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  3. Kunst: Ausstellung zum 100. Geburtstag – Der bescheidene Realist Antoni Tàpies

Kultur Antoni Tàpies

Der bescheidene Realist

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Der spanische Künstler Antoni Tàpies (1923–2012) Der spanische Künstler Antoni Tàpies (1923–2012)
Der spanische Künstler Antoni Tàpies (1923–2012)
Quelle: picture alliance/Heritage-Images
Seine anarchisch-experimentelle Malerei ist etwas aus der Mode gekommen. Aber zum 100. Geburtstag von Antoni Tàpies zeigt eine Werkschau, wie er die abstrakte Kunst in Spanien mitbegründet und auch politisch Stellung bezogen hat.
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Am Anfang war das Abbild. Immer wieder ist man in einer Retrospektive überrascht, wie brav, banal oder einfach eben nur völlig unerwartet anders das Frühwerk berühmter abstrakter Künstler sich präsentiert. Vor allem bei den zu Beginn des 20. Jahrhunderts geborenen Malern, die noch umgeben waren von Figurativem, von dem sich nur langsam in seiner Form Auflösenden.

Und so waren, wie etwa bei Mark Rothkos großer Ausstellung in der Pariser Fondation Louis Vuitton, erst einmal Blumenstillleben, naive Panoramen oder Stilexperimente zu durchwandern, bis die berühmten, monochrom leuchtenden, heute fast unbezahlbaren Farbflächen sie ablösten. Und das ist bei der bisher größten Retrospektive über das Werk eines der großen Abstrakten Spaniens, Antoni Tàpies (1923–2012), nicht anders.

Auch da gibt es Dalíeskes, Miró-Ähnliches und Max-Ernstes, dazu genau gemalte wie sich befragende Selbstbildnisse, surreale Stillleben und dauernd wieder neu ansetzende stilistische Experimente – bis sich ab den 1950er-Jahren ein erkennbarer Tàpies-Look herausbildet: roh, mit den Leinwänden wie anderen Maluntergründen arbeitend, meist beige, braun, weiß gehalten, unterschwellig politisch gegen den Franquismus oder offen gesellschaftskritisch.

Das Wesen der Malerei

In seinen jungen Jahren war Tàpies schwer krank, die Zeit nutzte er, sich anderen anzunähern und sich von ihnen wieder abzusetzen, das Wesen der Malerei zu überprüfen, durch akribische Pinselführung wie totale Freiheit, durch den Blick in den Spiegel wie die Welt. 1948 ist er Mitbegründer der für die Kunst Spaniens bedeutenden katalanischen Avantgardegruppe Dau al Set und der gleichnamigen Zeitschrift.

Magisches und Fantastisches hinterlässt seine Spuren. Dann wurde das alles symbolisch weggeworfen und relativ schnell kam der wahre Antoni Tàpies hervor, der sich trotzdem weiterentwickelte, häutete, neue Methoden, wie etwa die lichte Malerei mit Firnis ausprobierte.

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„Die Praxis der Kunst“ heißt die aus Brüssel kommende, gerade im Museo Reina Sofía in Madrid gezeigte, dann nach Barcelona in die eigene Stiftung weiterwandernde Schau, es ist die größte Tàpies-Retrospektive bisher. Zu sehen sind 200 Werke, die in Serien wie Selbstporträts, surrealistische Werke und Materie-Gemälde unterteilt sind.

Ihr Titel bezieht sich auf die erste Zusammenstellung seiner Schriften, die 1970 veröffentlicht wurde. So gibt die Schau einen exzellenten Überblick über das Schaffen des in Barcelona geborenen Künstlers, der mit den Ausdruckseigenschaften von Materie und Sprache experimentierte, ohne jemals aufzuhören, über die Darstellung und die Malerei selbst nachzudenken.

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Schon früh spielt er, da bleibt er sich treu, mit der Geometrie, mit selbstreferenziellen Symbolen und Kalligrafien, er verletzt die Leinwand durch Perforationen, Abdrücke und Einschnitte, formt sie schichtweise zu Landschaften und mit Stoff, Stroh, Erde zum dynamischen Raum. Häufig thematisiert er die fluide Mehrdeutigkeit des Körpers wie der Sexualität.

