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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Gelsenkirchen: Goldbergstraße

Stillgelegt: 1980/2017
Status: Ehemaliger Bahnkörper als Grünstreifen noch erkennbar (Stand: Dezember 2019)

[01] Haltestelle Buer Rathaus auf der Goldbergstraße in Höhe des Busbahnhofs
Dezember 2006  © Tramtracks

Was an der Haltestelle Buer Rathaus auf eine stillgelegte Strecke hindeutet? Der Unterstand auf dem südlichen Bahnsteig, genauer gesagt: seine Position. Denn die Bahnen der Linie 302 lassen die letzten Fahrgäste hier an der Endstelle vor der Einfahrt ins Stumpfgleis direkt hinter der Kreuzung (und gegenüber dem Unterstand auf der anderen Seite) heraus. Sein Pendant ist also ein Relikt jener Strecke der Vestischen Straßenbahnen, die von hier aus Richtung Resse, Herten und weiter nach Recklinghausen führte.

Mitte der 1950er-Jahre erhielt die Haltestelle diese Gestalt. Die Nierentisch-Formensprache der Wirtschaftswunder-Ära hat eine gewisse zeitlose Eleganz. Auch wenn die Gleise rund um den Knotenpunkt Buer Rathaus mehrmals aufwendig umgebaut wurden, so etwa 1973/74 vor der auch auf Schalke ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft, hatten die Unterstände ihr Äußeres allenfalls marginal verändert. Zuletzt war die Gleisanlage auf der Kreuzung 1984 vereinfacht worden, nachdem die Bogestra die Strecke nach Buer Nord aufgegeben hatte.

 

[02] Haltestelle "Buer Rathaus" mit dem Unterstand für die Linie 210 nach Recklinghausen
Dezember 2006  © Tramtracks
[03] Haltestelle "Buer Rathaus" mit dem Unterstand für die Linie 210 nach Recklinghausen
Dezember 2006  © Tramtracks
[04] Haltestelle "Buer Rathaus" in der Goldbergstraße in Höhe des Busbahnhofs
September 2005  © Tramtracks

Vor dem Ausbau der Goldbergstraße, bei dem die Verkehrsfläche deutlich verbreitert wurde, gab es Pläne, die Streckenführung der Bogestra-Linien zu ändern: Von der (heutigen) Kurt-Schumacher- bzw. Cranger Straße sollten sie abbiegen und dann über die Vom-Stein- bzw. Turmstraße die Goldbergstraße erreichen. Eigentlich ein Umweg, aber die Idee dahinter war, dass sämtliche Tramlinien sich so eine Haltestelle teilen könnten, was das Umsteigen vereinfacht hätte. Der Plan wurde nicht realisiert, aber die eigentlich überlangen Bahnsteige könnten diesen Überlegungen geschuldet sein.

Hinter der langjährigen Endstelle der Linie 302 auf der Goldbergstraße fällt der bemerkenswert breite Grünstreifen ins Auge: Bis zum Übergang in die Ressestraße war die Strecke durchgehend doppelgleisig ausgebaut. Am östlichen Ende der Goldbergstraße gab es die 1966 angelegte Tram-Haltestelle "Max-Planck-Gymnasium", von der aber keine Spuren erhalten sind. Die Endstelle mit dem langen Kehrgleis, das zwischen den beiden Streckengleisen lag, war noch jünger: Sie entstand im Dezember 1973, als sich die Verkehrsbetriebe des Reviers auf die Fußball-WM vorbereiteten, indem Aufstellkapazitäten und Wendemöglichkeiten für Einsatzwagen zum Parkstadion hinzukamen.

[05] Goldbergstraße/Ecke Schillerstraße
September 2005  © Tramtracks
[06] Ressestraße/Ecke Zum Vestiaturm (Blickrichtung: Osten)
September 2005  © Tramtracks

Östlich der Kreuzung Goldbergstraße/Vom-Stein-Straße schwenkte die Strecke von der Mittelinsel an den nördlichen Fahrbahnrand, wo sie bis zum Ortseingang Resse blieb. Kurz vor der Ostring-Kreuzung verrät der Asphalt einmal mehr die Lage der ehemaligen Trasse.

Auch wenn sie sich seit 1930 auf Gelsenkirchener Boden befand, gehörte die Strecke nie zur Bogestra, sondern zur Vestischen, deren Netz das nördliche Ruhrgebiet von Oberhausen bis Brambauer umspannte. Am 24. August 1916 war die Verbindung zwischen Buer Rathaus und Resse in Betrieb gegangen. In Resse stießen die Gleise auf eine schon acht Jahre ältere Strecke, die von Herten kommend nach Erle-Middelich führte. Diese wurde 1936 eingestellt und ist in Vergessenheit geraten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verkehrte die Linie 10 auf der Goldbergstraße. Für ihre Tour vom Recklinghäuser Hauptbahnhof zum Bahnhof Gladbeck Ost benötigte sie knapp eine Stunde. Wie auch die Linie 15, die von Herten über Westerholt bis Resse Markt fuhr, hatte sie tagsüber einen Halbstundentakt. 1957 wurde die "10" über Gladbeck Ost hinaus über Bottrop bis Oberhausen zur Harkortstraße verlängert. Damit war sie die längste Linie im Revier. Als eine der letzten Verbindungen der Vestischen kam für die Strecke schließlich am 1. Oktober 1980 das Aus. Die Linie 210 (ehemals 10) wurde zwischen Buer Rathaus und Herten (Resser Weg) dem Bus übergeben.

