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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Moers: Lauersfort

Stillgelegt: 1963
Status: Betonmasten noch vorhanden (Stand: April 2018)

[01] Bahndamm nördlich der Lauersforter Straße bei Rentmeister
April 2018  © Tramtracks

Weite Teile der Überlandstrecke von Krefeld nach Moers sind geradezu wie ausradiert, andere dagegen lassen sich noch eindeutig erkennen. Im Ortsteil Kapellen ist gut ein Kilometer Bahndamm jetzt ein Wanderweg, der von der Lauersforter Straße schnurgerade gen Norden Richtung Moers führt. Praktisch auf ganzer Länge sind noch zahlreiche Betonmasten vorhanden, die früher die Oberleitung getragen haben.

Der Bau der Strecke war 1914 begonnen worden. Sie konnte aber im Ersten Weltkrieg zunächst nicht fertiggestellt werden, weil es unter anderem an Schienen und an Kupferdraht für die Fahrleitung mangelte. Hatte der Krieg erst den Weiterbau verhindert, beschleunigte er ihn am Ende doch. 1917 wurde das Projekt wieder aufgenommen, denn es ging darum, eine Verbindung zur Moers-Homberger Straßenbahn zu schaffen und auf diesem Wege Steinkohle von der Zeche Rheinpreußen aus Moers nach Krefeld herbeizuschaffen. Am 8. Februar 1918 kam es zu der ersten Probefahrt über die Neubaustrecke, die anfangs nicht elektrifiziert war und nur mit Dampfloks befahren wurde, die man ihrerseits mit Kohle befeuerte.

Vom 1. März 1918 an rollten dann diese Dampfzüge. Vier Maschinen hatte die Crefelder Straßenbahn gebraucht von der Barmer Bergbahn gekauft. Sie zogen jeweils bis zu sechs Güterwagen. Trotz dieser begrenzten Kapazität waren die Transporte für die Heimatfront kriegswichtig, denn die Steinkohle war seinerzeit primärer Energieträger, um elektrischen Strom zu erzeugen. Von ihrer Verfügbarkeit hingen öffentliche Infrastruktur und industrielle Produktion ab.

[02] Bahndamm nördlich der Lauersforter Straße bei Rentmeister
April 2018  © Tramtracks
[03] Bahndamm nördlich der Lauersforter Straße bei Rentmeister
April 2018  © Tramtracks

Während des Ersten Weltkriegs standen auch zahlreiche Frauen an den Kurbeln der Krefelder Tram. Eine der 678 Fahrerinnen war die Baroness Raitz von Frentz aus Linn, die sich aus vaterländischer Überzeugung gemeldet hatte und darauf drängte, auch auf der Neubaustrecke nach Moers ihren Dienst zu versehen. Sie wurde auf diese Weise Deutschlands allererste Dampflokomotivführerin.

Bis 1926 wurde die Kohle von der Moerser Zeche mit der Straßenbahn abtransportiert, nicht nur nach Krefeld, sondern auch über Willich und Schiefbahn bis nach Mönchengladbach und Rheydt — immerhin bis zu 400 Tonnen pro Tag. Nach Ende des Ersten Weltkriegs war die Strecke mit einer Oberleitung versehen worden, so dass der Personenverkehr am 15. November 1920 beginnen konnte.

Die Güterwagen wurden aber weiterhin nicht von elektrischen Triebwagen gezogen, die Dampfloks fuhren noch bis zum 25. Mai 1921. Anfang der 1920er-Jahre soll es sogar Transporte mit Mehl und anderen Nahrungsmitteln gegeben haben, die über Ruhrort ins Ruhrgebiet hinein führten, bis nach Wattenscheid und Bommern.

[04] Bahndamm mit der ehemaligen Überführung über die Eisenbahnstrecke Krefeld-Moers
April 2018  © Tramtracks
[05] Bahndamm zwischen Lauersforter Straße und Moerser Straße
April 2018  © Tramtracks

Ungefähr in der Mitte des heute noch erhaltenen Damms überquerte die Straßenbahn die Strecke der Eisenbahn von Krefeld nach Moers. Die Stelle, an der sich die eiserne Brücke befand, ist leicht zu erkennen, auch wenn sowohl die Überführung als auch die Widerlager längst entfernt sind. Der Damm ist jetzt abgesenkt und kreuzt ebenerdig die ehemalige Eisenbahntrasse, die ihrerseits ebenfalls zum großen Teil als befestigter Weg erwanderbar ist.

