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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Duisburg: Neudorfer Straße

Stillgelegt: 1992
Status: Gleisreste nicht mehr vorhanden

[01] Neudorfer Straße/Ecke Neue Fruchtstraße
Juli 2006  © Tramtracks

Als am 11. Juli 1992 auch in Duisburg das U-Bahn-Tunnelzeitalter anbrach, bedeutete dies das Aus für mehrere oberirdische Strecken. Die Bevölkerung im Stadtteil Neudorf musste fortan auf ihre Linie 904 verzichten. Ein Teil der alten Streckenführung war noch nach mehr als zwei Jahrzehnten in der Neudorfer Straße zu besichtigen.

Das Hochhaus an der Ecke Neudorfer Straße/Neue Fruchtstraße war das erste, das im Duisburger Zentrum in den 1950er-Jahren errichtet wurde. Das Stadtbild rund um den Osteingang des Hauptbahnhofs hat sich seit der Stilllegung der Straßenbahnstrecke grundlegend verändert, unter anderem durch den Bau des Multiplex-Kinos sowie des Büro- und Dienstleistungszentrums "Neudorfer Tor".

[02] Neudorfer Straße in Höhe Neudorfer Markt
Juli 2006  © Tramtracks
[03] Neudorfer Straße in Höhe Neudorfer Markt
Juli 2006  © Tramtracks

Die Gleise lagen so angeordnet, dass die Bahnen in Richtung Stadtmitte am rechten Straßenrand fuhren: Der Bordstein bildete an den Haltestellen die Bahnsteigkante. In der entgegengesetzten Richtung bewegte sich die Straßenbahn in Fahrbahnmitte. 

Entlang der Neudorfer Straße hat sich die Stilllegung der Tram als Maßnahme erwiesen, um großflächig Parkraum zu schaffen. Wer früher auf der stadteinwärts führenden Seite am Straßenrand stand, blockierte die Straßenbahn und riskierte den Abschleppdienst.

[04] Neudorfer Straße zwischen Neudorfer Markt und Koloniestraße
Juli 2006  © Tramtracks
[05] Neudorfer Straße zwischen Neudorfer Markt und Koloniestraße
Juli 2006  © Tramtracks

Neudorf wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung rasch an. Von knapp 600 im Jahr 1856 stieg die Zahl der Einwohner auf 6.600 im Jahr 1890. Zum Vergleich: Heute sind es rund 27.000.

Ende des 19. Jahrhunderts nahm auch Neudorfs neuer Markt Gestalt an. Er wurde 1893 großzügig angelegt und bildete einen der zentralen Plätze des Ortsteils. Die Neudorfer Straße selbst war zuvor in den Adressbüchern lange Zeit als Heerstraße oder Heergasse bezeichnet worden. Womit angedeutet wurde, dass sie Truppen als Transportweg diente. Die letzten Konfliktparteien waren die Herzogtümer Kleve und Berg. Aber das war lange, bevor die Chaussee mit Schienen versehen wurde.

[07] Neudorfer Straße/Ecke Koloniestraße
September 2003  © Tramtracks

Neudorf, das eigentlich vor den Stadttoren lag, gehörte schon um 1800 zu Duisburg. Deren Allgemeine Lokal- und Straßenbahngesellschaft nahm am 31. Oktober 1900 eine Zweigstrecke von der Mülheimer Straße durch Neudorf in Betrieb. Die Endstelle lag damals am Neuen Friedhof (heute: Alter Friedhof) auf dem Sternbuschweg. Über Jahrzehnte hinweg überlagerten sich auf diesem Abschnitt zwei Linien, da sich die Strecke auf der Koloniestraße verzweigte. 1959 gab es die Linie 3, die von der Kupferhütte zum Grunewald fuhr, und die 4 zwischen Sportpark und Ruhrort.

Am südöstlichen Ende der Neudorfer Straße, die dort in spitzem Winkel auf die Koloniestraße trifft, hatte die 904 einen kurzen eigenen Bahnkörper mit einer Haltestelle. Die Signalanlage diente später dem Bus, der die Trasse dann benutzte.

[08] Neudorfer Straße zwischen Neudorfer Markt und Koloniestraße
Mai 2005 © Tramtracks
[09] Neudorfer Straße zwischen Neuer Fruchtstraße und Blumenstraße
Mai 2005  © Tramtracks

Auch wenn die Bahn nicht direkt durch das von engen Straßen geprägte Neudorfer Zentrum fuhr, tangierte die Linie dicht besiedelte Wohngebiete und verzeichnete soliden Fahrgastzuspruch. Dies rechtfertigte einen Zehn-Minuten-Takt auf der 904.

Die Endstation der ehemaligen Linie 904 in Hüttenheim steuert nun die 903 an, fährt aber über Hochfeld in die Innenstadt. Das Verbindungsstück – die Kulturstraße zwischen Wanheimer und Düsseldorfer Straße – ist nur noch eine Betriebsstrecke. Schon mit der ersten Planung der Duisburger Stadtbahn Ende der 1960er-Jahre waren die Tage des Neudorfer Astes gezählt: Im Generalverkehrsplan des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1970, der das künftige Stadtbahnnetz entwarf, tauchte die Strecke gar nicht auf.

[10] Neudorfer Straße zwischen Neudorfer Markt und Koloniestraße
August 2010  © Tramtracks
[11] Neudorfer Straße/Ecke Alte Schanze
April 2013  © Tramtracks

Zehn Jahre nach der Streckenstilllegung lagen noch alle Gleise auf der Neudorfer Straße. Dann verschwanden Mitte der 2000er-Jahre die ersten Schienen an der Einmündung in die Koloniestraße. Ende Juli 2010 wurde das Gleis auf einem ca. 80 m langem Abschnitt zwischen Neuer Fruchtstraße und Blumenstraße entfernt. Ein weiteres Stück verschwand dann in den beiden darauffolgenden Jahren: Zwischen Blumenstraße und Alte Schanze ersetzte Asphalt das Kopfsteinpflaster. Die letzten Gleise zwischen Alte Schanze und Grabenstraße wurden dann Ende April 2013 bei Bauarbeiten entfernt.

Auf dem Stadplan markiert ist der Neudorfer Markt. Die Buslinie 934 folgt der alten Streckenführung der Straßenbahn und fährt von Montag bis Samstag alle 15 Minuten. Der Abschnitt vom Hauptbahnhof zum Neudorfer Markt wird von der Linie 926 im Halbstundentakt mitbedient. Abends und am Sonntag ist der Fahrplan allerdings deutlich magerer: Dann fährt hier nur die Linie 934 alle 30 Minuten. Die Fundstelle ist vom Hauptbahnhof in zehn Gehminuten erreichbar.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Henning Wall: Bilder von der Duisburger Straßenbahn. Aachen 1981 (S. 8, 103, 104)
  • Winfried Roth: Als die Straßenbahn noch über die Königstraße fuhr. Berlin 2017 (S. 93-95)
  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 198, 205, 209)