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Auf den Spuren stillgelegter Straßenbahnstrecken

Wuppertal: Kaltenbachtal

Stillgelegt: 1969
Status: Strecke wurde von den Bergischen Museumsbahnen reaktiviert 

[01] Haltestelle und Ausweiche Greuel
Mai 2005  © Tramtracks

Hätten sich nicht die Mitglieder der Bergischen Museumsbahnen dafür stark gemacht, einen Teil der von der Linie 5 befahrenen Waldstrecke zwischen Cronenberg und Kohlfurth zu erhalten – was wäre von dieser Trasse wohl heute noch zu sehen? Schienen wohl kaum, eventuell der eine oder andere Mast und Schottersteine. Nun aber rollen an mindestens 16 Tagen im Jahr historische Fahrzeuge durch die landschaftlich reizvolle Szenerie. Die Haltestelle Greuel ist derzeit Endstation für den Fahrgastverkehr, aber die Museumsbahner würden gerne weiter bis Möschenborn Besucher mitnehmen, und damit deutlich näher an den Cronenberger Ortskern. Vorhanden und betriebsbereit wäre die Strecke, nur die Haltestelle fehlt noch.

Mit viel Mühe und Enthusiasmus haben die Aktiven die insgesamt gut drei Kilometer lange Strecke instandgesetzt, nachdem sie offiziell am 3. Mai 1969 stillgelegt worden war. Das steigungsreiche Gelände hatte beim Bau der Strecke kurz vor dem Ersten Weltkrieg einen Verlauf erfordert, der auf der Karte an eine Schlange erinnert: Denn immerhin 153 Höhenmeter sind mit mehreren Kurven zwischen dem Tal der Wupper und dem auf einer Anhöhe gelegenen Cronenberg zu überwinden. Die Luftlinie von Greuel bis Kohulfurth misst nur gut einen Kilometer, die Trasse ist aber zweieinhalbmal so lang.

 

[02] Haltestelle Kaltebach
Mai 2005  © Tramtracks
[03] Tw 105 zwischen Kaltenbach und Friedrichshammer
Mai 2005  © Tramtracks
[04] Trasse der Bergischen Museumsbahnen zwischen Kaltenbach und Friedrichshammer
Mai 2005  © Tramtracks

Auch wenn es so aussieht, als sei die Straßenbahn "nur durch den Wald" gefahren: Wandertouristen lädt die Gegend zu mehr als einem idyllischen Spaziergang ein. In der Nähe der Haltestelle Greuel befindet sich das Naturfreundehaus Am Hülsberg, das preisgünstige Übernachtungsmöglichkeiten, Kaffee und Kuchen sowie einen Grillplatz bietet. Das Kaltenbachtal ist tatsächlich auch ein geschichtsträchtiger Ort. Die Kraft des talwärts fließenden Wassers nutzte eine Reihe von Kleineisenbetrieben – Schleifkotten, Hammerwerke und eine Getreidemühle.

Die metallverarbeitende Industrie im Bergischen Land kann auf eine lange Tradition zurückblicken, die wohl bis ins erste Jahrtausend reicht. Erzvorkommen, aber auch das damals noch im Überfluss vorhandene Holz begünstigten die Ansiedlung dieses Wirtschaftszweigs. Seit dem 16. Jahrhundert nutzten die Schleifer die Wasserkraft an den Bachläufen und kleinen Flüssen an den Berghängen. Wasserräder trieben nun Schleifsteine und Eisenhämmer an. Der Wohlstand aus der vorindustriellen Zeit war auch einer der Faktoren dafür, dass Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Eisen- und Straßenbahnstrecken gebaut wurden, denn die Wirtschaft benötigte gute Verkehrsverbindungen.

[05] Strecke in der Nähe der Haltestelle Friedrichshammer
Mai 2005  © Tramtracks
[06] Strecke zwischen Friedrichs- und Petrikshammer
Mai 2005  © Tramtracks

Wie zu Zeiten, als hier noch regulärer Tramverkehr herrschte, fahren die Museumsbahnen im Halbstundentakt. Zu Pfingsten 2005 ging unter anderem Triebwagen 105 auf die Strecke. Der 1927 bei Talbot gebaute Zweiachser fuhr bis zur Einstellung der Linie 5 von Solingen nach Elberfeld und Dönberg, war also an alter Wirkungsstätte wieder unterwegs. An Fahrtagen, an denen besonders viele Besucher mit einem der Oldtimer mitfahren wollen, schicken die Museumsbahnen auch manchmal zwei Fahrzeuge in kurzem Abstand auf Kurs, und so folgte wenig später der zuvor bei der Bogestra in Bochum beheimatete Tw 275 (Baujahr 1957), der als Sechsachser nominell bis zu 180 Passagiere befördern kann.

Übrigens: Die einsam im Wald gelegenen Haltepunkte erhielten erst in den 1950er-Jahren eine Beleuchtung.

