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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Solingen: Stöcken

Stillgelegt: 1969
Status: Tunnel noch vorhanden (Stand: Mai 2019)

[01] Nördliches Portal des Stöckener Tunnels an der Cronenberger Straße
Dezember 2008  © Tramtracks

Mit einer Länge von 188 Metern war der Tunnel zwischen Erbenhäuschen und der Cronenberger Straße der am aufwendigsten zu bauende Teil der am 4. August 1914 eingeweihten Trasse von Solingen nach Cronenberg. Das südliche Portal am Klauberg ist zugeschüttet, das nördliche aber noch mitsamt der Zufahrt zu erkennen. Der Tunnel stellt eine der wenigen Passagen dar, auf denen die Bahn quasi die Luftlinie zwischen zwei Punkten nehmen konnte. Die fast 110 Meter Höhenunterschied zwischen der Solinger Innenstadt, wo die Strecke am Mühlenplätzchen begann, und Kohlfurth im Tal der Wupper überwand sie in mehreren langgestreckten Bögen.

Ein Tor an der Cronenberger Straße versperrt Neugierigen den Weg. Der frühere eingleisige Gleiskörper ist mit Gehwegplatten ausgelegt. Im Tunnel selbst unterhält ein Sportschützenverein einen Schießstand.

 

[02] Nördliches Portal des Stöckener Tunnels an der Cronenberger Straße
Dezember 2008  © Tramtracks
[03] Mastfundament gegenüber dem Tunnelportal an der Cronenberger Straße
Dezember 2008  © Tramtracks

Nachdem die Bahn die Cronenberger Straße gekreuzt hat, ist der weitere Verlauf der Trasse nach Norden hin nur in der kalten Jahreszeit mehr oder weniger gut nachzuvollziehen. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aber die Reste eines Mastfundaments. Die Strecke führte in einer langen Linkskurve durch die Siedlung Stöckerberg. Heute ist der Teil der Trasse, der hinter den Bäumen liegt, ein Privatgrundstück. Dort steht auch noch ein Betonmast, der einst die Oberleitung trug.

Auf der am 3. Mai 1969 stillgelegte Strecke war in den Fünfzigern der Oberbau noch durchgearbeitet worden. Doch der Personenverkehr kam über einen Halbstundentakt nicht hinaus. Die Linie 5 bediente seit Ende 1955 die Verbindung vom Mühlenplatz in Solingen über Elberfeld nach Dönberg. Fahrtzeit: 70 Minuten.

[04] Trasse zwischen Cronenberger Straße und Stöckerberg
Dezember 2008  © Tramtracks
[05] Trasse mit Betonmast zwischen Cronenberger Straße und Stöckerberg
Dezember 2008  © Tramtracks
[06] Trasse mit Betonmast am Stöckerberg
Dezember 2008  © Tramtracks

Kurz darauf kreuzt die Trasse die Straße Stöckerberg (wo sich früher eine Haltestelle mit einem hölzernen Unterstand befand) und verschwindet im Gehölz. Die Bewohner des Hauses Stöckerberg 40 hatten einen alten Betonmast mittlerweile mit Satellitenschüsseln bestückt. Dahinter deutete sich zwischen den Bäumen noch ein weiterer Mast an. Am Hang entlang beschrieb die Strecke von hier aus einen weiten Bogen Richtung Nordosten hinter dem Gelände der Firma Rasspe zum Schrodtberg.

Von 1918 bis 1958 gab es auch Güterverkehr zwischen dem Solinger Nordbahnhof und Gleisanschluss von Rasspe. Das Unternehmen hatte auf ihrem Werksgelände 750 Meter Gleis verlegen lassen. Der Anschluss befand sich am Ende der Kurve an der Nordseite des Firmengeländes. Das 1827 als Stiefeleisenschmiede gegründete Unternehmen war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der weltweit größte Hersteller für Landmaschinen und blieb bis zum Jahr 2000 in Familienbesitz. 2009 zog das Unternehmen nach Wermelskirchen und ist nun auf Messer und Maschinenteile für die Ernte von Getreide und Grünfutter spezialisiert – zum Beispiel für sogenannte Knoter, die das zu Ballen gepresste Stroh zusammenbinden. Das weitläufige Firmengelände in Stöcken war mehr als ein Jahrzehnt verwaist. Nun soll dort ein neuer Gewerbepark entstehen (Areal "Stöcken 17"). Die Abriss- und Sanierungsarbeiten haben im April 2020 begonnen und liefen bis Anfang 2021. Lediglich das alte Verwaltungsgebäude der Firma Rasspe, das unter Denkmalschutz steht, sollte stehen bleiben.

[07] Nördliches Portal des Tunnels Stöcken
September 2010  © Tramtracks
[08] Tunnel Stöcken
September 2010  © Christian Olsen  CC BY-NC-SA 3.0

Zurück zum Tunnel Stöcken: Beim Tag des offenen Denkmals 2010 ergab sich die Gelegenheit, einmal einen Blick ins Innere zu werfen. Das Gleisbett war entfernt. Im Eingangsbereich haben die Sportschützen einen kleinen Besprechungsraum eingerichtet. Dahinter befindet sich der Schießstand.

Im Jahr 2019 berichtete die Lokalpresse erstmals über die Idee, die ehemalige Straßenbahntrasse als Radweg zu nutzen. Angesichts der knackigen Steigung an der Cronenberger Straße würde das Projekt ohne Einbeziehung des Tunnels wenig attraktiv sein. So kommentierte sich die Stadt Solingen den Vorschlag mit wohlwollender Zurückhaltung. Schließlich war das Südportal des Tunnels ja zugeschüttet, und seine neuerliche Öffnung wäre schon ein größeres Projekt. Anfang 2021 meldete sich der Verein "Neue Wege Solingen" erneut zu Wort, um für seine Idee zu werben, den Tunnel für Radfahrer zu öffnen.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Position des Eingangs zum Tunnel an der Cronenberger Straße. Nächstgelegene Haltestelle: Stöckerberg (Buslinien CE64 und 684).

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Bernhard Terjung: Straßenbahnen in Wuppertal. Nordhorn 1997 (S. 167-174)
  • Wolfgang R. Reimann: Straßenbahn und Güterverkehr zwischen Rhein, Ruhr und Wupper. Berlin 2004 (S. 112-118)
  • Jürgen Eidam / Wolfgang R. Reimann: Mit 5 und 25 unterwegs – Eine Straßenbahn-Zeitreise von Wuppertal nach Solingen. Remscheid 2012 (S. 200-203)