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Geschichte Zweiter Weltkrieg

Beim Sturm auf Rom führte das Zögern eines Generals ins Desaster

Der Versuch der Alliierten, Truppen im Rücken der deutschen Verteidiger von Monte Cassino zu landen, begann 1944 vielversprechend. Doch das Zögern eines US-Generals mündete in eine Katastrophe.
Schlacht von Anzio Schlacht von Anzio
Ein britischer Sherman rollt nordwestlich von Anzio an den Strand
Quelle: IWM / Wikimedia / Public Domain

Militärische Operationen fordern immer Opfer; mal weniger, mal mehr, mal unerträglich viele. Ungeheuer erleichtert war der Oberbefehlshaber der alliierten Kräfte im Mittelmeer, General Harold Alexander, als er am Morgen des 23. Januar 1944 die Bilanz des ersten Tages der Operation „Shingle“ gemeldet bekam: 13 eigene Gefallene und 97 Verwundete. 110 Mann Verlust bei insgesamt 36.000 eingesetzten Soldaten – ein Drittel Prozent also. Für eine Invasion in feindlich besetztem Gebiet ungewöhnlich niedrig.

Was hatten Kritiker des Plans nicht vorher alles befürchtet! Die Landung im Rücken der deutschen Verteidigungsstellung bei Monte Cassino könnte sich zum „zweiten Gallipoli“ entwickeln, notierte der US-General John P. Lucas. Das war ein heftiger Vorwurf, denn die Katastrophe von Gallipoli 1915 hatte mehr als 50.000 britische, australische und neuseeländische Soldaten das Leben gekostet. Und die Invasion war die Idee von Winston Churchill gewesen, nun britischer Premierminister. Und wer drängte im Januar 1944 auf eine Landung in Mittelitalien? Der britische Generalstab!

Lucas setzte sich mit seinen Bedenken nicht durch. Am 12. Januar 1944 war die Landung an der Küste der eigentlich trockengelegten, aber von deutschen Truppen durch Zerstörung der Entwässerungsanlagen wieder versumpften Pontinischen Ebene etwa 40 Kilometer südöstlich von Rom beschlossen worden, zehn Tage später lief die Operation an.

Völlig problemlos landeten am 22. Januar 1944 zwei alliierte Divisionen in Mittelitalien
Quelle: IWM / Wikimedia / Public Domain

Doch es gab nur genügend Schiffe und Landungsboote, um innerhalb eines Tages zwei Divisionen, dazu einige Regimenter Spezialkräfte und knapp 3200 Fahrzeuge zuzusetzen. Nicht viel für eine Offensive. Lucas war trotz seines Widerwillens gegen den Plan der verantwortliche General, denn ihm unterstanden die amerikanische Dritte und die britische Erste Infanteriedivision, außerdem kleinere Einheiten der Fallschirmjäger, der US Rangers und der britischen Commandos.

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Wider Erwarten gelang es, diese Einheiten am 22. Januar 1944 nahezu ohne Gegenwehr an zwei Stränden zu landen, zwischen denen die Küstenstädte Anzio und Nettuno lagen. Die Briten waren für den nordwestlichen Teil der Operation zuständig, die Amerikaner für die Eroberung des Hafens von Anzio, für Nettuno und die angrenzenden Strände – den südöstlichen Teil.

Bis Sonnenuntergang drang die US-Division etwa fünf Kilometer ins Landesinnere vor, die Briten kamen etwa drei Kilometer weit. Ein „Spaziergang nach Rom“ schien bevorzustehen – deutsche Soldaten begegneten den Briten und Amerikanern fast nur als Kriegsgefangene. Kein Vergleich zu den erbitterten Kämpfen, die sie den Alliierten zuletzt zum Beispiel im Adriastädtchen Ortona geliefert hatten.

Rund 400 Kriegsgefangene machten die Alliierten am ersten Tag der Landung
Quelle: IWM / Wikimedia / Public Domain

Doch John P. Lucas traute seinem eigenen Erfolg nicht. Er fürchtete, in eine Falle zu laufen, wenn er (wie von seinem Vorgesetzten Harold Alexander verlangt) sofort weiter Richtung Albaner Berge vorgestoßen wäre. Dieses kleine Vulkangebirge südöstlich von Rom versperrte den direkten Weg in die Ewige Stadt. Eine Strecke von knapp 40 Kilometern – für eine Division in Bewegung binnen eines Tages gerade so zu schaffen.

