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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Krefeld: Betriebshof Hüls

Stillgelegt: k.A.
Status: Wagenhalle wurde im Oktober 2021 abgerissen, Gleisrelikte noch vorhanden (Stand: September 2023)

[01] Betriebshof Hüls an der Krefelder Straße mit dem zur Ausfahrt wartenden Triebwagen 824
Juli 2007  © Tramtracks

An der Haltestelle Betriebshof Hüls ist für die Linie 044 Endstation. Bis zum Jahr 2013 setzten die Wagen an der Krefelder Straße über ein Gleisdreieck um — eine an Rhein und Ruhr selten gewordene, aber früher alltägliche Situation. Sie war dem Umstand geschuldet, dass die Verkehrsbetriebe in der Nachkriegszeit vor allem Einrichtungswagen beschafft hatten, die lediglich mit einem Führerstand und Türen nur an einer Seite viele Sitzplätze ermöglichten. An den meisten Endstellen gab es Gleisschleifen. Wo dies aus Platzgründen wie in Hüls nicht möglich war, wurde im Dreieck gewendet. Die Fahrgäste stiegen an der Krefelder Straße gegenüber des Betriebshofs aus. Dann ging der Fahrer ans Heck seines Wagens zu einem behelfsmäßigen Bedienpult, um dann rückwärts ins Depot einzuparken. Auf dem Hof befanden sich dann der Pausenplatz und die Einstiegshaltestelle.

An diesem Procedere änderte sich erst einmal nichts, nachdem ab 2009 mit den Flexity Outlook Classics eine neue Fahrzeuggeneration ins Krefelder Netz kam und mit ihr nun Zweirichtungswagen zur Verfügung standen. Ein Grund für die spezielle Betriebsabwicklung in Hüls war die Signalanlage, die regulär solch eine Dreiecksfahrt erwartete und sich anscheinend nicht so einfach umprogrammieren ließ.

Normalerweise setzten die Wagen in das vom Eingang aus gesehen zweite Gleis zurück. Das dritte verfügte offenbar auch noch über eine funktionierende Oberleitung. Das vierte Gleis war gesperrt. Wo die Bahnen schon lange nicht mehr gefahren sind, hatte sich Gras in die Schienenrillen gesetzt. Fahrzeuge werden in der 45 Meter langen Wagenhalle nicht mehr abgestellt. Das Depot stand sperrangelweit offen. Die Tore der Wagenhalle waren bis ein Element an der äußersten rechten Seite entfernt. Dort lag noch ein fünftes, nicht mehr angeschlossenes Schienenpaar. Bei dem orangefarbenen Container, der auf dem Hof steht, handelt es sich um ein mobiles Unterwerk, das Strom in die Oberleitung speist und in Hüls fest installiert ist.

[02] Leerstehende Wagenhalle an der Krefelder Straße
Juli 2007  © Tramtracks
[03] Leerstehende Wagenhalle an der Krefelder Straße
Juli 2007  © Tramtracks

Auch wenn gähnende Leere über viele Jahre hinweg das Bild des Betriebshofs prägte: Lange Zeit war die Wagenhalle mit den 1990 ausgemusterten acht Großraum-Beiwagen (Baujahr 1974) vollgestellt. Die Hoffnung der Krefelder Stadtwerke, für die vierachsigen Anhänger Käufer zu finden, erfüllte sich nicht, und 1995 wurden die Beiwagen nach eigentlich viel zu kurzer Betriebszeit verschrottet. Zuletzt waren in Hüls ansonsten Arbeitswagen wie der Schneepflug stationiert.

Die Wagenhalle in Hüls war neben dem baulich stark veränderten Betriebshof Fischeln der älteste noch existierende Depot-Standort in Krefeld. Er wurde Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet, als eine von Dampfloks gezogene Straßenbahn als Vorgänger der elektrischen Tram von Hüls bis zur Drießendorfer Straße fuhr. Nachdem der Streckenast im April 1901 elektrifiziert war, diente das Depot der Straßenbahn als Außenposten. Auf der Denkmalschutzliste stand die Wagenhalle nicht, betrieblich benötigt wurde sie auch nicht mehr, und so nimmt es nicht Wunder, dass ihre Tage gezählt waren.

