Svoboda | Graniru | BBC Russia | Golosameriki | Facebook
Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Hückeswagen: Straßenbahnmuseum

Stillgelegt: Das Museum wurde 2014 aufgelöst.
Status: Gleisreste noch vorhanden

[01] Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks

Heinz Johann hat sich mit seinem "Bergischen Straßenbahnmuseum" einen Traum erfüllt. Seit 1966 hatte der Elektroingenieur ausgemusterte Wagen gekauft und vermutlich einige alte Schätze einer verflossenen Tram-Ära aus der Region vor dem Schrotthändler gerettet. Sein Privatmuseum war nicht per se öffentlich zugänglich. "Eigenmächtiges Betreten ist unerwünscht", hieß es auf der Schautafel am Eingang. Man sollte sich also vorher anmelden, um diese bemerkenswerte Sammlung an Fahrzeugen zu besichtigen, die sich bei einem Besuch im Frühjahr 2005 in unterschiedlichen Stadien der Aufarbeitung zeigten.

Aus dem Fuhrpark der im Jahr 1969 stillgelegten Remscheider Straßenbahn gelangte Triebwagen 120 nach Hückeswagen. Ursprünglich 1949 von Westwaggon/Kiepe geliefert, 1951 ausgebrannt und neu aufgebaut, lief der Wagen bis 1960 mit der Nummer 70. Bei ihm handelt es sich um einen Dreiachser: Die mittlere Achse war über Deichseln mit den beiden Achsen vorne und hinten verbunden, was zu einer besseren Lenkung in den Kurven führen sollte. Durchgesetzt hat sich dieser spezielle Wagentyp freilich nicht.

[02] Tw 120 aus Remscheid im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks
[03] Bw 208 aus Remscheid und Tw 156 aus Wuppertal im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks

Seine Abschiedsrunde auf dem Remscheider Streckennetz absolvierte am 10. April 1969 auch der Uerdinger KSW-Beiwagen 208, Baujahr 1948 und zunächst mit der Nummer 108 unterwegs. Dahinter, von einer Plane verdeckt, gab Triebwagen 156 ein trauriges Bild ab. Anno 1925 von MAN/SSW ausgeliefert, bewies sein Interieur einen Hauch von Luxus mit grünem Polster und edler Holzverkleidung. Nach einem schweren Unfall im November 1945, als der Wagen im Hofer Busch frontal auf sein Pendant mit der Nummer 159 prallte, gelangte er wieder in Dienst. 1953 fand der Vierachser im Betriebshof Cronenberg eine neue Heimstatt und befuhr vor allem die Linien 3 und 5 von Elberfeld nach Remscheid bzw. Sudberg. Bis zum Ende des Wuppertaler Meterspurnetzes war er unterwegs und kam dann in die Johannsche Sammlung. Übrigens: Triebwagen 159 (just jener, mit dem er in den Zusammenstoß verwickelt war) ist bei den Bergischen Museumsbahnen in Wuppertal-Kohlfurth erhalten geblieben.

Nebenan stand ein vierachsiger Beiwagen, der seine ursprüngliche Nummer 266 und das Emblem der Bergischen Kleinbahnen trug. Nicht nur sein sogenanntes Tonnendach war für diese Wagen charakteristisch, sondern auch die für die damalige Zeit ausgesprochen komfortablen Innenräume. 1925 hatte MAN sechs Exemplare für die Überlandstrecken des Niederberg-Netzes gebaut. Sie liefen hauptsächlich auf den Linien von Ronsdorf nach Werden bzw. Hattingen. Nach der Stilllegung ihrer Stammstrecken 1952 standen sie erst im Betriebshof Neviges abgestellt. Der in Hückeswagen erhaltene Beiwagen war zwischen 1956 und 1969 noch im Aachener Netz im Einsatz.

[04] Bw 266 der Bergischen Kleinbahnen im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks
[05] Arbeitsgrube im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks

Auf dem Grundstück hatte Heinz Johann eine umfangreiche Gleisanlage verlegt (240 m in Meterspur, dazu vier Weichen). In die Fahrleitung wurde 250 Volt Gleichstrom gespeist. Dies ermöglichte es, auf dem Gelände zu rangieren. Eine Gartenbahn also im Maßstab 1:1.

Auch ein Regelspur-Fahrzeug war auf dem Gelände vertreten. Es kam als letztes hinzu, und dafür wurden zwischen Wohnhaus und Straße extra rund 50 Meter Dreischienengleis verlegt. Als Linie 8 nach (Düsseldorf-) Hamm beschildert, präsentierte sich dieser Rheinbahn-Vierachser im klassischen Duewag-Design. Der Einrichter stammte aus einer Serie von 30 zwischen 1953 und 1955 ausgelieferten Großraumwagen. Im Jahr 1970 wurde er von 2016 in 2111 umnummeriert. Nach der Ausmusterung gelangte er 1988 ins Privatmuseum nach Hückeswagen.

