Eine Gruppe von Rechtsextremen hat sich im November 2023 in Potsdam getroffen, um zu besprechen, wie sie eine faschistische Idee, die sie "Remigration" nennen, umsetzen könnten. Nach Recherchen von Correctiv wollen die Anwesenden, darunter AfD-Mitglieder, nicht nur Asylbewerber:innen aus Deutschland verbannen, sondern auch migrantische Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Ziel sei es, das Leben migrantischer Menschen so gefährlich und "unattraktiv" wie möglich zu machen, um ihre Massenausweisung zu beschleunigen.

An diesen Vorschlägen ist kaum etwas neu und nichts überraschend. Die Idee des sogenannten "Großen Austauschs" ist längst fester Bestandteil rechter Politik. Es ist eine rassistische Verschwörungserzählung, nach der Migrant:innen weiße Menschen als Mehrheit in Europa ersetzen wollen. Auch der rechtsextreme Wunsch nach Massenabschiebungen ist nicht neu. Neu ist aber, mit welcher Selbstverständlichkeit über die Vertreibung migrantischer Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft diskutiert wurde. 

Es ist egal, wie viel Leitkultur man übt

Das macht deutlich: Ein Pass und vermeintlich perfekte Integration schützen nicht vor Faschismus und Gewalt – erst recht nicht, falls die AfD zukünftig noch mehr Macht erlangen sollte. Überraschung, Empörung und Sharepics im Internet reichen als Reaktion darauf endgültig nicht mehr.

Denn nach den Vorstellungen dieser Gruppe von Rechtsextremisten und Rassisten könnte eine Regierung einfach bestimmen, wer deutsch ist – flexibel und nach ihrem Interesse. Pässe oder Gesetze wären keine Hürde.

Vor Rassenideologie schützt keine Integration, keine Anpassung, kein Aufstieg. Es ist egal, wie viel Leitkultur man sich als migrantischer Mensch aneignet oder wie sehr man beteuert, doch schon so viel "besser" und "deutscher" zu sein als Menschen, die erst in den vergangenen Jahren hierhergekommen sind, oder in sogenannten Problembezirken leben, oder kein Deutsch sprechen. Wenn es wirklich darum geht, Deutschland "rein" zu halten, werden Pässe oder der Universitätsabschluss niemanden schützen.

Dass Deutschsein in der rechten Ideologie nicht auf der Staatsbürgerschaft oder dem Geburtsort beruht, sondern völkisch-rassistisch verstanden wird, ist in den vergangenen Jahren immer wieder angeklungen. Nicht nur bei der AfD oder organisierten Rechtsextremisten, sondern auch in der sogenannten bürgerlichen Mitte der Gesellschaft. Als die Berliner CDU nach den Ausschreitungen an Silvester im vorvergangenen Jahr nicht nur nach dem Anteil "ausländischer" Festnahmen fragte, sondern auch nach den Vornamen derer mit deutscher Staatsangehörigkeit, bediente sie damit ein ähnliches Narrativ wie die Teilnehmer:innen des Treffens bei Potsdam: die migrantischen Vornamen sollten zeigen, dass die Verdächtigten nicht "wirklich" deutsch waren. Wenn nach dem 7. Oktober 2023 von CDU und FDP über die Möglichkeit gesprochen wird, propalästinensische Demonstrierende abzuschieben oder ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, zeigt auch das: ein deutscher Pass bedeutet nicht für alle die gleichen Rechte und Sicherheit. Wenn deutsch-deutsche Faschist:innen antisemitisch sind, dann stellt das nicht ihr Deutschsein infrage.

Möglichst deutsch sein schützt nicht mehr

Heißt das jetzt, dass "integrierte" migrantische Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit in genau dem gleichen Ausmaß gefährdet sind wie Geflüchtete mit laufenden Asylanträgen? Natürlich nicht. Ein deutscher Pass sichert weiterhin ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Empörung, wenn dem:der Inhaber:in etwas passiert. Genau deshalb müssen Angehörige von Opfern rechter Gewalt (ob von Attentätern oder Polizist:innen) möglichst öffentlich immer wieder beteuern, wie gut und unschuldig ihre Kinder oder Brüder oder Eltern doch waren – obwohl sie migrantisch sind. Es ist der verzweifelte Versuch, ihre Nähe zum Deutschsein zu beweisen. Zu beweisen, dass sie diese Gewalt nicht verdient haben, indem sie sich implizit von denen abgrenzen, gegen die Gewalt aus rechter Sicht als "gerechtfertigt" gilt: gegen die, die keine deutsche Staatsbürgerschaft hatten und randalierten, psychisch krank waren oder arm.

Der Plan der Gruppe in Potsdam ist konkret. Für migrantische Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft bedeutet das, dass sie aufhören sollten, ihre Nähe zum Deutschsein krampfhaft beweisen zu wollen. Sie sollten ihre Kraft darauf verwenden, sich gemeinsam mit denen zu wehren, die es als Erstes treffen würde: migrantische Menschen ohne deutschen Pass.

Und die stille Mehrheit gegen Rechtsextremismus, die es angeblich noch gibt, sollte sich so langsam überlegen, wie lange es noch reicht, gelegentlich empört zu sein und ein Sharepic teilen. Es ist Zeit, wirklich etwas zu tun, wenn man nicht Beihelfer:in des Faschismus werden will.