[07] Rückbau der Endstelle in der Goldbergstraße
August 2017  © Ludwig Mahns
[08] Rückbau der Endstelle in der Goldbergstraße
August 2017  © Ludwig Mahns
[09] Rückgebautes Kehrgleis in der Goldbergstraße
August 2017  © Ludwig Mahns

Mit dem Verkehrsknotenpunkt am Buerer Rathaus war man schon viele Jahre nicht mehr glücklich. Insbesondere der 1954 angelegte Busbahnhof war vergleichsweise eng mit seinen schmalen, nebeneinander gestaffelten Bussteigen und für Reisende unkomfortabel. Auch die Verknüpfung mit der Straßenbahn – Umsteiger mussten jedesmal die viel befahrene Goldbergstraße überqueren – gab Anlass, sich über eine modernere Lösung Gedanken zu machen.

Andererseits war der ZOB Buer mit seinen dichten Platanenbestand auch ein grüner Ort neben dem Goldbergpark. Tatsächlich war der Neubau des Busbahnhofs schon 2008 vorgesehen. Doch erst acht Jahre später, im August 2016, ging es mit den Bauarbeiten tatsächlich los, und diese brachten auch Veränderungen für die Straßenbahn mit sich.

Das Kehrgleis an der Endstelle wurde im August 2017 um etwa 50 Meter in Richtung Rathauskreuzung zurückverlegt. Damit entfällt für Auto- und Busfahrer die Möglichkeit, nach Norden in die Urnenfeldstraße einzubiegen und dabei die Straßenbahnstrecke zu kreuzen – also eine potenzielle Unfallstelle weniger.

[10] Goldbergstraße/Ecke Turmstraße
Dezember 2019  © Tramtracks

Die Idee aus dem städtebaulichen Wettbewerb 2002, die Straßenbahn in der Mitte des ZOB zu integrieren und die Busse drumherum halten zu lassen, war fallen gelassen worden. Gegen diesen Entwurf sprachen die geschätzten Kosten in Höhe von elf Millionen Euro, in denen sich nicht zuletzt der Aufwand für die Verschiebung der Tramtrasse nach Norden spiegelt. Gelsenkirchen war und ist knapp bei Kasse.

Und noch etwas ist im Zuge der Bauarbeiten verschwunden: Die beiden alten Unterstände wurden abgerissen. Sie machten Platz für neue Wartebereiche und hätten in der modernen Gestaltung wie ein Anachronismus gewirkt. Auch auf das über Jahrzehnte so typische Schachbrettmuster für die Bahnsteige hat man verzichtet. Mitte August 2017 ging die neue Endstelle in Betrieb. Wie wichtig der Verkehrsknotenpunkt im Gelsenkirchener Norden ist, zeigen diese Zahlen: Mitte 2017 hatten immerhin 16 Buslinien das Rathaus Buer als ihren Endpunkt, und die beiden Straßenbahnlinien fuhren hier werktags im 10-Minuten-Takt.

[11] Goldbergstraße zwischen Rathaus Buer und Schillerstraße
© RVR, 1990, Datenlizenz Deutschland - Namensnennung – Version 2.0

Auf der rund zehn Jahre nach Stilllegung der Strecke nach Herten entstandenen Luftaufnahme ist die neu angelegte Endstelle gut zu erkennen, ebenso der Bahnkörper auf dem Mittelstreifen im weiteren Verlauf der Goldbergstraße. Der Busbahnhof nördlich der Straßenbahnhaltestelle ist aufgrund des dichten Baumbestands nicht direkt erkennbar.

Auf dem Stadtplan markiert ist die ehemalige Position des Unterstandes auf dem südlichen Bahnsteig der Haltestelle "Buer Rathaus", heute Endstelle der Straßenbahnlinie 302.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Andreas Halwer: Die Bogestra in Buer. In: Auf Draht 2/2010 (S. 10-21)
  • Andreas Halwer: Zeitreise durchs Bogestra-Land. Band 2: Die Geschichte der Linie 302 (Bochum – Gelsenkirchen). Hövelhof 2018 (S. 77, 128-129)
  • Thomas Risse: In fremden Gefilden. In: Die Vestische. Strassenbahnmagazin Special. München 2013
    (S. 59-61)
  • Ralph Bernatz / Klaus Giesen: Die Zehn. Mit der Straßenbahn von Ost nach West quer durch das Vest. Herten/Bottrop 2014 (S. 58-61)
  • Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Tour Ruhr. Freiburg 2008 (S. 103)