[06] Tw 2111 aus Düsseldorf im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks
[07] Historische Oberleitungsmasten im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks
[08] Historische Oberleitungsmasten im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks

Zur Möblierung des Johannschen Gartens gehören auch einige historische Masten. Gleich drei verschiedene Typen standen dort nebeneinander. Mit ihren bogenförmigen Auslegern und Zierelementen bewiesen sie, dass es für das Straßenbild einst einen ästhetischen Anspruch an eine Oberleitungshalterung gab, dem ein Betonmast nicht unbedingt genügt. Auch wenn das Meterspurgleis um das Wohnhaus herumführte – eine komplette Schleifenfahrt war nicht möglich.

Der Wagen, mit dem Heinz Johanns Sammlung ihren Anfang genommen hatte, war bereits 1999 in die Kohlfurth zu den Bergischen Museumsbahnen gekommen, die Johann mitgegründet hatte und deren Ehrenvorsitzender er war: Der 1928 gebaute Wuppertaler Zweiachser, den die Barmer Bergbahn als Tw 94 in Dienst gestellt hatte, war in einen Zustand versetzt worden, der dem aus den 1930er-Jahren entspricht. Im September 2009 wurde er nach zehnjähriger Aufarbeitung auf der Museumsstrecke wieder in Betrieb genommen.

Zum Zeitpunkt des Besuchs nicht mehr auf dem Gelände war Triebwagen 314. Er war im August 2004 von den Vestischen Straßenbahnen zurückgekauft worden. Den Zweiachser (Baujahr 1929) haben dort Azubis aufgearbeitet. Inzwischen hat er als Denkmal vor dem Betriebshof Herten einen neuen Standplatz gefunden.

[09] Tw 120 aus Remscheid im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks
[10] Tw 120 aus Remscheid im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks
[11] Bw 266 der Bergischen Kleinbahnen im Straßenbahnmuseum Hückeswagen
März 2005  © Tramtracks

Am 22. Januar 2013 starb Heinz Johann im Alter von 91 Jahren. Sein Wunsch, noch zu Lebzeiten einen Nachfolger zu finden, der seine Arbeit fortführen würde, erfüllte sich nicht. Anfang 2013 standen noch fünf Trieb- bzw. Beiwagen auf dem Grundstück. Ein Testament mit klaren Anweisungen, was mit ihnen geschehen sollte, hinterließ Johann nicht. Die Wagen befanden sich in unterschiedlichem Zustand. Im fortgeschrittenen Alter war Heinz Johann nicht mehr in der Lage, sie zu pflegen. Doch den Blick auf seine Schätze mochte er in der letzten Lebensjahren nicht missen.

Im Jahr nach Johanns Tod wurde die Sammlung aufgelöst. Die Bergischen Museumsbahnen haben im März 2014 zwei Wagen übernommen: Der Remscheider Triebwagen 120 und der Wuppertaler Beiwagen 266 wurden zur Kohlfurth transportiert. Im April 2014 gelangte dann der Regelspur-Tw 2111 als Schwertransport zurück nach Düsseldorf, wo ihn die Rheinbahn in ihren historischen Fuhrpark aufnahm, allerdings nicht, um ihn wieder fahrfähig zu machen, sondern um sich Ersatzteile für einen baugleichen Oldtimerwagen zu sichern.

Die beiden anderen Wagen, die sich dann noch auf dem Gelände befanden und in einem schlechten Zustand waren (der Wuppertaler Tw 156 und der Remscheider Bw 208), kamen ins Altmetall. Johanns fünf Kinder, die alle nicht am Ort wohnten, haben das Grundstück an den benachbarten Schrotthändler Christian Bacher verkauft. Auf neueren Luftbildern sind noch Schienen zu sehen, die im westlichen Teil des Areals liegen. Übrigens: Eine reguläre Straßenbahnstrecke gab es in Hückeswagen nie.

Auf dem Stadtplan markiert ist der ehemalige Standort des Bergischen Straßenbahnmuseums in Hückeswagen. Es befand sich auf dem privaten Grundstück Wiehagener Straße 97. Die nächstgelegene Haltestelle heißt "Busenbacher Weg" (Linie 336). Ganz in der Nähe verläuft auch die zu einem Radwanderweg umfunktionierte Trasse der Ende 1995 stillgelegten Wippertalbahn (Bergisch Born – Marienheide) mit dem Bahnhof Winterhagen.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Michael Malicke: Bitte einsteigen! Erinnerungen an die Wuppertaler Bergbahn und Straßenbahn.
    Gudensberg-Gleichen 2008 (S.40-41)