Der 54-Jährige war bekanntermaßen ein bedächtiger General. Kein Haudegen wie sein Freund George S. Patton. Sondern ein Zögerer, ein umsichtiger Planer, der lieber einmal zurücksteckte, als seine Soldaten und sich selbst in Gefahr zu bringen. Kein Zufall, dass seine Spitznamen bei der Dritten US-Division „Alter Lucas“ und „Listiger Opa“ lauteten.

Die Deutschen leisteten kaum Widerstand

Dennoch war sein Zögern am 22. Januar 1944 wohl falsch. Denn ein forscher Kommandeur hätte die Operation „Shingle“ mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem spektakulären Sieg gemacht. Lucas’ Zurückhaltung führte hingegen zu heftigen Kämpfen, Zeitverzug und schweren Verlusten. Aber sicher wissen konnte man das vorher nicht.

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Die Landung bei Anzio und Nettuno war nämlich nur aus einem einzigen Grund so widerstandslos abgelaufen: Der deutsche Oberbefehlshaber in Italien, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, hatte seine bei Anzio stationierten zwei Reservedivisionen abgezogen und als Verstärkung Richtung Monte Cassino verlegen lassen: Es gab fast keine deutschen Kräfte, die Widerstand hätten leisten können.

Ein Offizier weist bei Anzio einen Scharfschützen der britischen Kommandos in seine Aufgabe ein
Quelle: IWM / Wikimedia / Public Domain

Doch nun, noch am Vormittag des 22. Januar 1944, wurden die motorisierten Verbände mehrerer deutscher Divisionen in Marsch gesetzt, um den alliierten Brückenkopf abzuriegeln. Bis zum Morgen des 23. Januar 1944 stand eine geschlossene, wenn auch noch dünne Abwehrfront zwischen der Küste und den Albaner Bergen, die in den folgenden 48 Stunden kontinuierlich verstärkt wurde.

Spätestens am Abend des 25. Januar war die Verteidigungslinie voll kampfbereit. Generaloberst Eberhard von Mackensen übernahm das Kommando über die etwas zusammengewürfelte, aber gut erholte und relativ gut ausgerüstete deutsche Streitmacht. Außerdem griffen deutsche Flieger alliierte Schiffe vor Anzio mit den ersten gelenkten Gleitbomben an.

400 amerikanische Gefangene zogen durch Rom

Lucas hatte, statt vorzustoßen, weitere Truppen in den Brückenkopf verlegen lassen, in fast noch einmal der gleichen Stärke wie am ersten Tag. Am 28. Januar befanden sich 69.000 Soldaten, 237 Panzer, 508 Geschütze und 25.000 Tonnen Nachschub aller Art an Land. Jetzt erst begann der „listige Opa“ mit dem Angriff, den General Alexander schon für den 23. oder spätestens 24. Januar verlangt hatte.

Die britische Erste Division stieß bis Campoleone vor, ungefähr auf halbem Weg zwischen Anzio und den Albaner Bergen, dann wurde ihre Offensive aufgehalten. Doch der Vorstoß der Amerikaner wurde zur Katastrophe: Zwei Bataillone US Rangers wurden praktisch aufgerieben. Schlimmer noch: Die Dritte Infanteriedivision blieb in den Außenbezirken ihres ersten Ziels Cisterna stecken und verlor 5500 Mann. Fast 400 Mann gerieten in Gefangenschaft und mussten vor deutschen Kameras geschlagen durch Rom marschieren.

Rund 400 Mann alliierte Spezialkräfte gingen Ende Januar 1944 nördlich von Anzio in Kriegsgefangenschaft und mussten durch Rom marschieren
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Alexander und Lucas’ direkter Vorgesetzter, General Mark W. Clark, befahlen, die Ausbruchsversuche aus dem Brückenkopf einzustellen und sich hinter Stacheldraht und Minen einzugraben. Aus entschlüsselten deutschen Funksprüchen wussten beide, dass Mackensen einen Gegenschlag vorbereitete, um die Briten und Amerikaner ins Meer zurückzutreiben oder zur Kapitulation zu zwingen. Das hätte die Vorbereitungen einer Invasion in Frankreich weit zurückgeworfen, wenn nicht gar auf das Jahr 1945 vertagt.

Nachdem Lucas bis Mitte Februar 1944 die Verteidigungsstellung seines VI. Korps organisiert hatte, ersetzte Alexander ihn deshalb durch den kämpferischen Lucian K. Truscott, Kommandeur der Dritten US-Division. Der abgesetzte General hatte wohl geahnt, was ihm passieren würde: „Sie werden mich mit unzulänglichen Kräften an Land gehen lassen, und ich werde dort die größten Schwierigkeiten bekommen“, schrieb er schon vor der Landung in sein Tagebuch: „Und wer wird dann die Verantwortung tragen?“

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