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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Essen: Alfred-Krupp-Schule

Stillgelegt: 1991
Status: Keine Gleisrelikte mehr vorhanden, Strecke wurde reaktiviert

[01] Frohnhauser Straße/Ecke Harkortstraße
Juni 2007  © Tramtracks

Bis zur Aufgabe des Straßenbahnverkehrs im östlichen Teil der Frohnhauser Straße am 27. September 1991 befand sich an der Alfred-Krupp-Schule ein Gleisstern. Danach blieben nur noch drei Stränge an der Kreuzung mit der Martin-Luther-Straße übrig. Gekappt wurde die Gleisverbindung Richtung Westend, die über Frohnhauser Straße/Ottilienstraße den Limbecker Platz erreichte.

Auf dieser Route verkehrte die Linie 109 aus Frohnhausen, die sich nach der Stilllegung einen anderen Weg suchen musste, um zum Stadtkern zu gelangen. An der Alfred-Krupp-Schule bog sie nun nach links auf die Martin-Luther-Straße ein, fuhr Richtung Norden bis zum Knotenpunkt Helenenstraße und bog dann rechts in die Altendorfer Straße ein, um dort in den Innenstadttunnel einzufädeln. Womit auch gleich der Grund für die Aufgabe des Streckenastes durchs Westend genannt wäre, denn er ließ sich damals nicht in die Essener U-Bahn-Konzeption integrieren.

[02] Kreuzung Frohnhauser Straße/Martin-Luther-Straße
Juni 2007  © Tramtracks
[03] Kreuzung Frohnhauser Straße/Martin-Luther-Straße
Juni 2007  © Tramtracks

Die Alfred-Krupp-Schule, die den um die Kreuzung gruppierten Haltestellen ihren Namen gab, entstand 1908 und war zunächst eine Realschule. Viele ältere Essener erinnern sich noch an das wohl despektierliche Kürzel "KO" (Krupp-Oberschule). In der Nachkriegszeit war die Lehranstalt ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium für Jungen. 1973 durften erstmals auch Mädchen die Alfred-Krupp-Schule besuchen. Nicht nur Kinder und Jugendliche aus Altendorf und Frohnhausen gingen auf das Gymnasium, sondern etwa auch aus Haarzopf und Borbeck. Verkehrsgünstig gelegen war die Schule ja.

[04] Kreuzung Frohnhauser Straße/Martin-Luther-Straße
Juni 2007  © Tramtracks

Im ausgebauten Dachgeschoss des Eckhauses Martin-Luther-Straße 72 hatte die EVAG 1964 einen Ausguck eingerichtet. Ein Mitarbeiter des Verkehrsbetriebes beobachtete aus luftiger Höhe das Geschehen auf dem Berzeliusplatz und konnte von seinem Leitstand aus Lautsprecherdurchsagen für die Fahrgäste an den Haltestellen besorgen.

Die Kreuzung sollte dann aber ihr Gesicht ändern, denn im Jahr 2014 wurde die Strecke über die Frohnhauser Straße wieder aufgebaut. Aus der Innenstadt kommt sie nun aber nicht mehr vom Limbecker Platz, sondern von der Altendorfer Straße und biegt dann nach Süden auf eine Neubaustrecke in der Mitte des Berthold-Beitz-Boulevards ein, um dort auf die Frohnhauser Straße zu treffen. 800 Meter Strecke bis zur Kreuzung Martin-Luther-Straße wurden also reaktiviert. Genauer gesagt: Dieser Abschnitt wurde neugebaut, 23 Jahre nach der einstweiligen Stilllegung.

[05] Kreuzung Frohnhauser Straße/Martin-Luther-Straße
Juli 2013  © Thomas Risse
[06] Frohnhauser Straße in Höhe Harkortstraße
Juli 2013  © Thomas Risse

Woher kam dieses Umdenken? Eine Rolle spielte die Überlastung des Knotenpunkts Helenenstraße, über den seit 1991 sämtliche Fahrten in den Westen und Nordwesten liefen. Auch jetzt noch sorgen vier Straßenbahnlinien für einen dichten Takt auf der auch vom Autoverkehr vielbefahrenen Kreuzung in Altendorf. Die Herausnahme der Linie 109 sollte die Pünktlichkeit der übrigen verbessern. Darüber hinaus kann sie wieder etwas schneller nach Frohnhausen gelangen, denn die zwischenzeitliche Streckenführung war schlicht und ergreifend ein Umweg gewesen. Die Fahrtzeitersparnis über den Boulevard beträgt allerdings auch nur drei Minuten.

Mit dem Wiederaufbau der Strecke über die Frohnhauser Straße wurden die Schienen, die an der Westseite der Kreuzung gekappt waren, durch neue ersetzt. Auf der Ostseite der Kreuzung waren die Gleise unter einer Asphaltschicht verschwunden – bis auf einen Stummel. Vermutlich handelte es sich um eine kurzfristige Flickschusterei zum Schließen von Schlaglöchern.

[07] Frohnhauser Straße in Höhe Harkortstraße
März 2014  © Tramtracks
[08] Kreuzung Frohnhauser Straße/Martin-Luther-Straße
März 2014  © Tramtracks

Im Frühjahr 2014 war es endlich soweit: Die Bauarbeiten für die Gleisverlegung begannen zunächst weiter östlich auf der Frohnhauser Straße. Im Zuge dessen werden die alten Schienen entfernt. Bis zur Schederhofstraße hatten sie blickdicht unter dem Asphalt gelegen, ausgenommen ein kleines Stück in Höhe Harkortstraße.

Im Sommer desselben Jahres stand dann der barrierefreie Ausbau der Haltestellen an der Alfred-Krupp-Schule an. Dabei entfiel der Abzweig aus der Frohnhauser Straße auf die Martin-Luther-Straße – die Gleisverbindung stadtauswärts blieb aber erhalten.

Am 19. Oktober 2014 wurde schließlich die insgesamt 1,3 km lange neue Strecke mit einem Bürgerfest eröffnet, bei dem letztlich gefeiert wurde, dass man einen Fehler nach mehr als zwei Jahrzehnten schließlich korrigiert hat. Dass tote Gleise exhumiert werden, um eine neue Trasse anzulegen, ist freilich nicht nur in Essen die große Ausnahme.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Fundstelle an der Kreuzung Frohnhauser Straße/Martin-Luther-Straße. Die Straßenbahn-Haltestelle "Alfred-Krupp-Schule" wird jetzt von den Linien 101, 106 und 109 sowie von den Buslinien 145 und 196 bedient.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 260, 266-267)