Gerade diese strengen, formbewussten und trotzdem ein mediterranes Flair ausstrahlenden Tàpies-Großformate wirken in den nüchternen, zellenartigen White Cubes des ehemaligen Krankenhauses, in dem das Museum beheimatet ist, besonders nachdrücklich. Während ein Stockwerk tiefer die instagrammenden Massen sich vor Picassos gemaltem „Guernica“-Fanal drängen, herrscht hier Weitläufigkeit, Stille, dabei aber Gespanntheit und eine trotzdem irisierende Atmosphäre.

Antoni Tàpies, „Komposition“, 1947
Quelle: Colección MACBA. Depósito de la Generalitat de Cataluña
Antoni Tàpies, „Prajna=Dhyana“, 1993
Quelle: Colección Peter y Elisabetta Mallinson/© FotoGasull
Antoni Tàpies, „Kreuz und R“, 1975
Quelle: Cortesía de Fundación Telefónica
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Die scheinbar so minimalistischen, aber extrem eigenwilligen Bilder tragen sie in sich. Und stützen, ergänzen, verstärken einander gerade durch ein fortschreitendes Biografie-Narrativ. Material, Steinpulver, Holz, Gebrauchtes, Weggeworfenes als mal zufällig gefundenes, mal bewusst ausgewähltes Objekt und Bedeutungsträger: Immer stärker wirkt sich hierbei die Zeit aus, denn die verändert die offene, ungeschützte Bildoberflächen; Material verfärbt sich, altert, zerfällt – die Degradation als Teil des künstlerischen Prozesses.

Je berühmter Antoni Tàpies wurde, desto strenger, rigider geht er mit sich selbst um. Immer weniger erscheint auf immer größeren, scheinbar sorglos skizzierten Bildern, er arbeitet aber auch in Serien, auf Karton und Papier, kann die große Geste wie die zarte Andeutung, die ihn noch enger an den Wesensgrund seines Künstlerseins bringt, wie er sagt. In den 1970ern, der Diktator Franco tritt einfach nicht ab, nimmt Tàpies’ Schaffen noch einmal an Schärfe zu.

Antoni Tàpies, der Dualist

Das Bild „A la memòria de Salvador Puig Antich“ von 1974 wirkt wie eine Apotheose an den vom Regime hingerichteten Anarchisten: „Die soziale und politische Situation in meinem Land hat sich immer auf meine Arbeit ausgewirkt. Ich denke, das hat damit zu tun, dass ich das Konzept der Kunst um der Kunst willen nicht für gültig halte.“ Immer betont er auch den eigenen Dualismus als Spanier wie Katalane.

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In seinem Spätwerk wird Tàpies ruhiger, melancholischer, aber nicht weniger intensiv. Zufall und Unvorhersehbarkeit sind erlaubt, er spielt mit Transparenz, Unordnung, Flecken und Formlosigkeit. Es verschmilzt fast figurative Formen, die dann in asiatisch anmutenden Abstraktionen von beunruhigender Zweideutigkeit aufgelöst werden. Das Vergehen der Zeit ist in diesen Alterswerken noch stärker erlebbar. Sie sind flüchtige Ausdrucksformen als Teil eines visuellen Gedächtnisses, sie sind von faszinierender Unbestimmtheit zwischen Konkretem und seiner Auflösung.

Und sie erinnern nachdrücklich – wie die gesamte Retrospektive – an einen großen, alten, wichtigen, im Zug der aufwühlend aktuellen, auch aktivistischen Kunstdiskurse wohl etwas aus der Mode gekommenen Vertreter der männlichen Moderne, der zu den Begründern nicht nur der spanischen Abstraktion gehört. Er selbst freilich sah sich als bescheidenen Realisten.

„Antoni Tàpies: Die Praxis der Kunst“, bis zum 24. Juni 2024 im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid; vom 20. Juli 2024 bis zum 12. Januar 2025 in der Fundació Antoni Tàpies in Barcelona

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