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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Mülheim/Ruhr: Steinkampstraße

Stillgelegt: 1966
Status: Keine Gleisrelikte mehr vorhanden

[01] Steinkampstraße/Ecke Hohe Straße
Mai 2010  © Tramtracks

Mal wieder eine Grabung, die zumindest für kurze Zeit einige Gleisreste ans Tageslicht gebracht hat: Gut ein Jahr lang war die Unterführung Steinkampstraße am Bahnhof Styrum eine Großbaustelle. An der Einmünung der Hauskampstraße kamen dabei Schienen zum Vorschein, auf der am 23. Oktober 1966 zum letzten Mal die Tram fuhr, genauer gesagt: die gemeinsam von den Mülheimer und Oberhausener Verkehrsbetrieben auf den rund 20 km langen Kurs von Saarn nach Holten geschickte Linie 1.

Die Verbindung ging im Strudel der Aufgabe des ersten Oberhausener Straßenbahnbetriebs unter. Eigentlich hätte sie noch bis zum geplanten Endtermin 1969 weiterbetrieben werden sollen, aber den Mülheimer Einrichtungswagen fehlte in Oberhausen-Holten die Wendemöglichkeit, und so kündigte man den Gemeinschaftsverkehr. Dabei war die Strecke über Heidestraße und Lothringer Straße fast durchgehend zweigleisig bis zur Oberhausener Innenstadt und damit besser ausgebaut als die zweite Tramverbindung zwischen Mülheim und Oberhausen, die auf der Mülheimer Straße ein längeres eingleisiges Stück aufwies.

An der Südseite der Unterführung bog das Streckengleis in die Hauskampstraße ein. Außerdem bestand ein Abzweig, der weiter über die Steinkampstraße zum Betriebshof Styrum führte.

 

[02] Steinkampstraße/Ecke Hauskampstraße
Juni 2010  © Tramtracks
[03] Steinkampstraße/Ecke Hauskampstraße
Juni 2010  © Tramtracks

Die Strecke durch die Unterführung war 1911 in Betrieb gegangen. Doch nach Oberhausen fuhr die Mülheimer Straßenbahn schon seit 1897, und zwar zunächst einen Rundkurs über Landwehr zum Vincenzhaus an den Rand der Oberhausener Innenstadt und von dort zurück über Styrum nach Mülheim. Die ersten 14 Jahre lang verlief die Strecke von der Thyssenbrücke parallel zur Eisenbahn bis an die Nordseite des Bahnhofs Styrum, um dann der Heidestraße nach Norden zu folgen.

Ungetrübt war das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarstädten zu Beginn ihrer Zusammenarbeit 1928 nicht: Die Oberhausener ärgerten sich, dass die Mülheimer nicht ihre moderneren, komfortablen Triebwagen einsetzten, sondern die kleinen, älteren. Zeitgenossen fragten sich: "Puppenwagen statt Polsterwagen?" Zur Begründung wurde die Unterführung an der Steinkampstraße angeführt, die mit 3,35 m fast einen halben Meter zu niedrig für die neueren Einheiten war … Die Betriebsleitungen schrieben sich böse Briefe, und die Oberhausener versuchten vergeblich, sich Geld zurückzuholen. Dazu passt auch eine Anekdote aus dem Jahr 1949, als die Feiertage noch nicht einheitlich festgelegt waren, und eine Bahn aus dem protestantischen Mülheim sich der Oberhausener Fronleichnamsprozession in den Weg stellte – oder umgekehrt. So kam es zum akustischen Kräftemessen zwischen aufgebrachten Katholiken und dauerbimmelnder Tram.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Stelle, an der während der Bauarbeiten die Gleise wieder ans Tageslicht traten. Der Bahnhof Mülheim-Styrum liegt nur wenige Gehminuten entfernt.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 316, 328)
  • Klaus Oehlert-Schellberg/Stefan Kunig: Straßenbahn in Oberhausen. Nordhorn 1997 (S. 57, 73)
  • Helmut Hoffmann / Klaus Oehlert: Bilder von der Mülheimer Strassenbahn. Aachen 1985 (S. 36)