[07] Tw 105 zwischen Friedrichs- und Petrikshammer
Mai 2005  © Tramtracks
[08] Tw 275 an der Haltestelle Petrikshammer
Mai 2005  © Tramtracks

An der Haltestelle Petrikshammer kreuzt der Industrie-Lehrpfad die Schienen. Die Museumsstrecke ist durchweg eingleisig und besitzt nur an ihren Endstellen, in der Kohlfurth und in Greuel, eine Ausweiche. Wenn zwei Wagen unterwegs sind, wartet der erste in der Ausweiche das Eintreffen des Nachzüglers ab.

Unweit der Museumsstrecke, zwischen den Haltestellen Friedrichs- und Petrikshammer, befindet sich der Manuelskotten. Es ist der letzte noch in Wuppertal bewirtschaftete Schleifkotten, in dem Messerklingen an mit Wasserkraft angetriebenen Schleifsteinen ihre Schärfe erhalten. Auch der Friedrichshammer, von dem nur noch eine "Industriewüstung" (sprich: Reste des Mauerwerks) vorhanden ist, zeugt von der einstigen Bedeutung des Kaltenbachtals als Wirtschaftsstandort für eisenverarbeitende Betriebe.

[09] Tw 107 zwischen Petrikshammer und Unterkohlfurth
Mai 2005  © Tramtracks
[10] Haltestelle Unterkohlfurth
Mai 2005  © Tramtracks

Weiß auf schwarz heißt es "Schulkohlfurt" am Wartehäuschen. Der alte Name dieser Haltestelle verweist auf die nahe gelegene Dorfschule. Schwarz auf weiß steht heute in den Plänen meist Unterkohlfurth. Nebenbei bemerkt: In der Nähe gründete der Landwirt und Kleineisenschmied Peter Daniel Rasspe 1827 eine Fabrikation für Stiefeleisen (die Stiefel von Landarbeitern, aber auch normale Straßenschuhe wurden damals mit Eisen beschlagen). Als der Betrieb zu klein wurde, zog Rasspe Anfang der 1860er-Jahre nach Stöcken – wo die Firma Rasspe zu einem bedeutenden Hersteller von Landmaschinen heranwuchs und von 1927 bis 1958 einen Gleisanschluss an die Strecke der Linie 5 besaß, um Güter zum Bahnhof Solingen-Nord zu transportieren.

Westlich von Unterkohlfurth beschreibt die Trasse einen 180-Grad-Bogen. 14 Minuten dauert die Tour von Greuel zur Kohlfurth oder umgekehrt. Bergan wie talwärts geht es in maßvollem Tempo voran. So wie zu jener Zeit, als die Barmer Bergbahnen die Strecke nach Solingen eröffnet hatten. Eigentlich war die offizielle Einweihung nicht am 4. August 1914, sondern vier Tage zuvor geplant gewesen; doch die allgemeine Mobilmachung zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ keine Feier zu, und so nahm die städteverbindende Linie ohne Zeremonie ihren Betrieb auf.

[11] Tw 275 bei der Einfahrt in die Haltestelle Unterkohlfurth
Mai 2005  © Tramtracks
[12] Viadukt Petrikstraße in Unterkohlfurth
Mai 2005  © Tramtracks

Zur Trasse gehört auch der Viadukt am Schütt, an dessen Fuß das von den Bergischen Museumsbahnen errichtete Unterwerk steht. Auf einer Länge von rund 400 Metern war 1925 zwischen Kohlfurth und Unterkohlfurth ein zweites Gleis verlegt worden. Bis 1943 gab es (aber nur am Nachmittag) einen 20-Minuten-Takt auf der Linie 5. Das zweite Schienenpaar wurde 1945 wieder entfernt, um Material für dringende Reparaturen an anderer Stelle zu erhalten.

Geblieben ist der Reiz einer Strecke, die landschaftlich wie heimatgeschichtlich wohl kaum einen besseren Platz für eine Museumsstraßenbahn bieten könnte.

Auf dem Stadtplan markiert ist die Haltestelle Greuel, an der Fahrgäste zusteigen können, um hinunter zur Kohlfurth zu gelangen. Bis zum nächstgelegenen Halt der Wuppertaler Stadtwerke sind es ungefähr 15 Gehminuten (Haltestelle Lenzhaus, Buslinien 625 und CE65).

Stadtplan auf Openstreetmap

 

Literatur

  • Bernhard Terjung: Straßenbahnen in Wuppertal. Nordhorn 1997 (S. 167-174)
  • Jürgen Eidam / Wolfgang R. Reimann: Mit 5 und 25 unterwegs – Eine Straßenbahn-Zeitreise von Wuppertal nach Solingen. Remscheid 2012 (S. 162-178)
  • Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Revue Wuppertal 1952-1962. Wuppertal 2010 (S. 120-124)
  • Herbert Günther: Die Wuppertaler Straßenbahnen. Erfurt 2005 (S. 63-66)