"Ich hätte es besser wissen müssen." Das schrieb der Psychologe Daniel Kahneman 2017 in seiner Antwort auf einen Blog-Beitrag, der Abschnitte seines Erfolgsbuches Schnelles Denken, langsames Denken in Zweifel gezogen hatte. Kahneman veröffentlichte seine Reaktion irgendwo eingereiht zwischen den mehr als 200 Kommentaren unter dem Beitrag. Da war er längst Nobelpreisträger, emeritierter Professor der Princeton University und der Mann, der das Menschenbild der Wirtschaftswissenschaften auf den Kopf gestellt hatte.

In dem Blog hatte der deutsche Psychologe Ulrich Schimmack zusammen mit zwei Kollegen vorgerechnet, dass ein Kapitel in Kahnemans Millionenbestseller auf fragwürdigen Studien anderer Forscher basierte. Später demonstrierte Schimmack das auch für sechs weitere Kapitel. Er warnte die Leser regelrecht: "Sie sollten keine der Schlussfolgerungen in diesen Studien als wahr akzeptieren." Kahnemans Antwort beginnt mit dem Satz: "Ich akzeptiere die grundlegenden Schlussfolgerungen in diesem Blog." Er zeigt besser als jede Lobrede, wie der Psychologe zu seiner Wissenschaft stand – und zu deren größter Krise: selbstkritisch, pragmatisch, bereit, mit Forschern zu diskutieren und sogar zusammenzuarbeiten, die anderer Meinung waren als er.