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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Gelsenkirchen: De-la-Chevallerie-Straße

Stillgelegt: 1984
Status: Ehemaliger Bahnkörper als Grünstreifen noch erkennbar (Stand: Dezember 2019)

[01] Ehemaliger Bahnsteig der Haltestelle "Buer Rathaus" Richtung Buer Nord
Dezember 2006  © Tramtracks
[02] Ehemalige Haltestelle "Buer Rathaus"
Dezember 2006  © Tramtracks

Auch so konnte ein Relikt einer Tramstrecke aussehen: Die Gehwegplatten mit Schachbrett­muster waren früher der Bahnsteig der Haltestelle "Buer Rathaus" Richtung Norden. Ihr Pendant auf der gegenüber­liegenden Seite des Grünstreifens war schon nun der Linksabbiegerspur gewichen. Ursprünglich lag diese Strecke auf dem Hoheitsgebiet der Vestischen Straßenbahnen (bis 1940: Klein­bahnen). Sie stellte die Hauptachse des Ostnetzes von Recklinghausen über Herten, Resse und Buer nach Gladbeck dar. Am 23. Dezember 1915 wurde die Strecke von Buer nach Hassel eröffnet. Gladbeck Ost wurde am 1. März 1925 erreicht.

Im Jahr 1930, als die Vestische über ein Netz von 180 Kilometer Länge verfügte, fuhren immerhin sechs Linien durch Buer:
Linie 10 (Recklinghausen – Gladbeck),
Linie 11 (Buer Rathaus – Gladbeck),
Linie 12 (Hassel – Schalke Nord),
Linie 14 (Buer Rathaus – Marl) und
Linie 15 (Buer Rathaus – Herten über Westerholt).
Gemeinsam mit der Bogestra betrieb die Vestische außerdem die Linie 2 von Hassel über Buer nach Gelsenkirchen.

[03] Ehemaliger Bahnkörper in der De-la-Chevallerie-Straße in Höhe Buer Markt
Dezember 2006  © Tramtracks
[04] De-la-Chevallerie-Straße/Ecke Westerholter Straße
Dezember 2006  © Tramtracks

Der eigene Bahnkörper ist nun mit Rasen eingesät und Bäumen bepflanzt. An ein paar Stellen wurde ein Teil der Fläche für die Anlage von Linksabbiegerspuren einkassiert. Ursprünglich war die De-la-Chevallerie-Straße deutlich schmaler als heute. 1966 wurde sie zu einer breiten Ausfallstraße nach Norden verbreitert, und dabei erhielt die Straßenbahn ihre eigene Trasse in der Straßenmitte.

Die letzte Straßenbahn fuhr hier am 30. Juni 1984. Die Bogestra hatte den von der Vestischen stillgelegten Abschnitt zwischen Buer Rathaus und Buer Nord (Bahnhof) am 1. Oktober 1980 übernommen und ihre Linie 302 dorthin verlängert. Doch diesem Streckentorso fehlte die Fortführung nach Gladbeck, und er wurde auch parallel von mehreren Buslinien bedient, so dass sich die Bogestra recht schnell wieder von ihm trennte. In Höhe des Marktes wurde 1980 noch ein Gleiswechsel eingebaut, auf dem jeder zweite Kurs der 302 wendete. Anders gesagt: Bis Buer Nord fuhren Bahnen nur alle 20 Minuten, was keinen sonderlich attraktiven Takt darstellte.

[05] De-la-Chevallerie-Straße zwischen Westerholter Straße und Pfefferackerstraße
Dezember 2006  © Tramtracks
[06] De-la-Chevallerie-Straße/Ecke Freiheit/Brinkgartenstraße
Dezember 2006  © Tramtracks

Südlich der Freiheit lag die gleichnamige Haltestelle für beide Richtungen auf dem Mittelstreifen. Von ihr sind keine Spuren zu finden. Bemerkenswert: Die 1984 stillgelegte Strecke zwischen Buer Rathaus und Buer Nord verfügte auf ganzer Länge über einen eigenen Bahnkörper.

An der nördlichen Verlängerung der De-la-Chevallerie-Straße, die den Namen Königswiese trägt, befand sich seit 1953 eine von der Bogestra für ihre Linie 2 genutzte Wendeschleife. Sie diente den damals noch ganz neuen, vierachsigen Einrichtungswagen als Endstelle und wurde etwa bis Mitte der 1960er-Jahre genutzt. Als dann der Nordring, der zuvor von Westen her nur bis zur Dorstener Straße führte, verlängert wurde, verschwand diese Schleife völlig. Zuvor hatten die Straßenbahnen der Vestischen den Nordring über Freiheit und Dorstener Straße erreicht.

