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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Krefeld: Dießem

Stillgelegt: 1933
Status: Oberleitungshalterungen noch vorhanden

[01] Dießemer Straße in Höhe Kulturfabrik
Mai 2011  © Tramtracks

An der Kulturfabrik sind noch Relikte einer Straßenbahnstrecke zu finden, die in Vergessenheit geraten ist. Oder besser gesagt: Zwei verschiedene Verbindungen führten durch die Dießemer Straße. Hier hatte am 15. Dezember 1898 zunächst die Rheinische Bahngesellschaft ihre Fernlinie von Düsseldorf (Ratinger Tor) nach Krefeld (Rheinstraße) eröffnet. Von Süden her befuhr sie die 1877 aufgegebene Staatsbahntrasse bis in Höhe Ritterstraße, schwenkte dann in die Dießemer Straße ein und bog auf die Bahnstraße Richtung Hauptbahnhof ab. Die Strecke der erst namenlosen, 1906 dann als Linie A bezeichneten Verbindung war eingleisig (mit Ausweichen in der Bahnstraße und südlich der Eisenbahnunterführung am damaligen Kleinbahnhof Dießem).

Im August 1909 erhielt die (regelspurige) Fernlinie eine neue Führung und unterquerte nun an der Voltastraße die Eisenbahn. Doch damit war nur das erste Kapitel des öffentlichen Nahverkehrs auf Schienen in der Dießemer Straße beendet. Das zweite begann offiziell am 23. Februar 1914, als die (meterspurige) Krefelder Straßenbahn ihre innerstädtische Strecke über die bisherige Endstelle an der Alten Linner Straße/Bahnstraße hinaus nach Dießem verlängerte (Linie 5).

 

[02] Dießemer Straße in Höhe Kulturfabrik
Mai 2011  © Tramtracks
[03] Oberleitungsrosette am Gebäude Dießemer Straße 9 (Gastronomie "Schlachtgarten")
Mai 2011  © Tramtracks
[04] Oberleitungshaken am Gebäude der Spedition Erlenwein
Mai 2011  © Tramtracks

Möglicherweise hatte man aber schon 1910 Gleise in die Dießemer Straße bis vor den Schlachthof verlegt (von dem ein Teil heute die Kulturfabrik beherbergt und als regionale bekanntes Veranstaltungszentrum mit Konzertsaal dient). Denn die 1908 neu eröffnete Linie nach Linn fuhr ebenfalls durch die Alte Linner Straße und hätte das Rangieren an der Ausweiche, die als Endstelle fungiert hatte, behindern können.

Aus welcher Phase die Oberleitungsrosette an dem zur Kulturfabrik gehörenden Gebäude Dießemer Straße 13 und der Haken am alten Bau der Spedition Erlenwein direkt nebenan stammen, ist unklar. Vermutlich sind sie keine Hinterlassenschaften der Rheinbahn, sondern wurden erst von den Krefelder Stadtwerken angebracht. Das Vorhandensein der Rosette könnte Indiz für eine in Höhe der Kulturfabrik eingerichtete Ausweiche sein, was wiederum für eine Verlegung der Endstelle bis vor den Schlachthof spräche. Dies ist aber pure Spekulation.

[05] Oberdießemer Straße in Höhe Ritzhütte
Mai 2011  © Tramtracks
[06] Oberleitungsrosette am Haus Oberdießemer Straße 153
Mai 2011  © Tramtracks

Jenseits der Bahnunterführung folgte die Strecke der Oberdießemer Straße. Gebaut worden war sie im wesentlichen, um das Krankenhaus Maria Hilf (heute: Alexianer) anzubinden, und sie endete vor dem jetzt noch existierenden und von Städtischer Eisenbahn Krefeld sowie Krefelder Industriebahn benutzten Gütergleis zum Hafen (in alten Karten auch als "Schleppbahn" bezeichnet).

Obwohl die Linie 5 zunächst alle 20 Minuten, 1930 viertelstündlich verkehrte, war ihr kein langes Dasein beschieden. Ein Grund dafür mochte die kaum 100 Meter westlich parallel zur Straßenbahn verlaufende Strecke der Rheinbahn (heute: U76) sein. Am 8. Oktober 1933 fuhr die Tram zum letzten Mal nach Dießem (eine einzelne Quelle nennt den 30. April 1934 als Endtermin). Fest steht, dass fortan statt der Bahn der Omnibus über Dießem hinaus bis Niederbruch verkehrte (Linie 23).

Von der Straßenbahn ist auf dem Abschnitt südlich des Eisenbahndamms als einziges Relikt einer Oberleitungsrosette am Haus Oberdießemer Straße 153 erhalten geblieben, unmittelbar neben der Traditionsgaststätte Haus Hemmers.

Auf dem Stadtplan markiert ist das Gebäude Dießemer Straße 9, an dem sich die Oberleitungsrosette befindet (die ersten drei Fotos auf dieser Seite). Die Straßenbahnhaltestelle "Bahnstraße" liegt nur wenige Gehminuten von dort entfernt (Linie 044).

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge / Michael Kochems: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 9: Niederrhein. Freiburg 2004 (S. 157, 159, 161, 165-167)
  • Gisbert Arts / Gabriele Franken / Wolfgang Herbrandt / Ernst-Moritz Müller: "Gut, dass wir sie haben". 100 Jahre elektrische Straßenbahn in Krefeld. Krefeld 2000 (S. 66, 97, 183, 185)
  • Richard Jacobi / Dieter Zeh: Die Geschichte der Düsseldorfer Straßenbahn. Freiburg 1986 (S. 14)
  • Wolfgang R. Reimann: Straßenbahn und Güterverkehr zwischen Rhein, Ruhr und Wupper. Berlin 2004
    (S. 26)