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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Oberhausen: Mülheimer Straße

Stillgelegt: 1968
Status: Betonmasten noch vorhanden (Stand: August 2022)

[01] Mülheimer Straße in Höhe der Haltestelle Ziesakplaza
März 2010  © Tramtracks

Am 4. April 1897 setzte sich ein Konvoi aus fünf Triebwagen mit 120 Ehrengästen am Oberhausener Hauptbahnhof in Bewegung, um die erste Straßenbahnstrecke in der Stadt zu befahren. Über Mülheimer und Essener Straße ging es zur Gutehoffnungshütte, wo man im Walzwerk Station machte und mit Pils vom Fass auf die neue Errungenschaft anstieß. Es war die Zeit, in der das Ruhrrevier mit Stahl und Bier noch kein historisches Klischee war. Und die Straßenbahn beförderte den Aufbruch in eine neue Ära mit dem Versprechen von Mobilität.

Entlang der Mülheimer Straße, der Stammstrecke der alten Oberhausener Tram, steht noch eine Reihe von Betonmasten, die für die Oberleitung dort platziert worden waren. Sie stammen zwar nicht aus den Anfangsjahren, sondern dürften eher in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestellt worden sein. Gleichwohl haben diese Relikte Seltenheitswert, denn die Spuren des ersten Straßenbahnbetriebs in Oberhausen, der nach sieben Jahrzehnten sein Ende fand, sind fast alle getilgt.

Die Geschichte der Tram hängt sehr eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung Oberhausens zusammen. Haltestellennamen wie "Zeche Oberhausen", "Schacht IV", "Hochöfen", "Eisenhütte", "Schlackenberg" oder "Neues Walzwerk" zeigen augenfällig die Verbundenheit mit dem Industriestandort. Von der Schlackenhalde, auf der die festen Rückstände aus der Stahlerzeugung gelagert wurden, ist nur noch eine Erhebung an der Mülheimer Straße vorhanden. Westlich hiervon entstand ein ausgedehntes Gewerbegebiet.

 

[02] Mülheimer Straße südlich der Einmündung Essener Straße
März 2010  © Tramtracks
[03] Mülheimer Straße südlich der Einmündung Essener Straße
März 2010  © Tramtracks

Zurück zur Straßenbahn-Historie: Abgesehen von der Schwartzstraße als Zulaufstrecke zum Hauptbahnhof war auf der Mülheimer Straße die Liniendichte am höchsten: Im Jahr 1963, vor dem Beginn der schrittweisen Gesamtstilllegung des Trambetriebs, fuhren hier die Linien 1 (von Mülheim-Saarn nach Holten) und die Verstärkerlinie 1E (von der Broermann-Realschule nach Sterkrade, Hagelkreuz). An der Essener Straße bogen die Linie 2 Richtung Osterfeld und die Linie 5 nach Essen-Frintrop ab. Zumindest die 1 und die 5 galten zwar noch als langfristig straßenbahntauglich, bildeten aber nur noch den Torso des bis Mitte der Sechziger weitverzweigten Netzes.

Von daher wundert es nicht, dass die 1996 wiedereingeführte Straßenbahn eine Nord-Süd-Achse bedient und die Reaktivierung des Astes nach Essen noch immer in der Planung ist.

In der Mülheimer Straße hatte die Bahn zwar keinen eigenen Gleiskörper, aber genügend Platz. Die Strecke war durchgehend doppelgleisig ausgebaut. Damit unterschied sie sich allerdings vom größten Teil des Oberhausener Netzes. Dort war es eine Tram im klassischen Sinne, die in den Stadtteilen engen Straßenzügen folgte und vielfach nur eingleisig angelegt war.

[04] Blick von der Brücke in Höhe TZU auf die Kreuzung Mülheimer Straße/Essener Straße
September 2016  © Tramtracks
[05] Blick von der Brücke in Höhe TZU auf die Kreuzung Mülheimer Straße/Essener Straße
September 2016  © Tramtracks

Hinter dem Zaun an der Einmündung der Essener Straße erstreckt sich das Gelände des ehemaligen Werksgasthauses der Gutehoffnungshütte (GHH). Das repräsentative Bauwerk – sozusagen die architektonische Antwort der Stahlbarone aufs nahegelegene Schloss Oberhausen – diente dazu, Gäste des Hauses zu bewirten, und besaß auch einen Festsaal mit Bühne. Die Bushaltestelle heißt heute "TZU". Das Technologiezentrum Umweltschutz ist heute zu einem Teil im Werksgasthaus untergebracht.

Vier Betonmasten stehen noch auf dem TZU-Grundstück. Bis auf einen, an dem Strahler zur Beleuchtung einer Fußgängerbrücke angebracht sind, halten sie nur noch die Wacht. Die letzte Straßenbahn fuhr hier am 13. Oktober 1968 und damit etwa ein Jahr vor dem ursprünglich geplanten Stilllegungstermin. Der Oberhausener Verkehrsbetrieb STOAG hatte seinen noch verbliebenen Wagenpark nach Aachen verkaufen können.

Dass sich heute eine Blechlawine über die Mülheimer Straße wälzt und Oberhausen auch wieder eine Straßenbahn hat, liegt nicht zuletzt an der neuen Nutzung der riesigen GHH-Brache. 1969 wurden die alten Hochöfen stillgelegt. An ihrer Stelle öffnete 1996 das seinerzeit größte Shoppingcenter Europas: Mit dem CentrO entwickelte Oberhausen nicht nur eine Neue Mitte und forcierte den regionalen Wettbewerb der Einkaufszentren, sondern brachte seinen Nahverkehr zumindest ein Stück weit wieder auf die Schiene.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Einmündung der Essener Straße auf die Mülheimer Straße, wo der nördlichste der Betonmasten stehen geblieben war. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangt man zur Fundstelle mit den Buslinien 956, 957 und 966 bis zu den Haltestellen "Ziesakplaza" oder "TZU".

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Klaus Oehlert-Schellberg / Stefan Kunig: Straßenbahn in Oberhausen. Nordhorn 1997 (S. 8-9, 12, 17, 35, 39-41, 54, 57, 74)
  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 351, 361-363, 366)