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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Gelsenkirchen: Buer Markt

Stillgelegt: vermutlich Anfang/Mitte der 1950er-Jahre
Status: Keine Relikte mehr vorhanden

[01] Buer Markt zwischen De-la-Chevallerie-Straße und Springemarkt
September 2004  © Tramtracks

Einen ungewöhnlichen Fund förderte der Bagger Anfang September 2004 auf dem Buerschen Marktplatz zutage: Unter der Asphaltdecke kam ein vergessener Schienenstrang zum Vorschein. Das Gleis beschrieb einen Bogen quer über die Nordseite des Platzes. Es zweigte von der Strecke in der De-la-Chevallerie-Straße ab. Die Geschichte dieses vergessenen Stumpfgleises reicht in die Notzeit des Zweiten Weltkriegs zurück. Was hat es mit diesem Schienenstrang auf sich?

Auskunft gibt ein Artikel aus der Recklinghäuser Zeitung vom 9. November 1942. Das Blatt vermeldete die Inbetriebnahme einer "Gemüseumschlagstelle" zwei Tage zuvor auf dem Buerschen Marktplatz. Weil Lastkraftwagen für Kriegszwecke requiriert worden waren bzw. um den Diesel fürs Militär zu sparen, hatte die Tram vielerorts den Gütertransport übernommen. In diesem Fall schaffte sie Obst und Gemüse für die Händler heran.

 

[02] Buer Markt zwischen De-la-Chevallerie-Straße und Springemarkt
September 2004  © Tramtracks
[03] Buer Markt zwischen De-la-Chevallerie-Straße und Springemarkt
September 2004  © Tramtracks

Ausgangspunkt der Transporte war der Großmarkt in Gelsenkirchen, also weit im Gebiet der Bogestra. Er befand sich innenstadtnah am Anfang der Wilhelminenstraße (ungefähr da, wo heute das Zentralbad steht). Nicht die Bogestra, sondern die Vestischen Straßenbahnen fuhren täglich solche Transporte, nicht nur zum Markt in Buer, sondern auch zu einer Reihe von Abladestellen im Streckennetz. Die Recklinghäuser Zeitung zählte fünf weitere auf: an der Sutumer Straße (Buer-Erle), an der Dillbrinkstraße sowie ohne genauere Ortsangabe in Hassel, Marl und Hüls. Recklinghausen, Datteln, Erkenschwick, Herten und Westerholt sollten ebenfalls noch in das Verteilsystem miteinbezogen werden. 1943 wurde am Markt in Gladbeck wohl ebenfalls ein spezielles Abstellgleis gebaut. An den Abladestellen konnten die "Kleinverteiler", also Markthändler sowie Ladeninhaber, ihre bestellte Ware zu festgelegten Zeiten in Empfang nehmen.

[04] Buer Markt zwischen De-la-Chevallerie-Straße und Springemarkt
September 2004  © Tramtracks

Wie lange das Gleis auf dem Buerschen Markt noch benutzt wurde? In der Lokalzeitung erinnerte sich der spätere Gartenbauunternehmer Konrad Herz (Jahrgang 1938), wie er Anfang der 1950er-Jahre mit seiner Mutter auf dem Markt Blumen verkaufte. Ihre Ware hätte die Straßenbahn zu einem "Endgleis" auf dem Markt herbeitransportiert, auch Ladungen für andere Händler, die seinerzeit noch nicht motorisiert waren. Vermutlich wurden solche Frachtdienste bis Mitte der Fünfziger eingestellt. Über das Marktgleis ist in der einschlägigen Literatur so gut wie nichts zu finden. Es darf aber angenommen werden, dass es nie für den Personenverkehr genutzt wurde.

Mit der Neupflasterung des Platzes im Herbst 2004 wurden die Schienen entfernt.

Auf dem Stadtplan markiert ist die ungefähre Position des Marktgleises, das von der De-la-Chevallerie-Straße abzweigte.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Die "Vestische" fährt Gemüse. In: Recklinghäuser Zeitung, Ausgabe vom 9. November 1942
  • Old Maps of the Ruhr. Gelsenkirchen & Herne 1943. The Godfrey Edition 2008
  • Klaus Oehlert-Schellberg: Die Vestischen Straßenbahnen. Nordhorn 1995 (S. 15)
  • Wolfgang R. Reimann: Straßenbahn und Güterverkehr zwischen Rhein, Ruhr und Wupper. Berlin 2004 (S. 52)