 

[07] Ehemaliger Bahnsteig der Haltestelle "Buer Rathaus" Richtung Buer Nord
September 2010  © Ludwig Mahns

Der mit schwarzen und weißen Platten ausgelegte ehemalige Wartebereich war vielleicht das charakteristischste Relikt, das von dieser stillgelegten Straßenbahnstrecke nach fast drei Jahrzehnten übrig war. Der Bahnsteig war übrigens nur in der Zeit, in der die Bogestra zum Bahnhof Buer Nord fuhr, also von 1980 bis 1984 genutzt. Die Linie 210 der Vestischen hatte zuvor ja in Richtung Gladbeck auf der Goldbergstraße gehalten, bevor sie in die De-la-Chevallerie-Straße abbog.

Die ehemalige Haltestelle "Buer Rathaus" vor der Villa Gladen ist mittlerweile nicht mehr als solche sofort erkennbar. Die Gelsenwasser AG hat dort eine neue Trinkwasserleitung von der Königswiese bis hinunter zur Eschfeldstraße verlegt. Dafür wurde im September 2010 auf dem Mittelstreifen der De-la-Chevallerie-Straße gegraben. Schienen kamen keine mehr ans Tageslicht. Der Bahnkörper war gründlich abgebaut worden. Im Zuge der Bauarbeiten wurden dann die alten Gehwegplatten entfernt.

Die Idee, die am Rathaus Buer endende Linie 302 wieder nach Norden zu verlängern, taucht immer mal wieder in der öffentlichen Disskussion auf. Zuletzt haben sich im Jahr 2015 städtische Planer mit dem Thema befasst. Ein möglicher erster Endpunkt könnte der 1998 nach Osten zur Königswiese verlegte S-Bahnhof "Buer Nord" sein. Noch sinnvoller wäre sicher eine Weiterführung über die Polsumer Straße durch Hassel bis kurz vor die Stadtgrenze. Fahrgastpotenzial ist durchaus vorhanden, wie die bis zu acht Buslinien auf dieser Route belegen. Allerdings müsste auch ein künftiges Buskonzept gut durchdacht sein, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Der Parallelverkehr mit den nach Gladbeck und Marl weiterführenden Direktverbindungen hatte der Straßenbahn Anfang der 1980er-Jahre erheblich geschadet.

Im September 2021 nahm der städtische Verkehrsausschuss die ersten Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zur Kenntnis, die unter anderem einen Wiederaufbau der Strecke zum S-Bahnhof Buer Nord bzw. darüber hinaus nach Hassel untersucht hatte. Die Gutachter der PTV Transport Consult schätzten, dass sich 1.000 zusätzliche Fahrgäste pro Tag (bis Buer Nord) bzw. 3.500 (bis Hassel) in die Straßenbahn locken ließen. Angesichts von je nach Variante 20 bzw. 70 Millionen Investitionskosten sei das wohl zu wenig.

 

Auf dem Stadtplan markiert ist der ehemalige Bahnkörper an der Kreuzung Freiheit, wo bis Mitte der 1960er-Jahre die Strecke in Richtung Gladbeck und Scholven abbog. Die Haltestelle "Buer Rathaus" am südlichen Ende der De-la-Chevallerie-Straße wird von den Straßenbahnlinien 301 und 302 sowie zahlreichen Buslinien bedient.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 68, 386-387, 399, 404)
  • Andreas Halwer: Zeitreise durchs Bogestra-Land. Band 2: Die Geschichte der Linie 302 (Bochum – Gelsenkirchen). Hövelhof 2018 (S. 85-87, 128, 130-131)
  • Klaus Oehlert-Schellberg: Die Vestischen Straßenbahnen. Nordhorn 1995 (S. 56-58)
  • Ralph Bernatz / Klaus Giesen: Die Zehn. Mit der Straßenbahn von Ost nach West quer durch das Vest. Herten/Bottrop 2014 (S. 58, 62-63, 89)
  • Michael Schenk: Straßenbahnen im östlichen Ruhrgebiet. Erfurt 2004 (S. 97-98, 114)
  • Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Tour Ruhr. Freiburg 2008 (S. 154)