Die deutsche Wirtschaft hat ein Problem, über das zu wenig gesprochen wird in Zeiten hoher Energiepreise, nerviger Bürokratie und knapper Fachkräfte. Eine Firma zu gründen, ist hier nicht nur ziemlich unpopulär, die Zahl der Gründungen sinkt seit Jahren fast kontinuierlich. Ob jemand gründet und wie erfolgreich er dabei ist, hängt auch zu sehr vom familiären Hintergrund ab – und davon, wie gebildet die Eltern sind.

Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung und des Startup-Verbands, für die 1.800 Gründerinnen und Gründer befragt wurden. Und zwar solche, deren Firmen jünger als zehn Jahre und besonders wachstumsorientiert und innovativ sind. Es geht also um Menschen, die neue Ideen vermarkten und Jobs schaffen wollen. Die im besten Fall die Mittelständler oder Konzerne von morgen sind.

Die Studie zeigt: Sechs von zehn dieser Gründerinnen und Gründer haben mindestens einen Elternteil, der ein Studium abgeschlossen hat. Unter den Vätern wie unter den Müttern sind Akademiker fast dreimal so häufig vertreten wie unter den 55- bis 74-Jährigen insgesamt. Und vier von zehn Gründerinnen und Gründern haben mindestens einen Elternteil, der selbstständig ist und in vielen Fällen Angestellte beschäftigt. Wer also als Kind einer Unternehmerin aufwächst, dem fällt es leichter, selbst eine zu werden. Da sitzt das Vorbild mit am Frühstückstisch. Wenn es wirtschaftlich läuft, bezahlt Mutter oder Vater den Segelkurs oder das Ferienhaus in der Toskana. Und sie oder er steht als Mentor zur Seite, hilft mit Geld und bestärkt bei Zweifeln, die fast jeder Gründer einmal hat.

Aber man muss die Perspektive auch wechseln: Kinder, deren Eltern kein Hochschulstudium abgeschlossen haben, gründen nicht nur seltener. Selbst wenn sie es tun, kommen sie auch nicht so leicht an Wagniskapital. Jedes dritte Arbeiterkind würde für seine Firma gerne Geld von privaten Investoren, sogenannten Business-Angels, einsammeln – aber ihnen gelingt es viel seltener als Unternehmerkindern. Das dürfte auch am similarity bias liegen: Investoren beurteilen Gründer positiver, die ihnen ähnlich sind – unabhängig von ihrer Geschäftsidee. Mit der Folge, dass diese Menschen eher Erfolg haben, später selbst zu Investoren werden und die Schieflage reproduzieren.

Für Gründer ohne Unternehmereltern hat das Folgen. Ihre Firmen beschäftigen nicht einmal halb so viele Menschen. Sie sind krisenanfälliger, denn ihre Netzwerke sind schwächer, und wenn es in der Firma schlecht läuft, können die Eltern selten mit Geld aushelfen. Dabei könnte gerade das Gründen ein Weg für sozialen und finanziellen Aufstieg sein.

Die Studie hilft, solche Teufelskreise sichtbar zu machen. Ein Anfang. Doch um sie zu durchbrechen, braucht es mehr als das. Im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung zwar darauf verständigt, "neues Zutrauen in Gründergeist, Innovation und Unternehmertum" zu schaffen. Aber diesem Anspruch müssen mehr Angebote folgen.

Es braucht mehr Förderprogramme, die so offen sind, dass Arbeiterkinder sie genauso nutzen können wie der Unternehmernachwuchs. Es wird Zeit, dass Kinder schon in den Schulen stärker mit Unternehmertum in Berührung kommen. Dass sie dort Schülerfirmen gründen können, Gründerinnen und Gründer kennenlernen. Dabei geht es nicht darum, sie zu bekehren – sondern ihnen zu erklären, wie eine Firma entsteht. Wo das Startkapital herkommen kann. Was am Unternehmertum anstrengend ist und was Spaß macht. Nur so kann ein echter Gründergeist entstehen, der alle erfasst. Unabhängig vom Elternhaus.