Cillian Murphy hat die theoretische Physik sexy gemacht. Das allein wäre eine Auszeichnung wert gewesen, den Oscar bekam er im vergangenen März aber doch für seine Darstellung des Titelhelden in Christopher Nolans Atombombenepos Oppenheimer. Murphy ist nun gefragter denn je in der Filmbranche und führt damit eine Reihe irischer Schauspieler an, die gerade ungeahnte Karrierehochs erleben. Andrew Scott etwa war bis vor Kurzem noch als "hot priest" aus der Serie Fleabag (2019) bekannt, Paul Mescal als sanfter Student und Rugbyspieler aus der ebenso erotisch aufgeladenen TV-Show Normal People (2020). Nun werden beide gefeiert für ihre Darstellung eines Liebespaars im Film All of Us Strangers, während Scott in einer Serie auch den Hochstapler Ripley aufleben lässt. Vergessen sollte man außerdem Barry Keoghan nicht: Als er am Ende der schwarzen Komödie Saltburn nackt durch ein Schloss tanzte, war das eine der Filmszenen des Jahres 2023.

Der Hype um die Schauspieler begann vergangenes Jahr, als das Magazin Elle den "Hot Irish Guy Summer" ausrief, angelehnt an den Hot Girl Summer, der auf die US-Rapperin Megan Thee Stallion zurückgeht. Das Onlineportal Mashable legte mit einem Leitfaden zu den "irischen It-Boys" nach. Jüngst fand man Cillian Murphy auf dem Titel der britischen Ausgabe des Männermagazins GQ und Barry Keoghan auf dem Titel des US-Pendants. Andrew Scott war dort bereits im vergangenen Dezember zu sehen, gekürt zum Man of the Year 2023. Warum erhalten diese Männer so viel Aufmerksamkeit? Und warum geht es dabei auch explizit um ihr Aussehen?

Ein neuer Durchbruch für die irische Filmindustrie und ihre größten Namen begann nicht erst mit Murphys Oppenheimer-Erfolg, sondern bei der Oscarverleihung des Vorjahres. 14 Nominierungen gingen 2023 an irische Personen und Produktionen, allein neun davon an The Banshees of Inisherin von Martin McDonagh. Drei dieser neun Nominierungen wiederum gingen an die Schauspieler Colin Farrell, Brendan Gleeson und Barry Keoghan. Außerdem war Paul Mescal für seine Rolle in Aftersun als bester Hauptdarsteller nominiert.

Ein Steuerparadies für Filmschaffende

Mit seinen Nominierungen stellte The Banshees of Inisherin einen neuen irischen Oscarrekord auf, der 2024 von Poor Things mit elf Nominierungen schon wieder übertroffen wurde – zumindest, wenn man nicht allzu strenge Regeln anwendet. Der Film des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos ist eine irisch-britisch-US-amerikanische Produktion und gewann letztlich vier Trophäen (The Banshees of Inisherin ging im Vorjahr trotz seiner vielen Nominierungen leer aus). Der Erfolg der Iren steigerte sich also noch einmal, nicht zuletzt, weil Cillian Murphy als erster irischstämmiger Schauspieler einen Oscar erhielt. (Auch der dreimalige Gewinner Daniel Day-Lewis hat irische Wurzeln, wurde aber in London geboren.)

Schon einmal, in den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren, erlebten irische Filme ein ähnliches Hoch. Schauspieler wie Day-Lewis und sein irisch-britischer Kollege Liam Neeson, der unter anderem 1993 in Schindlers Liste auftrat, wurden zu internationalen Stars, Produktionen wie My Left Foot (1989) und The Crying Game (1992) gewannen Oscars. Eine lokale Filmbranche, die mit der heutigen vergleichbar wäre, gab es jedoch noch nicht, wie die Filmwissenschaftlerin Ruth Barton vom Trinity College Dublin sagt. Erst nach den Oscargewinnen der erwähnten Filme habe der damalige Kulturminister Michael D. Higgins das Irish Film Board (heute Screen Ireland) zur Förderung einheimischer Produktionen wieder aufgebaut – nachdem es sein Vorgänger abgeschafft hatte. Heute ist Higgins Präsident von Irland.

Auch das Steuersystem passte Higgins in den Neunzigerjahren an: Internationale Filmstudios, die in Irland drehten oder mit irischen Filmschaffenden zusammenarbeiteten, durften ab sofort einen Teil ihrer Ausgaben von der Steuer absetzen, sofern sie einen ausreichend hohen Betrag ausgaben. (Mit ähnlichen Anreizen lockte die irische Regierung auch Firmen wie Google, Dropbox, Facebook und LinkedIn ins Land. Eine Entscheidung, die in Dublin zu einer der schlimmsten Wohnungskrisen Europas führen sollte.) Im Jahr 2024 erhöhte die Regierung die Steuervergünstigungen für Filmproduktionen bei Ausgaben von bis zu 125 Millionen Euro pro Projekt auf 32 Prozent.

"Für die Entwicklung der irischen Filmindustrie war das ein entscheidender Schritt", sagt Barton. "Viele Filme, die daraufhin in Irland gedreht wurden, waren internationale Produktionen mit großen Budgets." Nicht nur Einnahmen kommen jedoch durch Filme wie Cocaine Bear, der trotz seines US-Schauplatzes in Irland gedreht wurde, ins Land, sondern auch neue Möglichkeiten für irische Filmschaffende, die zunehmend in internationale Projekte involviert sind und dabei Erfahrungen sammeln, die ihnen lokale Low-Budget-Filme nicht ermöglichen. Das Anreizsystem hat ein neues Netzwerk und neue Expertise geschaffen.

Irische Produktionsfirmen sind inzwischen geübt darin, ausländische Akteurinnen anzuwerben und dadurch an mehr Geld für ihre Filme zu gelangen. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Firma Element Pictures. Mit dem Poor-Things-Regisseur Lanthimos hat sie bis heute fünf Filme verwirklicht. Ein sechster, Kinds of Kindness, ist bereits fertig und feiert dieser Tage Weltpremiere beim Filmfestival in Cannes. Wie schon bei Poor Things spielen die US-Darsteller Emma Stone und Willem Dafoe darin tragende Rollen. Ed Guiney, Gründer von Elements Pictures, sagte der Irish Times: "Wir sind alle Kinder der irischen Filmförderung. Die meisten anderen europäischen Länder finanzieren Filme schon viel länger. Aber wir haben aufgeholt und in den letzten fünf bis zehn Jahren die Früchte dieser Arbeit geerntet."

Mit Geld allein lässt sich der derzeitige Erfolg der irischen Filmindustrie jedoch nicht erklären – selbst dann nicht, wenn man ein weiteres Pilotprojekt bedenkt, das seit 2022 etwa 2.000 irische Künstlerinnen und Künstler mit einem Grundeinkommen von 325 Euro pro Woche ausstattet. Ähnlich wichtig ist der Einfluss der irischen Diaspora. "Gerade in Los Angeles", sagt die Filmwissenschaftlerin Barton, gebe es eine große irisch-US-amerikanische Lobby, die sich bei Dinners und Events für irische Filme und Filmschaffende einsetze. Auf diese Weise schaffte es etwa das Coming-of-Age-Drama The Quiet Girl im Jahr 2023 zum ersten irischsprachigen Film, der als beste internationale Produktion für einen Oscar nominiert wurde. (Den Award gewann Im Westen nichts Neues.)