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Iran
Kommt die Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste?

Immer wieder werden Forderungen laut, die iranische Revolutionsgarde auf die Terrorliste der EU zu setzen. Tatsächlich könnte das bald der Fall sein. Ein deutsches Gerichtsurteil soll die Listung ermöglichen.

28.05.2024
    Kommandeur Hussein Salami, Anführer der Iranischen Revolutionsgarde
    Gesicht und derzeitiger Anführer der Iranischen Revolutionsgarde: Kommandeur Hussein Salami (IMAGO / ZUMA Wire / IMAGO / Icana News Agency)
    Schon länger gibt es die Forderung, die iranische Revolutionsgarde (IRGC) auf die Terrorliste der Europäischen Union zu setzen. Nun könnte es so weit sein. Nach Angaben der Deutschen Presseagentur planen mehrere EU-Staaten, darunter auch Deutschland, die IRGC als Terrororganisation einstufen zu lassen. Grundlage dafür soll ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf sein.

    Inhalt

    Auf Anfrage unter anderem der deutschen EU-Delegation hat der juristische Dienst des EU-Rates geprüft und bestätigt, dass das im Dezember in Düsseldorf ergangene Urteil als Grundlage für eine EU-Terrorlistung der Revolutionsgarde ausreichen könnte, so EU-Diplomaten. In dem Urteil wurde festgestellt, dass eine staatliche iranische Stelle einen versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge beauftragt hatte.
    In der Vergangenheit hatte die EU stets betont, dass eine Terrorlistung der Elitestreitkräfte derzeit rechtlich nicht möglich sei, da hierfür eine nationale Gerichtsentscheidung oder eine Verbotsverfügung einer Verwaltungsbehörde erforderlich sei. Der Auswärtige Dienst der EU hatte bis zuletzt bezweifelt, dass das Urteil aus Düsseldorf die notwendigen Voraussetzungen erfüllt.
    Israel fordert schon lange, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen, und nach dem iranischen Großangriff auf Israel im April wurde diese Forderung erneut bekräftigt. Wer steckt hinter der Revolutionsgarde und was bedeutet eine Listung als Terrororganisation?

    Was ist die iranische Revolutionsgarde?

    Die iranische Revolutionsgarde (IRGC) ist eine militärisch stark gerüstete Eliteeinheit, die auch über großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss verfügt. Zusammen mit der regulären Armee gehört die IGRC zu den Streitkräften des Landes.
    Zur wesentlichen Aufgabe der Revolutionsgarde gehört es, die Staatsideologie zu schützen und einen Putsch zu verhindern. Wegen ihrer Beteiligung an der Unterdrückung der Protestwelle nach dem Tod von Jina Mahsa Amini steht die Einheit, die auch „Pasdaran“ genannt wird, immer mehr in der Kritik. Auch zahlreiche Iranerinnen und Iraner fordern inzwischen, die Revolutionsgarde als Terrororganisation einzustufen.
    Angesichts der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen seit Ausbruch der Proteste Mitte September 2022 hatte die EU bereits viele hochrangige Offiziere der Organisation mit Sanktionen belegt.
    Die Garde, die manchmal auch im Plural benannt wird (Revolutionsgarden), wurde im Jahr 1979 durch Ayatollah Khomeini aufgestellt. Geführt wird sie momentan von ihrem Kommandeur Hussein Salami.

    Was ist die EU-Terrorliste?

    Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 hatte die Europäische Union noch im Dezember desselben Jahres eine Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften festgelegt, „die an terroristischen Handlungen beteiligt waren und restriktiven Maßnahmen unterliegen sollen“, wie es der Europäische Rat auf seiner Webseite formuliert.
    Ziel der Liste ist die Einschränkung von Terrorstrukturen – hauptsächlich durch das Einfrieren von Finanzströmen in der EU sowie durch Blockieren der Bewegungs- und Reisefreiheit betroffener Organisationen oder Einzelpersonen. Befindet sich eine Vereinigung oder Person auf der Liste, dürfen Organisationen oder Einzelpersonen aus der EU diese nicht mehr finanziell oder in anderer Form unterstützen.
    Auf der Liste, die zuweilen auch EU-Terroristenliste genannt wird, sind Einzelpersonen sowie Körperschaften und Vereinigungen aufgelistet – darunter die palästinensische Hamas, die kurdische PKK, der sogenannte Islamische Staat (IS) und die kolumbianische Befreiungsarmee ELN.   

