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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Witten: Hauptbahnhof

Stillgelegt: 1982/1985
Status: Keine Relikte mehr vorhanden

[01] Bergerstraße vor dem Wittener Hauptbahnhof
Februar 2007  © Tramtracks

Wer an dieser Haltestelle stand, wartete nicht mehr auf die Straßenbahn: Die vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Annen Nord führende Linie 320 wurde am 28. September 1985 komplett eingestellt. Dies betraf insbesondere die 3,4 Kilometer lange Strecke über die Ardeystraße und Annenstraße. Zwischen Marienhopsital und Bahnhofstraße benutzte die 320 die Gleise gemeinsam mit der einzig heute noch verbliebenen Linie 310. Die Gesamtstreckenlänge in Witten hat sich im Vergleich vom Anfang der 1970er-Jahre zu heute erheblich verringert.

Die Schleife war eine Blockumfahrt: Von der Bergerstraße schwenkte das Gleis in die Bellerslohstraße ein und führte dann über die Lessingstraße zurück. Diese Streckenführung stammte aus der Zeit nach 1955, als die Bogestra an den meisten Endstellen Schleifen anlegte.

1901 entstand der repräsentative Personenbahnhof, und der ein Stück weiter nördlich gelegene Vorgänger aus dem Jahr 1848 verschwand. Die Märkische Straßenbahn band ihn bald darauf im Oktober 1902 an ihr Netz an. Um die Wende zum 20. Jahrhundert hieß die Station übrigens noch Witten West. Die Aufwertung zum Hauptbahnhof wurde ihr 1940 zuteil.

 

[02] Bergerstraße/Ecke Bellerslohstraße
Februar 2007  © Tramtracks
[03] Bergerstraße/Ecke Bellerslohstraße
Februar 2007  © Tramtracks
[04] Bellerslohstraße/Ecke Bergerstraße
Februar 2007  © Tramtracks

In der Bellerslohstraße selbst lagen 25 Jahre nach der Stilllegung keine Schienen mehr. Die ehemalige Gleiszone diente den Anwohnern als Parkplatz. Die Verkehrsberuhigung wurde komplettiert durch den Barrikadenbau mit Betonwürfeln, Pflöcken und Altpapiercontainer, um die Seitenstraße in eine Sackgasse zu verwandeln. Auch so lässt sich der Verkehr lenken.

Apropos ruhender Verkehr: Der Abzweig durch die Bahnhofstraße wurde im Herbst 1930 erst einmal wieder stillgelegt. Die Westfälische Straßenbahn, die inzwischen in Witten fuhr, rutschte in diesem Jahr in die roten Zahlen und versuchte, ihre Rentabilität zu verbessern. Die Stadt Witten wollte den vom Trambetrieb geforderten Zuschuss in Zeiten allgemeiner Wirtschaftskrise nicht aufbringen. Erst am 1. August 1936 wurde die kurze Strecke wieder in Betrieb genommen. 1938, nachdem die Bogestra die Strecken von der in Konkurs gegangenen Westfälischen Straßenbahn übernommen hatte, verkehrte die Linie 10 von Höntrop über Bochum, Laer und Cregeldanz zum Bahnhof Witten-West.

[05] Lessingstraße/Ecke Bergerstraße
Februar 2007  © Tramtracks
[06] Lessingstraße/Ecke Bergerstraße
Februar 2007  © Tramtracks
[07] Bergerstraße/Ecke Lessingstraße
Februar 2007  © Tramtracks

Die seit Mitte der 1950er-Jahre beschafften Duewag-Sechsachser waren alle Zweirichtungswagen und besaßen an beiden Seiten Führerstände, waren also nicht zwingend auf eine Wendeschleife angewiesen. Im September 1976 tauschten die beiden durch Witten verkehrenden Linien ihre Endpunkte: Seitdem ist die Strecke aus Bochum nach Heven durchgebunden (Linie 10, heute: 310), und es fuhr zusätzlich eine innerstädtische Linie, die vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Annen Nord führte (Linie 12, ab 1980: Linie 320).

Bis zuletzt galt ein 20-Minuten-Takt zur Hauptverkehrszeit auf dieser Linie. Dies mag man, je nach eigenem Gusto, als Beleg für ein unzureichendes Angebot oder eine unzureichende Nachfrage werten. Die fast durchgehend zweigleisig bis Annen ausgebaute Strecke hätte gewiss eine dichtere Taktfolge ermöglicht. Eingleisig war nur der rund 250 Meter kurze Abzweig von der Bahnhofstraße zur Wendeschleife.

An der Einmündung der Lessingstraße in die Bergerstraße war lange Zeit auch noch ein kurzer Gleisrest zu finden. Diese Schienen waren noch länger in Benutzung als die Schleife. Vom 10. November 1982 an ließ die Bogestra ihre Triebwagen dort noch rund drei Jahre lang bis zur endgültigen Stilllegung in einem Stumpfgleis wenden.

[08] Bergerstraße am Wittener Hauptbahnhof
September 2009  © Tramtracks
[09] Bergerstraße/Ecke Bellerslohstraße
September 2009  © Tramtracks
[10] Bergerstraße/Ecke Bellerslohstraße
September 2009  © Tramtracks

Die Bergerstraße mit dem Bahnhofsvorplatz wurde im Frühjahr und Sommer 2009 zur Großbaustelle. Hier entstand der neue zentrale Omnibusbahnhof (ZOB), der den bisherigen Bushof am Rathaus ablösen sollte. Bei den umfangreichen Straßenbaumaßnahmen wurden auch die alten Schienen entfernt. Mitte Juni 2009 waren das Stumpfgleis an der Einmündung der Lessingstraße sowie der Strang in Höhe der Bushaltestelle bereits verschwunden.

Neun Jahre hatte die Planung für den neuen Busbahnhof in Anspruch genommen. Die Stadt Witten schlug mit dem Projekt mehrere Fliegen mit einer Klappe: Das Areal rund um den Hauptbahnhof sollte aufgewertet, Busnetz und Eisenbahn besser miteinander verknüpft werden. Auf dem bisherigen ZOB-Standort Kornmarkt gewann die Stadt eine wertvolle Fläche, die allerdings bis heute brach liegt. Das neue Einkaufszentrum – die Stadtgalerie, die im September 2009 eröffnet wurde und nur einen Steinwurf vom neuen Busbahnhof entfernt liegt – ist gut an den ÖPNV angeschlossen. Einzig die Tram ist in diesen zentralen Umsteigeplatz nicht integriert. Bis zur Haltestelle Bahnhofstraße sind es immerhin rund fünf Minuten Fußweg.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Fundstelle, die sich vom Wittener Hauptbahnhof in fußläufiger Entfernung befand.

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Andreas Halwer: Zeitreise durchs Bogestra-Land. Band 1: Die Geschichte der Linie 310 (Bochum – Witten). Hövelhof 2016 (S. 3, 14, 41, 44-45, 79-80, 82-83, 130)
  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 13-14, 23, 68)
  • Michael Schenk: Straßenbahnen im östlichen Ruhrgebiet. Erfurt 2004 (S. 31)
  • Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Tour Ruhr. Freiburg 2008 (S. 23)