guten Eindruck. Es fehlen natürlich noch das Stationsinventar sowie Abdeckungen der Regenrinne im Bahnsteig, eine Grundreinigung und eine richtige Beleuchtung, bevor hier der Betrieb aufgenommen werden könnte. Damit ist allerdings nicht zu rechnen. Weder für die Inbetriebnahme gebe es Geld, teilte das Duisburger Stadtentwicklungsamt mit, noch für einen Abriss.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Lage des Bahnhofs "Angerbogen". Die Trasse der U79, die Duisburg mit Düsseldorf verbindet, verläuft parallel zur Düsseldorfer Landstraße (K1). Seit den 1990er-Jahren ist das Wohngebiet nordöstlich des Bahnhofs deutlich gewachsen, wird aber vom Stadtbahnhalt "St.-Anna-Krankenhaus" mit erschlossen. Die westlich zwischen Bruchgraben und Düsseldorfer Landstraße entstandene Siedlung gehört zumindest teilweise zum Einzugsbereich der rund 600 m südlich des Geisterbahnhofs gelegenen Station "Kesselberg". Der zusätzliche Haltepunkt am Angerbogen hätte sich wahrscheinlich erst bei verdichteter Bebauung nahe der Strecke rentiert. Allerdings soll in absehbarer Zeit auch der noch freie Bereich östlich der Strecke bebaut werden.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 198-199)
  • Zeitzeugenbörse Duisburg e.V.: Die Duisburger Straßenbahn. Erfurt 2014 (S. 107)
  • Winfried Roth: Als die Straßenbahn noch über die Königstraße fuhr. Berlin 2017 (S. 131-133)