[04] Leerstehende Wagenhalle an der Krefelder Straße
Juli 2007  © Tramtracks
[05] Leerstehende Wagenhalle an der Krefelder Straße
Juli 2007  © Tramtracks

Seit Juni 2013 lässt sich das Dreieckswendemanöver nicht mehr verfolgen. Jetzt biegen die Bahnen von der Krefelder Straße direkt auf den Hof ein und wenden stumpf, normalerweise auf Gleis 2. Die Weiche zum ersten Gleis ist im Zuge des Umbaus 2013 entfernt worden, die zum vierten Gleis ist fest verschweißt. Gleis 3 ist weiterhin unter Draht, dient aber vor allem zum Abstellen von Wagen zum Beispiel bei Störungen.

Die einzige offensichtliche, zwischenzeitlich vorgenommene Veränderung in der rund 48 Meter langen und fast 17 Meter breiten Wagenhalle selbst war die Halte-Tafel, die nun zwischen dem zweiten und dritten Gleis aufgestellt worden ist.

[06] Abgetrenntes Gleis am Bahnsteig im Betriebshof Hüls
September 2016  © Tramtracks
[07] Leerstehende Wagenhalle im Betriebshof Hüls
September 2016  © Tramtracks

Im Mai 2013 wurde das Wendedreieck auf der Krefelder Straße schließlich entfernt. Von dem Gleisbogen zeugen nur noch der neuere, dunklere Asphalt auf der Krefelder Straße – und der Fahrdraht, der auch noch fünf Jahre später über der Kurve hing. Das Stumpfgleis, das bis kurz vor die Josefstraße reicht, liegt nach wie vor, ist aber regulär nicht mehr in Benutzung und wird zumindest teilweise gerne mit Autos zugeparkt.

Für einen Park-&-Ride-Platz bietet das Depotgelände zu wenig Fläche. Aber im Mai 2018 sollte eine neue Einrichtung zumindest ein paar Umsteigern ein Angebot machen: Zehn abschließbare Fahrradboxen wurden auf dem Betriebshof aufgestellt. Radfahrer können einen Abstellplatz mieten (ein Monat kostete 15 Euro, ein Jahr 90 Euro). Angesprochen werden sollten vor allem Pendler, die mit dem Rad von zuhause bis zum Depot fahren und dann den weiteren Weg nach Krefeld hinein die Straßenbahn nutzen. Ihr Rad steht unterdessen vor Witterung und Diebstahl geschützt. Auch an anderen Endstellen im Tramnetz entstanden solche Fahrradboxen, so etwa am Edelstahlwerk Tor 3, am Bahnhof Uerdingen und in Grundend.

[08] Krefelder Straße am Betriebshof Hüls mit dem ausfahrenden Triebwagen 619
April 2018  © Tramtracks
[09] Leerstehende Wagenhalle im Betriebshof Hüls
April 2018  © Tramtracks

Die Demontage der Gleiskurve Mitte 2013 war der zweite Umbau vor dem Betriebshof an der Krefelder Straße. Bis zum 30. November 1964 fuhr die Straßenbahn noch rund 400 Meter weiter bis zum Hülser Markt ("Hüls Ende"). Als diese Strecke bis zum Depot zurückgezogen wurde, entstand die Dreieckskehre. Zuvor hatte es nur einen Gleisbogen von Norden her in den Betriebshof gegeben, der nun ein wenig versetzt wurde, damit ausreichend weite Kurven für Ein- und Ausfahrt zur Verfügung standen. Die Gleisharfe auf dem Hof wurde neu angelegt, das fünfte Gleis abgetrennt.

[10] Haus Krefelder Straße 96
Februar 1998  © Markus Schweiß

Rechts neben der Einfahrt zum Depot, wo sich jetzt eine Grasfläche befindet, stand früher ein Wohnhaus (Krefelder Straße 96), das den alten Schriftzug "Crefelder Strassenbahn AG" trug und auch den Krefelder Stadtwerken gehörte. In dem Haus wohnte längere Zeit ein Mitarbeiter aus dem Werkstattbereich. Dann stand das Gebäude eine Weile leer, bis es um die Jahrtausendwende schließlich abgerissen wurde.

