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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Kamen: Bahnhofstraße

Stillgelegt: 1950
Status: Gleisdenkmal noch vorhanden (Stand: Dezember 2022)

[01] Bahnhofstraße in Höhe Haus der Stadtgeschichte
Dezember 2022  © Markus Schweiß

Wer hätte gedacht, dass es in Kamen so etwas wie ein Denkmal für die Straßenbahn gibt? Zeitzeugen, die dieses Verkehrsmittel selbst einmal benutzt haben, leben nicht mehr viele, denn immerhin ist es mehr als sieben Jahrzehnte her, dass eine Tram auf der Bahnhofstraße fuhr. Am 14. Dezember 1950 wurde die zuletzt verbliebene Strecke zwischen dem Kamener Bahnhof und Bergkamen auf Busbetrieb umgestellt. Dies bedeutete das Ende für die in ihrer längsten Ausdehnung fast 20,5 km messende Verbindung am östlichen Rand des Ruhrgebiets.

In mehreren Etappen war die Kleinbahn Unna – Kamen – Werne zwischen August 1909 und Dezember 1911 eröffnet worden. Die Trasse war größtenteils eingleisig, mit insgesamt sieben Ausweichen, die einen Halbstundentakt ermöglichten. Die Fahrt vom Bahnhof Unna zum Werner Markt nahm 72 Minuten in Anspruch (laut Fahrplan 1941).

Gegenüber des Hauses der Stadtgeschichte, in dem Kamen 2001/02 sein Archiv und Lokalmuseum angesiedelt hat, ist auf dem Bürgersteig eine Art Gleissimulation zu finden. Eine Schiene wurde dort 2017/18 neu verlegt, eine zweite durch entsprechende Pflasterung angedeutet. Laut Auskunft eines Museumsmitarbeiters soll diese Installation tatsächlich an die Kleinbahn erinnern – auch wenn dieses Denkmal in keiner offiziellen Liste steht. Eine bei dem Pseudogleis aufgestellte Gedenktafel ist dem Vandalismus zum Opfer gefallen. Immer wieder kommt es auch vor, dass Radfahrer die Markierung irrtümlich als Radweg interpretieren. Das tatsächlich befahrene regelspurige Gleis auf der Bahnhofstraße lag übrigens ungefähr am östlichen Rand der heutigen Fahrbahn.

[02] Bahnhofstraße in Höhe Haus der Stadtgeschichte
Dezember 2022  © Markus Schweiß
[03] Bahnhofstraße in Höhe Haus der Stadtgeschichte
Dezember 2022  © Markus Schweiß

Ein Problem der Kleinbahn waren die niveaugleichen Kreuzungen mit drei Eisenbahnstrecken, die nicht unbedingt zur Zuverlässigkeit des Fahrplans beitrugen. Besonders nachteilig erwies sich aber, dass ab 1935 das Überqueren der Köln-Mindener Eisenbahn (die stark ausgelastete Strecke von Dortmund nach Hamm) nur noch für Überführungsfahrten gestattet war. Deshalb wurde eine Pendellinie zwischen Unna und dem Bahnübergang in Kamen eingerichtet. Dort mussten die Fahrgäste aussteigen, zu Fuß die Gleise überschreiten und in den nächsten bereitstehenden Triebwagen wieder einsteigen, um weiter ins Kamener Zentrum zu fahren. Diese umständliche und kundenunfreundliche Prozedur wurde zum 24. Juli 1939 aufgegeben. Seitdem verkehrt ein Bus zwischen Unna und Kamen, und die Fahrgäste konnten sitzen bleiben.

Eigentlich sollte auch die restliche Strecke nach Bergkamen verdieselt werden, doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schob die Umstellung hinaus. Fünfeinhalb Jahre nach Kriegsende wurden die verschlissenen Gleisanlagen schließlich stillgelegt. Die noch verbliebenen sieben Trieb- und drei Beiwagen, allesamt zwischen 1907 und 1912 gebaut, wurden sogleich verschrottet, die Schienen in der Kamener Innenstadt bis 1953 entfernt. Die alte Wagenhalle der Kleinbahn im Betriebshof an der Lünener Straße fiel 1969 dem Abrissbagger anheim.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Position des Gleisdenkmals vor dem Gebäude Bahnhofstraße 46a. Der Bahnhof Kamen befindet sich in fußläufiger Entfernung.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

© OpenStreetMap-Mitwirkende / eigene Bearbeitung

Die Streckenskizze zeigt den Verlauf der Straßenbahn in Kamen Anfang der 1930er-Jahre: Von Süden her bog sie von der Unnaer Straße in die Straße "Am Bahnhof" ein. Das Stichgleis endete vor dem Empfangsgebäude. Dort hielt die Tram Anschluss an die Buslinien, bevor sie nach achtminütigem Aufenthalt die Richtung wechselte und ihre Fahrt in die Kamener Altstadt fortsetzte. Die Route führte auf der Bahnhofstraße über die (nicht mehr existierende) Maibrücke zum Marktplatz. Von der Straße "Am Geist" bogen die Wagen in einer scharfen Linkskurve auf die Weststraße ein – hier soll es immer mal wieder zu Entgleisungen gekommen sein. Über Weststraße und Lünener Straße wurde das Depot erreicht (heute Betriebshof der Verkehrsgesellschaft Kreis Unna). An der Ostseite des Betriebsgeländes entlang und über die Bergkamener Straße ging es dann nach Norden weiter Richtung Bergkamen, Rünthe und Werne. (Die Bezeichnungen der Straßen entsprechen dem aktuellen Stand.)

 

Literatur

  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 3: Westfalen. Freiburg 1990 (S. 196-206)
  • Westfälische Verkehrsgesellschaft (Hrsg.): Zwischen Hellweg und Lippe. Von U.K.W. bis VKU – 75 Jahre Verkehrsgesellschaft Kreis Unna. Münster 1986
  • Günter Stetza: Straßenbahnen im Ruhrgebiet: Die Kleinbahn Unna – Kamen – Werne. In: Straßenbahn-Magazin 7/1973 (S. 68-70)