Mit eindringlichen Worten haben in der vergangenen Woche die Ministerinnen Nancy Faeser (Inneres) und Lisa Paus (Familie) dafür geworben, das Parlament möge endlich den Weg frei machen für das Demokratiefördergesetz, mit dem der Bund – so heißt es auf der Homepage des Familienministeriums – "erstmals gesetzlich mit der Demokratieförderung, der Gestaltung gesellschaftlicher Vielfalt und der Extremismusprävention beauftragt" werde.

Können Menschen guten Willens ernsthaft etwas gegen ein Gesetz vorbringen, das die Demokratie fördern und die Vielfalt gestalten soll?

Einerseits ist es ja fast schon tautologisch, dass Demokraten die Demokratie verteidigen. Andererseits zuckt man zusammen, weil Demokratie auf der Wahlentscheidung freier Bürger fußt und nicht etwas ist, das auf dem Gesetzeswege von der Exekutive verordnet wird. Oder steht es schon so schlimm um unser Gemeinwesen, dass jetzt alle Mittel recht sind?

Zumindest Nancy Faeser und Lisa Paus sehen das offenbar so. Rechtsextremistische Ansichten würden gesellschaftlich immer salonfähiger, das "Geheimtreffen" in Potsdam habe die Menschen alarmiert. Die zahlreichen Demonstrationen gegen rechts belegten, so Paus, dass die Menschen von der Regierung erwarteten, endlich ins Handeln zu kommen. Hass im Netz führe dazu, dass sich engagierte Bürger aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Dagegen müsse vorgegangen werden.

Das Mittel der Wahl ist unter anderem das Demokratiefördergesetz. Damit könnte der Bund erstmals dauerhaft zivilgesellschaftliche Initiativen für Vielfalt und gegen Extremismus finanzieren. Bisher war das nur auf der Ebene von Projektgeldern möglich. 182 Millionen Euro hat der Bund für das Jahr 2023 unter dem Fördertitel "Demokratie leben" zur Verfügung gestellt – aber eben projektgebunden. Mit dem Demokratiefördergesetz soll dieser Geldstrom verstetigt werden, damit die NGOs Planungssicherheit haben.

Doch im Moment hakt es, obwohl das Gesetz im Koalitionsvertrag vereinbart war, denn die FDP hat Bauchschmerzen. Kritiker wie die ehemalige FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg fürchten, dass mit den Geldern vor allem linke identitätspolitische Projekte gefördert würden, die alles, was nicht links-progressiv ist, als rechts und rassistisch einstufen. Teuteberg wirft Paus und Faeser vor, auf die sogenannte Extremismusklausel verzichtet zu haben: So ist ein Bekenntnis zum Grundgesetz nicht erforderlich, um Bundesmittel zu erhalten.

Kommt es zu dem geplanten Gesetz, wird die Exekutive entscheiden, welche Vereine und Organisationen in den Genuss der Steuergelder kommen. Das treibt den Schulterschluss zwischen Regierung und Nichtregierungsorganisationen stärker voran, als es für die urliberale Trennung von Staat und Gesellschaft bekömmlich ist. Es ist das eine, wenn die Amadeu Antonio Stiftung eine Seite im Netz einrichtet, auf der man angeblich antifeministisches und transfeindliches Verhalten von Mitbürgern anonym melden kann – oder ob dieses Portal mit Bundesmitteln gefördert wird. Denn es ist nicht die Aufgabe der Regierung, die ideologische Meinungsbildung der Gesellschaft zu organisieren.

Dass das Recherchenetzwerk Correctiv, dessen Berichterstattung über das Potsdamer "Geheimtreffen" nun als Grund für die Überfälligkeit des Demokratiefördergesetzes angeführt wird, selbst Empfänger von Geldern aus dem Bundestopf "Demokratie leben" ist, scheint dabei Methode zu haben. Lisa Paus erklärte auf ihrer Pressekonferenz, eine aktuelle Studie einer anderen NGO, nämlich des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz, habe ihr eindringlich vor Augen geführt, wie sehr diese Form von Hass zugenommen habe. Und siehe: Auch das Kompetenznetzwerk wird vom Familienministerium gefördert.

Das sieht nach einem weltanschaulich geschlossenen System aus, in dem NGOs und Regierung wie ein eingespieltes Team zusammenarbeiten.

Hass ist hässlich, keine Frage – und die sozialen Medien haben ihn sichtbarer und hörbarer gemacht. Wer wäre nicht gegen Hass. Trotzdem ist Hass ein zu vager Begriff, um juristisch operationabel zu sein. Jeder politische Akteur empfindet die Anwürfe aus dem gegnerischen Lager als tendenziell hassgetrieben. Entsprechend hat jede NGO ihre eigenen Kriterien, was Hass, was Sexismus und was Rassismus ist. Ein skeptischer Blick auf die Migrationsströme wird vielerorts bereits als Rassismus, ein freundliches Wort über das Glück der Mutterschaft als Sexismus gewertet. Was wiederum vollkommen in Ordnung ist für eine Nichtregierungsorganisation, nicht jedoch für staatliche Organe. Der Staat soll das Recht durchsetzen, nicht über Einstellungen wachen.

Genau darauf aber zielt Paus ab, wenn sie sagt: "Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt." Und damit man sie nicht missversteht, fügt sie hinzu: "Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt."

Eigentlich wäre man ja davon ausgegangen, dass "unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" die Gedanken frei seien. Und umgekehrt ist es ja nicht so, als hätte der Staat für Hass oberhalb der Strafbarkeitsgrenze bisher keine Mittel zur Hand. Gerade wurde der Schriftsteller Akif Pirinçci wegen Volksverhetzung zu neun Monaten ohne Bewährung verurteilt, weil er zum wiederholten Male Zuwanderer als "Schmarotzer", die sich "mikrobenartig" vermehrten, verunglimpft hatte.