In den 1970er-Jahren wurde der Standort noch als echter Betriebshof genutzt. Vor allem Beiwagen waren dort stationiert. Sechs von ihnen wurden morgens den Triebwagen angehängt, die als Frühkurse solo in Hüls eintrafen. Der Hof war nachts verschlossen. Damals musste der Fahrer, der am späten Abend als letzter ausrückte, das Tor zusperren. Der Kollege, der am folgenden Morgen in Hüls wenden wollte, musste es also erst wieder aufschließen. Daran hatte einmal ein womöglich noch etwas schlaftrunkener Fahrer im Dunkeln nicht mehr gedacht, wurde dann aber ganz schnell hellwach, als er vor das Tor schepperte.

Nach mehr als 120 Jahren, die das Depot bestand, zeigte die Stahlkonstruktion Verschleiß. Die Träger waren so stark von Korrosion befallen, dass man nicht mehr für die Standsicherheit garantieren konnte. Deshalb wurde im Oktober 2021 die Halle abgerissen. Die Endstelle wurde während dieser Zeit auf die Krefelder Straße verlegt. Das Stumpfgleis dort – ein Relikt der alten Strecke zum Hülser Markt – existiert weiterhin.

Im Februar 2022 wurden die Schienen im hinteren Teil des Hofes abgetrennt und umzäunt. Zwei neue Masten stehen jetzt am Ende der gekürzten Gleise 2 und 3, ungefähr in der Mitte der ehemaligen Hallenfläche. Somit besteht künftig die Möglichkeit, zwei Wagen auf dem Depotgelände zu parken, zumindest theoretisch. Die Endstelle der Linie 044 ist inzwischen wieder in den vorderen Bereich des Hofs zurückgekehrt.

[11] Endstelle auf dem Betriebshofgelände
September 2023  © Tramtracks
[12] Endstelle auf dem Betriebshofgelände
September 2023  © Tramtracks
[13] Gleise im Bereich der abgerissenen Wagenhalle
September 2023  © Tramtracks

Das Areal ist nun Freigelände. Die hintere Mauerwand des Depotgebäudes wurde ebenfalls abgetragen. Stattdessen steht an der Schulstraße nun ein stabiler Stahlzaun. Für die weitere Verwendung des früheren hinteren Hallenbereichs gibt es vermutlich nur zwei Möglichkeiten: Die Baulücke Schulstraße 89 wird mit einem Wohnhaus geschlossen, womit dann auch andere Optionen für den Nahverkehr endgültig verbaut wären. Oder aber die Endstelle der Straßenbahn wird mit einer Bushaltestelle zu einem Verknüpfungspunkt erweitert – dies war im Herbst 2022 der Stand der Planung. Bis jetzt scheiterte die Umsetzung aber am Höhenunterschied zwischen dem Betriebsgelände und der Schulstraße, so dass die Linien 045 und 049 weiterhin am Steeger Dyk wenden.

Die lange diskutierte und in den Krefelder Nahverkehrsplan 2022 aufgenommene Verlängerung der Tramstrecke durch Hüls zum Bahnhof an der Kempener Straße oder darüber hinaus zum Schulzentrum Reepenweg soll weiter geprüft werden.

[14] Gleisende auf der Krefelder Straße gegenüber vom Betriebshof
September 2023  © Tramtracks

Das Gleis auf der Krefelder Straße reicht bis zur Einmündung der Josefstraße. Die letzten knapp 15 Meter sind aber de facto inzwischen stillgelegt und werden nun routinemäßig von Autos beparkt. Auf der für die Gleiszone abschraffierten Fläche würde der Platz aber noch ausreichen, um eine Straßenbahn vor dem Betriebshof abzustellen, falls eine Einfahrt auf das Gelände nicht möglich wäre.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Position des Betriebshofs Hüls an der Krefelder Straße. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist er denkbar einfach erreichbar: Die Endstation der Straßenbahnlinie 044 liegt direkt im Depot.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge/Michael Kochems: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 9: Niederrhein. Freiburg 2004 (S. 155-156, 158, 179, 187, 198)
  • Gisbert Arts / Gabriele Franken / Wolfgang Herbrandt / Ernst-Moritz Müller: "Gut, dass wir sie haben". 100 Jahre elektrische Straßenbahn in Krefeld. Krefeld 2000 (S. 99, 148-149)