Italiens Ministerpräsident Mario Draghi erklärte am Abend gegenüber Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt – obwohl er wenige Stunden vorher eine Abstimmung im Parlament glatt gewonnen hatte. Eigentlich lehnt sich ein Regierungschef, der ein Vertrauensvotum souverän mit 172 Ja- gegen nur 39 Neinstimmen besteht, entspannt zurück und macht einfach weiter im Amt. Nicht so Mario Draghi. Er setzte sich zwar mühelos bei der Vertrauensabstimmung im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, durch – warf aber dennoch nur wenige Stunden später das Handtuch.

Trotz der klaren Ja-Entscheidung vollzog sich nämlich am Donnerstag ein Koalitionsbruch in der Notstandsregierung, die seit Februar 2021 im Amt ist: Die 61 Senatoren der mitregierenden Fünf Sterne verweigerten Draghi per Nichtteilnahme an der Abstimmung die Gefolgschaft. Das Movimento 5 Stelle (M5S – Fünf-Sterne-Bewegung), bisher einer der wichtigsten Partner der von rechts bis links reichenden Fast-Allparteienkoalition in Rom, störte sich daran, dass mit dem Vertrauensvotum das "Hilfedekret" durchgewinkt werden sollte.

Dieses Dekret soll Italiens Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen Unterstützungsleistungen von etwa 20 Milliarden Euro bereitstellen, mit denen die Folgen der rasant steigenden Energiepreise und der galoppierenden Inflation aufgefangen werden sollen. Doch zum großen Ärger des M5S räumte ein Passus im Dekret dem Bürgermeister von Rom Sondervollmachten zur schnellen Errichtung einer Müllverbrennungsanlage ein. Die Fünf Sterne lehnen diese Anlage vehement ab, weil sie sie als umweltfeindliche Lösung betrachten.

Draghi öfter die Zähne zeigen

Eine nationale Regierungskrise, die allein wegen des Baus einer Müllverbrennungsanlage ausbricht – das wirkt auf den ersten Blick einigermaßen verrückt. In der Tat ging es dem M5S um mehr, vor allem darum, seinen alten Glanz als Protestbewegung gegen etablierte Interessen aufzupolieren, um so den scheinbar unaufhaltsamen Niedergang in der Wählergunst aufzuhalten. Stolze 32,7 Prozent hatten die Fünf Sterne bei den Parlamentswahlen 2018 geholt, sie hatten dann bis 2021 mit Giuseppe Conte den Regierungschef gestellt und die Kabinette erst in der Koalition mit Matteo Salvinis rechtpopulistischer Lega, dann mit der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) dominiert.

Als Conte im Februar 2021 seine Mehrheit im Parlament einbüßte, trat das M5S ohne Murren in die vom neuen Premier Draghi aufgelegte Notstandskoalition ein, in der fast alle Parteien von der Linken bis zur rechtspopulistischen Lega vertreten sind. Doch der Niedergang der Fünf Sterne setzte sich fort: Heute liegen sie in den Meinungsumfragen nur noch bei etwa zehn Prozent. Die Partei, die heute von Giuseppe Conte geführt wird, müsse ihr ökologisches und soziales Profil schärfen, und auch Draghi öfter die Zähne zeigen – dies war der Schluss, den viele der M5S-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier zogen.