Die Strecke der Crefelder Eisenbahn-Gesellschaft war schon 1882 bis Moers eröffnet worden, doch die Überlandtram kaufte ihr als Städteverbindung den Schneid ab. Deren knapp vier Jahrzehnte später gebaute Trasse war zwischen Traar und der Moerser Innenstadt fast wie mit dem Lineal gezogen. Die Straßenbahn, die 45 Minuten zwischen den beiden Hauptbahnhöfen benötigte, war laut Fahrplan von 1925 mindestens eine Viertelstunde schneller als die Eisenbahn, die einen größeren Bogen über Hüls und Niep nahm. 1932/33 wurde der Personenverkehr auf Eisenbahngleisen eingestellt, im September 1939 wegen des Zweiten Weltkriegs wieder aufgenommen, zwischen Moers und Niep aber 1949 endgültig wieder aufgegeben. Der Güterverkehr zwischen Kapellen und Moers währte noch bis 1974. Heute ist vom Netz der Krefelder Eisenbahn-Gesellschaft nur noch die Strecke von St. Tönis bis Hülser Berg übrig, die regelmäßig von Mai bis September sonntags mit historischen Dampfzügen, dem "Schluff", befahren wird.

[06] Bahndamm zwischen Lauersforter Straße und Moerser Straße
April 2018  © Tramtracks
[07] Bahndamm in Höhe der Wellkistenfabrik Fritz Peters
April 2018  © Tramtracks
[08] Nördlicher Abschnitt des Bahndamm vor der Moerser Straße
April 2018  © Tramtracks

Insgesamt stehen noch 17 Betonmasten entlang des Bahndamms, 13 davon im nördlichen Abschnitt. Dort zeigen sich die Relikte der Straßenbahnstrecke mehr als fünf Jahrzehnte nach der Stilllegung standhaft, wenngleich das eine oder andere Exemplar inzwischen eine gewisse Neigung nicht verleugnen kann. Jeweils im Abstand von 50 Metern stehen teilweise auch noch Pärchen, also ein Mast am westlichen Hang und einer am östlichen. Laut historischen Fotos müsste diese Art der Aufstellung auf ganzer Länge des Bahndamms so praktiziert worden sein, so dass die Oberleitung jeweils von den beiden Masten abgespannt war. Warum man hier auf Ausleger verzichtete, ist nicht ganz klar. Möglicherweise bot diese Lösung eine bessere Statik auf dem Damm, indem man die Zugkräfte, die auf die Masten wirkten, besser verteilte.

Im Zweiten Weltkrieg wurden 1941 die Kohletransporte von der Zeche Rheinpreußen wieder aufgenommen, denn es war es zu einem Brennstoffmangel im Krefelder Elektrizitätswerk gekommen. Auch in der Nachkriegszeit gab es noch einmal Kohlezüge: Im schneereichen Winter 1947 sorgte die Straßenbahn dafür, dass die Energieversorgung in Krefeld nicht völlig zusammenbrach.

[09] Bahndamm südlich der Moerser Straße
April 2018  © Tramtracks
[10] Betonmast am Bahndamm südlich der Moerser Straße
April 2018  © Tramtracks

Die allermeisten Masten haben das Hütchen verloren, das sie ursprünglich trugen und vor eindringender Feuchtigkeit schützen sollte. Die Betonpfähle sind nämlich Hohlkörper. Bei drei Masten, die unweit der Moerser Straße stehen, liegt das den Betonmantel tragende Stahlskelett mittlerweile offen.

Nördlich der Moerser Straße ist der ehemalige Bahnkörper zumindest ansatzweise als Grünstreifen zu erkennen. Nach 200 Metern überquert die Trasse den Moerskanal. Auch wenn es so aussieht, der anschließende Trampelpfad übers Feld entspricht nicht der Streckenführung. Sie beschrieb vielmehr einen leichten Rechtsbogen. Wo die Tram den Schaltbruchweg kreuzte, ist eindeutig bestimmbar, denn dort liegt bis heute ein kurzes Gleisstück.