    Welche Kriterien gelten für die Aufnahme auf die EU-Terrorliste?

    Die – zumindest theoretisch – einfachste Möglichkeit, eine Vereinigung auf die EU-Terrorliste setzen zu lassen, ist die Einstufung dieser durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als „mit dem Terrorismus in Verbindung stehend“. Da sich das Gremium mit Sitz in New York durch zahlreiche Vetomächte aber oftmals selbst blockiert, ist dieser Weg praktisch häufig verbaut.
    Liegt keine solche Einstufung durch den UN-Sicherheitsrat vor, bleibt der Weg über den Rat der Europäischen Union: Bei diesem kann die Listung einer Organisation oder Einzelperson beantragt werden – durch ein EU-Land, aber auch durch Dritte.
    Zusätzlich notwendig ist eine Begründung für die vorgeschlagene Aufnahme auf die Liste. Ein zuständiger Ausschuss mit dem Titel „Restriktive Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung“ (COMET) prüft anschließend den Antrag.
    Hält COMET diesen für gerechtfertigt, übermittelt der Ausschuss eine Empfehlung für die Aufnahme der entsprechenden Vereinigung an den Europäischen Rat. Die finale Entscheidung liegt letztendlich dort und kann nur einstimmig getroffen werden.
    Kriterien für die Listung auf der EU-Terrorliste:
    Verbote, Verurteilungen oder Ermittlungen (im Zusammenhang mit Terrorismus) gegen Vereinigungen durch Justizbehörden in wenigstens einem EU-Mitgliedsland
    Beispiele für mögliche Verbrechen:
    • Anschläge
    • Entführungen
    • Geiselnahmen
    • Zerstörung von Regierungseinrichtungen oder Infrastruktur

    Welche Folgen hätte eine Aufnahme in die EU-Terrorliste für die Revolutionsgarde?

    Sollte die Iranische Revolutionsgarde auf der EU-Terrorliste geführt werden, dürfte eine Strafmaßnahme das Einfrieren von Vermögenswerten sein, die die Vereinigung womöglich auch in EU-Mitgliedsstaaten hat. Der Zugriff auf solche Gelder könnte dann auch entsprechenden Einzelpersonen verwehrt werden ebenso wie die Einreise in die EU.
    Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Kraft des politischen Statements, die hinter einer Listung der Revolutionsgarde steht: EU-weit würde die Garde offiziell als Terrororganisation gelten. Zudem wäre dieser Schritt ein absolutes Novum: Seit Bestehen der Terrorliste wurden bislang noch keine regulären Streitkräfte eines Staates darin aufgeführt.

    Welche Argumente sprechen gegen die Aufnahme?  

    Als Argument gegen die Einstufung der Revolutionsgarde als Terrororganisation gilt auch, dass ein solcher Schritt die ohnehin geringen Chancen auf eine Fortführung des Atomabkommens mit dem Iran noch weiter mindern könnte. Mit diesem soll Teheran eigentlich dauerhaft zu einem Verzicht auf die Entwicklung von Atomwaffen bewegt werden.
    Ein mögliches weiteres Gegenargument: Die Entscheidung zur Aufnahme einer Vereinigung auf die Terrorliste kann von den Betroffenen rechtlich angefochten werden. Einige EU-Vertreter dürften eine erfolgreiche Klage als politische Peinlichkeit betrachten, die es zu vermeiden gilt.
    Der Iran hat in der Vergangenheit der EU immer wieder mit Konsequenzen gedroht, falls die Revolutionsgarde auf die Terrorliste käme. Zwar ist unklar, wie genau die Konsequenzen aussehen könnten.
    An einem Treffen im iranischen Parlament, an dem auch der Kommandeur der Revolutionsgarde, Hussein Salami, teilnahm, war jedoch schon früher die Rede davon, ausländische Öltanker am Persischen Golf festzusetzen oder sogar die Straße von Hormus zu blockieren, die zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman liegt. Die Passage zählt zu den wichtigsten Schifffahrtsrouten weltweit, über die zahlreiche Öltransporte laufen.

    Jan-Martin Altgeld