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  4. Aussortieren: „Wohin mit all meiner schönen Kleidung? Ich kann mich schlecht trennen“

Mode Leserfrage

„Wohin mit all meiner schönen Kleidung?“

Redakteurin LIFESTYLE
Alte Kleidung lohnt einen zweiten Blick Alte Kleidung lohnt einen zweiten Blick
Alte Kleidung lohnt einen zweiten Blick
Quelle: Unsplash/Tobias van Schneider
Über die Jahrzehnte hat sich bei einer Leserin die Kleidung angesammelt. Sie kann sich nur schwer davon trennen, für das Sozialkaufhaus sind die hochwertigen Stücke zu schade. Wie also sortiert man so aus, dass man es am Ende nicht bereut? Und wo die Sachen am besten hingeben?

Ich habe so viel schöne Kleidung, bin modisch sehr interessiert und habe fünf Kilo abgenommen, sodass mir die alten Sachen zusätzlich wieder gut passen. Wenn ich mir neue Outfits kaufe, finde ich zu Hause ähnliche in meinen Schränken. Ich bin 71 Jahre alt, habe alle Trends mindestens ein- bis zweimal miterlebt, und meine Vorbilder, Iris Apfel und Karl Lagerfeld, leben nicht mehr. Ich kann mich von meinen Sachen nur sehr schwer trennen und im Sozialkaufhaus sind sie fehl am Platz. Was raten Sie mir? - Isabella S.

Ich glaube, wie Ihnen geht es gerade vielen Menschen. Durch Fast Fashion und das sich immer schneller drehende Modekarussell hat sich Kleidung angehäuft und niemand weiß mehr, wohin damit. In zunehmend kleinen Stadtwohnungen kann sich das schnell zum Problem entwickeln. Aber auch wer Platz hat, will nicht inmitten von Kleiderbergen leben, die Motten anziehen, verstauben und immer unübersichtlicher werden. Ich kann trotzdem nachvollziehen, dass es Ihnen schwerfällt, sich von der Kleidung zu trennen.

Wie wäre es denn zunächst mit einer Inventur im Kleiderschrank? Ohnehin kann es nicht schaden, sich mit den Stücken, die man liebt, in Abständen gründlich auseinanderzusetzen. Inventur hört sich trocken an, aber wer eine Leidenschaft für seine Garderobe hegt, zelebriert das Aussortieren und wird viel Vergnügen daran haben, alles gründlich zu evaluieren, anzuprobieren und neu zu kombinieren.

Ein Prinzip, dem man dabei Folge leisten kann, ist das der Capsule Wardrobe. Der Grundstock besteht hier aus „Kleiderschrank-Heroes“. Damit sind nicht zwangsläufig Basics oder Klassiker gemeint, sondern verlässliche Teile, die man immer wieder gerne trägt und die sich gut kombinieren lassen: Kaschmirpullover, Lieblingsjeans, ein weißes T-Shirt oder ein dunkelblaues Sakko. Darauf baut man dann mit ausgewählten Stücken auf. Zum einen mit solchen für besondere Anlässe, also zum Beispiel Abendkleidern oder Partytops. Zum anderen mit wenigen neuen, eher saisonalen Teilen. Ziel der Capsule Wardrobe ist ein nachhaltiger Konsum, keine Askese.

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Sie schildern nun, dass Sie viele Stücke besitzen, die mal angesagt waren und es nun wieder sind. Offensichtlich handelt es sich zudem um qualitativ hochwertige, vielleicht sogar Designerinvestitionen. Sie dürften also über ein beeindruckendes Vintage-Archiv verfügen, das Ihnen inzwischen praktischerweise auch wieder passt. Normalerweise wird Kleidung weggegeben, weil das nicht mehr der Fall ist.

Dieses Archiv lohnt einen zweiten Blick. Insbesondere die hochwertigen Stücke sind interessant, weil die Schnitte und Silhouetten viel durchdachter als bei Trendteilen sind – und deshalb nicht wirklich aus der Zeit fallen können. Sie überdauern Moden. Heißt: Selbst ein Designerkleid aus den 80ern, das vielleicht verstärkte Schultern oder sogar einen signifikanten Farbton hat, wird auf Langlebigkeit hin entworfen worden sein. Anders als das Äquivalent vom günstigen Anbieter, der vom Laufsteg kopiert hat und möglicherweise Silhouetten überzeichnet oder Farben übergrellt hat, um einen spontanen Kaufimpuls auszulösen.

Und selbst wenn man dem Teil seinen 80er-Einfluss ansieht – sind Sie damit up to date. Anders als noch vor ein paar Jahren hat sich Vintage als ernsthafte Modesparte entwickelt und das Schmuddelimage abgelegt. Manche Teile aus speziellen Designeräras, als Jil Sander ihre Marke noch selbst gehörte, als Phoebe Philo unter Céline oder Tom Ford unter Gucci entwarf, erzielen inzwischen Höchstpreise auf Vintage-Plattformen, die zum Teil den Neupreis übersteigen. Der Kreativdirektor von Balenciaga hat gerade ein Kleid für den roten Teppich bei den Oscars aus drei gebrauchten Couture-Kleidern geschneidert, die er bei Ebay gekauft hat.

Wer sich informiert, wie Sie Bescheid weiß, aber letztlich auch dem eigenen Instinkt folgt, die gut sitzenden Teile behält, weitsichtig hortet und Qualität als Maßstab setzt, kann so wahre Schätze bei Inventuren ausmachen und läuft nicht Gefahr, etwas leichtsinnig wegzugeben.

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Stört man sich an einem Detail, kann man beim Änderungsschneider veraltete Silhouetten anpassen lassen oder man entfernt die Schulterpolster oder tauscht selbst Knöpfe aus – und erfreut sich so an einem fast neuen Teil.

Der Rest kann weg. Meist sind das all die Impulskäufe, die man aus Launen heraus gekauft hat, was eben auch gelegentlich sein muss. Sie könnten einen Flohmarkt mit der Familie oder Freunden veranstalten – auch den kann man mit einer Flasche Champagner und Musik zelebrieren. Hier findet ein Austausch mit Gleichgesinnten statt und einer sympathischen 15-Jährigen überlässt man die Baguette-Bag aus den 90ern gerne zum fairen Preis. Ebenso landen die Stücke über Plattformen wie Vinted oder Ebay wieder im Kreislauf, bei Vestiaire Collective wird ausschließlich Designerkleidung verkauft. Und so verdient sich auch noch Geld beim feierlichen Aussortieren.

Haben Sie auch eine Frage rund um Ihre Garderobe, einen Stil, Trend oder ein bestimmtes Kleidungsstück? Was fragen Sie sich regelmäßig, wenn Sie zwischen Schrank und Spiegel stehen? Schicken Sie mir doch einfach eine Mail an [email protected]. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften!

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