[11] Moerser Straße mit Blick auf den Bahndamm
April 2018  © Tramtracks
[12] Ehemaliger Streckenverlauf nördlich der Moerser Straße
April 2018  © Tramtracks

Um die querfeldein verlaufende Trasse Richtung Moers nachvollziehen zu können, kann man sich an den gelben Markierungspfählen orientieren. Sie zeigen an, wo unter der Erde eine Ferngasleitung von Thyssengas liegt, die wiederum ziemlich genau der ehemaligen Straßenbahnstrecke folgt. Wahrscheinlich wurde die Gastrasse aber erst angelegt, nachdem die letzte Bahn gefahren war.

Ein 1997 in Auftrag gegebenes Gutachten, das Zukunftsperspektiven der Krefelder Straßenbahn beleuchten sollte, schlug den Neuaufbau der Schienenverbindung nach Moers vor (ebenso wie Streckenverlängerungen nach Willich sowie zum Eisstadion). Die im November 1963 aufgegebene Streckenführung ist allerdings an nicht wenigen Stellen überbaut bzw. durch die Autobahnen A40 und A57 zerschnitten. Wie die Luftaufnahmen zeigen, erschloss die Trasse den Stadtteil Kapellen nur am Rande. Als die Strecke gebaut wurde, hatte die möglichst direkte Verbindung zwischen Krefeld und Moers Priorität.

[13] Luftaufnahme des Bahndamms zwischen Lauersforter Straße und Moerser Straße
© RVR, 1969, Hansa Luftbild GmbH, Aerowest GmbH, Datenlizenz Deutschland - Namensnennung – Version 2.0
[14] Luftaufnahme des Bahndamms zwischen Lauersforter Straße und Moerser Straße
© RVR, 1990, Aerowest GmbH, EUROSENSE GmbH, Datenlizenz Deutschland - Namensnennung – Version 2.0

Der Vergleich der im Abstand von gut zwei Jahrzehnten entstandenen Luftaufnahmen zeigt nicht nur die Veränderungen durch die Fertigstellung der Autobahn A57 im Jahr 1976. Auf dem Feld südlich der Lauersforter Straße war noch der Verlauf der Straßenbahn gut erkennbar. Die in den Sechzigern durchgehend vorhandene Eisenbahntrasse, die Kapellen in Ost-West-Richtung durchquerte, wurde später im Bereich des ehemaligen Bahnhofs Kapellen teilweise durch ein Gewerbegebiet überbaut. Der von Bäumen gesäumte Bahndamm der Überlandtram ist damals wie heute aus der Vogelperspektive leicht erkennbar.

Durch die Autobahn von Kapellen getrennt liegt das Schloss Lauersfort – ein Rittergut, dessen Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Das Herrenhaus entstand 1716. Etwa ein Jahrhundert jünger ist der Schlosspark, ein Landschaftsgarten nach dem Entwurf von Maximilian Friedrich Weyhe, der auch den Düsseldorfer Hofgarten gestaltet hat. Die ehemalige Wasserburg befindet sich in Privatbesitz und kann normalerweise nicht besichtigt werden. Das Schloss ist aber jährlich Gastgeber des Oldtimer-Treffens "Cars & Castle" und kann für Trauungen gebucht werden.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Stelle, an der die Eisenbahn Krefeld-Moers die Straßenbahnstrecke kreuzte – ziemlich genau in der Mitte des heute noch vorhandenen Bahndamms, der kerzengerade in Nord-Süd-Richtung zwischen Moerser Straße und Lauersforter Straße verläuft. Direkt am nördlichen Ende liegt die Haltestelle Am Bendmannsfeld der Buslinie 052.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge / Michael Kochems: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 9: Niederrhein. Freiburg 2004 (S. 163, 167-169, 176, 179)
  • Michael Kochems: Von Schiefbach nach Moers. In: Strassenbahn Magazin 4/2012 (S. 56-65)
  • Gisbert Arts / Gabriele Franken / Wolfgang Herbrandt / Ernst-Moritz Müller: Gut, daß wir sie haben. 100 Jahre elektrische Straßenbahn in Krefeld. Krefeld 2000 (S. 71, 73, 75, 129, 131, 168, 171, 173)
  • Wolfgang R. Reimann: Straßenbahn und Güterverkehr zwischen Rhein, Ruhr und Wupper. Berlin 2004 (S. 25-30, 34)